Ustascha-Aufmarsch 2019: „Die Untersagung ist nicht nur zulässig, sondern geboten“

Es ist schon sehr merk­würdig: Obwohl der „Bleiburg­er Ehren­zug“, also jen­er Vere­in, der seit Jahrzehn­ten den Auf­marsch kroat­is­ch­er Recht­sex­tremer in Bleiburg/Pliberk organ­isiert, für heuer keine Kundge­bung angezeigt hat, geht die Behörde den­noch davon aus, dass er sie angezeigt hat. Ander­er­seits: Die antifaschis­tis­che „Kundge­bung zur Erin­nerung an Befreiung Kärn­tens vom Nation­al­sozial­is­mus durch die Alli­ierten“, die sich gegen diesen Auf­marsch von Faschis­ten und Recht­sex­tremen richtet, wurde trotz gegen­teiliger Andro­hung der Behörde nicht unter­sagt, find­et also am 18. Mai ab 10h statt.

Über viele Jahre hin­weg haben die zuständi­gen Kärnt­ner Behör­den die Augen zuge­drückt, Hitler-Grüße und andere faschis­tis­che Man­i­fes­ta­tio­nen beim Auf­marsch des „Bleiburg­er Ehren­zugs“ eben­so ignori­ert wie die ille­gale Wech­sel­stube vor Ort und so getan, als han­dle es sich tat­säch­lich nur um ein Totenge­denken, eine Prozes­sion und eine Mess­feier, obwohl die Tausenden Demon­stri­eren­den fast nur das eine im Sinn hat­ten: eine offene Man­i­fes­ta­tion revi­sion­is­tis­ch­er, faschis­tis­ch­er und recht­sex­tremer Ide­olo­gie und der dazu gehöri­gen kroat­is­chen Parteien und Verbände.

Gegen diese Ver­her­rlichung der Ustascha (Ustaša) und des Vasal­len­staates der Nazis, NDH, formierte sich in den ver­gan­genen Jahren immer deut­lich­er der Wider­stand und forderte die Unter­sa­gung dieser recht­sex­tremen Kundge­bung in Bleiburg, die zeitweise die größte in ganz Europa war.

NHD-Propagandaplakat (aus der Broschüre "Mythos Bleiburg")

NHD-Pro­pa­gan­daplakat (aus der Broschüre „Mythos Bleiburg”)

2018 beauf­tragte das Mau­thausen-Komi­tee dann den renom­mierten Ver­fas­sungsjuris­ten Bernd Chris­t­ian Funk mit einem Gutacht­en zum Auf­marsch der kroat­is­chen Recht­sex­tremen. Dessen Schlussfol­gerung war schon sehr eindeutig:

Wed­er die Tat­sache der Nach­barschaft zu ein­er katholis­chen Mess­feier noch der Umstand, dass die Vorgänge auf pri­vatem Grund stat­tfind­en noch das Vor­liegen zweier, nicht iden­tis­ch­er Faschis­men, befreien die Behör­den und Exeku­tivor­gane von ihren geset­zlichen Überwachungs- und Inter­ven­tion­spflicht­en. Ein absichtlich­es ‚Wegse­hen’ kön­nte den Tatbe­stand des Miss­brauchs der Amts­ge­walt erfüllen.

Anfang März 2019 kam dann die über­raschend ein­deutige Stel­lung­nahme der katholis­chen Kirche Kärn­tens, wonach dem recht­sex­tremen Auf­marsch die Erlaub­nis zur Abhal­tung ein­er Gedenkmesse ent­zo­gen werde, weil man son­st der Kirche zur Recht unter­stellen könne, so der Diöze­sanad­min­is­tra­tor Guggen­berg­er, „sie würde die Instru­men­tal­isierung eines Gottes­di­en­stes zu poli­tis­chen Man­i­fes­ta­tio­nen dulden und die entsprechende Dis­tanz zu faschis­tis­chem Gedankengut ver­mis­sen lassen“ (derstandard.at, 9.3.19).

