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Rückblick KW 45 (II)

Im zwei­ten Teil des Wochen­rück­blicks geht es um anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le, wei­te­re frag­wür­di­ge Geld­flüs­se bei der FPÖ, die erfreu­li­che Umben­nen­ung eines Fuß­ball­sta­di­ons und die uner­freu­li­che ver­such­te Ein­la­dung eines deut­schen Rechts­extre­men an die Wie­ner Uni­ver­si­tät – aus­ge­rech­net durch einen Poli­zis­ten. Wien: RFS-Poli­zist lädt Kubit­schek zum Vor­trag an die Uni ein Wien: Stra­che und das Dar­le­hen Kapfenberg/Stmk: Fuß­ball­sta­di­on wird […]

14. Nov 2023

Wien: RFS-Polizist lädt Kubitschek zum Vortrag an die Uni ein
Wien: Strache und das Darlehen
Kapfenberg/Stmk: Fußballstadion wird umbenannt
Wilhelmsburg/NÖ: Neonazistische und sexistische Schmierereien
Wien-Alsergrund und Währing: Hakenkreuz-Schmierereien
Wien-Leopoldstadt: Antisemitische Vorfälle häufen sich

Wien: RFS-Polizist lädt Kubitschek zum Vortrag an die Uni ein

Die Uni­ver­si­tät Wien hat eine für den 17. Novem­ber geplan­te Ver­an­stal­tung des „Ring Frei­heit­li­cher Stu­den­ten“ (RFS) kurz nach des­sen Ankün­di­gung wie­der abge­sagt. Der Grund: Der rechts­extre­me Ver­le­ger Götz Kubit­schek soll dort vor­tra­gen. Kubit­schek gilt als Vor­den­ker und Schutz­pa­tron der neo­fa­schis­ti­schen iden­ti­tä­ren Bewe­gung und als zen­tra­le Figur der soge­nann­ten „Neu­en Rech­ten“ im deutsch­spra­chi­gen Raum. Sein Thinktank „Insti­tut für Staats­po­li­tik“ wird seit Okto­ber 2021 vom deut­schen Ver­fas­sungs­schutz als „gesi­chert rechts­extrem“ ein­ge­stuft. Der RFS hat ange­kün­digt, nun gegen die Absa­ge der Uni­ver­si­tät juris­tisch vor­ge­hen zu wol­len und zudem mit Kubit­schek gemein­sam am 17. vor den Toren der Uni zu demonstrieren.

Der Ver­such sei­tens rechts­extre­mer Akteu­re, sich als Opfer von Zen­sur zu insze­nie­ren, ist nicht neu und kaum der Rede wert. Bri­sant an dem Fall ist aller­dings, dass der Ver­an­stal­ter Peter Les­ko­sek nicht nur RFS-Mann in der ÖH-Bun­des­ver­tre­tung ist, son­dern auch einen ande­ren Job hat: Er ist Poli­zist. Und das laut der Kar­rie­re-Platt­form Lin­ke­din bereits seit 2016. Als Poli­zist ein Event zu orga­ni­sie­ren, bei dem ein bekann­ter rechts­extre­mer und in Deutsch­land offi­zi­ell als Ver­fas­sungs­feind ein­ge­stuf­ter Akti­vist an der Uni reden soll – das ist kei­ne Kleinigkeit.

Sein poli­ti­sches Enga­ge­ment hat nun sei­nen Arbeit­ge­ber auf den Plan geru­fen. Auf Anfra­ge, wie man sei­tens des Innen­mi­nis­te­ri­ums bewer­te­te, dass ein Mit­ar­bei­ter eine Ver­an­stal­tung mit einem der bekann­tes­ten Rechts­extre­men Deutsch­lands orga­ni­sie­re, heißt es, dies wer­de durch „die Dienst­be­hör­de geprüft“. (derstandard.at, 10.11.23)

