Ursprünglich waren die GGI eine lose Initiative, die sich gegen verschiedene Maßnahmen des Corona-Managements der Bundesregierung und die im November 2021 von Bundesregierung und Landeshauptleuten verordnete Impfpflicht aussprach und sich dabei auf grüne Grundwerte berief. Initiator*innen waren einige Funktionär*innen und Mitglieder der Grünen, darunter die frühere Bundessprecherin Madeleine Petrovic. Im Februar 2022 konstituierte sich dann der „GGI – Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit”.
Informationsfreiheit? Welche Informationsfreiheit ist damit gemeint? Offensichtlich die Freiheit von jeglicher Information. Bei der Veranstaltung der Wiener Skeptiker bzw. der Gesellschaft für kritisches Denken, die seit 2011 den Preis für das „Goldene Brett“ (vorm Kopf) ausrichten, zeichneten sich die Aktivist*innen der GGI durch detailliert geplante massive Störaktionen und regelrechte Tumulte gegen die Laudationes für die Nominierten aus. „profil.at“ (7.10.23) veröffentlichte in seinem Kurzbericht über die Veranstaltung ein Faksimile der Anweisungen für die Störaktionen. Im YouTube-Video vom Lievstream der Veranstaltung lässt sich das gut beobachten.
Die rechte Preisverleihung durch die GGI
„Miteinander statt gegeneinander“ verspricht die GGI zu agieren – davon ist allerdings nichts mehr zu bemerken. Vor der Preisverleihung für das „Goldene Brett“ veranstaltete die GGI bei einer Kundgebung vor dem Wiener Stadtsaal eine Preisverleihung der besonderen Art. Für „Mut, Liebe, Unbeugsamkeit“ wurden so ziemlich alle Teilnehmer*innen der Kundgebung ausgezeichnet – vorwiegend Rechte bzw. Rechtsextreme.
So erhielten die Medaillen der GGI
- Florian Machl, der Macher des rechtsextremen Verschwörermediums „report24.news”.
- Peter Mayer, der den ebenfalls sehr rechten Verschwörerblog „tkp“ herausgibt.
- Christian Schott, Geschäftsführer des oberösterreichischen Regional-TV-Sender RTV, der programmatisch auf gleicher Wellenlänge wie die zuvor Genannten liegt.
- Max Pucher vom Unternehmergewerkschaftsverein „Union Souveränität“, der in üblicher rechtsextremer Diktion gegen die angebliche Herrschaft der „Globalisten“ wettert.
- Hannes Hofbauer, Publizist, der Putin als „Lichtgestalt“ abfeierte und sich immer wieder in Querfrontdebatten versucht.
- Alexander Ehrlich, der pandemiegeschäftstüchtige Busunternehmer von „Honks for Hope“, der schon mehrmals auffällig war.
- Markus Haintz, ein Anwalt aus der deutschen Corona-Szene, über den „correctiv“ schrieb:
Dieser reist von Demonstration zu Demonstration und ist an vielen Initiativen lose beteiligt, darunter Querdenken 711, Anwälte für Aufklärung, kurzzeitig war er auch Mitglied der Querdenker-Partei Die Basis. Im September 2021 hat Haintz ein Interview mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro geführt.
- Noch eine Reihe weiterer Personen bzw. Initiativen erhielten Auszeichnungen der GGI, darunter passenderweise auch die GGI.
Wer ist die GGI?
Auf ihrer Website führt die GGI an, dass 140 Funktionär*innen, 188 Mitglieder und 5.612 Wähler*innen der Grünen ihre Tätigkeit unterstützen würden. Auch 1.848 ehemalige Wähler*innen würden sich unter den mittlerweile 24.951 Unterzeichner*innen befinden. Aber: Wie will man korrekt (ehemalige) Wähler*innen bzw. Ehemalige bei einer simplen Unterschriftenaktion feststellen? Simple Antwort: Es geht nicht!
Die Zahlen der Unterzeichner*innen insgesamt wirken beachtlich, auch wenn es einige unter ihnen gibt, die zwei- oder dreimal unterschrieben haben. Neben den Angaben über (ehemalige) Wähler*innen irritiert jedoch viel mehr, dass uns schon bei einem sehr oberflächlichen Überblick Funktionäre der FPÖ und andere rechtsextreme Aktivist*innen ins Auge stechen, darunter die Unterzeichnerin eines Briefes an den früheren iranischen Präsidenten Ahmadinejad, in dem dieser für seine Holocaustleugnung bejubelt wurde, ein Aktivist der verblichenen neonazistischen Partei des Volkes, Aktivist*innen von völkischen Vereinen, ein Prediger der Neuen Germanischen Medizin von Ryke Geerd Hamer usw. – Seite an Seite mit ehemaligen oder aktiven Grünen?
Rechte „Erneuerung der Politik“?
