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Verbotsgesetz: Was wirklich kommen soll

Wie viel Halb- und ‑Des­in­for­ma­ti­on geht? Das Wis­sen um das Ver­bots­ge­setz scheint auch 76 Jah­re nach des­sen Ein­füh­rung in der heu­ti­gen Form mar­gi­nal zu sein. Das bele­gen Medi­en­be­rich­te zur beab­sich­tig­ten Novel­le des Ver­bots­ge­set­zes. Den Vogel schießt jedoch der AUF1-Macher Ste­fan Magnet ab.

16. Nov 2023
Verbotsgesetz 1945 (Quelle: nachkriegsjustiz.at)
Verbotsgesetz 1945 (Quelle: nachkriegsjustiz.at)

Die APA (8.11.23) titelt ihre Mel­dung über die Pres­se­kon­fe­renz nach dem Minis­ter­rat am 8. Novem­ber: „Neu­es Ver­bots­ge­setz bringt neue und höhe­re Stra­fen“ APA-Mel­dun­gen wer­den zumeist von ande­ren Medi­en ganz oder teil­wei­se über­nom­men – unge­naue und fal­sche Infor­ma­ti­on inklusive.

Die Regie­rung hat sich auf die Reform des Ver­bots­ge­set­zes ver­stän­digt. Gegen­über dem Begut­ach­tungs­ent­wurf gibt es vor allem die Ände­rung, dass die Stra­fen etwa beim Tra­gen von NS-Sym­bo­len, aber auch von Zei­chen z.B. der Hamas und der Iden­ti­tä­ren dras­tisch erhöht wur­den. Gleich bleibt, dass auch das Ver­öf­fent­li­chen ver­bo­te­ner Inhal­te vom Aus­land aus straf­bar wird und dass im öffent­li­chen Dienst der Job nach einer Ver­ur­tei­lung gemäß Ver­bots­ge­setz ver­lo­ren geht. (APA)

Tragen von Symbolen und Zeichen als Teil des Verbotsgesetzes?

Was die APA hier als „Reform des Ver­bots­ge­set­zes“ ver­kauft, betrifft nicht das Ver­bots­ge­setz. Denn es ist vor­ge­se­hen, die Maxi­mal­stra­fe beim Sym­bo­le-Gesetz, Abzei­chen­ge­setz und beim „Ein­füh­rungs­ge­setz zu den Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­set­zen“ (EGVG, Art. III, Absatz 1, Zif­fer 4) auf ein­heit­lich 10.000 Euro anzu­he­ben. Dass etwa Sym­bo­le der Hamas nichts mit dem Ver­bots­ge­setz zu tun haben und daher davon auch nicht erfasst sind, müss­te eigent­lich auch Lai­en klar sein.

Das Veröffentlichen verbotener Inhalte vom Ausland aus wird strafbar?

Schon beim APA-Titel sind gleich drei Punk­te zumin­dest unge­nau: Das Ver­bots­ge­setz ist nicht neu, son­dern wird in eini­gen Punk­ten refor­miert. Neu bestraft sol­len Taten wer­den, die von in Öster­reich leben­den Per­so­nen im Aus­land began­gen wer­den – aller­dings mit grö­ße­ren Ein­schrän­kun­gen und Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum: nach § 3g und 3h Ver­botsG (die mit gro­ßem Abstand häu­figs­ten Para­gra­fen, die zur Anwen­dung kom­men), wenn sie in einem in Öster­reich abruf­ba­ren Medi­um ver­brei­tet wer­den und dazu geeig­net sind, „den öffent­li­chen Frie­den zu ver­let­zen“ (Ent­wurf VG).

Was ver­letzt nun den öffent­li­chen Frie­den? Wir zitie­ren Fäl­le aus den letz­ten Jah­ren: Eine Per­son ver­schickt aus Spa­ni­en Nazi-Mails nach Öster­reich. Einem Grund­satz­ur­teil des OGH zufol­ge ist eine Tat wie die­se nicht nach dem Ver­bots­ge­setz zu bestra­fen, da die Tat, so der OGH, im Aus­land voll­endet wur­de. Doch wären Mails an ein­zel­ne Per­so­nen nach der Novel­lie­rung des Ver­bots­ge­set­zes straf­bar? Fällt eine E‑Mail-Nach­richt unter ein Medi­um, das „im Inland ver­brei­tet wor­den ist, abge­ru­fen oder emp­fan­gen wer­den konn­te und geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu ver­let­zen“ (VG-Ent­wurf)? Es bleibt in sol­chen Fäl­len abzu­war­ten, wie die Gerich­te urtei­len werden.

