Straches Pressesprecher und Kubitscheks Netzwerk

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Stra­ches Pres­se­spre­cher Kon­rad M. Weiß schreibt, neben ande­ren öster­rei­chi­schen Iden­ti­tä­ren, für die deut­sche Zeit­schrift „Sezes­si­on“. Dabei han­delt es sich um das publi­zis­ti­sche Organ von Götz Kubit­scheks neu­rech­tem Insti­tut für Staats­po­li­tik (IfS). Ein Ort, wo demo­kra­ti­sche Hül­len fal­len­ge­las­sen wer­den können.

Insti­tut für Staats­po­li­tik – Das Netz­werk um Götz Kubit­schek 

Das im Jahr 2000 gegrün­de­te Insti­tut für Staats­po­li­tik ist ein zen­tra­ler Kno­ten­punkt im Netz­werk der soge­nann­ten Neu­en Rech­ten in Deutsch­land. Ver­ant­wort­lich dafür sind Per­sön­lich­kei­ten aus dem Umfeld der seit 1986 exis­tie­ren­den Wochen­zei­tung „Jun­ge Frei­heit“, die inzwi­schen – mit einer Auf­la­ge von ca. 28000 Exem­pla­ren – zum Leit­me­di­um bezüg­lich der Ver­brei­tung von völ­ki­schem Natio­na­lis­mus in Deutsch­land avan­ciert ist (vgl. Salz­born 2017, S. 46). Der wich­tigs­te Akteur in die­sem Zusam­men­hang ist der Ver­le­ger Götz Kubit­schek, der Mit­be­grün­der und lan­ge Geschäfts­füh­rer des IfS war und wei­ter­hin der ver­ant­wort­li­che Redak­teur der insti­tuts­ei­ge­nen Zeit­schrift „Sezes­si­on“ ist. Den Rech­ten um Kubit­schek geht es um „Bil­dungs­ar­beit“, erklär­tes Ziel ist die For­mie­rung „geis­ti­ger Eli­ten“. Mit dem IfS soll­te, in arbeits­tei­li­ger Erwei­te­rung der „Jun­gen Frei­heit“, eine Art Denk­fa­brik ins Leben geru­fen wer­den, deren publi­zis­ti­sche Ergeb­nis­se dann mit­un­ter in dem – wie­der­um von Kubit­schek gegrün­de­ten – rechts­extre­men Ver­lag Edi­ti­on Antai­os erschei­nen. Zen­tra­le Bezugs­quel­len sind stets die Wei­ma­rer Vor­den­ker des Natio­nal­so­zia­lis­mus, die Intel­lek­tu­el­len der soge­nann­ten „kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on“, mit denen man sich in einer Tra­di­ti­ons­li­nie sieht (sie­he dazu aus­führ­lich im Dos­sier Rechts­extre­mis­mus der deut­schen Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung).

„Sezes­si­on“ – Ein­flüs­se aus Österreich

Kubit­scheks seit 2003 erschei­nen­de Zeit­schrift „Sezes­si­on“ ist ein beson­de­rer Bau­stein in die­sem Netz­werk: Sie fun­giert, jen­seits des poli­tisch-media­len Tages­ge­schäfts, als „intel­lek­tu­el­ler und meta­po­li­ti­scher Debat­ten­ort der Neu­en Rech­ten“ (Salz­born 2017, S. 48).

In die­sem Rah­men fehlt es nicht an öster­rei­chi­schen Ein­flüs­sen: Es gehö­ren etwa Mar­tin Sell­ner (Chef der Iden­tiä­ren in Öster­reich) und Mar­tin Licht­mesz (rech­ter Publi­zist aus Wien) zu den Haupt­au­to­ren der Sezes­si­on. Sell­ner bezeich­net das IfS und die Sezes­si­on als „geis­ti­ges Zen­trum“ (1) für die Iden­ti­tä­re Bewe­gung, und er hat 2016 sogar meh­re­re Wochen auf Kubit­scheks ehe­ma­li­gem Rit­ter­gut in der ost­deut­schen Pro­vinz gewohnt (sehr emp­feh­lens­wert zu die­sen Ver­bin­dun­gen ist die 3‑Sat Doku­men­ta­ti­on „Die rech­te Wen­de“).

