Als „gemeinsames Projekt alternativer Medien aus Österreich“ wird das Talk-Format auf der Website des rechtsextremen Magazins „Info-Direkt“ angekündigt. Bereits die Selbstbezeichnung „alternative Medien“ ist ein szenetypischer und manipulativer Kampfbegriff: Damit wird implizit unterstellt, es herrsche in der nicht-rechten Medienlandschaft eine Einheitsmeinung vor, wodurch sich wiederum völkische, verschwörungsmythische und neofaschistische Positionen als widerständig bzw. rebellisch inszenieren können.
Bei dem Namen des Formats handelt es sich um die direkte Übernahme des Titels einer bekannten ORF-Sendung, wodurch auf eine erhöhte Sichtbarkeit bei Suchen auf Google oder YouTube gehofft werden kann. Solches Hijacking von Bekanntem und mit Normalität/Seriosität assoziiertem gehört zu den zentralen Medienstrategien der „neurechten“ Szene. Und aus eben dieser kommen auch die drei Talk-Gäste der Auftaktrunde: Götz Kubitschek, Michael Scharfmüller und Bernadette Conrads. Als Moderator fungiert Konrad M. Weiß.
Gehostet wird die rechtsextreme Runde passenderweise auf dem YouTube-Kanal des Edelmetallhändlers Thomas Bachheimer, der mit seinem Blog ein ähnliches Publikum adressiert wie die Gäste des Talk-Formats. Geplaudert wird im gediegenen Ambiente des Ferdinandihofs, der im Besitz von Ronald F. Schwarzer steht. Die im 5. Bezirk gelegene Eventlocation ist neben dem ÖLM-Quartier in der Fuhrmannsgasse inzwischen in Wien zum wohl beliebtesten Austragungsort rechtsextremer Veranstaltungen avanciert.
Die Runde
Der prominenteste Talker ist zweifellos Götz Kubitschek, der das Magazin „Sezession“ herausgibt und der Protagonist sowohl hinter dem Verlag „Antaios“ als auch dem Thinktank „Institut für Staatspolitik“ (IfS) ist. Das IfS, das mit einem universitären Institut freilich nichts zu tun hat, wird vom deutschen Verfassungsschutz seit Oktober 2021 als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Kubitscheks kleines Institutionen-Netzwerk, das in seinem Heimatort Schnellroda in Sachsen-Anhalt angesiedelt ist, bespielt seit den frühen 2000er-Jahren das „neurechte“ Verlangen nach einer Intellektualisierung völkischer Ideologie.
Michael Scharfmüller ist Herausgeber des österreichischen Magazins „Info-Direkt“, das seit 2015 existiert und vom Dokumentationsarchiv des öst. Widerstandes (DÖW) folgendermaßen charakterisiert wird:
Die Zeitschrift kleidet klassisch rechtsextreme Weltanschauung (…) in ein modernes Gewand und lotet insbesondere in Form von omnipräsentem Antisemitismus, Volksgemeinschaftsdünkel, einer teils offen vertretenen antidemokratischen Stoßrichtung und quasi-revolutionärem Impetus die Grenze zum Neonazismus aus, was auch der politischen Vita zentraler Akteure entspricht.“ (doew.at)
Bernadette Conrads hat die identitären-nahe Website „derstatus.at“ erst heuer gemeinsam mit Julian Schernthaner und Matthias Hellner gegründet. Alle drei waren davor beim rechtsextremen Hetz- und Desinformationsmedium „Wochenblick“ (WB) als Autor*innen tätig. Dieses wurde vergangenen Dezember eingestellt, und „derstatus.at“ übt sich seit Jänner als abgespeckter Nachfolger. Conrads startete ihre Karriere als identitäre Aktivistin. Sie war bis zum Ende der türkis-blauen Koalition auch parlamentarische Mitarbeiterin im FPÖ-Parlamentsklub, wo sie nach dem Ende des Wochenblicks wieder anheuerte – ein Faktum, das Conrads verschweigt. Abgesehen vom WB schrieb sie auch für Andreas Mölzers rechtsextreme Wochenpostille „Zur Zeit“.
