Neonazis als „junge Idealisten“ – Ein Blick in den aktuellen „Eckart“

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Das rechts­extre­me Peri­odi­kum „Der Eck­art“ hat sich im Sep­tem­ber 2019 einen Relaunch gegönnt und tritt nun deut­lich aggres­si­ver auf als zuvor. Die­se Ent­wick­lung ist einem Füh­rungs­wech­sels an der Spit­ze der Trä­ger­or­ga­ni­sa­ti­on (der Öster­rei­chi­schen Landmannschaft/ÖLM) zu ver­dan­ken: Deren neu­er Obmann Erich Dan­ne­berg hat einen „Neu­start“ aus­ge­ru­fen. Das Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stands (DÖW) hat bereits über die ers­ten bei­den Aus­ga­ben berich­tet und dem seit 1953 exis­tie­ren­den Blatt einen Rechts­ruck mit zuneh­men­den ver­schwö­rungs­phan­tas­ti­schen Ten­den­zen attes­tiert. Wir wer­fen einen Blick in die aktu­el­le Ausgabe.

Geschichtsrevisionismus als „Opfergedenken“

Die aktu­el­le Aus­ga­be (Febru­ar 2020) trägt den Titel: „Uner­wünsch­tes Geden­ken: Zäh­len deut­sche Opfer nicht?“ (1). Im Haupt­bei­trag zu die­sem the­ma­ti­schen Schwer­punkt beschwert sich Sven Häus­ler dar­über, dass deut­sche Opfer im Geden­ken an den zwei­ten Welt­krieg angeb­lich nicht zäh­len wür­den, wobei ihm die­ser Vor­wurf immer wie­der als Folie für geschichts­re­vi­sio­nis­ti­sche Behaup­tun­gen dient. Er bezieht sich mit­un­ter auf die alli­ier­ten Luft­an­grif­fe auf Dres­den, die er „Ver­nich­tung von Dres­den“ und ein „Mensch­heits­ver­bre­chen“ (S. 5) nennt und behaup­tet, dass „seriö­se Schät­zun­gen von einer Opfer­zahl im sechs­stel­li­gen Bereich“ (ebd.) aus­ge­hen würden.

Sol­che „Schät­zun­gen“ gehen auf eine Pro­pa­gan­da­lü­ge zurück, die noch vom NS-Regime selbst ver­brei­tet wur­de und längst wider­legt ist (es dürf­te etwa 25 000 Tote gege­ben haben), sich aber bei Rechts­extre­men, Neo­na­zis und Holo­caust­leug­nern nach wie vor gro­ßer Beliebt­heit erfreut. Der „Eck­art“ wie­der­holt die geschichts­re­vi­sio­nis­ti­sche Lüge in der­sel­ben Aus­ga­be noch ein­mal: In der Rubrik „Wir Erin­nern“ (S. 30) wird behaup­tet, die Opfer­zah­len sei­en „heu­te sehr umstrit­ten“, wobei „ange­pass­te His­to­ri­ker“ von 25 000 Toten aus­ge­hen und „unab­hän­gi­ge“ „auf die zehn­fa­che Zahl“ kom­men wür­den.  

"Der Eckart": falsche Zahlen zu Dresden und "im Geiste ewiger Kollektivschuld"

„Der Eck­art”: fal­sche Zah­len zu Dres­den und „im Geis­te ewi­ger Kollektivschuld”

Häus­ler bricht außer­dem eine Lan­ze für die jähr­li­che „Gedenk­fei­er“ am Loi­ba­cher Feld in Bleiburg/Pliberk, bei der dem kroa­ti­schen NS-Vasal­len­staat NDH gedacht wird. Das DÖW cha­rak­te­ri­siert den Ver­an­stal­ter, den „Blei­bur­ger Ehren­zug“ und die Zusam­men­kunft fol­gen­der­ma­ßen: 

Beim Blei­bur­ger Ehren­zug han­delt es sich um einen rechts­extre­mis­ti­schen Ver­ein mit stark revi­sio­nis­ti­scher bezie­hungs­wei­se geschichts­klit­tern­der Ten­denz. Das Tref­fen im Andenken an den faschis­ti­schen NDH-Staat ist mitt­ler­wei­le zum größ­ten Neo­na­zi­tref­fen in Euro­pa gewor­den, wobei aber nicht alle Teil­neh­mer als Neo­na­zis zu cha­rak­te­ri­sie­ren sind. (derstan­dard, 17.5.16)

Auch im Jahr 2019 fand der faschis­ti­sche Auf­marsch statt und wur­de trotz zwei­er ein­deu­ti­ger Rechts­gut­ach­ten (u.a. von dem bekann­ten Ver­fas­sungs­recht­ler Heinz May­er) von der zustän­di­gen Behör­de (BH Völ­ker­markt) nicht untersagt.

