Die unrühmlichen Gothen

Kor­po­ra­tio­nen, die sich Goth­ia nen­nen, gibt es einige in Öster­re­ich. Uns inter­essiert hier aber eine ganz spezielle, die akademis­che (und schla­gende) Burschen­schaft Goth­ia zu Wien (nicht zu ver­wech­seln mit der gle­ich­nami­gen katholis­chen Verbindung). Sie ist im sehr recht­en Dachver­band „Deutsche Burschen­schaft“ organ­isiert und dort wiederum zusät­zlich in der recht­sex­tremen Pres­sure-Group „Burschen­schaftliche Gemein­schaft“. Die Neon­azi-Enzyk­lopädie Meta­pe­dia lobt die Burschen­schaft Goth­ia. Kein Wun­der, denn die Gothen loben ihre alten Nazis und den Erz-Anti­semiten Schönerer.

Am 24. Jän­ner 2019 hat von einem Fen­ster der Bude der Burschen­schaft Goth­ia in der Wiener Schlös­sel­gasse ein Bursche Gesten gezeigt, die er zunächst selb­st als provozierend und missver­ständlich beze­ich­net hat­te. In diesem Betrag wollen wir uns allerd­ings nicht mit ihm und seinen Gesten, son­dern mit der Burschen­schaft Goth­ia selb­st beschäftigen.

Als am 24. Jän­ner des Vor­jahres die Don­ner­stag-Demo vor die Bude der Goth­ia marschierte, schmück­ten die Burschen ihre Bude mit der deutschen Flagge. Das war dur­chaus pro­gram­ma­tisch gemeint. 1996 hat der dama­lige Sprech­er der Gothen der Zeitschrift „pro­fil“ (25.11.1996) erk­lärt: „Wir fühlen uns der deutschen Volks- und Kul­turge­mein­schaft ver­bun­den“. 2005 wurde dieses Beken­nt­nis zur deutschen Volks­ge­mein­schaft dann durch Besuch und Refer­at von Safet Babic, Funk­tionär der neon­azis­tis­chen NPD, vertieft.

Gemeinsame Adresse: Eingangstür zur Gothia Wien und zu "unzensuriert" in der Schlösselgasse

Gemein­same Adresse: Ein­gangstür zur Goth­ia Wien und zu „unzen­suri­ert” in der Schlösselgasse

Türschild der Burschenschaft Gothia Wien

Türschild der Burschen­schaft Goth­ia Wien

Einige Jahre zuvor, im Jahr 2001, trug sich die neon­azis­tis­che Wiener Kam­er­ad­schaft Ger­ma­nia in das Gäste­buch der Gothen mit dem Hin­weis ein „Heil Euch! Son­nwend­feier mit einem Bal­laden-sänger! 22.juni! Näheres per net­z­post!

Kein Wun­der, dass sich die recht­sex­treme Szene mit den Burschen­schaften ver­bun­den fühlt. Die WienerKam­er­ad­schaft Ger­ma­nia wirbt auf ihrer Home­page für die Olym­pen und die Burschen­schaft Goth­ia. Die „jun­gen nation­al­gesin­nten Ost­märk­er” der Kam­er­ad­schaft Ger­ma­nia wollen die Zukun­ft der „arischen Kinder sich­er­stellen” und bieten nicht nur ein­schlägiges Mate­r­i­al über NS-Pro­pa­gan­damin­is­ter Joseph Goebbels oder zu Rudolph Hess an, sie suchen auch Kon­takt zu den Burschen­schaften und zur FPÖ.

Auch das war 2001 in „pro­fil“ (Nr.18 vom 30.4.2001) zu lesen. Ein Jahr später, 2002, organ­isierte die Kam­er­ad­schaft Ger­ma­nia dann die Neon­azi-Demo gegen die Wehrma­cht­sausstel­lung – unter reger Beteili­gung von deutschna­tionalen Burschenschaftern.

Ide­ol­o­gis­che und per­son­elle Verbindun­gen der Goth­ia zum Recht­sex­trem­is­mus liefen früher vielfach über ihren Alten Her­ren und Nazi Fritz Stüber, der bis 1953 den äußerst recht­en Rand des FPÖ-Vor­läufers Ver­band der Unab­hängi­gen (VdU) abdeck­te und bei den Gothen für gute Verbindun­gen zur neon­azis­tisch ori­en­tierten Arbeits­ge­mein­schaft für Poli­tik (AfP) sorgte. Bern­hard Wei­dinger zitiert in sein­er umfassende Studie über die Burschen­schaften „Im nationalen Abwehrkampf der Gren­z­land­deutschen“ einen Nachruf auf Stüber, in dem fest­gestellt wird, dass dessen „bloßes Zuge­gen­sein“ schon aus­gere­icht habe, um bes­timmte Auf­fas­sun­gen durchzuset­zen (S.160) .

