Laut Vereinsregister wurde der Verein „Union Souveränität“ (US) am 5. Jänner 2022 gegründet. Das Telegram-Licht der Welt erblickte er am 7. Februar „mit Stolz und Freude“, wobei da schon „zwei Monate harte Arbeit an Vorbereitungen (…) hinter uns“ liegen.
Welche Vorbereitungen?
Wir nehmen einmal an, irgendwer wird sich wohl Gedanken gemacht haben, die es braucht, um einen Verein zu gründen. Beispielsweise benötigt jeder Verein ein Statut, sonst gibt’s ihn gar nicht in Österreich. Die „Union Souveränität“ hat eines – und wie sich’s geziemt für eine Unternehmergewerkschaft, ein ziemlich schlankes. Aktive Mitglieder etwa müssen Mitgliedsbeiträge zahlen und dürfen an Generalversammlungen teilnehmen. Ob und wie sie Organe des Vereins wählen dürfen, steht nicht in diesem Statut. Ist vermutlich nicht so wichtig bei der US, weil den Vorstand gibt’s ja schon: seit dem 3. Februar einen Präsidenten (Max J. Pucher, der zuvor als Pseudowissenschafter Pseudowissenschaftliches auf Stefan Magnets „AUF1“ schwurbeln durfte) und einen Vizepräsidenten (Daniel Braunmüller), denen dann mit 1.3. noch ein weiterer Vize (Günther Perje) beigestellt wurde.
Am 25.2. schreibt Günther Perje auf der Facebook-Seite, die drei Tage zuvor erstellt wurde, den schmeichelhaften Kommentar: „Die ERSTE Gewerkschaft für alle Bürger, ohne Parteibindung, da bin ich dabei.“ Vier Tage später ist Perje schon Vizepräsident.
Die Unternehmerpräsidenten der „Union Souveränität”
Parteibindung gibt’s auch beim ÖGB nicht für Mitglieder, aber als Unternehmer könnte Perje natürlich nicht dem ÖGB beitreten. Bei der US werden die Unternehmer aber nicht bloß Mitglieder, sondern gleich Präsident bzw. Vorstand. Für zunächst einmal fünf Jahre. Danach ist der Verein US hoffentlich Geschichte – auf deren Müllhaufen am besten.
Gewerkschaften sind/vertreten Arbeitnehmer*innen
Gewerkschaften sind Zusammenschlüsse von Arbeitnehmer*innen und ihnen ähnlicher Interessengruppen, aber nicht Zusammenschlüsse von Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen, in denen dann auch noch die Unternehmer – und nur diese – die bestimmenden Funktionen ausüben. Selbst der Austrofaschismus hat sich das nicht getraut. 1934 wurden zwar die freien Gewerkschaften verboten und ihre Funktionär*innen verfolgt, an ihrer Stelle wurde aber eine staatlich dirigierte Einheitsgewerkschaft eingesetzt, um den „Anschein einer Dauerfunktion“ zu wahren, wie Engelbert Dollfuß zynisch anmerkte.
In der nationalsozialistischen Ideologie der Volksgemeinschaft waren nicht nur die Gleichschaltung und Unterordnung aller divergierenden Interessen unter das imaginierte „Volkswohl“ des deutschen Volkes, sondern auch der Ausschluss, die Verfolgung aller davon abweichenden Interessen und Meinungen mit Gewalt enthalten. Dementsprechend wurden die Gewerkschaften sofort nach der Machtübernahme mit Gewalt aufgelöst und durch die „Deutsche Arbeitsfront”, den Einheitsverband von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgebern ersetzt.
Ziele und Programmatik der Unternehmerunion
Max J. Pucher, der Präsident der US, beruflich natürlich Unternehmer, formuliert etwas schwammig, aber wiederholt und immer in Versalien, auf Telegram: „Wir müssen uns gegen die Pläne der Globalisten europaweit vereinigen und uns langfristig unabhängig machen.“ Von wem die „Union Souveränität“ unabhängig werden will, sagt er nicht. Generell überwiegt in dem, was die US unter Prinzipien, Leitsätzen auf ihrer Website veröffentlicht, das Unbestimmte, Ungefähre: „Die Ereignisse, die wir gerade erleben sind ein Feldzug einer globalen Finanzelite, die mittels der Kapitalmacht der Hedgefonds die Prinzipien des freien Marktes und der Demokratie pervertiert haben.“
Welche Ereignisse, die wir gerade erleben, sind damit gemeint? Jedenfalls das Corona-Virus, von der US als „Pseudo-Pandemie“ entlarvt, aber auch der Krieg gegen die Ukraine, der bei der US nur als „Konflikt“ vorkommt, der auf die „Kriegstreiberei der EU und NATO zur Ukraine“ zurückzuführen sei, wie ein Ich-Erzähler für die US auf Telegram formuliert. An anderer Stelle geht der namenlose Ich-Erzähler für die US nahtlos zur Verschwörungserzählung über.