Kubit­scheks letz­ten bei­den Wien-Auf­trit­te gin­gen am Radar der Medi­en­öf­fent­lich­keit weit­ge­hend vor­bei, was grund­sätz­lich auch zu begrü­ßen ist, denn die Sze­ne lebt von Skan­da­li­sie­rung (1). Der Coup, ihn über die neu auf­tre­ten­de iden­ti­tä­re Tarn­grup­pe „Akti­on 451“ in die Uni ein­zu­la­den, wor­auf die­se frei­lich eine Absa­ge des Events aus­spre­chen muss­te, sorgt für genau die­se Auf­merk­sam­keit, die vom RFS nun ver­sucht wird zu stei­gern, und zwar durch Empö­rung, die ange­kün­dig­te Demons­tra­ti­on und die erwähn­te Dro­hung mit einer Kla­ge. Es scheint, als wäre die gesam­te Pla­nung des Events dar­auf ange­legt gewesen.

Wien: Strache und das Darlehen

Über die neu­es­te Ent­wick­lung im kom­ple­xen Spe­sen­skan­dal in der Wie­ner FPÖ hat „Stoppt die Rech­ten“ letz­te Woche berich­tet: Ermit­telt wird in der Fra­ge, war­um die Wie­ner FPÖ in Liech­ten­stein zwei hoch­do­tier­te Lebens­ver­si­che­run­gen für ihre ehe­ma­li­gen Obmän­ner Stra­che und Kabas aus Par­tei­ver­mö­gen – in Sum­me etwa 1,8 Mil­lio­nen Euro – abge­schlos­sen hat.

Inzwi­schen nimmt die ohne­hin deli­ka­te Geschich­te noch kurio­se­re Züge an. Denn Stra­che soll die Liech­ten­stei­ner Ver­si­che­rung als Sicher­heit für ein pri­va­tes Dar­le­hen in der Höhe von 420.000 Euro hin­ter­legt haben. Das geht aus der Zeu­gen­ein­ver­nah­me des angeb­li­chen Dar­le­hens­ge­bers her­vor, die STANDARD und „Spie­gel“ vor­liegt. (derstandard.at, 7.11.23)

Der ver­hör­te Gläu­bi­ger, ein ehe­ma­li­ger FPÖ-Poli­ti­ker und Stra­che-Freund, gibt an, das Dar­le­hen in Bar­geld und in meh­re­ren Tran­chen über­ge­ben zu haben.

Doch die Staats­an­walt­schaft dürf­te nach STANDARD- und „Spiegel“-Informationen erheb­li­che Zwei­fel an die­ser Ver­si­on der Geschich­te hegen und auch eine ande­re Vari­an­te für mög­lich hal­ten: dass das Dar­le­hen nur erfun­den wor­den sei, um die wah­re Her­kunft des Bar­gel­des zu ver­schlei­ern. (Ebd.)

Den Dar­le­hens­ver­trag kann der Gläu­bi­ger nicht vor­le­gen: Der sei in sei­nem Auto ver­wahrt gewe­sen und gestoh­len wor­den. Der Zwei­fel der Staats­an­walt­schaft nährt sich auch aus den Anga­ben von Oli­ver Riba­rich, der lang­jäh­rig für Stra­che als Fah­rer und Body­guard gear­bei­tet hat und eben­falls als Beschul­dig­ter in der Spe­sen-Affä­re geführt wird. Er gab in sei­ner Ein­ver­nah­me an, Stra­che zu einem Ter­min in Kärn­ten gebracht zu haben, wo der dama­li­ge FPÖ-Chef eine Sport­ta­sche voll Bar­geld ent­ge­gen­ge­nom­men habe. Es soll zu meh­re­ren sol­chen Über­ga­ben gekom­men sein.

