Dem rechtsextremen Verschwörungssender Auf1 hat Hafenecker vor kurzem ein Interview gegeben. Interviewt hat ihn – mit konsequent starrer Miene – Thomas Eglinski, der auf diversen Seiten als deutscher Fußballexperte, Mentalitätstrainer und Buchautor vorgestellt wird. Bei Auf1 darf er dem Christian Hafenecker brav abgezirkelte Fragen von seinen Kärtchen vorlesen, die der dann ebenso brav, aber mit großer Emphase beantworten darf. Spontane Nachfragen oder Unterbrechungen sind da nicht vorgesehen. Einmoderiert wird das Interview von einer Ansagerin mit der Feststellung, dass Hafenecker kürzlich bei einer Pressekonferenz „aufhorchen“ habe lassen, weil er den Linksextremismus thematisiert und dabei Ross und Reiter genannt habe.
Dann kommt Hafenecker ins Bild. Und in was für ein Bild! Hinter ihm eine große Landkarte von Niederösterreich. Die braucht man anscheinend als Generalsekretär der FPÖ. Links davon eine etwas zernudelte Österreich-Flagge mit der Inschrift „Im Zeichen des Adlers“.
Linksextremisten in der Bundesregierung?
In der Antwort auf die erste Frage, wie groß denn die linksextreme Gefahr in Österreich sei, benennt Hafenecker zwar gleich einmal Ross und Reiter, bleibt aber bei den Dimensionen der linksextremen Gefahr nicht von ungefähr im Nebulosen. Früher einmal – das „Phänomen“ kennt der 43-Jährige ja seit Jahrzehnten (!) – sei der Linksextremismus „sichtbarer“ gewesen, auch „berichterstattet“ geworden, aber heute „sitzen sie mittlerweile ja sogar in der Bundesregierung“: „Wenn Sie so wollen, ist das jetzt die Endausbaustufe der Frankfurter Schule. Man arbeitet jetzt subtiler, aber nichtsdestotrotz ist der Linksextremismus tagtäglich da, sichtbar und vorhanden.“
Das ist natürlich eine steile Ansage! Hafenecker hat offensichtlich eine besondere Brille, die auch das „Subtile“, das nicht mehr „berichterstattet“ wird, sichtbar macht. Ganz klar: Linksextremer Reiter ist die österreichische Bundesregierung (oder jene Teile, die in ihr sitzen), das Ross die Frankfurter Schule.
Die Frankfurter Schule – das linksextreme Übel schlechthin?
Die „Frankfurter Schule“ ist eine 1923 in Frankfurt mit dem „Institut für Sozialforschung“ begründete interdisziplinäre Denkschule , die unter dem Label „Kritische Theorie“ eine Weiterentwicklung des Marxismus versucht. Die von den Nazis gewaltsam geschlossene „Frankfurter Schule“ wurde nicht nur wegen ihres Einflusses auf die Studentenbewegung auch nach 1945 von Rechtsextremen und Neonazis bekämpft. Es ist kein Zufall, dass die „Frankfurter Schule“ von ihnen häufig mit den Attributen „zersetzend“ und „volkszerstörend“ adressiert wurde. Die „Frankfurter Schule“ war eine Gründung jüdischer Wissenschafter – und Juden wurden von den alten und den neuen Nazis mit solchen Attributen beschimpft.
2004 organisierten Wiener Burschenschaften wie die Olympia und Silesia mit dem RFS eine – hochtrabend Symposium genannte – Veranstaltung rund um den Neonazi Rolf Kosiek mit dem Titel „Frankfurter Schule – Die 9. Todsünde“. Damals wurde die „Frankfurter Schule“ als „gescheitert“ eingeschätzt, jetzt sieht sie Hafenecker aber im Endausbau. Möglicherweise war Hafenecker damals Zuhörer beim Symposium, hat aber nicht gut aufgepasst und mitgeschrieben. Das Vokabular von damals beherrscht er aber ganz gut: Auch die Medien sind natürlich „durchsetzt“ von linken Journalisten; das identifiziert er ebenfalls als ein „Endergebnis“ der „Frankfurter Schule“.
Was aber meint der FPÖ-Generalsekretär mit der „Endausbaustufe“ und dem „Endergebnis“ der „Frankfurter Schule“ wirklich? Hat er doch dem Neonazi Kosiek (Hafenecker war damals 24) gelauscht und sieht den Volkskörper in Gefahr? Zerstört? Die Institutionen zersetzt? Scheint so. Düster mahnt er: „Versuchen Sie einmal, auf den Gesellschaftsumbau hinzuweisen, auf den Bevölkerungsaustausch.“
Er ganz persönlich sieht sich jedenfalls auch als Opfer des Endausbaus. Wegen des Genderns, dieses Teufelswerks. Der mutige Master-Aspirant, der er einmal war, hat seine Master-Arbeit ohne zu gendern abgeliefert und ist deshalb „gleich einmal um einen Notengrad schlechter beurteilt worden“. Überprüfen lässt sich das leider nicht, dafür aber seine nächste Behauptung.