Wohl kaum bestraft wird auch in Zukunft jemand wie jener Ober­ös­ter­rei­cher, der 2021 in einem Pro­zess ange­ge­ben hat­te, in Tsche­chi­en gewe­sen zu sein, als er sich mit Nazi-T-Shirts ablich­ten hat las­sen. Oder auch der Wie­ner, des­sen brau­ne Chat­nach­rich­ten letz­ten Juni nicht ange­klagt waren, weil sie aus der Slo­wa­kei ver­schickt wor­den sein sol­len. Den „öffent­li­chen Frie­den“ haben sie nicht ver­letzt, denn die Nach­rich­ten gin­gen an eine Grup­pe Gleichgesinnter.

Höhere Strafen beim Verbotsgesetz? Jein!

Zukünf­tig soll bei § 3g und 3h eine Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Tat­be­stän­de, also eine Unter­schei­dung nach Schwe­re­grad mit unter­schied­li­chen Straf­ma­ßen erfol­gen: in einen „Grund­tat­be­stand“ und zwei „Qua­li­fi­ka­tio­nen“. Das heißt: Bei einem Grund­tat­be­stand, der am wenigs­ten schwe­ren Form der Tat, wird das bis­he­ri­ge Straf­maß hal­biert. Bei der zwei­ten „Qua­li­fi­ka­ti­on“ bleibt das bis­he­ri­ge Straf­maß (ein bis zehn Jah­re) bestehen, in der drit­ten Stu­fe (beson­de­re Gefähr­lich­keit) wird das Min­dest­straf­maß von einem Jahr auf zehn Jah­re erhöht, die Höchst­stra­fe von 20 Jah­ren bleibt bestehen.

Hät­te die neue Rege­lung bei „beson­de­rer Gefähr­lich­keit” Aus­wir­kun­gen auf Urtei­le aus den letz­ten Jah­ren gehabt? Im Fall von „Mr. Bond“ nicht, denn der hat zehn Jah­re Haft erhal­ten. Der Bur­gen­län­der Rudolf P., über den der Ver­fas­sungs­schutz behaup­tet hat­te, er hät­te einen Anschlag auf das Volks­stimm­e­fest geplant, ist erst­in­stanz­lich zu drei­ein­halb Jah­ren Haft ver­ur­teilt wor­den. Das Ober­lan­des­ge­richt Wien erhöh­te die Stra­fe wegen sei­ner beson­de­ren Gefähr­lich­keit auf fünf Jah­re. Hier wäre unter Umstän­den mit der Novel­lie­rung ein höhe­res Straf­maß zu ver­hän­gen gewe­sen. Wei­te­re Fäl­le aus den letz­ten Jah­ren, in denen Ver­ur­teil­ten eine beson­de­re Gefähr­lich­keit attes­tiert wur­de, sind uns nicht bekannt.

Für die grö­ße­re Mas­se der zukünf­ti­gen Pro­zes­se wird die Novel­le, so sie in der vor­lie­gen­den Form beschlos­sen wird, eine deut­li­che Reduk­ti­on der Stra­fen bedeu­ten. Mehr noch: Durch die Her­ab­sen­kung auf sechs Mona­te Min­dest­stra­fe wird auch eine diver­sio­nel­le Erle­di­gung mög­lich. Das bedeu­tet: kei­ne Ein­tra­gung ins Straf­re­gis­ter, kei­ne Vor­stra­fe. Die Behaup­tung, dass die Novel­le „höhe­re Stra­fen“ brin­gen wür­de, ist also, was das Ver­bots­ge­setz betrifft, in der kon­kre­ten Aus­wir­kung auf zukünf­ti­ge Straf­ver­fah­ren weit­ge­hend falsch.

Zwei Verschärfungen

Im Para­graf 3h Ver­botsG wird der Tat­be­stand der Ver­harm­lo­sung oder Leug­nung von natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­bre­chen gere­gelt. Bis­her war dafür eine „gröb­li­che“ Ver­harm­lo­sung oder Leug­nung not­wen­dig. Das Wort „gröb­lich“ soll nun ent­fal­len. In den Erläu­te­run­gen zur Novel­le wird das fol­gen­der­ma­ßen ausgeführt:

In § 3h Ver­botsG soll zunächst von der Tat­hand­lung des „gröb­li­chen Ver­harm­lo­sens“ abge­gan­gen und künf­tig nur mehr auf das blo­ße Ver­harm­lo­sen abge­stellt wer­den, ohne Anfor­de­run­gen an des­sen Inten­si­tät oder des­sen Art und Umfang zu stel­len. Damit soll ein neu­er, nie­der­schwel­li­ge­rer Tat­be­stand geschaf­fen wer­den und eine wesent­li­che Hür­de für die Straf­bar­keit der Ver­harm­lo­sung des Holo­caust ent­fal­len, die die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der vor prak­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen gestellt hat.