Auch nach Ver­bin­dun­gen zur FPÖ muss man nicht lan­ge suchen. So fin­det die­sen Novem­ber zum wie­der­hol­ten Male die „Herbst­aka­de­mie“ statt, eine Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­band (FAV) Stei­er­mark und dem Insti­tut für Staats­po­li­tik (IfS). Die iden­ti­tä­re Platt­form „Tages­stim­me“ pro­mo­tet das Event (2) und weist dar­auf hin, dass dort „nam­haf­te Per­sön­lich­kei­ten aus dem neu­rech­ten Spek­trum“ spre­chen wer­den dar­un­ter auch Stra­ches Pres­se­spre­cher Kon­rad Mark­wart Weiß, der schon mehr­mals für die „Sezes­si­on“ geschrie­ben hat. Bei dem Semi­nar­wo­chen­en­de geht es heu­er um das The­ma „1968 und die Fol­gen“ und Weiß wird einen Vor­trag mit dem Titel „Frank­reichs intel­lek­tu­el­le Rech­te nach 1968“ hal­ten. 

Tagungsprogramm IFS/FAV Nov. 2018 (Semriach) mit Konrad Weiß als Vortragenden

Tagungs­pro­gramm IFS/FAV Nov. 2018 (Sem­riach)

„Bur­schen­schaf­ter für Frei­heit und Vaterland“

Kon­rad M. Weiß ist neben sei­nem Minis­te­ri­ums­job auch Autor und bei dem Wie­ner Karo­lin­ger Ver­lag tätig. Gegrün­det wur­de der Ver­lag von Kon­rad Weiß’ Vater Peter, der u.a. dadurch auf­fiel, dass er unter Anwe­sen­heit des Soh­nes 2003 im Zuge einer Aus­ein­an­der­set­zung um eine rechts­extre­me Ver­an­stal­tung an der Wie­ner Uni hand­greif­lich wur­de. Die Ver­lags­schwer­punk­te sind laut Web­site „Geschich­te, Poli­tik und Meta­po­li­tik“ (3). Letz­te­res ist ein bekann­tes Schlag­wort der Iden­ti­tä­ren und Neu­en Rech­ten, das dem rechts­extre­men Phi­lo­so­phen Alain de Benoist ent­stammt und auf die Ein­fluss­nah­me des „vor­po­li­ti­schen“ und kul­tu­rel­len Rau­mes der Zivil­ge­sell­schaft abzielt; dort soll eine rech­te Hege­mo­nie errich­tet wer­den, bevor die völ­ki­schen Inhal­te dann tat­säch­lich in die Poli­tik über­nom­men wer­den (vgl. Book 2017, S. 113–129).       

Weiß ist zuletzt im Novem­ber 2017 durch einen unsäg­li­chen Pres­se-Kom­men­tar auf­fäl­lig gewor­den. Unter dem Titel „Bur­schen­schaf­ter für Frei­heit und Vater­land“ singt er dort ein Lob­lied auf die FPÖ-nahen Bur­schen­schaf­ten, deren Deutsch­na­tio­na­lis­mus er nicht etwa rela­ti­viert oder ver­harm­lost, son­dern ganz offen fei­ert. Das erreicht sei­nen Höhe­punkt mit der Wahn­vor­stel­lung, dass in Öster­reich nur wegen der „ununterbrochene[n] Par­la­ments­zu­ge­hö­rig­keit“ der FPÖ und ihrer „korporative[n] Basis“ noch kei­ne Zustän­de wie in Ber­lin oder Lon­don herr­schen, wo der „Anteil wei­ßer Bevöl­ke­rung unter 50 Pro­zent gefal­len“ sei. Weiß macht sich nicht ein­mal mehr die Mühe, sei­nen Ras­sis­mus in sozia­le oder kul­tu­rel­le Kate­go­rien zu über­set­zen, son­dern spricht rund­her­aus von der Haut­far­be. Neben­bei gibt es noch Sei­ten­hie­be gegen die Regie­rung Mer­kel und die „Ent­gren­zungs­uto­pien“ der „über­re­prä­sen­tier­ten“ Lin­ken, die Weiß als „ver­ha­ber­te Cli­que“ denun­ziert. Außer­dem – und beson­ders per­fi­de – behaup­tet Weiß, dass ein öster­rei­chi­sches Gericht „letzt­in­stanz­lich“ fest­ge­stellt habe, das Doku­men­ta­ti­ons­ar­chivs des öster­rei­chi­schen Wider­stan­des (DÖW) schaf­fe ein „Kli­ma des Gesin­nungs- und Mei­nungs­ter­rors“. Ein sol­ches Gerichts­ur­teil gibt es selbst­ver­ständ­lich nicht, wie der wis­sen­schaft­li­che Lei­ter des DÖW, Ger­hard Baum­gart­ner, in einem wei­te­ren Pres­se-Kom­men­tar klar­stellt. Viel­mehr han­delt es sich bei den von Weiß ver­brei­te­ten Fake-News um eine seit Jah­ren im Bur­schi-Milieu umgän­gi­ge Lüge. Dar­über hin­aus: Die Tat­sa­che, dass Weiß sei­nen dem­ago­gi­schen Unsinn in einer Tages­zei­tung wie Die Pres­se, ver­öf­fent­li­chen kann, ist der bes­te Beweis dafür, dass er den „Gesin­nungs­ter­ror“ nur hal­lu­zi­niert. 