Moderiert wird das Gespräch von Konrad M. Weiß, der als „Schriftleiter“ des seit 1953 existierenden rechtsextremen Magazins „Der Eckart“ fungiert, das von der „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM) herausgegeben wird. Es gehört zum Traditionsbestand der rechtsextremen Publizistik in Österreich und bespielt(e) auch immer wieder den Nahbereich zum Neonazismus. Im Jahr 2019 hatte das Magazin einen Relaunch und tritt seither aggressiver auf, das DÖW attestierte damals einen „Rechtsruck mit zunehmenden verschwörungsphantastischen Tendenzen“ (doew.at). „Stoppt die Rechten“ hat zuletzt anhand einer Ausgabe des Jahres 2020 (Februar) aufgezeigt, wie nahe „Der Eckart“ an offen neonazistischen Positionen balanciert. „Schriftleiter“ Weiß betreibt außerdem den „neurechten“ Wiener „Karolinger Verlag“ und war kurzzeitig als Pressesprecher von Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache tätig. In diese Zeit fällt auch ein Text von ihm, der in Kubitscheks „Sezession“ (April 2018) erschien und in dem Weiß in seinem deutschnationalen Sermon das NS-Befreiungsjahr 1945 als „Katastrophe“ bezeichnete.
Erst im September war Weiß gemeinsam mit Kubitschek und Scharfmüller bei einem „neurechten“ Kulturevent in Wien zur Ehrung des französischen Rassisten und „Abendland“-Apokalyptikers Jean Raspail in Erscheinung getreten; vielleicht entstand dort ja die Idee zum „Chefredakteure“-Talk.
Rechtsextremes Selbstbewusstsein unter Kickl
Oftmals während des Talks geht es um die jeweilige Positionierung gegenüber der Parteipolitik, also konkret gegenüber FPÖ und AfD. Scharfmüller zeigt dabei ein hohes Selbstbewusstsein. Er sieht seine Aufgabe u.a. darin, „die Rückkopplung der Partei zu sein“ und den „Kampf um die Deutungshoheit“ im Parteienvorfeld zu führen. In diesem Sinn hält er sich für „das schlechte Gewissen“ der Partei und spart nicht mit Kritik. Die richtet sich aber selbstverständlich nicht gegen die Lichtfigur selbst: Mit Herbert Kickl sei die „Wiederauferstehung gekommen“, er mache, was „Info-Direkt“ schon immer sage: „Wer sich distanziert verliert.“ Das habe sich leider „noch nicht ganz durchgesetzt in der FPÖ“, beispielsweise in Salzburg und in Oberösterreich. Damit meint er jene Landesgruppen, die angeblich noch zarte Kritik an Kickl wagen. Insbesondere gegen Manfred Haimbuchner (FPÖ-Chef OÖ) ätzt Scharfmüller mit dem Selbstbewusstsein eines Recken, der sich auf Führerlinie weiß. Ganz besonders empört ihn die FPÖ-Zustimmung zum oberösterreichischen „Aktionsplan gegen Extremismus“, die Haimbuchner nach Unkenrufen aus rechtsextremen Medien und nach einem öffentlichen Rüffel durch Generalsekretär Hafenecker ohnehin schuldbewusst revidierte (siehe auch doew.at, Aug. 2023).
Verschwörungsmythen und antisemitische Codes
Scharfmüller imaginiert, dass im Rahmen dieses Aktionsplans „linksextreme Kreise“ hofiert werden würden und er steigert sich in wahren Verschwörungseifer, wenn er behauptet, dass jetzt „globalistische NGOs direkten Einfluss auf die Ausbildung von Lehrern und auf die Köpfe unserer Kinder“ hätten. Die Chiffre „Globalismus“ ist ein häufig bedienter antisemitischer Code, der eine Weltverschwörung gegen vermeintlich organisch gewachsene (Volks-)Gemeinschaften andeutet, ohne dies direkt ausformulieren zu müssen.
