Geschichtsrevisionismus als „Opfergedenken“
Die aktuelle Ausgabe (Februar 2020) trägt den Titel: „Unerwünschtes Gedenken: Zählen deutsche Opfer nicht?“ (1). Im Hauptbeitrag zu diesem thematischen Schwerpunkt beschwert sich Sven Häusler darüber, dass deutsche Opfer im Gedenken an den zweiten Weltkrieg angeblich nicht zählen würden, wobei ihm dieser Vorwurf immer wieder als Folie für geschichtsrevisionistische Behauptungen dient. Er bezieht sich mitunter auf die alliierten Luftangriffe auf Dresden, die er „Vernichtung von Dresden“ und ein „Menschheitsverbrechen“ (S. 5) nennt und behauptet, dass „seriöse Schätzungen von einer Opferzahl im sechsstelligen Bereich“ (ebd.) ausgehen würden.
Solche „Schätzungen“ gehen auf eine Propagandalüge zurück, die noch vom NS-Regime selbst verbreitet wurde und längst widerlegt ist (es dürfte etwa 25 000 Tote gegeben haben), sich aber bei Rechtsextremen, Neonazis und Holocaustleugnern nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Der „Eckart“ wiederholt die geschichtsrevisionistische Lüge in derselben Ausgabe noch einmal: In der Rubrik „Wir Erinnern“ (S. 30) wird behauptet, die Opferzahlen seien „heute sehr umstritten“, wobei „angepasste Historiker“ von 25 000 Toten ausgehen und „unabhängige“ „auf die zehnfache Zahl“ kommen würden.
Häusler bricht außerdem eine Lanze für die jährliche „Gedenkfeier“ am Loibacher Feld in Bleiburg/Pliberk, bei der dem kroatischen NS-Vasallenstaat NDH gedacht wird. Das DÖW charakterisiert den Veranstalter, den „Bleiburger Ehrenzug“ und die Zusammenkunft folgendermaßen:
Beim Bleiburger Ehrenzug handelt es sich um einen rechtsextremistischen Verein mit stark revisionistischer beziehungsweise geschichtsklitternder Tendenz. Das Treffen im Andenken an den faschistischen NDH-Staat ist mittlerweile zum größten Neonazitreffen in Europa geworden, wobei aber nicht alle Teilnehmer als Neonazis zu charakterisieren sind. (derstandard, 17.5.16)
Auch im Jahr 2019 fand der faschistische Aufmarsch statt und wurde trotz zweier eindeutiger Rechtsgutachten (u.a. von dem bekannten Verfassungsrechtler Heinz Mayer) von der zuständigen Behörde (BH Völkermarkt) nicht untersagt.
Im „Eckart“ nennt Häusler die Veranstaltung schöngefärbt „kroatisches Totengedenken“ und ärgert sich über die „unwürdige Politisierung“ (S. 6), womit er aber nicht die Neonazis und Ustaša-VerehrerInnen meint, sondern deren antifaschistische KritikerInnen. Er behauptet: „Seit Jahren wird von Kommunisten und der Lügenpresse gegen dieses Opfergedenken gehetzt.“ (ebd.) Zur offenen Parteinahme für die als Ustaša-Treffen bekannte Veranstaltung kommt hier also noch, dass Häusler qua der Feindbilder „Kommunisten“ und „Lügenpresse“ selbst einen NS-Jargon benutzt.
Ein brauner Langzeitaktivist im Kriegsgebiet
Darauf folgt ein Erlebnisbericht aus der Ostukraine von einem Dr. Herbert Fritz. Der Autor ist „alter Herr“ bei der Wiener Burschenschaft Olympia und blickt auf eine lange Karriere in der rechtsextremen Szene in Österreich zurück: Er war 1967 Mitbegründer der neonazistischen österreichischen NPD, 1979 Redakteur bei der neonazistischen Zeitschrift „Der Babenberger“, 1989 Hersteller eines Flugblattes für die Vorträge des Holocaustleugners David Irving und in den 1990ern Gründer der rechtsextremen Splittergruppe „Gesellschaft der Völkerfreunde“; Fritz war stets in engem Kontakt zu deutschen Neonazis und trat 2014 im Innviertel als Redner bei einem Neonazi-Treffen um den NPD-Hardliner Udo Voigt auf.