Damit war dem Ustascha-Auf­marsch der Schutzschild ein­er religiösen Ver­anstal­tung ent­zo­gen, mit dem über Jahrzehnte die Aus­nahme vom Ver­samm­lungs­ge­setz nach § 5 begrün­det wor­den war. Die zuständi­ge Bezirk­shaupt­mannschaft (BH) Völk­er­markt wollte offen­bar auf Num­mer sich­er gehen und beauf­tragte einen anderen renom­mierten Ver­fas­sungsrechtler, Heinz May­er, mit einem Gutacht­en zu der für 2019 geplanten Ver­anstal­tung des „Bleiburg­er Ehrenzugs“.

Hitler-Gruß beim Ustascha-Treffen Bleiburg

Hitler-Gruß beim Ustascha-Tre­f­fen Bleiburg

Der kam – nicht wirk­lich über­raschend – zu ein­er sehr ähn­lichen Ein­schätzung wie Funk im Jahr zuvor. May­er stellte erstens klar, dass nur „rein religiöse Ver­anstal­tun­gen“ von den Aus­nah­mebes­tim­mungen des § 5 Ver­samm­lungs­ge­setz erfasst sind. Der Auf­marsch des „Bleiburg­er Ehren­zugs“ muss daher als Ver­samm­lung angezeigt wer­den. In der Folge wid­mete sich May­er in seinem Gutacht­en aber auch der Frage, wie mit ein­er Kundge­bung der Recht­sex­tremen umzuge­hen wäre, bei der es in den ver­gan­genen Jahren immer wieder zu Ver­stößen gegen das Ver­bots­ge­setz gekom­men ist, und kam zu fol­gen­dem Ergeb­nis: „Im Lichte dieser Recht­sprechung des Ver­fas­sungs­gericht­shofes ist die Unter­sa­gung der geplanten Gedenkver­anstal­tung nicht nur zuläs­sig, son­dern geboten.

Für die Behörde, die das Gutacht­en in Auf­trag gegeben hat, bliebe somit eigentlich kein Spiel­raum. Weit gefehlt! Die BH Völk­er­markt ver­warf das Gutacht­en und behauptete, dass weit­ere Gutacht­en zu anderen Schlüssen gekom­men seien. Wie sich jet­zt her­ausstellt, gibt es aber keine anderen Gutacht­en, son­dern ange­blich eine ander­slau­t­ende rechtliche Beurteilung durch die Lan­despolizei­di­rek­tion Kärn­ten. Die aber spielt den Ball zurück an die BH und erk­lärt, man habe sich lediglich der Rechtsmei­n­ung der BH angeschlossen (Ö1 Abend­jour­nal, 6. Mai 2019). Ein starkes Stück!

Peter Pilz, Abge­ord­neter der Liste Jet­zt, hat deshalb eine Sachver­halts­darstel­lung an die Staat­san­waltschaft Kla­gen­furt ver­fasst, in der er den Ver­dacht auf Miss­brauch der Amts­ge­walt äußert und um Prü­fung ersucht. Inter­es­sant, dass die BH Völk­er­markt den Ver­anstal­tern der antifaschis­tis­chen „Kundge­bung zur Erin­nerung an Befreiung Kärn­tens vom Nation­al­sozial­is­mus durch die Alli­ierten“ schriftlich zweimal mit­geteilt hat, dass sich diese

Ver­samm­lung zeitlich und (teil­weise) örtlich pri­ma facie mit der alljährlichen Gedenk­feier in Loibach und am Loibach­er Feld über­schnei­den würde. Diese find­et laut Mit­teilung des ‚Bleiburg­er Ehren­zuges‘ in drei Teilen statt: Totenge­denken auf dem Fried­hof (…),Prozes­sion (…) und anschließend eine katholis­che Mess­feier samt Kranznieder­legung“.

