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Neonazi vor Gericht: an Widerlichkeit kaum überbietbar

End­lich! Zwei­ein­halb Jah­re, nach­dem wir sei­ne zahl­rei­chen neo­na­zis­ti­schen und het­ze­ri­schen Akti­vi­tä­ten bei der Staats­an­walt­schaft ange­zeigt haben, wur­de über ihn, des­sen Aus­wür­fe im Inter­net an Wider­lich­keit kaum über­biet­bar sind, durch ein Geschwo­re­nen­ge­richt ein Urteil gefällt.  Die Vor­ge­schich­te Zum ers­ten Mal ist er uns 2012 Jah­ren auf­ge­fal­len. Da nann­te er sich noch „Wel­fing Gropp“, gab als Wohnort […]

15. Nov 2023
Gunnar R. mit quergelegter Wolfsangel auf seiner Weste vor Gericht (© SdR)
Gunnar R. mit quergelegter Wolfsangel auf seiner Weste vor Gericht (© SdR)

Die Vorgeschichte

Zum ers­ten Mal ist er uns 2012 Jah­ren auf­ge­fal­len. Da nann­te er sich noch „Wel­fing Gropp“, gab als Wohn­ort Linz und als Beruf Reit­leh­rer an. Sein Pos­ting auf der blau­en Web­site „Pro Wehr­pflicht“, in dem er dem dama­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Dara­bos die Later­ni­sa­ti­on androh­te, führ­te zwar zu einer Anzei­ge durch Dara­bos, aber offen­sicht­lich zu kei­nem Ermittlungsergebnis.

„Wel­fing Gropp“ war auf diver­sen rechts­extre­men und neo­na­zis­ti­schen Sei­ten ver­tre­ten – immer mit viel Anti­se­mi­tis­mus und Het­ze und kru­den Nazi-Ver­schwö­rungs­ge­schich­ten (Stich­wort „Neu­schwa­ben­land“), sodass man sich auch schon unter sei­nes­glei­chen über den schrä­gen Vogel lus­tig machte.

Dann ver­schwand irgend­wann die Kunst­fi­gur „Wel­fing Gropp“ aus den Foren und von Face­book. Gun­nar R. (67) sor­tier­te sich neu und tauch­te als „Gun­nar von Grop­pen­bruch“ wie­der auf. Bei Face­book, Vkon­tak­te und mit einem eige­nen Blog, auf dem sich im Lau­fe der Jah­re ekel­haf­te, deut­lich neo­na­zis­ti­sche Ein­trä­ge ansam­mel­ten. Seit 2014 (!) betreibt er die­sen Blog, auf dem er pseu­do­his­to­ri­sche „Erkennt­nis­se“ und brau­nes Gerau­ne mit ande­ren Nazis dis­ku­tier­te und sich als frü­he­res Mit­glied der neo­na­zis­ti­schen „Art­ge­mein­schaft“ oute­te. In der Sze­ne hat­te er sich unter dem neu­en Fake-Namen wie­der hoch­ge­ar­bei­tet, wur­de von ande­ren Nazis – wie zum Bei­spiel „Natio­nal­so­zia­list“ oder „isto“ aus Inns­bruck – mit Kom­men­ta­ren bedacht und wei­ter­ge­reicht und sogar vom brau­nen Lexi­kon Metape­dia registriert.

Auf Face­book bedien­te er mit nicht min­der brau­nen Ein­trä­gen eine breit gestreu­te Com­mu­ni­ty, die von Klos­ter­schwes­tern bis zu glü­hen­den Anti­se­mi­ten reich­te. Auf die Spur kamen wir ihm, als er einen zwei­ten Account unter sei­nem Klar­na­men ein­rich­te­te und sich immer wie­der auf sei­nen Fake-Namen bezog. Auf Vkon­tak­te fan­den wir noch zwei wei­te­re Kon­ten, die mit Nazi-Müll (Fotos von Himm­ler, Hit­ler, Hit­lers Schä­fer­hund Blon­die, Haken­kreu­ze, NS-Runen) gefüllt waren. In der Sach­ver­halts­dar­stel­lung vom April 2021 über­mit­tel­ten wir der Staats­an­walt­schaft Linz eine umfang­rei­che Doku­men­ta­ti­on zum Ver­dacht der NS-Wiederbetätigung.

Die Ermittlungen

Nicht nur wir waren damals Gun­nar R. auf der Spur, son­dern auch ein Lin­zer, der uns in einer Info an [email protected] mit prä­zi­sen Infor­ma­tio­nen zu des­sen Iden­ti­tät ver­sorg­te. Nach der Anzei­ge war den­noch ein­mal lan­ge Sen­de­pau­se. R. pos­te­te unver­dros­sen auf sei­nen diver­sen Kanä­len wei­ter brau­nen Müll und Het­ze. Wir den Ein­druck erhiel­ten, dass er von den Ermitt­lungs­be­hör­den jeden­falls über meh­re­re Mona­te nicht mit einer Haus­durch­su­chung oder ande­ren Ermitt­lungs­schrit­ten kon­fron­tiert wor­den ist.