Im „Eck­art“ nennt Häus­ler die Ver­an­stal­tung schön­ge­färbt „kroa­ti­sches Toten­ge­den­ken“ und ärgert sich über die „unwür­di­ge Poli­ti­sie­rung“ (S. 6), womit er aber nicht die Neo­na­zis und Ustaša-Ver­eh­re­rIn­nen meint, son­dern deren anti­fa­schis­ti­sche Kri­ti­ke­rIn­nen. Er behaup­tet: „Seit Jah­ren wird von Kom­mu­nis­ten und der Lügen­pres­se gegen die­ses Opfer­ge­den­ken gehetzt.“ (ebd.) Zur offe­nen Par­tei­nah­me für die als Ustaša-Tref­fen bekann­te Ver­an­stal­tung kommt hier also noch, dass Häus­ler qua der Feind­bil­der „Kom­mu­nis­ten“ und „Lügen­pres­se“ selbst einen NS-Jar­gon benutzt. 

"Der Eckart" zum Faschisten-Aufmarsch in Bleiburg/Pliberk

„Der Eck­art” zum Faschis­ten-Auf­marsch in Bleiburg/Pliberk

Ein brauner Langzeitaktivist im Kriegsgebiet

Dar­auf folgt ein Erleb­nis­be­richt aus der Ost­ukrai­ne von einem Dr. Her­bert Fritz. Der Autor ist „alter Herr“ bei der Wie­ner Bur­schen­schaft Olym­pia und blickt auf eine lan­ge Kar­rie­re in der rechts­extre­men Sze­ne in Öster­reich zurück: Er war 1967 Mit­be­grün­der der neo­na­zis­ti­schen öster­rei­chi­schen NPD, 1979 Redak­teur bei der neo­na­zis­ti­schen Zeit­schrift „Der Baben­ber­ger“, 1989 Her­stel­ler eines Flug­blat­tes für die Vor­trä­ge des Holo­caust­leug­ners David Irving und in den 1990ern Grün­der der rechts­extre­men Split­ter­grup­pe „Gesell­schaft der Völ­ker­freun­de“; Fritz war stets in engem Kon­takt zu deut­schen Neo­na­zis und trat 2014 im Inn­vier­tel als Red­ner bei einem Neo­na­zi-Tref­fen um den NPD-Hard­li­ner Udo Voigt auf.

In der aktu­el­len „Eckart“-Ausgabe berich­tet Fritz von sei­ner Rei­se nach Don­baß, in die von pro-rus­si­schen Sepa­ra­tis­ten kon­trol­lier­te Ost­ukrai­ne. Dort hielt er Vor­trä­ge an einer Schu­le und an der Uni­ver­si­tät Donetsk. Außer­dem traf er sich mit dem AfD-Poli­ti­ker Gun­nar Lin­de­mann, der wie­der­um mit sei­nem Sohn vor Ort war. Lin­de­mann besuch­te zudem die Basis der „Nacht­wöl­fe“, einer gewalt­tä­ti­gen und natio­na­lis­ti­schen Motor­rad­gang, wo er sich auch foto­gra­fie­ren ließ. Die auf Insta­gram ver­öf­fent­lich­ten „Urlaubs­fo­tos“ des Soh­nes haben es in die deut­sche Medi­en­be­richt­erstat­tung geschafft (sie­he etwa Tages­spie­gel): Er posiert mit Maschi­nen­ge­wehr und salu­tiert in der Nähe der Front, zudem gibt es unkom­men­tier­te Bil­der von Nazi-Reli­qui­en aus einem Muse­um in Mos­kau. 

Der Neonazi als „junger Idealist“

Kon­rad Rei­sin­ger berich­tet von den „denkmalpflegerische[n] Akti­vi­tä­ten“ (S. 20) einer Grup­pe jun­ger Men­schen, die ehren­amt­lich deut­sche Krie­ger­denk­mä­ler restau­rie­ren. Im Zen­trum steht dabei ein Mann namens Jür­gen Hösl, den der Autor auch zum Gespräch getrof­fen hat. Erzählt wird von der „aufwändige[n] Hand­ar­beit“ (ebd.), die die­se Grup­pe im soge­nann­ten Hau­er­land, ehe­ma­li­gen deut­schen Sprach­in­seln in der heu­ti­gen Slo­wa­kei, ver­rich­tet. Hösl und sei­ne Trup­pe wer­den aus­schließ­lich gelobt und als „jun­ge Idea­lis­ten“ (ebd.) dar­ge­stellt, wie es bereits im Titel der Repor­ta­ge heißt.