Da wurde also so getan, als ob die Ver­samm­lung der Recht­sex­tremen nach wie vor eine religiöse wäre und deshalb den Vor­rang genießen würde.

Noch immer nicht genug mit den Ver­renkun­gen der Behörde! Der „Bleiburg­er Ehren­zug“, dessen neuer Vere­insvor­stand schon wieder am Zer­bröseln ist, hat anscheinend keine Kundge­bung angemeldet, son­dern eine religiöse Ver­anstal­tung – wie in den Vor­jahren. Die Behör­den haben aber das „Anschreiben“ als Anzeige ein­er Kundge­bung gew­ertet. Sehr zuvork­om­mend gegenüber den Rechtsextremen!

Eine antifaschis­tis­che Kundge­bung zur Befreiung Kärn­tens vom Nation­al­sozial­is­mus unter­sagen und die Faschis­ten trotz ein­deutiger Stel­lung­nah­men auf­marschieren lassen? Das wollte die BH Völk­er­markt dann doch nicht riskieren.

Hakenkreuz in Bleiburg/Pliberk 2015

Hak­enkreuz in Bleiburg/Pliberk 2015

„Mythos Bleiburg“

Der AK Pliberk/Bleiburg betreibt nicht nur die gut doku­men­tierte Web­seite „No Ustasa“, son­dern hat erst vor weni­gen Wochen die lesenswerte Broschüre „Mythos Bleiburg“ vorgestellt, die auch als pdf-file down­load­bar ist.

Warum Mythos? Weil die recht­sex­treme Erzäh­lung über die Ermor­dung Tausender kroat­is­ch­er Sol­dat­en und ihrer Fam­i­lien durch Par­ti­sa­nen in den let­zten Gefecht­en am 14./15. Mai 1945 am Loibach­er Feld so nicht stimmt. „Tausende ver­loren an Ort und Stelle und auf dem Rück­marsch nach Jugoslaw­ien gewalt­sam ihr Leben“, heißt es etwa noch in ein­er APA-Aussendung vom 3.April 2019. Am Loibach­er Feld und rund um Bleiburg/Pliberk gab es allerd­ings kein Mas­sak­er, keine Tausende Tote, son­dern einige Tote und Ver­let­zte sowie diverse Suizide von Ustascha-Leuten.

„Aber aus der Not der Zeit her­aus wurde Bleiburg zum kon­stru­ierten Mythos der Exilkroat­en, denn in Kroa­t­ien kon­nten sie im kom­mu­nis­tis­chen Jugoslaw­ien keine Gedenk­feier durch­führen, ja nicht ein­mal ein­reisen“, rückt auch Wil­helm Wadl, Direk­tor des Kärnt­ner Lan­desarchivs und His­torik­er in einem Gespräch mit der „Kleinen Zeitung“ am 15.5.19 die Fak­ten zurecht.

Die Polizei ignorierte Hitlergrüße und verbotene Symbole zum allergrößten Teil. Für ein gemeinsames Foto mit dem faschistischen Ustaša-Ritterorden „H.V.R Čuvari Domovine“ posiert man aber gern. "Freund und Helfer", einmal anders...

Die Polizei ignori­erte Hit­ler­grüße und ver­botene Sym­bole zum aller­größten Teil. Für ein gemein­sames Foto mit dem faschis­tis­chen Ustaša-Rit­teror­den „H.V.R Čuvari Domovine“ posiert man aber gern. „Fre­und und Helfer” ein­mal anders …

 

Die Broschüre entza­ubert aber nicht nur den „Mythos Bleiburg“, son­dern auch die früheren und heuti­gen Pro­tag­o­nis­ten des kroat­is­chen Recht­sex­trem­is­mus. Klar, dass auch eine aus­führliche Darstel­lung der öster­re­ichis­chen Behör­den und ihres Ver­hal­tens zum Ustascha-Auf­marsch nicht fehlen darf.