Österreichweite Nazi-Razzien
Bez. Spittal an der Drau/K: Geburtstagsgrüße an den Führer und Hakenkreuz-Mosaik im Keller
Wien-Leopoldstadt: Hitlergruß
Wien: Anzeigen und Festnahme nach Wolfsgrüßen
Pinzgau/Sbg: Rassistische Sticker an Schulen aufgetaucht
Wien-Hietzing: Antisemitische und NS-Schmiererei
St. Kanzian/K: Ortstafelschmiererei
Österreichisches Bundesheer I: Keine Konsequenzen für Reinhard und Robert
Österreichisches Bundesheer II: Rausschmiss für Karim
Graz: Burschenschafter grölen rassistische Parolen
Villach/K: Pennale Burschis werben dümmlich sexistisch
Eichkögl/Steiermark: Identitäre Schwurbelgedenkstätte
Graz: BanHate verzeichnet Rekord an Hass-Postings
Wien-Halle/D: Anklage für Kubitschek-Sohn
Österreichweite Nazi-Razzien
Seit einigen Jahren ist es ein wiederkehrendes Ereignis: eine von der DSN koordinierte als „Joint Action Day“ titulierte österreichweite Razzia gegen Neonazis. Abgesehen von einer Meldung, dass die Aktion durchgeführt wurde, ist später in der Regel nichts mehr über Hintergründe und Zusammenhänge zu hören.
Heuer fanden die jährlichen Hausdurchsuchungen am 27. Juni in allen Bundesländern außer Salzburg statt. „Insgesamt wurden 15 Personen im Alter zwischen 16 und 57 zur Anzeige gebracht, größtenteils nach dem Verbotsgesetz“, berichtet die APA am 2. Juli 24. Das „Volksblatt“ (2.7.24) weiß, dass vier davon aus Oberösterreich sind. Festgenommen wurde nur eine Person in Vorarlberg, die aber, so die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“ vom 3.7.24, unabhängig von der bundesweiten Polizeiaktion gewesen sei. Bei den Hausdurchsuchungen wurden NS-Devotionalien und Datenträger sichergestellt.
„Ziel war es, rechtsextreme Strukturen zu zerschlagen. Bei den Angezeigten handelt es sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich, um Männer.“ (APA) Welche Strukturen zerschlagen worden sein sollen, bleibt aber rätselhaft. „Stoppt die Rechten“ könnte für die nächsten Ziele von Razzien einige Tipps beisteuern.
Ein anonymer Hinweis führte zu einer Hausdurchsuchung bei einem 44-jährigen Mann aus dem Lieser-Maltatal, Kärnten. Der Mann stand bereits seit Wochen unter Verdacht, gegen das Verbotsgesetz zu verstoßen, da er auf seinem Facebook-Account mehrfach nationalsozialistisches Gedankengut, einschließlich einer Geburtstagsgratulation an Hitler, gepostet hatte.
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ordnete daraufhin eine Hausdurchsuchung an, bei der die Polizei ein 70 mal 70 Zentimeter großes Hakenkreuzmosaik an einer Theke im Heizraum des Mannes entdeckte. Zudem wurden mehrere Speicherkarten, elektronische Geräte, eine geringe Menge Marihuana und verbotene pyrotechnische Knallkörper beschlagnahmt. Die Datenträger werden nun vom Landeskriminalamt ausgewertet, und der Mann wird nach dem Verbotsgesetz angezeigt.
Der Kärntner „sagte, das alles sei eine dumme Idee gewesen und er hätte keine tieferen Gedanken zu seinem Tun gehabt“ (kleinezeitung.at, 30.7.24). Da wird ihm bis zum Prozess Besseres für seine Verteidigung einfallen müssen.
Am 6. Juli 2024 kam es in der Engerthstraße in der Wiener Leopoldstadt zu einem Vorfall, bei dem ein Taxilenker und seine zwei offensichtlich alkoholisierten Fahrgäste in einen lautstarken Streit gerieten, was Passanten dazu veranlasste, die Polizei zu rufen.