Der Eckart: Neonazis als "junge Idealisten" im Gegensatz zu anderen "Altersgenossen, [die] zu dieser Jahreszeit auf Mallorca oder sonst wo dem Suff und der Dekadenz frönen"

Der Eck­art: Neo­na­zis als „jun­ge Idea­lis­ten” im Gegen­satz zu ande­ren „Alters­ge­nos­sen, [die] zu die­ser Jah­res­zeit auf Mal­lor­ca oder sonst wo dem Suff und der Deka­denz frönen”

Was Rei­sin­ger nicht erwähnt ist, dass Hösl Neo­na­zi ist (der auch seit 2011 gerichts­ge­prüft als sol­cher bezeich­net wer­den darf). Wie ein­schlä­gig sei­ne akti­vis­ti­sche Denk­mals­pfle­ge ist, hat Hösl erst 2018 unter Beweis gestellt, als er im Vor­feld des rechts­extre­men Ulrichs­berg­tref­fen die dor­ti­ge Gedenk­stät­te gerei­nigt und damit einen Poli­zei­ein­satz aus­ge­löst hat. Das Tref­fen wur­de für 2018 dann doch abge­sagt; Hösl war aber als Gast bereits mehr­mals dort, zuletzt „war man 2019 nach eige­nen Anga­ben zen­tral in die Logis­tik des Geden­kens“ invol­viert, wie das DÖW über die jüngs­ten Akti­vi­tä­ten rund um das Neo­na­zi-Tref­fen in Kärn­ten berich­tet.
Jürgen Hösl auf seiner Website zum Ulrichsberg

Jür­gen Hösl auf sei­ner Web­site zum Ulrichsberg

Verschwörungsphantasmen und Klimawandel  

Auch der anti­se­mi­ti­sche Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker und „Aula“-Stammautor Ger­hoch Rei­seg­ger ist seit dem Relaunch regel­mä­ßig im „Eck­art“ ver­tre­ten. Der Ober­ös­ter­rei­cher ist nicht nur ein umtrie­bi­ger Schrei­ber im rechts­extre­men Par­al­lel­uni­ver­sum („Aula“, „fak­ten“, „Neue Ord­nung“, „Deut­sche Stim­me“), son­dern pfleg­te auch offen Kon­tak­te zu Neo­na­zis und trat als Red­ner bei Neo­na­zi-Ver­an­sta­lun­gen auf.

Für die letz­ten Aus­ga­ben des „Eck­art“ hat er sich auf eine ver­schwö­rungs­theo­re­tisch gefärb­te Agi­ta­ti­on gegen Kli­ma­schutz spe­zia­li­siert: Im Sep­tem­ber­heft erkennt er dar­in einen „neue[n] Mor­genthau-Plan“ zur Ver­nich­tung Deutsch­lands (zit. nach DÖW); im Jän­ner­heft geht es gegen die „Kli­ma-Hys­te­rie“ und die Ener­gie­wen­de, die „einen exis­ten­ti­el­len Anschlag auf die gan­ze Wirt­schaft“ (2) bedeu­te; und im Febru­ar­heft lobt er sich selbst für die muti­ge Bericht­erstat­tung in einem „der letz­ten nicht gleich­ge­schal­te­ten Medi­en Öster­reichs“ (S. 12), es gebe einen „Ver­nich­tungs­feld­zug gegen die eig­ne Volks­wirt­schaft“ und eine „Deindus­tria­li­sie­rung a la Mor­genthau-Plan“ (S. 13).  