Noch schlimmer: das DÖW?
Was Hafenecker über das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) von sich gibt, ist nicht nur eine gesammelte Abfolge unterirdischer Beschimpfungen, auf die wir zuletzt in einem anderen Beitrag eingegangen sind. Hafenecker versucht sich in einer Disziplin, von der eigentlich anzunehmen wäre, dass er sie beherrschen sollte: die Recherche. Schließlich war er in den schon erwähnten vier Untersuchungsausschüssen des Nationalrats tätig. Sollte er sich dabei Credibility erworben haben, hat er sie durch seine „Recherche“ zum DÖW jedenfalls gründlich verspielt. Was er da vor sich hinfabuliert, ist faktenfrei, um einen milden Ausdruck zu verwenden.
Nachdem er die üblichen rechtsextremen Beschimpfungen des DÖW einwandfrei heruntergespult hat, setzt er zum entscheidenden Vernichtungsschlag gegen das DÖW an: der „übel beleumundete, pseudowissenschaftliche Verein“ verfüge auch über „Null Transparenz“. Warum? „Wenn sie die Homepage (des DÖW, Anmk. SdR) besuchen, gibt’s dort einen Präsidenten, der heißt Rudolf Edlinger, Das war ein ehemaliger SPÖ-Minister, der vor Jahren verstorben ist. Das heißt, wir wissen gar nicht, wer dort Präsident ist.“
Null Recherche: Hafenecker!
Was Hafenecker behauptet, ist nichts Geringeres als die primitive Unterstellung, das DÖW würde auf seiner Homepage noch immer den verstorbenen Rudolf Edlinger als Präsidenten des Vereins DÖW ausweisen, also die tatsächlichen Vereinsverhältnisse verschweigen. Erste Frage: Warum sollte das DÖW das tun? Damit Hafenecker das DÖW leichter als „kommunistische Tarnorganisation“ ohne jede Transparenz beschimpfen kann? Zweite Frage: Hat das DÖW tatsächlich seinen verstorbenen Präsidenten Edlinger noch immer als Präsidenten auf seiner Homepage ausgewiesen?
Die Fakten: Rudolf Edlinger, der Präsident des Vereins DÖW und Obmann der Stiftung DÖW war, ist am 21. August 2021, also vor rund zwei Jahren, verstorben. Das DÖW hat sofort auf seiner Homepage über seinen Tod berichtet und den verstorbenen Präsidenten unter der Rubrik „Wir über uns“ im Eintrag über den DÖW-Vorstand mit einem Kreuz markiert. Für jeden der Symbolsprache mächtigen Menschen war damit klar: Der Präsident ist verstorben.
Am 2. Dezember 2021 wird Altbürgermeister Michael Häupl zum Vorsitzenden des Stiftungsrats DÖW gewählt, im Mai 2022 wird er von der Generalversammlung des DÖW zum Präsidenten des Vereins bestellt. All das ist in Tätigkeitsberichten, Presseaussendungen, Tweets und natürlich auch auf der Website des DÖW nachzulesen. Die Waybackmaschine ist diesfalls unbestechlich. Transparenter geht nicht – wir würden uns diese Transparenz auch bei den Finanzen der FPÖ wünschen. Ach, da sind gerade wesentliche Teile der Buchhaltung der FPÖ Wien vernichtet worden?
Fakt ist, nichts von der Behauptung Hafeneckers über „Null Transparenz“ beim DÖW entspricht den Tatsachen! Das gilt auch für eine weitere abstruse Behauptung von Hafenecker:
Jährlich brennt die Mariahilfer Straße?
„Es brennt jedes Jahr die Mariahilfer Straße – nur es wird nicht darüber berichtet“, so Hafenecker im AUF1-Interview. Der Moderator verzieht nicht einmal bei dieser grotesken Behauptung seine Miene, geschweige denn setzt er zu einer Nachfrage an. Was Hafenecker da im Kontext angeblich linksextremer Ausschreitungen rund um den Akademiker- bzw. Burschenschafterball phantasiert, entzieht er selbst einer seriösen Überprüfung: Es wird ja angeblich nicht darüber berichtet! Vermutlich sind geheime Mächte der extremen Linken in der Endausbaustufe der „Frankfurter Schule“ dafür verantwortlich. Hat der Mann seinen Pillenkonsum noch unter Kontrolle?
Natürlich geht es dem FPÖ-Generalsekretär nicht um die angeblichen Gefahren des Linksextremismus, der in Österreich angeblich schon in der Bundesregierung sitzt, sich auch sonst im Endausbau befindet und alljährlich die Mariahilfer Straße in Brand setzt. Hafenecker hat schlicht und ergreifend Angst vor dem Rechtsextremismus-Bericht und trommelt deswegen seit Wochen gegen das DÖW und alle, die den Rechtsextremismus sehr nahe bei der FPÖ sehen.