Die „Kata­stro­phe von 1945“

Im Pres­se-Kom­men­tar lie­fert Weiß die typi­sche frei­heit­li­che Opfer­in­sze­nie­rung, mit­samt Ver­schwö­rungs­ge­rau­ne und Ras­sis­mus, aber ohne die eige­ne Welt­an­schau­ung tief­ge­hen­der dar­zu­stel­len. Dies holt er dann für ein­schlä­gi­ge­res Publi­kum in der Sezes­si­on nach (Aus­ga­be 83, April 2018, S.28–31). Unter dem Titel „Deutsch-Öster­reich? 1918 – 1938 – 2018“ ent­fal­tet Weiß eine bei­na­he lehr­buch­haf­te Defi­ni­ti­on davon, was völ­ki­scher Deutsch­na­tio­na­lis­mus ist; unnö­tig zu erwäh­nen, dass er sich eben die­sem ver­bun­den fühlt. Denn, anders als im Pres­se-Kom­men­tar, lässt Weiß dort die Hül­len fal­len. Was in der Pres­se noch als „Zuge­hö­rig­keit zum deut­schen Sprach- und Kul­tur­raum“ bean­stan­det wur­de, wird in der Sezes­si­on nicht län­ger codiert, son­dern direkt in eth­no­zen­trisch-vökli­sche Begrif­fe gefasst. So stellt Weiß klar, es sei unbe­strit­ten, dass „die Öster­rei­cher (…) der deut­schen Eth­nie ange­hö­ren“. In Öster­reich leben­de Min­der­hei­ten schließt er selbst­re­dend expli­zit aus. Weiß geht es dar­um, gegen eine „Ver­wechs­lung von Staats­bür­ger­schaft und Natio­na­li­tät“ auf­zu­ste­hen. (Neben­bei erwähnt: Das erin­nert nicht nur an die Dia­spo­ra-Poli­tik von Erdo­gan, für den auch in der drit­ten Gene­ra­ti­on im Aus­land leben­de Per­so­nen noch Türk_innen sind, son­dern ent­spricht dem­sel­ben völ­ki­schen Gemein­schafts­dün­kel, ledig­lich unter abwei­chen­den kul­tu­rel­len Vorzeichen.)

"Katastrophe von 1945" – Konrad Weiß in Sezession 4/18

„Kata­stro­phe von 1945” – Kon­rad Weiß in Sezes­si­on 4/18

Ein sol­ches Natio­nen­ver­ständ­nis ist völ­kisch, weil es auf eth­ni­scher Abstam­mung beruht und dem­entspre­chend auf eine vor-bür­ger­li­che, anti-rechts­staat­li­che und anti-indi­vi­dua­lis­ti­sche Vor­stel­lung von Gesell­schaft rekur­riert. Weiß fährt fort: „Die­se Zuge­hö­rig­keit [zur deut­schen Eth­nie] besteht unab­hän­gig von gegen­läu­fi­gen Zuge­hö­rig­keits­emp­fin­dun­gen ins­be­son­de­re nach der Kata­stro­phe von 1945“. In die­sem Satz wird das eth­no­zen­tri­sche Natio­nen­ver­ständ­nis ganz offen als jene Zwangs­kol­lek­ti­vi­tät bezeich­net, als die sie Weiß zwei­fels­frei ima­gi­niert. Aber wich­ti­ger noch: Was meint er mit der „Kata­stro­phe von 1945“? Im Kon­text von Weiß wei­te­ren Aus­füh­run­gen lässt sich kaum ein ande­rer Schluss zie­hen, als dass er mit „Kata­stro­phe“ das Ende der groß­deut­schen Volks­ge­mein­schaft meint, also den Unter­gang des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes. 1945 als Kata­stro­phe zu bezeich­nen, wo doch eben 1945 die Kata­stro­phe been­det wur­de – und zwar durch mili­tä­ri­schen Zwang und nicht durch die Ein­sicht der mör­de­ri­schen deutsch/österreichischen Volks­ge­mein­schaft – ist Geschichts­re­vi­sio­nis­mus der infams­ten Wei­se. Damit über­schrei­tet Weiß die Gren­ze von frei­heit­lich zu bräun­lich.             