Als sich 1976 die Burschen­schaft Oberöster­re­ich­er Ger­ma­nen am Ver­band­stag der DB bei einem Beschluss der Stimme enthielt , der die Möglichkeit der Mit­glied­schaft von Burschen­schafter in recht­sex­tremen Organ­i­sa­tio­nen bil­ligte, sank­tion­ierten die Wiener Hard­lin­er-Burschen­schaften Olympia, Lib­er­tas und Goth­ia die Oberöster­re­ich­er Ger­ma­nen dadurch, dass sie nicht mehr mit ihnen fecht­en woll­ten (Wei­dinger, S. 316). – Die Teu­to­nen, die eben­falls zu den recht­sex­tremen Hard­lin­ern zählen, waren damals noch nicht im Dachverband.

Über die poli­tis­che Aus­rich­tung der Burschen­schaft Goth­ia ist ja aus dem, was sie 2020 auf ihrer Web­seite offeriert, nicht mehr allzu viel zu erfahren. In einem Punkt sind die Gothen aber nach wie vor sehr klar: in ihrem Beken­nt­nis zum (recht­sex­tremen) völkischen Vater­lands­be­griff: „Das große über­greifende Ziel bleibt jedoch stets die Vol­len­dung der Ein­heit des deutschen Volkes im geistig-kul­turellen Sinne“, heißt es dazu im aktuellen Kapi­tel „Wer sind wir?“ auf ihrer Web­site. Möglicher­weise ist das der Grund, warum die Neon­azi-Enzyk­lopädie Meta­pe­dia die Goth­ia lobt: „Die aB! Goth­ia gilt – neben der aB! Oympia und der aB! Teu­to­nia – als unge­beugt völkische Verbindung.

Über so viel dick­es braunes Lob kön­nen sich also die Gothen freuen! Möglicher­weise ver­danken sie es auch dem Ange­denken an ihre „berühmten Gothen“, denen sie auf ihrer Web­site eine Seite wid­men. Sieben „Berühmte Gothen“ wer­den da aufgezählt – und von diesen sieben waren nur zwei keine Nazis. Die zwei sind näm­lich zu früh gestor­ben. Dafür war ein­er der zwei Hitlers Vor­bild in Sachen Anti­semitismus, Georg Rit­ter von Schöner­er. Die recht­sex­tremen Burschen­schaften Lib­er­tas Wien, Teu­to­nia Wien, Ger­ma­nia Inns­bruck und eben auch die Goth­ia haben ihm ein Plätzchen in ihrer Geschichte als Mit­glied oder Ehren­mit­glied reserviert – weil sie so stolz sind auf diesen üblen Anti­semiten! In ihrer Ver­bands­geschichte (eben­falls auf ihrer Home­page ein­se­hbar) schreiben die Gothen – ohne jegliche Dis­tanz (und Ken­nt­nis der deutschen Grammatik):

Goth­ia ver­fol­gte die Grund­sätze deutschna­tionaler Gesin­nung im Sinne Schöner­ers, Kampf für Größe, Ein­heit und Rein­heit des deutschen Volkes, unbe­d­ingte Genug­tu­ung auf Säbel und Ein­fach­heit in stu­den­tis­chen For­men­we­sen“. (…) Goth­ia blieb den Ide­alen Schöner­ers und Bis­mar­cks stets engagiert ver­bun­den. So wurde alljährlich zum Todestag von Bis­mar­ck eine größere oder kleinere Gedenk­feier abge­hal­ten; Schöner­er wurde 1919 — zwei Jahre vor seinem Tode — als Ehren­bursch aufgenommen.

Die „Ide­ale“ Schöner­ers – geht’s noch? – wer­den in der Gothen-Chronik natür­lich nicht ange­führt. Die Gothen wis­sen schließlich, was unter dem Tep­pich bleiben muss! „Geistiger Vater“ Hitlers nen­nt ihn Han­nah Arendt – für die Gothen ein „berühmter Gothe“.

Plakat zur Ausstellung über Schönerer 1942

Plakat zur Ausstel­lung über Schöner­er 1942

2013 wid­met Klaus Taschw­er, Wis­senschaft­sredak­teur des „Stan­dard“ dem Net­za­uftritt der Goth­ia erst­mals einige Zeilen. Der Gothe und Uni­ver­sität­spro­fes­sor für Rechts- und Ver­fas­sungs­geschichte an der Uni Wien, Chris­t­ian Neschwara, antwortete ihm via Mail, sprach davon, dass das Kapi­tel über die „berühmten Gothen“ ohne­hin dem­nächst im Rah­men der Neugestal­tung des Online-Auftritts über­ar­beit­et würde.

Am 30. Dezem­ber 2017 erschien dann ein neuer Beitrag von Taschw­er über den „Anti­semitismus berühmter Gothen“, in dem er fest­stellen musste, dass sich im Kapi­tel „berühmte Gothen“ fak­tisch nichts geän­dert habe: keine kri­tis­chen Anmerkun­gen, keine Erwäh­nung ihrer NS- Ver­strick­un­gen, kein­er­lei Dis­tanzierung – trotz Neugestal­tung des Online-Auftritts.