Die beiden Männer, 30 und 31 Jahre alt, verhielten sich aggressiv und beschimpften die eintreffenden Beamten. Nachdem sie über Anzeigen wegen Anstandsverletzung und Lärmerregung informiert wurden, entfernten sie sich zunächst. Kurz darauf drehte sich der 31-Jährige um, zeigte den Hitlergruß und rief „Sieg Heil“. Die Polizisten nahmen ihn sofort fest, doch der Mann bestritt später den Vorwurf. (Quelle: LPD Wien via vienna.at, 7.7.24)
Wien: Anzeigen und Festnahme nach Wolfsgrüßen
Nachdem die türkische Fußballmannschaft bei der EM 2024 am 6.7. gegen die Niederlande mit 1:2 ausgeschieden war, gab es in Wien mehrere Anzeigen und eine Festnahme wegen Zeigens des verbotenen Wolfsgrußes, berichtete orf.at am 7.7.24: „In Favoriten fiel ein Mann mit aggressivem Verhalten auf. Er soll laut Polizei auch den Wolfsgruß gezeigt haben. Er wurde festgenommen. In der Fanzone im Prater wurden drei Personen wegen des Zeigens des Wolfsgrußes angezeigt.“
Der Wolfsgruß ist das Handzeichen der neofaschistischen „Grauen Wölfe“ und ist wie auch das Symbol der „Grauen Wölfe“ seit 2019 in Österreich verboten.
Pinzgau/Sbg: Rassistische Sticker an Schulen aufgetaucht
An mehreren Schulen im Pinzgau sind in den letzten Monaten Sticker mit eindeutig rassistischen und verhetzenden Parolen aufgetaucht: „Konkret werden auf den Aufklebern schwarze Menschen dazu aufgefordert, den Pinzgau zu verlassen, wie die NEOS in einer Aussendung berichten.“ (salzburg24.at, 2.7.24) Der Salzburger ORF benannte eine Schule in Lofer, an der solche Sticker gefunden wurden. Die Staatsanwaltschaft prüft, „ob es ausreichende Verdachtsmomente für weitere Ermittlungen gibt“ (salzburg.orf.at). Warum sollte das nicht der Fall sein?
Wien-Hietzing: Antisemitische und NS-Schmiererei
Die Antisemitismus-Meldestelle der IKG berichtete auf X am 19.7. über eine antisemitische Schmiererei und ein Hakenkreuz auf einer Mauer in Wien-Hietzing: „Behörden wurden verständigt, die für die Entfernung verantwortlichen Stellen informiert“
Wien, 13. Bezirk: Meldung antisemitischer Beschmierungen. Behörden wurden verständigt, die für die Entfernung verantwortlichen Stellen informiert#antisemitismus pic.twitter.com/Vg4H85tg7N
— Antisemitismus-Meldestelle der IKG (@AMeldestelle) July 19, 2024
St. Kanzian/K: Ortstafelschmiererei
In der Gemeinde St. Kanzian wurden – wieder einmal! – zweisprachige Ortstafeln beschmiert, berichtete die „Kleine Zeitung“ am 22.7.: „Übermalt wurde der slowenische Name der Ortschaft Lauchenholz/Gluhi les, einige Tage davor wurde auch eine zweisprachige Ortstafel in St. Primus/Šentprimož überklebt. Der Polizei liegt eine Anzeige bereits vor.“
Österreichisches Bundesheer I: Keine Konsequenzen für Reinhard und Robert
Wie der „Standard“ (12.7.24) in Erfahrung brachte, gibt es keine Konsequenzen für den blauen AUF- Funktionär und Ex-Militärattaché Reinhard Stradner, dessen rechtsextreme Facebook-Postings „Stoppt die Rechten“ Anfang Mai aufdeckt hatte:
Ermittlungen muss ein kürzlich pensionierter Ex-Militärattaché und Funktionär der blauen Gewerkschaft AUF nicht fürchten: Reinhard Stradner. Wegen Stradners einschlägigen Aktivitäten auf Facebook, die er Anfang Mai im Gespräch mit dem STANDARD als Privatsache abtat, erstattete der frühere grüne Abgeordnete und Initiator der Plattform Stoppt die Rechten, Karl Öllinger, Anzeige wegen Holocaustleugnung. Doch die Staatsanwaltschaft Graz fand trotz zahlreicher gesicherter Postings keinen Anfangsverdacht und leitet erst gar keine Ermittlungen ein.
