Die Vorgeschichte
Zum ersten Mal ist er uns 2012 Jahren aufgefallen. Da nannte er sich noch „Welfing Gropp“, gab als Wohnort Linz und als Beruf Reitlehrer an. Sein Posting auf der blauen Website „Pro Wehrpflicht“, in dem er dem damaligen Verteidigungsminister Darabos die Laternisation androhte, führte zwar zu einer Anzeige durch Darabos, aber offensichtlich zu keinem Ermittlungsergebnis.
„Welfing Gropp“ war auf diversen rechtsextremen und neonazistischen Seiten vertreten – immer mit viel Antisemitismus und Hetze und kruden Nazi-Verschwörungsgeschichten (Stichwort „Neuschwabenland“), sodass man sich auch schon unter seinesgleichen über den schrägen Vogel lustig machte.
Dann verschwand irgendwann die Kunstfigur „Welfing Gropp“ aus den Foren und von Facebook. Gunnar R. (67) sortierte sich neu und tauchte als „Gunnar von Groppenbruch“ wieder auf. Bei Facebook, Vkontakte und mit einem eigenen Blog, auf dem sich im Laufe der Jahre ekelhafte, deutlich neonazistische Einträge ansammelten. Seit 2014 (!) betreibt er diesen Blog, auf dem er pseudohistorische „Erkenntnisse“ und braunes Geraune mit anderen Nazis diskutierte und sich als früheres Mitglied der neonazistischen „Artgemeinschaft“ outete. In der Szene hatte er sich unter dem neuen Fake-Namen wieder hochgearbeitet, wurde von anderen Nazis – wie zum Beispiel „Nationalsozialist“ oder „isto“ aus Innsbruck – mit Kommentaren bedacht und weitergereicht und sogar vom braunen Lexikon Metapedia registriert.
Auf Facebook bediente er mit nicht minder braunen Einträgen eine breit gestreute Community, die von Klosterschwestern bis zu glühenden Antisemiten reichte. Auf die Spur kamen wir ihm, als er einen zweiten Account unter seinem Klarnamen einrichtete und sich immer wieder auf seinen Fake-Namen bezog. Auf Vkontakte fanden wir noch zwei weitere Konten, die mit Nazi-Müll (Fotos von Himmler, Hitler, Hitlers Schäferhund Blondie, Hakenkreuze, NS-Runen) gefüllt waren. In der Sachverhaltsdarstellung vom April 2021 übermittelten wir der Staatsanwaltschaft Linz eine umfangreiche Dokumentation zum Verdacht der NS-Wiederbetätigung.
Die Ermittlungen
Nicht nur wir waren damals Gunnar R. auf der Spur, sondern auch ein Linzer, der uns in einer Info an [email protected] mit präzisen Informationen zu dessen Identität versorgte. Nach der Anzeige war dennoch einmal lange Sendepause. R. postete unverdrossen auf seinen diversen Kanälen weiter braunen Müll und Hetze. Wir den Eindruck erhielten, dass er von den Ermittlungsbehörden jedenfalls über mehrere Monate nicht mit einer Hausdurchsuchung oder anderen Ermittlungsschritten konfrontiert worden ist.
Im Oktober 2022 kam dann endlich die Information über eine Hauptverhandlung gegen R., die allerdings zur Einholung eines Gutachtens über seine Zurechnungsfähigkeit vertagt wurde. Das Gutachten traf zwar Ende April 2023 im Landesgericht Linz ein, allerdings dauerte es wieder ein halbes Jahr, bis ein weiterer Verhandlungstermin für den 13.11. feststand.
Warum schildern wir das so detailliert und langatmig? Weil in dieser langen Zeit seit der Anzeige R. weiterhin Nazi-Dreck und antisemitische bzw. rassistische Hetze neu posten konnte und der alte Dreck weiterhin zu sehen war. Wie unverfroren R. dabei vorging, soll ein Posting illustrieren, das er wenige Tage vor seiner Hauptverhandlung noch auf Facebook absetzte. Am 9.11.1923 schrieb er unter einem Foto der Münchner Feldherrnhalle die Zeilen: „9. Nebelung — WODINS WIEDERKEHR „Uns sind Altar die Stufen der … !”
Für eingefleischte Neonazis ist der Spruch leicht zu dekodieren. Am 9. November – Nebelung ist der „deutsche“ Name für November – 1923 marschierte Adolf Hitler mit seiner Putschistentruppe auf die Feldherrnhalle zu und lieferte sich heftige Gefechte mit der Polizei, bei denen es insgesamt achtzehn Tote gab. Das Zitat „Uns sind Altar die Stufen der …..!“ endet mit „Feldherrnhalle“ und ist eine Verszeile aus einem Gedicht des NSDAP-Reichsjugendführers Baldur von Schirach, das von der Hitlerjugend gesungen wurde.