Im Okto­ber 2022 kam dann end­lich die Infor­ma­ti­on über eine Haupt­ver­hand­lung gegen R., die aller­dings zur Ein­ho­lung eines Gut­ach­tens über sei­ne Zurech­nungs­fä­hig­keit ver­tagt wur­de. Das Gut­ach­ten traf zwar Ende April 2023 im Lan­des­ge­richt Linz ein, aller­dings dau­er­te es wie­der ein hal­bes Jahr, bis ein wei­te­rer Ver­hand­lungs­ter­min für den 13.11. feststand.

War­um schil­dern wir das so detail­liert und lang­at­mig? Weil in die­ser lan­gen Zeit seit der Anzei­ge R. wei­ter­hin Nazi-Dreck und anti­se­mi­ti­sche bzw. ras­sis­ti­sche Het­ze neu pos­ten konn­te und der alte Dreck wei­ter­hin zu sehen war. Wie unver­fro­ren R. dabei vor­ging, soll ein Pos­ting illus­trie­ren, das er weni­ge Tage vor sei­ner Haupt­ver­hand­lung noch auf Face­book absetz­te. Am 9.11.1923 schrieb er unter einem Foto der Münch­ner Feld­herrn­hal­le die Zei­len: 9. Nebe­lung — WODINS WIEDERKEHR „Uns sind Altar die Stu­fen der … !”

Für ein­ge­fleisch­te Neo­na­zis ist der Spruch leicht zu deko­die­ren. Am 9. Novem­ber – Nebe­lung ist der „deut­sche“ Name für Novem­ber – 1923 mar­schier­te Adolf Hit­ler mit sei­ner Put­schis­ten­trup­pe auf die Feld­herrn­hal­le zu und lie­fer­te sich hef­ti­ge Gefech­te mit der Poli­zei, bei denen es ins­ge­samt acht­zehn Tote gab. Das Zitat „Uns sind Altar die Stu­fen der …..!“ endet mit „Feld­herrn­hal­le“ und ist eine Vers­zei­le aus einem Gedicht des NSDAP-Reichs­ju­gend­füh­rers Bal­dur von Schi­rach, das von der Hit­ler­ju­gend gesun­gen wurde.

Die Hauptverhandlung

Wie schon bei der ver­tag­ten Haupt­ver­hand­lung im Okto­ber 2022 waren kei­ne Journalist*innen von Print­me­di­en anwe­send. Der nach Linz zuge­wan­der­te Deut­sche Gun­nar R. erscheint mit einer Wolfs­an­gel am Rücken sei­ner Wes­te. Eine wei­te­re Pro­vo­ka­ti­on, denn R. weiß natür­lich, dass die Wolfs­an­gel ein ver­bo­te­nes Abzei­chen ist, weil es als Wap­pen von der SS-Divi­si­on „Das Reich“ geführt wur­de. Wäre er vom Gericht dazu befragt wor­den, hät­te er wohl dar­auf ver­wie­sen, dass die Rune in Nie­der­sach­sen als Brand­zei­chen für Kalt­blut­pfer­de ver­wen­det wird. R. steht aller­dings in Öster­reich vor Gericht, und da wird das Tra­gen von NS-Runen eigent­lich bestraft. Eigent­lich, denn das Gericht befragt ihn zu sei­ner Nazi-Rune nicht.

Gunnar R. mit quergelegter Wolfsangel auf seiner Weste vor Gericht (© SdR)
Gun­nar R. mit quer­ge­leg­ter Wolfs­an­gel auf sei­ner Wes­te vor Gericht (© SdR)

Ver­le­sen wird das Gut­ach­ten der Gerichts­psych­ia­te­rin Hei­de­ma­rie Kast­ner, aus dem her­vor­geht, dass R. zurech­nungs­fä­hig war und ist, auch wenn er para­no­ide Züge tra­ge. Im Vor­trag der Staats­an­walt­schaft wer­den ihm eini­ge sei­ner unzäh­li­gen anti­se­mi­ti­schen Sprü­che und Hetz­bei­trä­ge vor­ge­hal­ten, auch eine zyni­sche und wider­li­che Schrift zur Gas­kam­mer­tem­pe­ra­tur, die er auf sei­nem Blog in vol­ler Län­ge ver­öf­fent­licht hat. In die­sem Mach­werk wird behaup­tet, dass nur Juden die hohen Gas­kam­mer­tem­pe­ra­tu­ren aus­hal­ten wür­den und daher auch nur sie als Ver­ur­sa­cher der Ver­ga­sun­gen in Fra­ge kämen. Der Holo­caust sei eine rein inner­jü­di­sche Ange­le­gen­heit gewe­sen. Vom Rich­ter dazu befragt, weicht R. auf „mim­i­mi“ aus: Er habe nur zitiert und über­nom­men, den Bei­trag nach der ers­ten Ver­hand­lung ohne­hin gelöscht, weil er „Schwie­rig­kei­ten bekom­men“ habe. Ihm sei das aber alles sehr plau­si­bel vorgekommen.