Stra­che wie­der­um sieht sich um die Aus­zah­lung der Liech­ten­stei­ner Ver­si­che­rung betro­gen und will sei­ne ehe­ma­li­gen Par­tei­ka­me­ra­den kla­gen, denn den bis dato aus­ge­zahl­ten Betrag hat die Wie­ner FPÖ erhal­ten und nicht er per­sön­lich, obwohl Stra­che selbst Begüns­tig­ter sein hät­te sollen.
Was im Moment bleibt, sind eini­ge Fragen:

Auf wel­cher Grund­la­ge also will Stra­che sei­ne frü­he­re Par­tei wirk­lich kla­gen? Wer von der aktu­el­len Füh­rungs­rie­ge der Wie­ner FPÖ seg­ne­te die Liech­ten­stei­ner Ver­si­che­run­gen ab, die par­tei­in­tern als „Staats­ge­heim­nis“ gal­ten? Wofür pump­te der erfolg­rei­che Rechts­po­pu­list Stra­che 2014 einen Freund um so viel Geld an? Und wo sind die gro­ßen Sum­men geblie­ben, wenn doch die FPÖ offen­bar für so vie­le Aus­ga­ben Stra­ches auf­kam? (Ebd.)

Kapfenberg/Stmk: Fußballstadion wird umbenannt

Anfang des Jah­res hat­te ein Arti­kel des Stan­dard-Jour­na­lis­ten Mar­kus Sulz­bach­er zur bis­lang nicht the­ma­ti­sier­ten SS-Ver­gan­gen­heit des Kap­fen­ber­ger Ex-Bür­ger­meis­ters Franz Feke­te (SPÖ) Wel­len geschla­gen. Nach Feke­te, der nach Unter­la­gen aus dem Bun­des­ar­chiv in Ber­lin auch zur Bewa­chung von NS-Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern abge­stellt war, wur­de im Jahr 2001 das Kap­fen­ber­ger Fuß­ball­sta­di­on benannt. In Reak­ti­on auf Sulz­bach­ers Ent­hül­lun­gen wur­de die Umbe­nen­nung des Sta­di­ons gefor­dert und von der Stadt­re­gie­rung eine Historiker*innenkommission eingesetzt.

Die­se Kom­mis­si­on hat nun ihre Erkennt­nis­se prä­sen­tiert. In Reak­ti­on dar­auf soll das Sta­di­on ab dem 1. Jän­ner 2024 einen neu­en Namen erhal­ten. Dass Feke­te tat­säch­lich als KZ-Wäch­ter tätig war, bestä­tig­te die Kommission:

Der im Jahr 2009 ver­stor­be­ne Feke­te trat am 1. April 1939 der SS-Toten­kopf­stan­dar­te „Thü­rin­gen“ Wei­mar-Buchen­wald bei. Zu die­ser Zeit wur­den im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger zahl­rei­che Men­schen aus Öster­reich gefan­gen gehal­ten, dar­un­ter Geg­ner der Natio­nal­so­zia­lis­ten, Kom­mu­nis­ten, Sozia­lis­ten, Juden und Per­so­nen, die nicht in das NS-Welt­bild pass­ten. Die His­to­ri­ker­kom­mis­si­on bestä­tig­te, dass Feke­te KZ-Häft­lin­ge bewach­te. Sei­ne SS-Ein­heit begann kurz nach Beginn des Zwei­ten Welt­kriegs in Polen Mas­sa­ker an „Juden, poli­ti­schen und reli­giö­sen Füh­rern“. Es konn­te jedoch nicht fest­ge­stellt wer­den, inwie­weit Feke­te in die­se Ver­bre­chen ver­wi­ckelt war. (derstandard.at, 6.11.23)

Die bestehen­den Ehrun­gen sol­len Feke­te aller­dings nicht post­hum aberkannt wer­den, so lan­ge dies die Repu­blik Öster­reich nicht auch tue, wie es von Sei­ten der Stadt hieß. Denn der Alt­bür­ger­meis­ter wur­de auch durch das Land Stei­er­mark und die Repu­blik mit Ehrun­gen aus­ge­zeich­net. (derstandard.at)

Wilhelmsburg/NÖ: Neonazistische und sexistische Schmierereien

In der Hal­lo­ween-Nacht wur­den in Wil­helms­bur­ger Orts­zen­trum Haken­kreu­ze sowie sexis­ti­sche Slo­gans an ins­ge­samt acht Wän­den ange­bracht. Ermitt­lun­gen laufen.