In der aktuellen „Eckart“-Ausgabe berichtet Fritz von seiner Reise nach Donbaß, in die von pro-russischen Separatisten kontrollierte Ostukraine. Dort hielt er Vorträge an einer Schule und an der Universität Donetsk. Außerdem traf er sich mit dem AfD-Politiker Gunnar Lindemann, der wiederum mit seinem Sohn vor Ort war. Lindemann besuchte zudem die Basis der „Nachtwölfe“, einer gewalttätigen und nationalistischen Motorradgang, wo er sich auch fotografieren ließ. Die auf Instagram veröffentlichten „Urlaubsfotos“ des Sohnes haben es in die deutsche Medienberichterstattung geschafft (siehe etwa Tagesspiegel): Er posiert mit Maschinengewehr und salutiert in der Nähe der Front, zudem gibt es unkommentierte Bilder von Nazi-Reliquien aus einem Museum in Moskau.
Der Neonazi als „junger Idealist“
Konrad Reisinger berichtet von den „denkmalpflegerische[n] Aktivitäten“ (S. 20) einer Gruppe junger Menschen, die ehrenamtlich deutsche Kriegerdenkmäler restaurieren. Im Zentrum steht dabei ein Mann namens Jürgen Hösl, den der Autor auch zum Gespräch getroffen hat. Erzählt wird von der „aufwändige[n] Handarbeit“ (ebd.), die diese Gruppe im sogenannten Hauerland, ehemaligen deutschen Sprachinseln in der heutigen Slowakei, verrichtet. Hösl und seine Truppe werden ausschließlich gelobt und als „junge Idealisten“ (ebd.) dargestellt, wie es bereits im Titel der Reportage heißt.
Was Reisinger nicht erwähnt ist, dass Hösl Neonazi ist (der auch seit 2011 gerichtsgeprüft als solcher bezeichnet werden darf). Wie einschlägig seine aktivistische Denkmalspflege ist, hat Hösl erst 2018 unter Beweis gestellt, als er im Vorfeld des rechtsextremen Ulrichsbergtreffen die dortige Gedenkstätte gereinigt und damit einen Polizeieinsatz ausgelöst hat. Das Treffen wurde für 2018 dann doch abgesagt; Hösl war aber als Gast bereits mehrmals dort, zuletzt „war man 2019 nach eigenen Angaben zentral in die Logistik des Gedenkens“ involviert, wie das DÖW über die jüngsten Aktivitäten rund um das Neonazi-Treffen in Kärnten berichtet.Verschwörungsphantasmen und Klimawandel
Auch der antisemitische Verschwörungstheoretiker und „Aula“-Stammautor Gerhoch Reisegger ist seit dem Relaunch regelmäßig im „Eckart“ vertreten. Der Oberösterreicher ist nicht nur ein umtriebiger Schreiber im rechtsextremen Paralleluniversum („Aula“, „fakten“, „Neue Ordnung“, „Deutsche Stimme“), sondern pflegte auch offen Kontakte zu Neonazis und trat als Redner bei Neonazi-Veranstalungen auf.
Für die letzten Ausgaben des „Eckart“ hat er sich auf eine verschwörungstheoretisch gefärbte Agitation gegen Klimaschutz spezialisiert: Im Septemberheft erkennt er darin einen „neue[n] Morgenthau-Plan“ zur Vernichtung Deutschlands (zit. nach DÖW); im Jännerheft geht es gegen die „Klima-Hysterie“ und die Energiewende, die „einen existentiellen Anschlag auf die ganze Wirtschaft“ (2) bedeute; und im Februarheft lobt er sich selbst für die mutige Berichterstattung in einem „der letzten nicht gleichgeschalteten Medien Österreichs“ (S. 12), es gebe einen „Vernichtungsfeldzug gegen die eigne Volkswirtschaft“ und eine „Deindustrialisierung a la Morgenthau-Plan“ (S. 13).