Befragt zu sei­nem Kom­men­tar zu einem „Wochenblick“-Artikel über ver­brann­te Oli­ven­bäu­me auf Les­bos, in dem er hetz­te, dass, wer Geschmeiß her­ein­ho­le, nur selbst Geschmeiß sein kön­ne, ant­wor­tet er eben­so aus­wei­chend. Ein Frem­der zeich­ne sich durch Fremd­ar­tig­keit aus, wäh­rend er, der Deut­sche, nur ein Aus­län­der in Öster­reich, aber durch das Volk „als natür­li­che Ein­heit“ ver­bun­den sei.

War­um er immer wie­der Himm­ler und Hit­ler gehul­digt habe, wird er eben­falls gefragt, will dazu aber kei­ne Ant­wort fin­den („weiß nicht“). Doch, eine hat er schon parat: „Wenn es Adolf Hit­ler nicht gege­ben hät­te, hät­te man ihn erfin­den müs­sen.

Sie­ben Haupt­fra­gen wer­den den Geschwo­re­nen zu Schuld oder Unschuld des Ange­klag­ten gestellt. Haupt­fra­ge 2 ist in acht Unter­fra­gen geglie­dert, die sei­nen Ver­nich­tungs­an­ti­se­mi­tis­mus auf vk.com dokumentieren:

1 Man kann dem Juden nicht trau­en. Er muss ver­nich­tet werden.
2 Der Jude muss ver­nich­tet wer­den. Man hat die Pflicht, ihn unschäd­lich zu machen.
3 Man kann dem Juden kei­ner­lei Mit­tel zubilligen.
4 Der Jude hat kei­ne Recht in Deutsch­land. Er ist nur Ausländer.
5 Juden haben kei­ner­lei Recht auf Schutz.
6 Juden sind nur geris­se­ner, nicht klü­ger. Haben ein and­res Moral­ge­setz. Man kann sie nur poli­tisch brechen
7 Juden­nar­ben sind Ehrennar­ben, wenn einer vom Juden ver­letzt wird.
8 Man muss zum Anti­ju­da­is­mus nur ja oder Nein sagen. Ent­we­der Knecht oder Herr. Die Juden­geg­ner­schaft ist eine Ehrensache.

Haupt­fra­ge 4 beschäf­tigt sich mit dem Bei­trag zur Gas­kam­mer­tem­pe­ra­tur, Haupt­fra­ge 7 mit sei­nem Kom­men­tar zum „Geschmeiß“. Da wird abge­fragt, ob R.s Äuße­rung Ver­het­zung nach § 283 StGB ist. Der FB-Ein­trag zur Feld­herrn­hal­le, den R. auch schon 2020 online gestellt hat, ist nicht dabei.

Die Bera­tung der Geschwo­re­nen dau­ert lan­ge: über vier Stun­den. Dann wird der „Wahr­spruch“ ver­kün­det. Der Ange­klag­te ist in den ers­ten sechs Haupt­fra­gen schul­dig im Sin­ne der Ankla­ge nach dem Ver­bots­ge­setz. Vom Vor­wurf der Ver­het­zung (Haupt­fra­ge 7) wird er frei­ge­spro­chen. Das Straf­aus­maß ist unver­ständ­lich nied­rig: 15 Mona­te bedingt auf drei Jah­re und eine Geld­stra­fe in der Höhe von 180 Tag­sät­zen zu 4 Euro, also 720 Euro – rechts­kräf­tig. Dazu noch eine Ver­fü­gung zu sei­nen Accounts, die qua­si ein Ent­ge­gen­kom­men dar­stellt: Inner­halb von drei Wochen muss er sei­ne Ein­trä­ge löschen und das dem Gericht dokumentieren.

Gun­nar R. ist Neo­na­zi, Ras­sist und Anti­se­mit der übels­ten Sor­te. Von ihm ist wohl kei­ne Ände­rung zu erwar­ten. Zumin­dest eine War­nung hat er nun erhalten.

Dan­ke für die Prozessbeobachtung!

User "Nationalsozialist" kommentiertz am Blog von Gunnar R. (19.2.21)
User „Natio­nal­so­zia­list” kom­men­tiertz am Blog von Gun­nar R. (19.2.21)
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Gun­nar R.: „Kampf dem Welt­fein­de !!! Man kann den )uden nicht posi­tiv bekämp­fen. …” (Screen­shot vk 17.9.18)
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Gunnar R. "Mitglied der Artgemeinschaft" (Screenshot Blog 9.12.19)
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Gunnar R. am Grab der Eltern des Führers (Screenshot FB 22.4.17)
Gun­nar R. am Grab der Eltern des Füh­rers (Screen­shot FB 22.4.17)