Auch Robert Brieger, österreichischer General und noch Vorsitzender des EU-Militärausschusses, braucht kaum mehr Konsequenzen für sein zustimmendes Posting auf dem Facebook-Konto eines mutmaßlichen Holocaustleugners zu befürchten. Das Verteidigungsministerium erklärt sich nicht mehr zuständig und in der EU, wo Brieger demnächst planmäßig abgelöst wird, sind Kommission und Rat faktisch auf Tauchstation.
Österreichisches Bundesheer II: Rausschmiss für Karim
Pro-Palästina-Postings auf Insta kosten einem Soldaten des österreichischen Bundesheeres nun den Job: Der 30-jährige Fähnrich – ein Offizier in Ausbildung – wurde Ende Mai nach mehreren Vorfällen, auf die Kameraden die Befehlshaber aufmerksam gemacht hätten, vom Dienst suspendiert. Am Dienstag wurde Karim M. im Zuge einer Eignungs-Feststellungs-Kommission das Vertrauen entzogen, eine Anzeige wegen Verhetzung soll ebenfalls eingebracht werden. (heute.at, 25.7.24)
Konkret soll er eine Karte von Israel ganz in den Palästinenserfarben auf Insta geteilt und damit dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen haben. Der 30-jährige Fähnrich, also Offizier in Ausbildung, erklärte, sich damit nur mit der Bevölkerung im Gaza-Streifen, nicht mit der Hamas solidarisch erklärt haben zu wollen. Das Ministerium will disziplinar- und strafrechtliche Schritte einleiten und den Vertrag des Soldaten nicht verlängern.
Graz: Burschenschafter grölen rassistische Parolen
Der erste Vorfall hat sich im Juni zugetragen, wurde gefilmt und zur Anzeige gebracht: Aus der Bude der akademischen Burschenschaft Arminia in Graz wurden zu Gigi D’Agostino die sattsam bekannten rassistischen Parolen gebrüllt. Gegen sieben Mitglieder der Burschenschaft ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Verhetzung, stellte die aber ein, weil „kein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt“ (kleinezeitung.at, 24.7.24).
Die vorläufige Bilanz des Grölens der rassistischen Parolen zu Gigi D’Agostinos Hit ist durchwachsen: deutsche Ermittlungsbehörden machen die Strafbarkeit vom Kontext abhängig, in Österreich kam es bisher zu keiner einzigen Anklage. Der Kontext wäre aber bei der „Arminia“ eindeutig. Zwei Wochen nach der ersten rassistischen Grölerei dröhnte die nächste aus der Arminia-Bude. Wieder hielten Nachbarn die Szene filmisch fest und informierten die Polizei:
Was die „Nigga“-Rufe in der Julinacht angeht, so prüft die Staatsanwaltschaft noch eine Anzeige gegen unbekannte Täter, „wobei naheliegt, dass es sich um Mitglieder der Burschenschaft handelt“, sagt Groschl. Es werde aber in alle Richtungen ermittelt. Von der Burschenschaft gab es trotz Nachfrage bis zu Redaktionsschluss keine Stellungnahme. (kleinezeitung.at)
Villach/K: Pennale Burschis werben einfältig-sexistisch
Nach der Grazer ist auch eine Kärntner Arminia auffällig geworden. Diesmal war es die pennale Burschenschaft Arminia in Villach, die beim jährlichen Villacher Kirchtag Anfang August üblicherweise durch Biersaufen hervorsticht, heuer aber zusätzlich durch einen Sticker mit der Parole: „Seid rechts, dann klappt es auch mit den Frauen.“ (kleinezeitung.at, 1.8.24) Die Parole ist natürlich keine eigenständige denkerische Leistung der pennalen Arminen, sondern einem Video des rechtsextremen AfD-Politikers Maximilian Krah – Krah hat acht Kinder mit unterschiedlichen Frauen gezeugt – entlehnt, in dem er Datingtipps für „echte Männer“ gibt. Krah ist vor der EU-Wahl wegen seiner verharmlosenden Aussagen über die SS sogar seiner Partei zu unangenehm rechtsextrem geworden.
