Wochenschau KW 5/19

Lesezeit: 8 Minuten

Ein Vor­arl­ber­ger Ehe­paar stand vor Gericht, weil es u.a. sei­ne Klein­kin­der für Wie­der­be­tä­ti­gung miss­braucht hat­te, ein Kärnt­ner wird sich in Bäl­de zum wie­der­hol­ten Mal wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor dem Kadi ver­ant­wor­ten müs­sen. Der Obers­te Gerichts­hof hat ein Grund­satz­ur­teil gefällt, das eini­ge Fra­gen auf­wirft. Und wir rät­seln, wer denn hin­ter dem Wiki­pe­dia­ner Cicero39 steht. „Das rech­te Wort der Woche“ hat die Wie­ner Bur­schen­schaft Teu­to­nia gespro­chen bzw. geschrieben.

Linz: Mit Haken­kreuz auf Bauch­ta­sche im Gericht
Feld­kirch: Kin­der für Wie­der­be­tä­ti­gung missbraucht
Kla­gen­furt: Hit­ler­gruß in Oberitalien
OGH fällt Grundsatzurteil
Cice­ro 39 und die Kon­tro­ver­sen auf Wikipedia
Das rech­te Wort der Woche: Bur­schen­schaft Teutonia

Linz: Mit Haken­kreuz auf Bauch­ta­sche im Gericht

Kurz­mel­dung aus der Kro­nen Zei­tung: „Ver­bots­ge­setz Zu 180 Tages­sät­zen zu 10 € und zwölf Mona­ten bedingt wur­de ein 44-Jäh­ri­ger in Linz ver­ur­teilt. Er hat­te bei einer Besu­cher­kon­trol­le im Lan­des­ge­richt eine Bauch­ta­sche getra­gen, die mit einem Haken­kreuz ‚ver­ziert’ war. Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig.“ (Kro­nen Zei­tung, 29.1.19, S. 20)

Feld­kirch: Kin­der für Wie­der­be­tä­ti­gung missbraucht

Ein beson­ders wider­li­cher Fall wur­de am 1. Febru­ar vor dem Lan­des­ge­richt Feld­kirch ver­han­delt. Ein Paar – ein 29-jäh­ri­ger Ober­län­der und sei­ne 28-jäh­ri­ge Ex-Freun­din –hat­te sei­ne Kin­der dazu gelockt, mit Hit­ler­gruß zu posie­ren, um dann davon Fotos anzu­fer­ti­gen: Vor der Haken­kreuz­fah­ne in der gemein­sa­men Woh­nung dürf­te auch ein Foto ent­stan­den sein, das den Sohn im Alter von ein oder zwei Jah­ren zeigt, wie er sei­nen rech­ten Arm aus­streckt. Dabei habe es sich ledig­lich um einen ‚blö­den Zufall’ gehan­delt, sag­te die Ange­klag­te am Frei­tag vor Gericht. Sie habe den Buben mit einem Keks dazu ani­miert, den Arm zu heben, und dann das Foto geschossen.

Ein wei­te­res Foto zeigt den Vater mit den bei­den Töch­tern, die heu­te sechs und sie­ben Jah­re alt sind. Alle drei ste­hen vor einer Wand, auf die ein Haken­kreuz gemalt ist, und heben die Hand zum Hit­ler­gruß. Der 29-jäh­ri­ge Ange­klag­te gab zwar zu, das Haken­kreuz gemalt und gemein­sa­men mit sei­nen Kin­dern posiert zu haben. Das Foto sei aber nicht vor dem Haken­kreuz ent­stan­den — das habe sei­ne Ex-Freun­din nach­träg­lich mit­tels Pho­to­shop hin­zu­ge­fügt. Zu den rechts­ra­di­ka­len Lie­dern mein­te er, dass ihm ledig­lich die Musik gefal­len habe — auf die Tex­te habe er gar nicht gehört.” (vorarlberg.orf.at, 1.2.19)

Bei­de Ange­klag­ten gaben an, von der rechts­extre­men Sze­ne, in der sie jah­re­lang ver­an­kert waren, inzwi­schen Abschied genom­men zu haben. Der bereits vier­fach vor­be­straf­te Mann erhielt eine Zusatz­stra­fe von 20 Mona­ten, die Frau eine Frei­heits­stra­fe von zehn Mona­ten bedingt und eine Geld­stra­fe von 1.200 Euro – nicht rechtskräftig.

Kla­gen­furt: Hit­ler­gruß aus Oberitalien

Bereits zum drit­ten Mal wird ein 30-jäh­ri­ger Kärnt­ner wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor Gericht ste­hen. Schon sei­ne vor­her­ge­hen­den Taten sind „beein­dru­ckend“: Er hat NS-Sym­bo­le auf Häu­ser gesprüht. Er hat Pla­ka­te mit natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Inhal­ten in Kla­gen­furt auf­ge­hängt. Er hielt einem Ägyp­ter – im Zuge einer Aus­ein­an­der­set­zung – eine Gas­druck­pis­to­le gegen den Kopf und feu­er­te Schüs­se ab: Das Opfer erlitt Augen­ver­let­zun­gen.“ (Klei­ne Zei­tung, 30.1.19, S. 22) Der Aus­lö­ser für die erneu­te Ankla­ge: Er ver­öf­fent­lich­te ein Foto auf Face­book, auf dem zu sehen ist, wie er zusam­men mit sei­ner Freun­din in Ita­li­en vor einem Denk­mal mit Hit­ler­gruß posiert.

