Über viele Jahre hinweg haben die zuständigen Kärntner Behörden die Augen zugedrückt, Hitler-Grüße und andere faschistische Manifestationen beim Aufmarsch des „Bleiburger Ehrenzugs“ ebenso ignoriert wie die illegale Wechselstube vor Ort und so getan, als handle es sich tatsächlich nur um ein Totengedenken, eine Prozession und eine Messfeier, obwohl die Tausenden Demonstrierenden fast nur das eine im Sinn hatten: eine offene Manifestation revisionistischer, faschistischer und rechtsextremer Ideologie und der dazu gehörigen kroatischen Parteien und Verbände.
Gegen diese Verherrlichung der Ustascha (Ustaša) und des Vasallenstaates der Nazis, NDH, formierte sich in den vergangenen Jahren immer deutlicher der Widerstand und forderte die Untersagung dieser rechtsextremen Kundgebung in Bleiburg, die zeitweise die größte in ganz Europa war.
2018 beauftragte das Mauthausen-Komitee dann den renommierten Verfassungsjuristen Bernd Christian Funk mit einem Gutachten zum Aufmarsch der kroatischen Rechtsextremen. Dessen Schlussfolgerung war schon sehr eindeutig:
„Weder die Tatsache der Nachbarschaft zu einer katholischen Messfeier noch der Umstand, dass die Vorgänge auf privatem Grund stattfinden noch das Vorliegen zweier, nicht identischer Faschismen, befreien die Behörden und Exekutivorgane von ihren gesetzlichen Überwachungs- und Interventionspflichten. Ein absichtliches ‚Wegsehen’ könnte den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllen.“
Anfang März 2019 kam dann die überraschend eindeutige Stellungnahme der katholischen Kirche Kärntens, wonach dem rechtsextremen Aufmarsch die Erlaubnis zur Abhaltung einer Gedenkmesse entzogen werde, weil man sonst der Kirche zur Recht unterstellen könne, so der Diözesanadministrator Guggenberger, „sie würde die Instrumentalisierung eines Gottesdienstes zu politischen Manifestationen dulden und die entsprechende Distanz zu faschistischem Gedankengut vermissen lassen“ (derstandard.at, 9.3.19).
Damit war dem Ustascha-Aufmarsch der Schutzschild einer religiösen Veranstaltung entzogen, mit dem über Jahrzehnte die Ausnahme vom Versammlungsgesetz nach § 5 begründet worden war. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft (BH) Völkermarkt wollte offenbar auf Nummer sicher gehen und beauftragte einen anderen renommierten Verfassungsrechtler, Heinz Mayer, mit einem Gutachten zu der für 2019 geplanten Veranstaltung des „Bleiburger Ehrenzugs“.
Der kam – nicht wirklich überraschend – zu einer sehr ähnlichen Einschätzung wie Funk im Jahr zuvor. Mayer stellte erstens klar, dass nur „rein religiöse Veranstaltungen“ von den Ausnahmebestimmungen des § 5 Versammlungsgesetz erfasst sind. Der Aufmarsch des „Bleiburger Ehrenzugs“ muss daher als Versammlung angezeigt werden. In der Folge widmete sich Mayer in seinem Gutachten aber auch der Frage, wie mit einer Kundgebung der Rechtsextremen umzugehen wäre, bei der es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Verstößen gegen das Verbotsgesetz gekommen ist, und kam zu folgendem Ergebnis: „Im Lichte dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Untersagung der geplanten Gedenkveranstaltung nicht nur zulässig, sondern geboten.“
Für die Behörde, die das Gutachten in Auftrag gegeben hat, bliebe somit eigentlich kein Spielraum. Weit gefehlt! Die BH Völkermarkt verwarf das Gutachten und behauptete, dass weitere Gutachten zu anderen Schlüssen gekommen seien. Wie sich jetzt herausstellt, gibt es aber keine anderen Gutachten, sondern angeblich eine anderslautende rechtliche Beurteilung durch die Landespolizeidirektion Kärnten. Die aber spielt den Ball zurück an die BH und erklärt, man habe sich lediglich der Rechtsmeinung der BH angeschlossen (Ö1 Abendjournal, 6. Mai 2019). Ein starkes Stück!