Passend dazu problematisiert die Runde ein Phänomen, das sie „Meloni-Effekt“ (Weiß) bzw. „Melonisierung“ (Kubitschek) nennen. Damit ist in Anlehnung an die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni das vermeintliche Aufweichen von rechtsextremen Wahlkämpfer*innen hin zu einer gemäßigteren rechten Realpolitik gemeint. Wenig überraschend wird dies von den Anwesenden bedauert und zudem als Elitenverschwörung erklärt – teilweise wieder entlang von antisemitischen Codes: Nach Bernadette Conrads sei eben auch Meloni Teil „globalistischer Eliten“, sie sei etwa seit 2021 Mitglied in der US-amerikanischen Denkfabrik „Aspen Institut“ und „viele Vorgänge sie betreffend“ könnten damit erklärt werden. Auch dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen angeblich den Regierungsantritt Melonis als eher harmlos eingeschätzt hätte, deutet Conrads raunend so, dass sich beide eben „aus gewissen internationalen Zusammenhängen“ kennen würden.
Desinformation und Selbstbilder
Freilich halluzinieren alle zusammen, dass sie „seriöse“ Medien seien, Conrads hält ihr Online-Desinformationsformat zumindest für ein Boulevardmagazin, das „in die Tiefe“ gehe. Scharfmüller gibt dennoch einen sehr offenen Einblick in seinen instrumentellen Zugang zu gezielter Desinformation, die er freilich nur bei anderen Medien im rechten Spektrum am Werk sieht:
„Bei Kollegen, die (…) mit Angst arbeiten, wenn die das schlau machen, dann können wir auch davon profitieren, wenn die jetzt die ganzen UFO-Leute (…) und Echsenmenschen einfangen und darauf hinweisen, dass vielleicht tatsächliche Probleme wie der Bevölkerungsaustausch vorhanden sind, dann kann das sein, dass wir den einen oder anderen zu unseren Medien herüberbringen und dann ist das aus meiner Sicht sehr wohl sinnvoll, was die machen.“
Dieser unverblümt und dümmlich vorgebrachte Zynismus ist eine wahre Blaupause für den Zugang von FPÖ und ihrem rechtsextremen Medien-Umfeld zu Falschinformation und Obskurantismus: Wenn das durchgeknallte Verschwörungsnarrativ von „Echsenmenschen“ („Reptiloiden“) dabei hilft, Menschen auf den Geschmack der rassistischen Verschwörungsformel vom „Bevölkerungsaustausch“ zu bringen, ist das willkommen, nach dem Motto: Jede verschwörungsmythische Lüge ist eine Chance, um Leute auf die eigene Seite zu ziehen, egal ob man das selbst für falsch oder tatsächlich richtig hält.
Kubitschek stimmt dieser blanken Bejahung von Manipulation zu, wenn er moniert, dass „Masse bespielt werden muss, dass die Massenpsyche eine andere ist als die Individualpsyche“, und er freut sich darüber, dass es Formate gibt, die eben das tun. Seine eigene Aufgabe sieht er aber woanders, nämlich, seinem typisch „neurechten“ Elite-Denken entsprechend, darin, dass „die entscheidenden Leute“ seinen Output lesen: „das komplette Feuilleton, der komplette politische Gegner und vor allem die Partei selbst“. Bezüglich der AfD spricht Kubitschek von nötigen „Häutungen“, womit er ein biologistisches Bild für deren ideologische Eskalation hin zur völkischen Höcke-Partei meint. Seine eigene Rolle in diesem Prozess beschreibt er als nachgereichten „Sortierungsvorgang“ – man habe „Begriffe ventilieren [können], die für die Partei bis heute wichtig sind“. Damit bläst Kubitschek in das gleiche Horn wie Scharfmüller, aber etwas weniger plump. Letztlich geht es immer um Manipulation in völkischer Sache.