Zudem wur­den bei ihm zu Hau­se ein­schlä­gi­ges Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al sicher gestellt und ein Hit­ler­fo­to am Kühl­schrank. „Der Ver­tei­di­ger des 30-Jäh­ri­gen will die Ankla­ge beein­spru­chen. ‚In Ita­li­en gibt es kein Ver­bots­ge­setz’, argu­men­tiert Anwalt Phil­ipp Tscher­nitz. Der Kärnt­ner hat in Ita­li­en den Hit­ler­gruß gezeigt. ‚Das kann nicht nach öster­rei­chi­schem Recht bestraft wer­den’, fin­det Tscher­nitz.“ (Klei­ne Zei­tung) Soll­te das Gericht in die­sem Punkt der Ver­tei­di­gung fol­gen, wird es den Kärnt­ner wegen der ande­ren Ange­kla­ge­punk­te zwar nicht ret­ten, aber es führt uns direkt zu einem OGH-Urteil.

OGH fällt Grundsatzurteil

Ein bemer­kens­wer­tes Urteil fäll­te der OGH nach einer Beschwer­de der Gene­ral­pro­ku­ra­tur. Nach­dem ein Deut­scher aus Spa­ni­en Mails mit NS-Inhal­ten an Öster­rei­che­rIn­nen adres­sier­te, nahm die Staats­an­walt­schaft Salz­burg Ermitt­lun­gen auf, stell­te die jedoch wie­der mit der Begrün­dung ein, dass die Tat in Spa­ni­en pas­siert sei und daher das öster­rei­chi­sche Ver­bots­ge­setz nicht zur Anwen­dung kom­men könne.

Der Rechts­schutz­be­auf­trag­te ver­lang­te dar­auf­hin, dass das Ver­fah­ren fort­ge­führt wer­de. Denn wenn jemand E‑Mails ver­sen­de, dann kön­ne die Wir­kung immer erst beim Adres­sa­ten auf­tre­ten, argu­men­tier­te er. Und für Delik­te, die ‚teils im Aus­land, teils im Inland’ ver­wirk­licht wur­den, sei sehr wohl die öster­rei­chi­sche Jus­tiz zustän­dig. (Die Pres­se, 4.2.19, S. 13)

Das Lan­des­ge­richt Salz­burg ent­schied gegen die Aus­le­gung des Rechts­schutz­be­auf­trag­ten. Anders jedoch der OGH, der dazu nach einer Nich­tig­keits­be­schwer­de der Gene­ral­pro­ku­ra­tur ein Grund­satz­ur­teil fäll­te, das die Rechts­la­ge in zukünf­ti­gen, ähn­lich gela­ger­ten Ver­fah­ren klar­stel­len sollte:

Denn das Gesetz stel­le nur dar­auf ab, ob sich jemand im NS-Sinn betä­tigt hat. Es hand­le sich um ein ‚abs­trak­tes Gefähr­dungs­de­likt’, der Gesetz­ge­ber habe die Gefahr, die durch NS-Pro­pa­gan­da aus­ge­he, ver­hin­dern wol­len. Die­se Gefahr sei in Spa­ni­en ent­stan­den. Ent­schei­dend sei für die Straf­bar­keit, ob die Bot­schaft geeig­net ist, NS-Gedan­ken­gut zu trans­por­tie­ren. Nicht ent­schei­dend sei, ob der Täter mit den gesetz­ten Bot­schaf­ten auch erfolg­reich durch­dringt. Das Delikt sei somit bereits in Spa­ni­en voll­endet wor­den, erklär­ten die Höchst­rich­ter. Der Emp­fang und das Lesen der E‑Mails in Öster­reich sei für das Delikt hin­ge­gen ‚nicht mehr von Bedeu­tung’, beton­te der OGH (13 Os 105/18t). (Die Pres­se, 4.2.19)

Das wirft nun grö­ße­re Fra­gen auf: Was ist, wenn etwa Web­sites von aus­län­di­schen Ser­vern aus betrie­ben wer­den, was ist, wenn Mails über nicht öster­rei­chi­sche IP-Adres­sen ver­schickt wer­den? Und, wie im vor­her­ge­hen­den Bei­trag aus­ge­führt: Ist ein Hit­ler­gruß nicht straf­bar, wenn er im Aus­land getä­tigt und dann ein Foto davon auch vom Aus­land aus etwa auf Face­book gepos­tet wird? Denn die Tat wäre, wenn wir dem OGH fol­gen, im Aus­land voll­endet worden.

Cice­ro 39 und die Kon­tro­ver­sen auf Wikipedia

Es begann mit einem Tweet vom Account @politikedits, der auto­ma­ti­siert Edi­tie­run­gen auf Wiki­pe­dia erfasst, die von IP-Adres­sen aus dem Par­la­ment und Minis­te­ri­en vor­ge­nom­men wer­den. „’Ingrid Brod­nig’ wur­de anonym aus dem Netz des Par­la­ments bearbeitet“.