Auf ihrer Website verspricht die GGI, sich für ein „gutes Miteinander und eine Erneuerung der Politik“ einsetzen zu wollen. Das mit dem „guten Miteinander“ kann nach dem Auftritt beim „Goldenen Brett“ schon ad acta gelegt werden. Auch die „Erneuerung der Politik“ sieht ziemlich altrechts aus: Machl, Mayer, Schott, Pucher usw. – da fehlen bloß noch Stefan Magnet und Martin Sellner.
Ach so, der Stefan Magnet war schon dabei? Bei den „Better Way“-Tagen im September 22 hatte er einen Auftritt, wie auch Sucharit Bhakdi, dessen Frau Karina Reiss oder Robert Malone. GGI war nicht der Veranstalter dieser Konferenz, empfahl sie aber über den vereinsinternen Veranstaltungskalender wie Veranstaltungen mit Gudula Walterskirchen, Ulrike Guérot und Daniele Ganser.
Womit wir wieder beim „Goldenen Brett“ wären. Ulrike Guérot, Stefan Homburg und der Servus-TV-Intendant und Redakteur Ferdinand Wegscheider standen auf der Shortlist für den Satirepreis. Gewonnen hat ihn Ulrike Guérot. Daniele Ganser erhielt das „Goldene Brett“ für sein Lebenswerk.
Für die GGI zahlten sich die Medaillen an Florian Machl und Peter Mayer postwendend dadurch aus, dass beide in ihren Medien Organisation und Preisredner*innen von „Das Goldene Brett“ niedermachten und die von GGI und anderen verursachten Tumulte, Schreiaktionen sowie die GGI-Gegenveranstaltung in höchsten Tönen lobpreisten. Machl bezeichnet in seinem „report24“ das „Goldene Brett“ als „Denunzierungsparty“ und „primitive Verhöhnung Abwesender“ (die Ausgezeichneten hatten Einladungen erhalten), während Mayer auf „tkp“ in Missachtung oder Unkenntnis der Geschichte von einem neuen Tiefpunkt der „Verunglimpfung und Verächtlichmachung seriöser Wissenschaftler seit Galileo Galilei“ sprach. Mit den seriösen Wissenschafter*innen meinte er die für das „Goldene Brett“ Nominierten.
Das erinnert an die Aussage von Nora Summer (das war die Moderatorin der GGI-Gegenveranstaltung), die von Martin Puntigam, dem Moderator beim „Goldenen Brett“, sogar auf die Bühne für ein Statement gebeten wurde und dort als „Sachargument“ einbrachte: wenn Pseudowissenschafter einen Preis für Pseudowissenschaft vergeben, dann ist das so wie in der Mathematik: Minus mal Minus ergibt Plus. Ja, so einfach und nichtssagend kann man es sich machen. Nora Summers Profession ist übrigens die Astrologie.
Auszüge aus den Laudationes für die Nominierten „Das Goldene Brett“
Wir haben von den Veranstaltern die Erlaubnis erhalten, aus den schriftlichen Versionen der Laudationes längere Passagen zu zitieren. Wem das nicht reicht und wem es wichtig ist, auch die Tumulte und Störungen mitzuerleben, dem/der sei das Video des Livestreams empfohlen. Von der Laudatio von Martin Thür auf Daniele Ganser liegt uns leider kein Skript vor.
Gerald Gartlehner über Ferdinand Wegscheider
Sprachlich hat er wenig Berührungsängste mit rechten Plattformen wie den Querdenkern oder QAnon. Er verwendet statt Pandemie, zum Beispiel, immer den Begriff „PLandemie”. „Plandemie” insinuiert, dass hinter der Corona-Pandemie ein böser Masterplan steckt, um Freiheitsrechte zu vernichten, Zensur einzuführen und Menschen in kontrollierte Schafe zu verwandeln, die sich willig impfen lassen.
In seiner Sendung war Satire immer wieder nur das Mäntelchen, mit dem Falschinformationen, Wissenschaftsfeindlichkeit und Verschwörungstheorien getarnt wurden. (…) Zum Beispiel: Am 7. November 2021 behauptet er, dass Ivermectin „in vielen Ländern erfolgreich gegen COVID eingesetzt wird“. Satire ist hier schwer zu erkennen, nicht einmal Humor. Die Aussage ist schlicht und einfach wissenschaftlicher Unsinn. Ivermectin wurde nie in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt, Ivermectin hat aber in vielen Ländern zu Vergiftungen und sogar Todesfällen geführt. Auch in Bezug auf Impfungen hat Ferdinand Wegscheider immer wieder ähnliche, falsche Behauptungen, getarnt als Satire, aufgestellt. (…)
Adelheid Kastner über Stefan Homburg
Mit 29 Jahren erhielt er eine Professur an der Uni Bonn und war jahrelang als Berater der Regierung tätig, wobei er sein Wissen und seine unvergleichliche Gelehrsamkeit gerne auch in TV-Talkshows einer größeren Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte. 1997 wurde er Direktor des Instituts für öffentliche Finanzen an der Universität Hannover und vertrat zunehmend radikal-liberale Wirtschaftsansichten. (…)
Die von ihm angewandte Methodik war und ist relativ simpel und landläufig unter dem Begriff der „Manipulation“ zu subsumieren, Untergruppe „cherry-picking“: Aus einer Vielzahl von Daten werden diejenigen herausgepickt, die sich gut in das eigene Konzept einfügen lassen, wenn man sie aus den ursprünglichen Zusammenhängen herauslöst. Diese Zusammenhänge, die möglicherweise den Sinngehalt des Herausgepickten diametral verändern oder zumindest maßgeblich relativieren, werden unter den Tisch gekehrt. Derart kontext-freie Behauptungen sind natürlich keine frei erfundenen Lügen im engeren Sinn, erreichen aber im Ergebnis dasselbe und kreieren irreführende „alternative Fakten“.