Peter Pilz, Abgeordneter der Liste Jetzt, hat deshalb eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt verfasst, in der er den Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt äußert und um Prüfung ersucht. Interessant, dass die BH Völkermarkt den Veranstaltern der antifaschistischen „Kundgebung zur Erinnerung an Befreiung Kärntens vom Nationalsozialismus durch die Alliierten“ schriftlich zweimal mitgeteilt hat, dass sich diese
„Versammlung zeitlich und (teilweise) örtlich prima facie mit der alljährlichen Gedenkfeier in Loibach und am Loibacher Feld überschneiden würde. Diese findet laut Mitteilung des ‚Bleiburger Ehrenzuges‘ in drei Teilen statt: Totengedenken auf dem Friedhof (…),Prozession (…) und anschließend eine katholische Messfeier samt Kranzniederlegung“.
Da wurde also so getan, als ob die Versammlung der Rechtsextremen nach wie vor eine religiöse wäre und deshalb den Vorrang genießen würde.
Noch immer nicht genug mit den Verrenkungen der Behörde! Der „Bleiburger Ehrenzug“, dessen neuer Vereinsvorstand schon wieder am Zerbröseln ist, hat anscheinend keine Kundgebung angemeldet, sondern eine religiöse Veranstaltung – wie in den Vorjahren. Die Behörden haben aber das „Anschreiben“ als Anzeige einer Kundgebung gewertet. Sehr zuvorkommend gegenüber den Rechtsextremen!
Eine antifaschistische Kundgebung zur Befreiung Kärntens vom Nationalsozialismus untersagen und die Faschisten trotz eindeutiger Stellungnahmen aufmarschieren lassen? Das wollte die BH Völkermarkt dann doch nicht riskieren.
„Mythos Bleiburg“
Der AK Pliberk/Bleiburg betreibt nicht nur die gut dokumentierte Webseite „No Ustasa“, sondern hat erst vor wenigen Wochen die lesenswerte Broschüre „Mythos Bleiburg“ vorgestellt, die auch als pdf-file downloadbar ist.
Warum Mythos? Weil die rechtsextreme Erzählung über die Ermordung Tausender kroatischer Soldaten und ihrer Familien durch Partisanen in den letzten Gefechten am 14./15. Mai 1945 am Loibacher Feld so nicht stimmt. „Tausende verloren an Ort und Stelle und auf dem Rückmarsch nach Jugoslawien gewaltsam ihr Leben“, heißt es etwa noch in einer APA-Aussendung vom 3.April 2019. Am Loibacher Feld und rund um Bleiburg/Pliberk gab es allerdings kein Massaker, keine Tausende Tote, sondern einige Tote und Verletzte sowie diverse Suizide von Ustascha-Leuten.
„Aber aus der Not der Zeit heraus wurde Bleiburg zum konstruierten Mythos der Exilkroaten, denn in Kroatien konnten sie im kommunistischen Jugoslawien keine Gedenkfeier durchführen, ja nicht einmal einreisen“, rückt auch Wilhelm Wadl, Direktor des Kärntner Landesarchivs und Historiker in einem Gespräch mit der „Kleinen Zeitung“ am 15.5.19 die Fakten zurecht.
Die Broschüre entzaubert aber nicht nur den „Mythos Bleiburg“, sondern auch die früheren und heutigen Protagonisten des kroatischen Rechtsextremismus. Klar, dass auch eine ausführliche Darstellung der österreichischen Behörden und ihres Verhaltens zum Ustascha-Aufmarsch nicht fehlen darf.