Villacher Arminen sind vor Jahren wegen der Schändung eines NS-Denkmals aufgefallen. Dass sich ein Jung-Armine – passend zum Sticker – dann auch noch mit einem Riesenpenis ablichten ließ, rundet die heurige Geistesleistung der Villacher Arminen ab.
Passend zu ihrem Sticker mit dem Krah-Zitat „Seid rechts, dann klappt es auch mit den Frauen“ posiert ein Mitglied der #Schülerverbindung pennal conservativen #Burschenschaft Arminia in Villach (#Österreich) mit einem Riesen-Penis. #toxischeMännlichkeit pic.twitter.com/SwJWzezPlg
— korpokritik (@korpokritik) August 2, 2024
Eichkögl/Steiermark: Identitäre Schwurbelgedenkstätte
In der Gemeinde Eichkögl betreiben die Identitären seit 2019 ihren Treffpunkt „Kulturfestung“, wo sie angeblich auch denken. Jetzt gibt es nicht nur neue Bauaktivitäten, sondern als Ergebnis vereinter identitärer Denkleistungen auch eine Gedenkstätte „mit der Aufschrift ‚Zum Gedenken den Todesopfern und gesundheitlich Geschädigten der Coronaimpfung‘ beziehungsweise weiters ‚als Mahnung und Verpflichtung zum Widerstand für die Zukunft‘“ (meinbezirk.at, 24.7.24).
Graz: BanHate verzeichnet Rekord an Hass-Postings
Die steirische Antidiskriminierungs- und Extremismuspräventionsstelle, die 2017 die App „BanHate“ zur unkomplizierten Meldung von Hass-Postings im Netz eingerichtet hat, verzeichnet für das Jahr 2023 so viele Meldungen wie noch nie zuvor: „4.417 an der Zahl. Davon wurden 1.689 verfolgt, der Rest konnte nicht verfolgt werden, weil die Inhalte gelöscht wurden. Ein kleiner Lichtblick für Grabovac: „Die Löschpflicht der Provider durch die EU scheint zu wirken.“ (kleinezeitung.at, 25.7.24)
Wien-Halle/D: Anklage für Kubitschek-Sohn
Es war eine merkwürdige Szene, die sich am 19. November 2023 vor der Universität Wien abspielte. Zu sehen waren der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek und der identitäre Aktivist Martin Sellner, zwischen ihnen rangelte ein weiterer Rechtsextremist mit einem Polizisten. Plötzlich stürmte Kubitscheks Sohn nach vorne und attackierte den am Boden liegenden Rechtsextremen mit einer Flasche am Kopf – offenbar hatte er den Mann für einen Antifaschisten gehalten. (derstandard.at, 2.8.24)
„Stoppt die Rechten“ hat über den Vorfall ausführlich berichtet. Jetzt folgen nach Ermittlungen die ersten strafrechtlichen Konsequenzen in Form eines Strafantrags der Staatsanwaltschaft Halle wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung:
Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Wien gegen Kubitschek und sein Opfer ermittelt. Beiden werden schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, wie aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hervorgeht. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. (derstandard.at, 2.8.24)
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 1): Verbotsgesetz-Prozesse
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 2): Prozesse Verhetzung
il 1): Verbotsgesetz-Prozesse
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 4): Blick über die Grenzen
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 5): FPÖ