Eben­so in das ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­sche Horn bläst die „Wochenblick“-Schreiberin Eli­sa­beth Mir­s­chitz­ka. In der aktu­el­len Aus­ga­be des „Eck­art“  möch­te sie ein­mal „ein paar kri­ti­sche Fra­gen“ (S. 22) an die „Fri­days for Future“-Bewegung stel­len; die ers­te Fra­ge ist der Titel des Tex­tes: „Habt ihr noch nicht bemerkt, daß uns eine Dik­ta­tur droht?“ Sie bezeich­net die Kli­ma­ak­ti­vis­tin Gre­ta Thun­berg als „psy­chisch kran­kes“ (ebd.) Mäd­chen und fragt: „Woher kommt auf ein­mal das gro­ße Inter­es­se der Eli­ten für das Erd­kli­ma?!“ (ebd)  Es steue­re in Rich­tung einer „EU-Dik­ta­tur“ (ebd.); eines Tages wür­den die jun­gen Akti­vis­tIn­nen ver­ste­hen, dass sie nur „ein Werk­zeug der Glo­ba­lis­ten“ (ebd.) waren. Wenig über­ra­schend tönt es dazwi­schen: „Auch Geor­ge Sor­os hat hier sei­ne Fin­ger im Spiel.“ (S. 23) Kurz­um: Die Autorin hat die zeit­ge­mä­ßen anti­se­mi­ti­schen Codes gut ver­teilt in den Text ver­packt: Sor­os, Eli­ten, „Glo­ba­lis­ten“. 

Noch viel deut­li­cher hat sie das im Jän­ner­heft des „Eck­art“ zum Aus­druck gebracht. Sie miss­braucht dort Geor­ge Orwells Roman „1984“ als Pro­jek­ti­ons­flä­che für eine völ­ki­sche Pseu­do­kri­tik an den gegen­wär­ti­gen Ver­hält­nis­sen und fan­ta­siert dabei sehr offen von einem durch glo­ba­le Eli­ten gesteu­er­ten Bevöl­ke­rungs­aus­tausch. Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus gehen in dem Text unge­bro­chen inein­an­der auf. Eini­ge Zitate:

Durch Mas­sen­ein­wan­de­rung frem­der Kul­tu­ren sol­len unse­re Wer­te und Struk­tu­ren so desta­bi­li­siert wer­den, daß wir uns der von den glo­ba­len Finanz­eli­ten pro­pa­gier­ten Welt­ord­nung wider­stands­los unter­wer­fen.
Auch in unse­rer Zeit schei­nen die Draht­zie­her hin­ter den Kulis­sen die Schaf­fung eines ver­wa­sche­nen glo­ba­len Typus zu pla­nen, eines neu­en Welt­vol­kes, das sein Leben dem Staat wid­men muß, ohne es zu mer­ken.
Die „offe­ne bun­te Gesell­schaft zielt durch eth­ni­sche Ein­schmel­zung auf Gleich­för­mig­keit ab“.

Das Wort „Hei­mat“ sei zu einer belie­bi­gen Phra­se gewor­den. „Dahin­ter steht der Plan, ein neu­es Volk zu schaf­fen, ein Volk ohne Wur­zeln, das über­all zu Hau­se und über­all ein­setz­bar ist.“ (3)

Die­se Zita­te zei­gen den – ansons­ten oft codier­ten oder unbe­stimmt for­mu­lier­ten – inhä­ren­ten Zusam­men­hang von völ­ki­scher Ideo­lo­gie, anti­se­mi­ti­schem Ver­schwö­rungs­phan­tas­ma und Ras­sis­mus eini­ger­ma­ßen unver­stellt auf. Die Autorin geht offen­sicht­lich von einem bio­lo­gis­ti­schen Volks­be­griff aus (nicht zuletzt For­mu­lie­run­gen wie „eth­ni­sche Ein­schmel­zung“ oder „ver­wa­sche­ner glo­ba­ler Typus“ machen das über­deut­lich) und sie hal­lu­zi­niert von einem durch Eli­ten (die „Draht­zie­her“) orches­trier­ten Plan, ein kon­tur­lo­ses Ein­heits­volk qua­si zu züch­ten.   

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Aus­schnit­te kann der Beur­tei­lung des DÖW, wonach dem rechts­extre­men Lang­zeit­me­di­um „Eck­art“ eine Ent­hem­mung seit dem Relaunch attes­tiert wer­den kann, auch vier Aus­ga­ben spä­ter nur zuge­stimmt wer­den. Bei­na­he unnö­tig zu erwäh­nen: Es gibt etli­che per­so­nel­le und orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­flech­tun­gen zwi­schen er Öster­rei­chi­schen Lands­mann­schaft (ÖLM) und der FPÖ.

Fuß­no­ten:

1 Alle Zita­te mit Sei­ten­an­ga­be sind aus: „Der Eck­art“, 2/2020
2 „Der Eck­art“, 1/2020, S. 19

3 ebd., S. 22–23