Mehrere gleichzeitige Anschläge auf Moscheen nach Vorbild des Terrorakts in Christchurch waren geplant, die einen Bürgerkrieg provozieren hätten sollen – das klingt nach einem Horrorszenario, das die Gruppe offenbar provozieren wollte. In abgehörten Gesprächen haben „die Beschuldigten über ‚weiche’ und ‚harte’ Ziele diskutiert. Als ‚weiche Ziele’ seien etwa Schwarzafrikaner genannt worden, als ‚harte Ziele’ hätten deutsche Politiker gegolten. Namentlich erwähnten die Rechtsextremisten demnach Habeck und Hofreiter.“ (faz.net, 26.2.20) Und Überraschung: Hinweise deuten darauf hin, dass das Netzwerk größer ist als ursprünglich vermutet und dass es Kontakte zu Polizei und Soldaten gegeben haben könnte.
Eine Reihe der Verhafteten waren in der gewaltaffinen „Bruderschaft Deutschland“ oder Bürgerwehren mit den klingenden Namen „Wodans Erben Germanien“ (W.E.G.), „Freikorps Heimatschutz“ und „Vikings Security“ organisiert oder sympathisierten mit ihnen, wie bereits aus den öffentlich einsehbaren Social Media-Aktivitäten ersichtlich war.
„Vikings Security“ war auch in Österreich kurzzeitig aktiv: Im Herbst 2018 hatte sich eine Gruppe formiert, die meinte, in Linz für Law and Order sorgen zu müssen, aber nach einigen Tagen wegen chronischer Erfolglosigkeit den Betrieb wieder einstellen musste.
Rechtsextreme seien seit 2016/17 in einem Zustand der Dauermobiliisierung, wie es ein Magdeburger Experte im MDR formuliert. Jedes Ereignis gebe einen Anstoß, um die Erregung hochzukochen und die Absicht, selbst tätig zu werden, zu verstärken: Taten statt nur Worte!
Die Anlässe sind willkürlich gewählt, manchmal konstruiert, manchmal aufgrund tatsächlicher Ereignisse, meist jedoch verschwörungstheoretisch untermauert. Wo vermeintliche oder reale Tatorte liegen, spielt dabei keine große Rolle, sie werden hochgespielt und zu Protestzentren stilisiert – real und virtuell. Das waren Kandel oder Chemnitz in Deutschland, auf kleinerer Flamme Wiener Neustadt und Steyr in Österreich – hierzulande beide Male orchestriert durch die Identitären. Und wenn Österreich nicht reicht, begibt man sich eben nach Deutschland und nimmt dort an den Aufmärschen teil. Die Vernetzung ist – begünstigt durch die sozialen Medien – überregional und länderübergreifend, der drohende Untergang wird mit jedem brauchbaren Argument herbeihalluziniert.
Es verwundert daher nicht, dass der deutschen Szene auch Material aus Österreich zum Aufstacheln und als Kick dient. Das zeigt schon eine kursorische Auswertung einiger Facebook-Profile der mutmaßlichen Rechtsterroristen aus der „Gruppe S.“.
Der Neonazi und Reichsbürgeranhänger Thomas N. wird zum Führungsquartett der Gruppe gezählt. Er war mit etlichen aus Österreich stammenden FB-Profilen – so wie N. selbst vielfach unter Klarnamen laufend – „befreundet“. Am 10. Februar, also nur vier Tage vor seiner Verhaftung, teilt N. ein Posting von Peter Westenthaler mit dem Titel: „6 Minuten Wahrheit über Wien“. Das war zuvor von Wal B. ins „Team 69 – Tirol“, einer hetzerischen Facebook-Gruppe, in der sich unzählige Rechtsextreme tummeln, geteilt worden.
Im Jänner taucht in N.s Timeline ein Video von Norbert Hofer auf. Begleittext: „Hammer Beitrag! Unbedingt anschauen! Klimaschutz ist wichtig ABER wir sollten die Kirche im Dorf lassen!“
Michael B., der zu den mutmaßlichen Unterstützern der Terrorgruppe gezählt wird, geht offenbar durch den politisch fulminant gescheiterten Ex-FPÖ-BZÖ-Mann Gerald Grosz ein Licht auf. In einem zwischen AfD-Statements und Posts zu Mikrochips, die der Bevölkerung eingepflanzt würden, eingebetteten Video hält Grosz von seiner Computerkanzel eine an „die linksradikalen Raufbolde in Hamburg“ gerichtete Predigt, an das feige, asoziale Pack, das sich hinter seinen „Pudelhauben“ verstecke und deren Heimat, so Grosz kenntnisreich resümierend, die geschlossene Anstalt sei.
Was wird Grosz wohl dazu sagen, wenn er erfährt, dass er mit seinem Gesülze einen mutmaßlichen Terroristenunterstützer ideologisch alimentiert hat und dass dann ausgerechnet der sich wenige Tage später mit „Pudelhaube“ auf seinem Profilfoto präsentiert?
Auch der Wochenblick findet sich in Michael B.s FB-Chronik: „Experte: Medien planten eigene ‚Schmutzkampagne“ gegen AfD“. Amüsant daran ist, dass der Wochenblick seinen eigenen Redakteur, Johannes Schüller, zum „Experten“ geadelt hat – aber vermutlich sind dort nur „Experten“ für einschlägig recht(sextrem)e Themen am Werk.
Tony E., auch dem Führungsquartett zugerechnet, teilt ebenfalls einen Wochenblick-Artikel, der – Ironie der Geschichte! – von Facebook als Fake-Nachricht markiert wurde: „Merkel hofft auf 12 Millionen Einwanderer“, phantasiert da der Wochenblick. Die Meldung könnte den Adrenalinspiegel des „UnbeugsamTony“, wie sich E. auf dem mittlerweile gelöschten Facebook-Account nannte, hochgejagt haben.
Der Wodans-Erben-Aktivist und mutmaßliche „Gruppe S.“-Unterstützer Frank H. aus München nimmt wiederum bei „unzensuriert“ Anleihen, um zu belegen, dass der Begriff „Lügenpresse“ zu Recht „immer wieder mal zu lesen“ sei. „Wenn Stimmungsmache nur mehr ‚Rechte Gewalt’ erkennen will .….…. LÜGENPRESSE in Reinkultur. sorry Freunde SO Bitte NICHT.“
Terrorgruppe S. (Teil 1): der Background
Terrorgruppe S. (Teil 3): „Wodans Erben“ und ihre Fans aus Österreich