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Verfassungsschutzbericht 2014: Was fehlt im Bericht (I)?

Ori­en­tiert man sich beim Rechts­extre­mis­mus am Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2014, dann war das bedeu­tends­te Ereig­nis im Jahr 2013 die Ent­tar­nung des „Reichs­trun­ken­bol­des“ Phil­ip T.. Im Juni 2013 wur­de er- so der Bericht – vom BVT ent­tarnt und fest­ge­nom­men. War da nicht noch was? Stre­cken­wei­se liest sich der Fach­bei­trag über „rechts­extre­mis­ti­sche Indok­tri­nie­rung am Bei­spiel ein­schlä­gi­ger Musik“ (p. 63 ff.) […]

27. Aug 2014

Stre­cken­wei­se liest sich der Fach­bei­trag über „rechts­extre­mis­ti­sche Indok­tri­nie­rung am Bei­spiel ein­schlä­gi­ger Musik“ (p. 63 ff.) ja durch­aus inter­es­sant, obwohl sich der Ver­fas­sungs­schutz bezeich­nen­der­wei­se bei öster­rei­chi­schen Bands und Solis­tIn­nen dis­kret aus­schweigt – sie kom­men ein­fach nicht vor! Dafür brüs­tet sich der Ver­fas­sungs­schutz damit, dass „in Öster­reich das öffent­lich abge­hal­te­ne rechts­extre­me Kon­zert­ge­sche­hen von den Sicher­heits­be­hör­den nach Maß­ga­be recht­li­cher Mög­lich­kei­ten suk­zes­si­ve immer mehr unter­bun­den wer­den konn­te“.


„Objekt 21”
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Das haben wir anders in Erin­ne­rung: vor allem die diver­sen Kon­zer­te und „Bal­la­den­aben­de“ im Umfeld von Objekt 21, aber auch das Open Air „Cast­le Inva­si­on‘ 2012 in Mining zeig­ten nicht unbe­dingt einen in der Sache ori­en­tier­ten und enga­gier­ten Ver­fas­sungs­schutz. Und der „Reichs­trun­ken­bold“ ali­as Phil­ip T., dem ein Gut­teil des Fach­be­richts gewid­met ist, war den Sicher­heits­be­hör­den schon eini­ge Zeit vor dem Juni 2013 als fes­ter Nazi und fah­ren­der Händ­ler von NS- Devo­tio­na­li­en bekannt. Im Zuge der Ermitt­lun­gen zu Objekt 21, die im Jän­ner 2013 zur Fest­nah­me von etli­chen Neo­na­zis führ­ten, war sein Klar­na­me und auch sei­ne Akti­vi­tä­ten im Umfeld von Objekt 21 etli­che Male genannt worden.

Womit wir bei dem wären, was im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt auf­fäl­lig fehlt: das Neo­na­zi-Netz­werk von Objekt 21! Immer­hin han­delt es sich um die größ­te neo­na­zis­ti­sche und kri­mi­nel­le Grup­pe der letz­ten Jahr­zehn­te in Öster­reich auch nach poli­zei­li­chen Kri­te­ri­en: Zahl der Neo­na­zi-Akti­vis­tIn­nen (meh­re­re Dut­zend) und Ver­eins­mit­glie­der (rund 200), Zahl der Straf­ta­ten (meh­re­re Brand­an­schlä­ge, Dut­zen­de Ein­bruchs­dieb­stäh­le, Raub, Kör­per­ver­let­zung, Waf­fen und Sucht­gift­de­lik­te usw.).

War­um es meh­re­re Jah­re dau­er­te, bis die kri­mi­nel­le Struk­tur des Neo­na­zi-Netz­wer­kes durch die Ver­haf­tun­gen Anfang 2013 zer­schla­gen wer­den konn­te, war­um die Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz nicht schon viel frü­her zu Ankla­gen und Urtei­len wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung geführt haben – dar­über und über die — nach wie vor exis­ten­ten — Ver­bin­dun­gen zum Unter­stüt­zer­kreis des NSU in Thü­rin­gen hät­ten wir ger­ne etwas gele­sen im aktu­el­len Verfassungsschutzbericht.


Stolz und blöd. Soli­da­ri­tät für Küssel
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Das Objekt 21 ist nicht das ein­zi­ge neo­na­zis­ti­sche Pro­jekt, das im Jahr 2013 eine Rol­le spiel­te, aber im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt igno­riert wird. Im Herbst 2013 ging das Nach­fol­ge­pro­jekt von alpen-donau.info, die Neo­na­zi-Home­page „stol­zund­frei“ off­line. Im Dezem­ber 2011 hat­te der Ver­fas­sungs­schutz dazu einen Anfalls­be­richt an die Staats­an­walt­schaft erstellt und Anzei­ge wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­het­zung erstat­tet. Seit die­sem Zeit­punkt ist in den Medi­en nur mehr davon die Rede, dass der Ver­fas­sungs­schutz ermittle….

Ähn­lich die Sache bei „kreuz.net“. Die rechts­extre­me Hetz­sei­te mit schwer anti­se­mi­ti­schen und homo­pho­ben Bei­trä­gen ver­schwand im Dezem­ber 2012 aus dem Netz. Vie­le Indi­zi­en, aber auch Ermitt­lungs­er­geb­nis­se deu­te­ten auf öster­rei­chi­sche Betei­li­gung. Eines der Nach­fol­ge­pro­jek­te, das seit Anfang 2013 aktiv ist (kreuz-net.at), wird von einem Öster­rei­cher betrie­ben.


kreuz-net.at
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Auch “Gloria.tv“, das seit 2013 aus Öster­reich betrie­ben wird, zeich­net sich immer wie­der durch Het­ze aus. Die „Süd­deut­sche Zei­tung“ schreibt dazu:

„In sei­ner Vor­ge­hens­wei­se erin­nert es immer häu­fi­ger an die Platt­form kreuz.net, die von den anony­men Urhe­bern Anfang Dezem­ber abge­schal­tet wur­de. Es ver­öf­fent­licht sinn­ent­stell­te Zita­te und fei­ert homo­pho­be Netz­ak­ti­vis­ten mit anti­se­mi­ti­schen Ten­den­zen“.

Im Bericht des Ver­fas­sungs­schut­zes für das Jahr 2013 fehlt jeder Hin­weis auf vor­geb­lich katho­li­sche Hass-Sei­ten wie kreuz.net, kreuz-net.at und gloria.tv.

Auch ande­re Hetz-Sei­ten wie „sosheimat.wordpress.com“, spe­zia­li­siert auf Het­ze gegen Mus­li­me und Tür­ken, das 2013 sei­nen üblen Geist aus­hauch­te, fin­den kei­ne Erwäh­nung im Verfassungsschutzbericht.

Ein Bericht, der mehr ver­schweigt als berich­tet? Da fällt uns noch eini­ges dazu ein! Fort­set­zung folgt