Mit Putin und Musk gegen Globalisten und ÖGB?
Putin ist nur ein Meilenstein der auf dem Weg der Globalisten zur Weltherrschaft fallen muss. Ich heisse seinen Einmarsch in Ukraine nicht gut und muss gestehen ich dachte er wird sich nicht hineinziehen [sic!] lassen. Da wir aber nicht wissen was wirklich los ist kann es sein, dass er einen Plan hat der die Globalisten aushebelt. Daher laufen gerade im Hintergrund die Aktivitäten um die Situation so gut als möglich auszunutzen und Putin zu schaden.
Wenn der Ich-Erzähler gestehen muss, dass er nichts weiß, geht er zum „Wir“ über und orakelt, dass Putin vielleicht einen Plan bei seinem „hineingezogenen“ Angriffskrieg hat, mit dem er die „Globalisten“ aushebelt. Damit ist er natürlich dem Ich-Erzähler und der US potenziell sympathisch, ein Verbündeter sozusagen, dem man wohl nicht einmal die Mitgliedschaft verweigern würde (siehe oben: „Wir müssen uns gegen die Pläne der Globalisten europaweit vereinigen.“).
Das dürfte wohl auch für einen anderen gelten, den aktuell reichsten Menschen der Erde. Ja, Elon Musk wird vom US-Ich-Erzähler (es ist wohl der Präsident!) ganz offensichtlich nicht zu den Globalisten gezählt, sondern erhält das neckische Attribut „ehrlicher Träumer“! Auch ein Sympathieträger für die US also – im Unterschied zu den nicht namentlich genannten „Globalisten“, bei denen die vom US schon wissen, wer da dahintersteckt, oder?
Ziemlich aus der Zeit gefallen und daneben wirkt auch die Festlegung, wonach sich die angeblich sozialdemokratischen Regierungen „mit der Finanzelite und Hedgefonds kontrollierten Medien und NGOs, als auch die Organe der UNO zu einem totalitären Staatsmodell zusammengetan und gewandelt hätten“. Jedenfalls leitet die US daraus das Recht ab, ihre Mittel, auch einen Streik, einzusetzen, „wenn in Österreich faschistische, reaktionäre und totalitäre Bestrebungen in der Gesellschaft sichtbar werden. Diese Situation ist nun eingetreten und es ist die Aufgabe einer Bürgergewerkschaft sich dagegen zu organisieren.“
Nach dieser profunden US-Analyse hätten wir also mit Türkis- oder Schwarz-Grün in Österreich derzeit eine sozialdemokratische Regierung, deren faschistische und totalitäre Bestrebungen gerade sichtbar geworden seien. Präziser geht’s nicht mehr! Das gilt auch für ein anderes Problem: die Existenzberechtigung der „Union Souveränität“ nämlich. Die bleibt nämlich trotz ihres seltsam rückwärtsgewandten Ansatzes, die Interessen von Arbeitnehmer*innen vermeintlich dadurch durchzusetzen, dass sie mit und von Unternehmern formuliert werden, beim ÖGB hängen: „Wir vertreten die gleichen Ziele wie der ÖGB“, formuliert die US forsch. Aber warum dann eine eigene Gewerkschaft? Weil der ÖGB – im Unterschied zur US, Elon Musk und mutmaßlich auch Putin – nicht wirklich gegen die „Globalisten“ kämpft und, da wirft sich die US dann fast schon klassenkämpferisch in die Brust, zu wenig streikt: „Der letzte grosse Streik des ÖGB in 2013 gegen die geplante Pensionsreform. Er war allerdings gegen die konservative Regierung nur politisch motiviert.“
Interessant: Wenn der ÖGB gegen die Pensionsreform einer konservativen Regierung streikt, dann wäre das ein politisch motivierter und nach Ansicht der US offensichtlich abzulehnender Streik. Wenn aber die US 2022 gegen eine angeblich sozialdemokratische und faschistische Regierung den Widerstand organisieren möchte, dann wäre es selbst dann eine legitime Aufgabe, wenn sich die US bei den Farben der Regierung geirrt hätte?
Wir geben ohnehin Entwarnung! Weder haben wir eine sozialdemokratische noch eine faschistische Regierung mit totalitären Bestrebungen, und 2013 gab es auch keine geplante Pensionsreform, gegen die der ÖGB gestreikt hätte oder streiken hätte müssen.