Götz Kubitschek, Neofaschist aus Sachsen-Anhalt, hätte am 17. November auf Einladung des „Ring Freiheitlicher Studenten“ (RFS) eigentlich in der Uni Wien vortragen sollen. Nach einer Absage durch die Universität wurde seitens des RFS und der identitären Tarngruppe „Aktion451“ eine Kundgebung vor den Toren der Uni angekündigt, zu der auch Kubitschek selbst aufgerufen hatte.
Er durfte am selben Abend auf spontane Einladung des „Freiheitlichen Bildungsinstituts“ (FBI) an einer Podiumsdiskussion in den Räumen des FPÖ-Parlamentsklubs teilnehmen. Was von der rechtsextremen Szene als Erfolg gefeiert wurde, war realtiter ein Auftritt in einem geschlossenen Kreis in den Räumlichkeiten der FPÖ statt an der weitaus prestigeträchtigeren Wiener Universität.
Zuvor kam es an der Rampe der Uni Wien zu einem Gewaltvorfall, bei dem Kubitschek und sein Umfeld direkt involviert waren. Die chaotische Szene wurde als Video dokumentiert und in den sozialen Medien entsprechend schnell unterschiedlich interpretieret, wobei rechtsextreme Kanäle versuchten, die Gewalt jenen antifaschistischen Gegendemonstrant*innen in die Schuhe zu schieben, die sich in weit größerer Zahl als die Rechten vor der Uni versammelt hatten.
Angriffe auf Presse & Tumulte am Rande einer Demonstration der FPÖ-Jugend und der Identitären in Wien. Als Hauptredner war der Rechtsextremist Götz Kubitschek geladen. Auch aus Deutschland nahmen Rechtsextreme teil. Die Veranstaltung endete im österreichischen Parlament. #w1711 pic.twitter.com/zMoAe9Q6Ng
— democ. (@democ_de) November 18, 2023
Aus einem Videobericht von „democ“ lassen sich die gewalttätigen Vorfälle folgendermaßen rekonstruieren: Nach zunächst unübersichtlichen Zusammenstößen warf ein szenebekannter Kampfsportler und identitärer Kader aus Wiener Neustadt einen Polizisten zu Boden. Weiter ist zu sehen, wie ein junger Mann, der dem Vernehmen nach aus dem nahen Umfeld von Götz Kubitschek stammen soll, mit voller Wucht eine Glasflasche auf den Kopf des Wiener Neustädters schleuderte, sodass der mit blutenden Kopfwunden am Asphalt lag. Götz Kubitschek griff in die Raufszene ein und fand sich selbst am Boden liegend wieder. Zudem schlug auch eine Person mit brauner Kappe, die ebenfalls aus Kubitscheks Umfeld stammen soll, einer Polizistin mit der Faust ins Gesicht.
Warum diese Eskalation kein ausreichender Grund für die Auflösung der Veranstaltung war, bleibt eine offene Frage. Gegenüber dem „Standard” gab sich die Polizei dazu recht karg:
Aufgelöst wurde die Gegendemo, so heißt es von der Polizei, denn „nach einer Lagebeurteilung durch den behördlichen Einsatzleiter handelte es sich um eine nicht rechtmäßige Kundgebung”. Warum Kubitscheks Begleiter unbehelligt blieben und auch abends im Parlament einkehren durften, wird nicht beantwortet. Das besagte Video sei aber gesichert und „zur Beurteilung an die zuständige Stelle weitergeleitet” worden. (derstandard.at, 20.11.23)
Die Teilnehmer*innen des Aufmarschs wurden anschließend in einem Straßenbahnzug der Wiener Linien, der von nebenher laufenden Polizist*innen flankiert wurde, in den achten Bezirk chauffiert, wo Kubitschek im Heim der rechtsextremen „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM) in der Fuhrmannsgasse referierte.
Nach der Fuhrmannsgasse zog die rechtsextreme Gruppe weiter ins Parlament zur angekündigten Podiumsdiskussion. Kubitschek sprach dort mit FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt, der für enge Kontakte zur identitären Szene in Deutschland bekannt ist und den mehrfach verurteilten Gewalttäter und Neonazi Mario Müller als „wissenschaftlichen Mitarbeiter“ beschäftigt. Außerdem am Podium waren der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger, der freiheitliche Klubdirektor Norbert Nemeth, Maximilian Weinzierl, Bundesobmann der „Freiheitlichen Jugend“, die im August 2023 mit einem offen neofaschistischen Propaganda-Video aufgefallen war, in dem das „neurechte“ Milieu um Götz Kubitschek – sowie deren prononciert faschistische Vordenker – als zentrale ideologische Bezugsquelle inszeniert wurde. Moderiert wurde das Gespräch von Konrad M. Weiß, Chefredakteur der NS-geschichtsrevisionistischen Zeitschrift „Der Eckart“. Mit ihm hatte Kubitschek erst vor kurzem in einer „Talkrunde“ über die eigene Szene philosophiert, wo mitunter ganz offen rechtsextreme Desinformation begrüßt wurde.
Das Thema des Abends war übrigens „Linksextremismus als steigende Gefahr“, was nicht nur nahtlos an die kürzlich von der FPÖ lancierte Hetzkampagne u.a. gegen das „Dokumentationsarchiv des öst. Widerstandes“ (DÖW) anknüpft, sondern eingedenk des Schulterschlusses mit Neofaschisten wie Kubitschek auch ein weiteres Mal vom steigenden völkisch-autoritären Selbstbewusstsein der rechtsextremen Partei unter Kickl zeugt. Die gesamte Show – die freilich durchwegs auf öffentliche Skandalisierung angelegt war – ist zudem ein erneuter Beleg dafür, wie eng verbunden Idenititäre, „Freiheitliche Jugend“ und RFS mitsamt der Mutterpartei sind.
Bei der Kundgebung der Rechtsextremen vor der Uni Wien tauchte auch ein Mann mit einem judenfeindlichen Sticker auf #w1711 #Antisemitismus pic.twitter.com/Nc1kIyGwpA
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) November 17, 2023
➡️ Zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zu den Vorfällen (31.1.24)