Die Gothia Wien in der Selbstdarstellung: der Zweite Weltkrieg als "der große Krieg"

Die Goth­ia Wien in der Selb­st­darstel­lung: der Zweite Weltkrieg als „der große Krieg”

Im Ein­trag zu Hein­rich von Srbik heißt es bei den Gothen:

Pro­fes­sor für all­ge­meine und Wirtschafts­geschichte in Graz, für all­ge­meine Geschichte der Neuzeit in Wien. Zahlre­iche Veröf­fentlichun­gen. 1929 Unter­richtsmin­is­ter, 1938 Präsi­dent der Akademie der Wis­senschaften und Mit­glied des Reichstages.

Keine Erwäh­nung davon, dass Hein­rich Srbik schon vor der Okku­pa­tion Öster­re­ichs durch die Nazis Mit­glied der anti­semi­tis­chen Pro­fes­soren­clique „Bären­höh­le“ war, die jüdis­chen und linken Wis­senschaftern an der Uni Wien das Leben schw­er macht­en. 1938 bejubelte Srbik den Anschluss Öster­re­ichs als „Ver­wirk­lichung des tausend­jähri­gen Traums der Deutschen“, wom­it wir eigentlich sehr nahe bei der Gothen –Ide­olo­gie auch des Jahres 2020 wären. Srbik war NSDAP-Parteim­it­glied seit 1938, trat 1942 – so Wei­dinger, der sich dabei auf den Burschen­schaft­shis­torik­er Gün­ter Cer­win­ka bezieht – auch aus der Goth­ia aus und war trotz kleiner­er Kon­flik­te mit der NS-Bürokratie eine „zumin­d­est ambiva­lente Fig­ur“ (Wei­dinger), aber sich­er kein Wider­stand­skämpfer gegen den Nation­al­sozial­is­mus, zu dem ihn einige Burschen­schafter hochjubeln woll­ten. Das Urteil der His­torik­erin Mar­ti­na Pes­ditschek, die zu Srbik geforscht und pub­liziert hat, ist noch viel ein­deutiger. Sie charak­ter­isiert ihn als „kühl kalkulieren­den, niemals ver­trauenswürdi­gen Macht­men­schen und dur­chaus typ­is­chen Nation­al­sozial­is­ten“ (zit. nach derstandard.at, 30.12.17).

Mirko Jelu­sich, eben­falls ein „berühmter Gothe“ war nicht bloß Burgth­e­a­ter­di­rek­tor während der Nazi-Ära, son­dern schon vorher ein ille­galer Nazi und auch nach 45 in den ein­schlägi­gen Kreisen sehr aktiv.

Auch Eduard Pichl, der eine von Hitler mit­fi­nanzierte Schöner­er-Biogra­phie ver­fasst hat­te, war ein fanatis­ch­er Anti­semit und spätestens seit 1938 NSDAP-Mit­glied. Über ihn und die Goth­ia kann man auch 2020 noch auf der Goth­ia-Home­page voller Stolz lesen:

Auf den Burschen­t­a­gen von 1919 ver­trat Goth­ia durch ihren AH Pichl vehe­ment und schließlich mit Erfolg den den (sic!) Zusam­men­schluß mit der Deutschen Burschen­schaft. In diesem Dachver­band sah Goth­ia ihre Auf­gabe vor allem in der Durch­set­zung der ost­märkischen Grund­sätze und der sog. „Waid­hofen­er Grundsätze“.

Fritz Stübers einzige her­aus­ra­gende poli­tis­che Leis­tung neben sein­er Nazi-Mit­glied­schaft seit 1932 war übri­gens, dass er als einziger Abge­ord­neter gegen den Staatsver­trag von 1955 wet­terte, weil durch ihn ein Keil zwis­chen Deutsch­land und Öster­re­ich getrieben würde.

Eduard Kran­ner war während der Nazi-Zeit Bürg­er­meis­ter von Eggen­burg, was in der Rubrik „berühmte Gothen“ natür­lich nicht erwäh­nt wird. Ob auch er NSDAP-Mit­glied war, geht aus den ver­füg­baren Quellen nicht her­vor. Pub­liziert hat er jeden­falls in der Schriften­rei­he der NSDAP – eine mildere Beurteilung ver­di­ent er allen­falls dadurch, dass er 1945 die Zer­störung Eggen­burgs durch die Wehrma­cht verhinderte.

Eduard Kanner, Die Stadt Eggenburg. Schhriftenreihe für Heimat und Volk. Herausgegeben vom Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP.

Eduard Kan­ner, Die Stadt Eggen­burg. Schhriften­rei­he für Heimat und Volk. Her­aus­gegeben vom Gau­presseamt Nieder­donau der NSDAP.

Gothen der let­zten Jahrzehnte scheinen nicht unter den „berühmten Gothen“ auf. Ihre alten Unrühm­lichen kön­nten sie auch kaum toppen.

Cover Bernhard Weidinger, Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen (Böhlau, 2015), zum Download

Cov­er Bern­hard Wei­dinger, Im nationalen Abwehrkampf der Gren­z­land­deutschen (Böh­lau, 2015), zum Down­load