Die Hauptverhandlung
Wie schon bei der vertagten Hauptverhandlung im Oktober 2022 waren keine Journalist*innen von Printmedien anwesend. Der nach Linz zugewanderte Deutsche Gunnar R. erscheint mit einer Wolfsangel am Rücken seiner Weste. Eine weitere Provokation, denn R. weiß natürlich, dass die Wolfsangel ein verbotenes Abzeichen ist, weil es als Wappen von der SS-Division „Das Reich“ geführt wurde. Wäre er vom Gericht dazu befragt worden, hätte er wohl darauf verwiesen, dass die Rune in Niedersachsen als Brandzeichen für Kaltblutpferde verwendet wird. R. steht allerdings in Österreich vor Gericht, und da wird das Tragen von NS-Runen eigentlich bestraft. Eigentlich, denn das Gericht befragt ihn zu seiner Nazi-Rune nicht.
Verlesen wird das Gutachten der Gerichtspsychiaterin Heidemarie Kastner, aus dem hervorgeht, dass R. zurechnungsfähig war und ist, auch wenn er paranoide Züge trage. Im Vortrag der Staatsanwaltschaft werden ihm einige seiner unzähligen antisemitischen Sprüche und Hetzbeiträge vorgehalten, auch eine zynische und widerliche Schrift zur Gaskammertemperatur, die er auf seinem Blog in voller Länge veröffentlicht hat. In diesem Machwerk wird behauptet, dass nur Juden die hohen Gaskammertemperaturen aushalten würden und daher auch nur sie als Verursacher der Vergasungen in Frage kämen. Der Holocaust sei eine rein innerjüdische Angelegenheit gewesen. Vom Richter dazu befragt, weicht R. auf „mimimi“ aus: Er habe nur zitiert und übernommen, den Beitrag nach der ersten Verhandlung ohnehin gelöscht, weil er „Schwierigkeiten bekommen“ habe. Ihm sei das aber alles sehr plausibel vorgekommen.
Befragt zu seinem Kommentar zu einem „Wochenblick“-Artikel über verbrannte Olivenbäume auf Lesbos, in dem er hetzte, dass, wer Geschmeiß hereinhole, nur selbst Geschmeiß sein könne, antwortet er ebenso ausweichend. Ein Fremder zeichne sich durch Fremdartigkeit aus, während er, der Deutsche, nur ein Ausländer in Österreich, aber durch das Volk „als natürliche Einheit“ verbunden sei.
Warum er immer wieder Himmler und Hitler gehuldigt habe, wird er ebenfalls gefragt, will dazu aber keine Antwort finden („weiß nicht“). Doch, eine hat er schon parat: „Wenn es Adolf Hitler nicht gegeben hätte, hätte man ihn erfinden müssen.“
Sieben Hauptfragen werden den Geschworenen zu Schuld oder Unschuld des Angeklagten gestellt. Hauptfrage 2 ist in acht Unterfragen gegliedert, die seinen Vernichtungsantisemitismus auf vk.com dokumentieren:
1 Man kann dem Juden nicht trauen. Er muss vernichtet werden.
2 Der Jude muss vernichtet werden. Man hat die Pflicht, ihn unschädlich zu machen.
3 Man kann dem Juden keinerlei Mittel zubilligen.
4 Der Jude hat keine Recht in Deutschland. Er ist nur Ausländer.
5 Juden haben keinerlei Recht auf Schutz.
6 Juden sind nur gerissener, nicht klüger. Haben ein andres Moralgesetz. Man kann sie nur politisch brechen
7 Judennarben sind Ehrennarben, wenn einer vom Juden verletzt wird.
8 Man muss zum Antijudaismus nur ja oder Nein sagen. Entweder Knecht oder Herr. Die Judengegnerschaft ist eine Ehrensache.
Hauptfrage 4 beschäftigt sich mit dem Beitrag zur Gaskammertemperatur, Hauptfrage 7 mit seinem Kommentar zum „Geschmeiß“. Da wird abgefragt, ob R.s Äußerung Verhetzung nach § 283 StGB ist. Der FB-Eintrag zur Feldherrnhalle, den R. auch schon 2020 online gestellt hat, ist nicht dabei.
Die Beratung der Geschworenen dauert lange: über vier Stunden. Dann wird der „Wahrspruch“ verkündet. Der Angeklagte ist in den ersten sechs Hauptfragen schuldig im Sinne der Anklage nach dem Verbotsgesetz. Vom Vorwurf der Verhetzung (Hauptfrage 7) wird er freigesprochen. Das Strafausmaß ist unverständlich niedrig: 15 Monate bedingt auf drei Jahre und eine Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagsätzen zu 4 Euro, also 720 Euro – rechtskräftig. Dazu noch eine Verfügung zu seinen Accounts, die quasi ein Entgegenkommen darstellt: Innerhalb von drei Wochen muss er seine Einträge löschen und das dem Gericht dokumentieren.
Gunnar R. ist Neonazi, Rassist und Antisemit der übelsten Sorte. Von ihm ist wohl keine Änderung zu erwarten. Zumindest eine Warnung hat er nun erhalten.
Danke für die Prozessbeobachtung!