Der neue Para­graf 3k regelt nun, dass eine rechts­kräf­ti­ge Ver­ur­tei­lung nach dem Ver­bots­ge­setz für alle Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst einen „Amts- und Funk­ti­ons­ver­lust“ brin­gen wird. Über­setzt: Wer ver­ur­teilt wird, ver­liert den Job. Die­se Rege­lung soll aller­dings nicht bei einer diver­sio­nel­len Erle­di­gung des Ver­fah­rens grei­fen. Mög­li­cher­wei­se kom­men zukünf­tig etwa Polizist*innen oder auch Bun­des­heer­be­diens­te­te, die bis­lang auf­fal­lend oft mit der Min­dest­stra­fe von zwölf Mona­ten, die noch kei­nen Job­ver­lust zur Fol­ge hat­te, bedacht wur­den, nun mit einer Diver­si­on davon.

Neonazis jammern

Dass künf­tig NS-Devo­tio­na­li­en auch ohne Zur­schau­stel­lung ein­ge­zo­gen wer­den kön­nen, trifft man­che öster­rei­chi­sche Neo­na­zis hart. „Das Ver­bot und die Ver­nich­tung alt­ehr­wür­di­ger Erb­stü­cke gehört zum Reper­toire von ‚re-ori­en­ta­ti­on’ und ‚re-edu­ca­ti­on’ (JCS 1067)”, wird auf einem Neo­na­zi-Kanal gejammert.

NS-Devotionalien für Neonazis "Erbstücke" (Screenshot TG 11.11.23
NS-Devo­tio­na­li­en für Neo­na­zis „Erb­stü­cke” (Screen­shot TG 11.11.23

AUF1-Magnet schießt den Vogel ab

Gera­de­zu lächer­lich, jedoch kei­nes­wegs über­ra­schend, fällt die Kom­men­tie­rung des aus dem neo­na­zis­ti­schen BfJ ent­stam­men­den Super­sprea­ders von Des­in­for­ma­ti­on, Ste­fan Magnet, auf sei­nem Por­tal AUF1 aus. Er bezeich­net die Novel­lie­rung des Ver­bots­ge­set­zes, die bereits im Jän­ner 2017 ange­kün­digt, im Regie­rungs­pro­gramm vom Jän­ner 2020 ver­an­kert und im Juni 2023 in die Begut­ach­tung geschickt wur­de, als „ers­tes Son­der­ge­setz im Wind­schat­ten des Isra­el-Krie­ges“. Magnet führt wei­ter aus: Das neu refor­mier­te Gesetz soll nun aber auch die Zei­chen der paläs­ti­nen­si­schen Hamas oder der Iden­ti­tä­ren bestra­fen.“ Dass das Sym­bo­le-Gesetz mit dem Ver­bots­ge­setz nichts zu tun hat, haben wir bereits oben aus­ge­führt. Aber auch das „nun“ ist falsch: Sym­bo­le und Zei­chen der Hamas wur­den bereits im März 2019 unter der Tür­kis-Blau­en Regie­rung und dem dama­li­gen FPÖ-Innen­mi­nis­ter Kickl straf­bar, jene der Iden­ti­tä­ren im Som­mer 2021. All­zeit bereit und wil­lens, sich selbst zum Opfer zu sti­li­sie­ren, fol­gert Magnet aus sei­nen Fake-Infor­ma­tio­nen: „Das neu ver­schärf­te Son­der­ge­setz soll die Auf­klä­rungs­be­we­gung tref­fen.“ Mit die­sen irr­wit­zi­gen Aus­füh­run­gen schießt Magnet zwei­fel­los den Vogel ab!

Stefan Magnet kommentiert die Novellierung des Verbotsgesetzes: Nichts davon ist richtig! (Screenshot AUF1, 10.11.23)
Ste­fan Magnet kom­men­tiert die Novel­lie­rung des Ver­bots­ge­set­zes: Nichts davon ist rich­tig! (Screen­shot AUF1, 10.11.23)
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