Abschlie­ßend ver­steigt sich Weiß noch zu der pein­li­chen Behaup­tung, dass die von Medi­en und Eli­ten orches­trier­te all­ge­mei­ne Ero­si­on des „Bekennt­nis zum deut­schen Volks­tum“ zu einem – wie­der­um durch die Medi­en ange­fach­ten – lega­len „‚Ras­sis­mus’ gegen­über den ‚Pief­kes’“ geführt habe. Das zeigt auf, wie lach­haft wenig Weiß ver­steht wovon er spricht: Da redet ernst­haft der­sel­be von „Ras­sis­mus“ gegen Deut­sche in Öster­reich, der zuvor noch beklagt hat, dass es zu wenig Wei­ße in den euro­päi­schen Groß­städ­ten gebe.     

Weiß in den USA – Neid und Pro­jek­ti­on  

In einem wei­te­ren auf­schluss­rei­chen Arti­kel in der Sezes­si­on (Aus­ga­be 81, Dezem­ber 2017, S. 35–37) schreibt Weiß von einem USA-Auf­ent­halt. Neid­erfüllt staunt er über die „gewal­ti­gen Denk­mä­ler für Krie­ge, Krie­ger und Kriegs­her­ren“, die „von kei­ner­lei Selbst­zwei­feln ange­krä­kelt“ sei­en, wo selbst die ver­hass­ten „kontextualisiernde[n] Erklä­rungs­ta­feln“ feh­len. Er sieht den „ent­schei­den­den Men­ta­li­täts­un­ter­schied“ zu Euro­pa in der ame­ri­ka­ni­schen „entschlossene[n] Par­tei­nah­me für Nati­on, Fah­ne und Armee“. Selbst­ver­ständ­lich unter­schlägt Weiß in dem Arti­kel – der eine selt­sa­me Mischung aus neid­vol­ler Ver­eh­rung und anti­ame­ri­ka­ni­schem Res­sen­ti­ment ist –, dass das US-ame­ri­ka­ni­sche Natio­nal­ver­ständ­nis eben nicht völ­kisch ist, son­dern dezi­diert repu­bli­ka­nisch: Zur Nati­on gehört bekannt­lich auto­ma­tisch, wer dort gebo­ren wur­de, völ­lig unab­hän­gig von Fami­li­en­hin­ter­grund und eth­ni­schen Zuschrei­bun­gen. Deut­sche Blut- und Boden­ideo­lo­gie, wie Weiß sie ganz expli­zit ver­tritt, ist der ame­ri­ka­ni­schen Ver­fas­sung und dem spe­zi­fi­schen US-Patrio­tis­mus gänz­lich fremd. Die­ser Patrio­tis­mus ist zwei­fels­oh­ne kri­tik­wür­dig, hat aber mit der neid­erfüll­ten Pro­jek­ti­on des Kon­rad Weiß wenig zu tun.

Fazit

An den Sezes­si­on-Arti­keln von Weiß wird deut­lich, dass die Behaup­tun­gen in dem Pres­se-Kom­men­tar mit­nich­ten als Ent­glei­sung ein­zu­schät­zen sind, son­dern Sys­tem haben. Weiß werkt an der bedeut­sa­men Schnitt­stel­le von FPÖ, Bur­schen­schaf­ten und der neu­rech­ten, iden­ti­tä­ren Sze­ne. In Götz Kubit­scheks insti­tu­tio­nel­lem Netz­werk, das in Öster­reich nur wenig bekannt ist, lau­fen die­se Fäden zusam­men. Mit Kon­rad M. Weiß sitzt ein völ­ki­scher Deutsch­na­tio­na­ler mehr in einem öster­rei­chi­schen Minis­te­ri­um; dies­mal ist es das Minis­te­ri­um des Vize­kanz­lers.   

Fuß­no­ten
1 Pro­mo-Video für die Win­ter­aka­de­mie des IfS, Home­page von „info-direkt“, zuletzt ein­ge­se­hen am 02.11.2018
2 „‚1968 und die Fol­gen’: Drit­te IfS/FAV-Herbstakademie in der Stei­er­mark“, Web­site von „Tages­stim­me“, zuletzt ein­ge­se­hen am 02.11.2018
3 Web­site des Karo­lin­ger Ver­lag, Rubrik „Über uns“, zuletzt ein­ge­se­hen am 02.11.2018

Lite­ra­tur
Book, Cari­na (2017): Mit Meta­po­li­tik zur „Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on“. In: Goetz/Sedlacek/Winkler (Hg.): Unter­gangs­ter des Abend­lan­des. Ideo­lo­gie und Rezep­ti­on der rechts­extre­men ‚Iden­ti­tä­ren’. Ham­burg: Mar­ta Press, S. 113–131
Salz­born, Samu­el (2017): Angriff der Anti­de­mo­kra­ten. Die völ­ki­sche Rebel­li­on der Neu­en Rech­ten.  Wein­heim Basel: Beltz Juventa