Deren Überprüfung wiederum ist aufwändig und wenn die Aussagen von einer renommierten und wissenschaftlich erfahrenen „Kapazität“ kommen, ist die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle auch nicht unmittelbar evident. Natürlich ist diese Methodik alles andere als wissenschaftlich, weshalb der Ökonom Rudi Bachmann von der US-Uni Notre-Dame auch formulierte, dass jeder Doktorand der Ökonomik bei solch groben Fehlern durchs Examen gefallen wäre. Wieder andere, darunter Sebastian Dullien, Direktor des IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) bemerkten kritisch, dass sich Homburg mit seinen COVID-bezogenen Äußerungen meilenweit von seiner Kernkompetenz entfernt hatte und vermerkten kritisch, dass er sich da in einem Bereich äußere, der von Virologen und Epidemiologen wesentlich besser abgehandelt werde könne und in dem er keinerlei Fachkenntnisse habe. (…)
Homburg galoppierte munter weiter und zeigte ganz erstaunliche Kompetenzzuwächse. Corona? Alles geklärt, auf zu neuen Ufern! Da leider kein neues Virus in Sicht war, musste man sich mit Altbekanntem begnügen; was war nun schnell die letzte weltumfassende Seuche? Ach ja, HIV! Auch hier war ihm prompt klar: Alles Fake! Von Fauci zu einer Krankheit stilisiert, nur um seine Karriere zu fördern! (Homburg musste ja wissen, wie das funktioniert, er hatte gerade sozusagen in die Gegenrichtung seine eigene „Berühmtheit“ etabliert und die Twitter-Perlen seiner Weisheit in Buchform vermarktet). „Der Test ist die Krankheit. Egal ob HIV oder Corona.“ „Menschen mit HIV-Test werden für krank erklärt, sie werden verängstigt, leiden und erhalten lebenslang Medikamente. Was ist der Unterschied zum Corona-Fake?“
Daniela Angetter-Pfeiffer über Ulrike Guérot
Aber zum Glück gibt es für die Politikwissenschaftlerin ganz aktuelle Themen, wo sie sich „profilieren“ kann. Im Ukrainekrieg muss ja wohl gemäß ihrer Ausbildung ihre Expertise gefragt sein. Immerhin tourte sie zu diesem Thema durch diverse Talk Shows und tingelte auf Youtube-Kanälen. Und nun konnten wir endlich die vielen Informationen von militärischen, wirtschaftlichen oder politischen Expertinnen und Experten vergessen, es ist nämlich ganz einfach: Frau Guérot hat die Weisheit gepachtet: Der Ukrainekrieg ist ein „lang vorbereiteter amerikanischer Stellvertreterkrieg“. Sie belehrt uns, dass das große strategische Ziel der US-amerikanischen Außenpolitik sei, Russland und die Europäische Union voneinander zu entfremden, und die Ukraine wäre das Mittel dazu. Daher habe die Ukraine auch kein Selbstverteidigungsrecht und benötige auch keine Waffen. Um ihren Aussagen noch mehr Gewicht zu verleihen, stützt sie sich auf das Expertenwissen des Querdenkers Daniele Ganser, dem immerhin auch nachgesagt wird, dass er nichts wissenschaftlich belegt. Die Amerikaner sind also schuld, und mit den USA als Ordnungsmacht wird es in Europa keinen Frieden geben.
(…) falls Karin Kneissl mal eine Gefährtin in Russland benötigt, Guérot würde sich anbieten. (…) Letztlich verglich sie Corona sogar mit 9/11, offensichtlich aus Furcht, nun für immer Masken tragen zu müssen, denn obwohl 9/11 schon 22 Jahr her ist, sind Flughäfen für sie noch immer Hochsicherheitstrakte und sie darf keinen Flieger mit einer Flasche Wasser oder einem Lippenstift betreten. Die politisch Verantwortlichen der Corona-Pandemie wollte sie dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag übergeben.
Die Impfgegner, Putin-Versteher und 9/11 Truther schickten gestern ihre kompetentesten Leute um bei der Verleihung des „Goldenen Bretts vorm Kopf” zu stören. Hier hielt @MartinThuer gerade eine Laudatio auf Daniele Ganser. @goldenesbrett pic.twitter.com/rvkvenlsdX
— Martin Moder (@Martin_Moder) October 6, 2023
➡️ derstandard.at: Das „Goldene Brett” lässt uns den Atem Putins spüren