Ebenso in das verschwörungsideologische Horn bläst die „Wochenblick“-Schreiberin Elisabeth Mirschitzka. In der aktuellen Ausgabe des „Eckart“ möchte sie einmal „ein paar kritische Fragen“ (S. 22) an die „Fridays for Future“-Bewegung stellen; die erste Frage ist der Titel des Textes: „Habt ihr noch nicht bemerkt, daß uns eine Diktatur droht?“ Sie bezeichnet die Klimaaktivistin Greta Thunberg als „psychisch krankes“ (ebd.) Mädchen und fragt: „Woher kommt auf einmal das große Interesse der Eliten für das Erdklima?!“ (ebd) Es steuere in Richtung einer „EU-Diktatur“ (ebd.); eines Tages würden die jungen AktivistInnen verstehen, dass sie nur „ein Werkzeug der Globalisten“ (ebd.) waren. Wenig überraschend tönt es dazwischen: „Auch George Soros hat hier seine Finger im Spiel.“ (S. 23) Kurzum: Die Autorin hat die zeitgemäßen antisemitischen Codes gut verteilt in den Text verpackt: Soros, Eliten, „Globalisten“.
Noch viel deutlicher hat sie das im Jännerheft des „Eckart“ zum Ausdruck gebracht. Sie missbraucht dort George Orwells Roman „1984“ als Projektionsfläche für eine völkische Pseudokritik an den gegenwärtigen Verhältnissen und fantasiert dabei sehr offen von einem durch globale Eliten gesteuerten Bevölkerungsaustausch. Rassismus und Antisemitismus gehen in dem Text ungebrochen ineinander auf. Einige Zitate:
„Durch Masseneinwanderung fremder Kulturen sollen unsere Werte und Strukturen so destabilisiert werden, daß wir uns der von den globalen Finanzeliten propagierten Weltordnung widerstandslos unterwerfen.“
„Auch in unserer Zeit scheinen die Drahtzieher hinter den Kulissen die Schaffung eines verwaschenen globalen Typus zu planen, eines neuen Weltvolkes, das sein Leben dem Staat widmen muß, ohne es zu merken.“
Die „offene bunte Gesellschaft zielt durch ethnische Einschmelzung auf Gleichförmigkeit ab“.
Das Wort „Heimat“ sei zu einer beliebigen Phrase geworden. „Dahinter steht der Plan, ein neues Volk zu schaffen, ein Volk ohne Wurzeln, das überall zu Hause und überall einsetzbar ist.“ (3)
Diese Zitate zeigen den – ansonsten oft codierten oder unbestimmt formulierten – inhärenten Zusammenhang von völkischer Ideologie, antisemitischem Verschwörungsphantasma und Rassismus einigermaßen unverstellt auf. Die Autorin geht offensichtlich von einem biologistischen Volksbegriff aus (nicht zuletzt Formulierungen wie „ethnische Einschmelzung“ oder „verwaschener globaler Typus“ machen das überdeutlich) und sie halluziniert von einem durch Eliten (die „Drahtzieher“) orchestrierten Plan, ein konturloses Einheitsvolk quasi zu züchten.
Vor dem Hintergrund dieser Ausschnitte kann der Beurteilung des DÖW, wonach dem rechtsextremen Langzeitmedium „Eckart“ eine Enthemmung seit dem Relaunch attestiert werden kann, auch vier Ausgaben später nur zugestimmt werden. Beinahe unnötig zu erwähnen: Es gibt etliche personelle und organisatorische Verflechtungen zwischen er Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) und der FPÖ.
Fußnoten:
1 Alle Zitate mit Seitenangabe sind aus: „Der Eckart“, 2/2020
2 „Der Eckart“, 1/2020, S. 19
3 ebd., S. 22–23