Politikedits auf Twitter

Poli­tik­edits auf Twitter

Hans Kirch­mayr, sah sich die­se Bear­bei­tun­gen genau­er an und stell­te fest:

1/6: Das ist ja lus­tig: Einem anony­men Wiki­pe­dia-Autoren aus dem österr. Par­la­ment scheint es enorm wich­tig, in den Arti­kel über @brodnig einen Abschnitt „Kon­tro­ver­sen” ein­zu­bau­en. Dazu gibt’s mitt­ler­wei­le fast einen klei­nen Edit-War — und von mir die­sen Thread:
2/6: Ursprüng­lich ein­ge­fügt hat die­se „Kontroverse„¹ der Wiki­pe­dia-User „Cicero39“
3/6: „Cicero39” edi­tiert ansons­ten auf­fal­lend ger­ne den Wiki­pe­dia-Ein­trag des FPÖ-Abge­ord­ne­ten Ger­hard Deimek, den er zufäl­lig auch selbst ange­legt hat
4/6: „Cicero39” kor­ri­giert aber auch durch­aus fach­kun­dig Ein­trä­ge zur VAI und spe­zi­el­len Ver­fah­ren der Stahl­er­zeu­gung (habe ich schon erwähnt, das auch Herr Deimek zufäl­lig vie­le Jah­re VAI-Mit­ar­bei­ter war?)
5/6: Doch währd. es „Cicero39” bei der Jour­na­lis­tin enorm wich­tig scheint, eine „Kon­tro­ver­se” ein­zu­fü­gen, kämpft er bei Deimek f. deren Löschung, bis hin zur Klags­dro­hung gg. Wiki­pe­dia („Bei noch­ma­li­ger Wie­der­her­stel­lung wird gem StGB §113 sowohl Autor als auch Medi­um verfolgt.”)
6/6: Die Deimek-Kon­tro­ver­se im lin­ken Bild hat er bereits erfolg­reich gelöscht. Die im rech­ten Bild hat „Cicero39” gera­de in Arbeit.

Auf Anfra­gen an den FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Ger­hard Deimek, ob er denn selbst Cicero39 sei bzw. wis­se, um wen es sich hand­le, gab’s von Deimek bis­her tie­fes Schweigen.

Wikipedia-Aktivitäten von Cicero39

Wiki­pe­dia-Akti­vi­tä­ten von Cicero39

Das rech­te Wort der Woche

Die Teu­to­nia am 2.2.19 auf Facebook

Heu­te besu­chen eini­ge unse­rer Voll­tä­ti­gen die Semes­ter­ab­schluss­knei­pe unse­rer schle­si­schen Kar­tell­brü­der der Die Alte Bres­lau­er Bur­schen­schaft der Rac­zeks zu Bonn im schö­nen Rhein­land. Zusam­men mit Farben‑, Kar­tell- und Ver­bands­brü­dern aus der Ost­mark, der BRD und Flan­dern las­sen wir ein wei­te­res erfolg­rei­ches Semes­ter aus­klin­gen. Für uns ein Halb­jahr, in dem schnei­dig gefoch­ten, flei­ßig stu­diert und unse­re geleb­te Gemein­schaft wei­ter gefes­tigt wurde.

 

Teutonia 4.2.19: traditionelle Östmärker (Screenshot Facebook)

Teu­to­nia 4.2.19: tra­di­tio­nel­le Öst­mär­ker (Screen­shot Facebook)

Wenn nun die Teu­to­nia und auch deren Mit­glied, der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Rein­hard Bösch argu­men­tie­ren, dass „Ost­mark“ ein „his­to­ri­scher Begriff“ sei, dann ist es zwar kor­rekt, beant­wor­tet jedoch nicht die Fra­ge, war­um die Teu­to­nen im Pos­ting aus­ge­rech­net eine Selbst­be­zeich­nung wäh­len, die aus der NS-Zeit his­to­risch belas­tet ist und zudem mit dem Rübe­zahl­lied und des­sen letz­ter Stro­phe einen Kon­nex zum orga­ni­sier­ten Neo­na­zis­mus her­stel­len. Aber eigent­lich benö­ti­gen wir auf die­se Fra­ge kei­ne Ant­wort sei­tens der Teu­to­nen, denn dort ist nicht nur die Ver­wen­dung des Begriffs „Ost­mark“ traditionell.

Update: Nach­dem Rein­hard Bösch noch am Vor­mit­tag die Ver­wen­dung des Begriffs „Ost­mark“ nicht kom­men­tie­ren woll­te, hat er sich davon nun in einer FPÖ-Pres­se­aus­sendung doch distan­ziert und  stell­te „erklä­rend fest, dass die­ser Begriff in betref­fen­den Zusam­men­hang voll­kom­men inak­zep­ta­bel sei, weil er zu Miss­in­ter­pre­ta­tio­nen Anlass geben kann“. Da brann­te wohl der Hut …