Die Poli­zei bekam Hin­wei­se auf den Täter, denen nach­ge­gan­gen wur­de, die Ermitt­lun­gen lau­fen jedoch noch, so Pos­ten­kom­man­dant Mar­tin Dull­nigg. Wei­te­re Hin­wei­se sind erbe­ten, die ver­trau­lich behan­delt wer­den. Bür­ger­meis­ter Peter Reit­z­ner dazu: „Für sol­che Vor­fäl­le gibt es kein Ver­ständ­nis, kei­ne Akzep­tanz, sie sind schwer ver­werf­lich.“ (noen.at, 8.11.23)

Wien-Alsergrund und Währing: Hakenkreuz-Schmierereien

In den Wie­ner Bezir­ken Alser­grund und Wäh­ring wur­den in der Nacht auf den 8.11.2023 ein Geschäft, eine Haus­tü­re und zahl­rei­che Autos u.a. mit Haken­kreu­zen in roter Far­be „mar­kiert“. Der 24-jäh­ri­ge Täter, ein öster­rei­chi­scher Staats­bür­ger, stell­te sich nach einer öffent­li­chen Fahn­dung zwei Tage spä­ter der Poli­zei und wur­de wegen des Ver­dachts auf schwe­re Sach­be­schä­di­gung vor­läu­fig fest­ge­nom­men. Sei­ne Moti­ve sind bis dato nicht bekannt. (heute.at, 10.11.23)

Wien-Leopoldstadt: Antisemitische Vorfälle häufen sich

Seit dem Ter­ror­an­griff der Hamas auf israe­li­sche Dör­fer am 7. Okto­ber neh­men anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le und Angrif­fe welt­weit rasant zu. Dies betrifft auch Wien, wo am 1. Novem­ber ein Brand­an­schlag auf den jüdi­schen Teil des Zen­tral­fried­hofs ver­übt wur­de. Ver­gan­ge­ne Woche kam es im zwei­ten Bezirk zu Taten mit ein­deu­tig anti­se­mi­ti­schem Hin­ter­grund. Ein Gebäu­de wur­de mit einem David­stern mar­kiert. Außer­dem berich­te­te die „Kro­nen Zei­tung“ von einem bedroh­li­chen Vor­fall in einem Wohn­haus mit jüdi­schen Fami­li­en und einer Hakenkreuz-Beschmierung:

Mit­te der Woche dran­gen min­des­tens zwei Män­ner in ein Wohn­haus in der Leo­pold­stadt ein, das vor­ran­gig von jüdi­schen Fami­li­en bewohnt wird. (…) Sie häm­mer­ten am hell­lich­ten Tag gegen die Türen, hin­ter denen ganz offen­sicht­lich jüdi­sche Fami­li­en woh­nen. Eine jun­ge Frau mit Baby ver­bar­ri­ka­dier­te sich in ihren eige­nen vier Wän­den. Dann zogen die Unbe­kann­ten von Woh­nung zu Woh­nung, die teils mit einer Mesusa, einer Art jüdi­schen Talis­man an einer Ein­gangs­tür, ver­se­hen waren. In dem Gebäu­de leben unter ande­rem auch ortho­do­xe Juden sowie eine hoch betag­te Dame – eine Über­le­ben­de des Holo­caust. Tags dar­auf wur­de zudem im Auf­zug ein Haken­kreuz auf einen Spie­gel geschmiert. Die Bewoh­ner erstat­te­ten Anzei­ge. („Kro­nen Zei­tung“, 12.11.23, S. 22)

Fußnoten:

1 „Stoppt die Rech­ten“ hat zu bei­den Events Bei­trä­ge zur Ein­ord­nung von Akteu­ren und Inhal­ten ver­öf­fent­licht, wor­in Kubit­scheks Rol­le jeweils betont wird: Im Okto­ber trat er bei einer rechts­extre­men Talk­run­de mit ande­ren Szene-Akteur*innen in Wien auf und im Sep­tem­ber war er zu Gast bei einem „Kul­tur­abend“ in einem Wie­ner Palais, wo dem ras­sis­ti­schen Autor Jean Ras­pail gedacht wurde.