Die „neurechte“ Versuchung – Zu Strategie und Auftritt der Aula-Nachfolge „Freilich“

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Die frei­heit­li­che Monats­zeit­schrift „Aula“ gehör­te über lan­ge Zeit zu den wich­tigs­ten publi­zis­ti­schen Organ der öster­rei­chi­schen extre­men Rech­ten. Kein ande­res Medi­um stand so klar und tra­di­ti­ons­reich für die enge – inhalt­li­che wie per­so­nel­le – Ver­zah­nung des völ­ki­schen Ver­bin­dungs­we­sens mit der FPÖ. Im Juni 2018 wur­de das 1951 gegrün­de­te Blatt ein­ge­stellt. Es war auf­grund sei­ner ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Aus­fäl­le für die inzwi­schen regie­ren­de FPÖ zuneh­mend pro­ble­ma­tisch gewor­den. Im Dezem­ber 2018 ist nun die ers­te Aus­ga­be des Nach­fol­ge­ma­ga­zins „Frei­lich“ erschie­nen. Eine ers­te Ein­schät­zung, mit Rückblick.

Abgang und Neu­start – zu den Vor­aus­set­zun­gen von „Frei­lich“ – Rück­blick auf Die Aula
„Frei­lich“ prä­sen­tiert sich „dis­kurs­neu­gie­rig“
„Neue Rech­te“ – neu­er Ton, neue Per­so­nen, alte Inhalte
Zwei­mal Chemnitz
Ver­fol­gungs­wahn & Kriegsrhetorik
Volks­sui­zid & inter­na­tio­na­le Eliten
„Meta­po­li­tik“
Fazit

Die Gra­zer Redak­ti­ons­adres­se ist gleich geblie­ben, Eigen­tü­mer sind hin­ge­gen nur noch drei der Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­bän­de (FAV): jene von Stei­er­mark, Salz­burg und Ober­ös­ter­reich – wir haben bereits einen Arti­kel zur gleich­ge­blie­be­nen Struk­turur hin­ter den Kulis­sen ver­öf­fent­licht. Das Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stands (DÖW) hat die­sen Jän­ner zu der ers­ten Aus­ga­be von „Frei­lich“ bereits einen aus­führ­li­chen Bei­trag ver­öf­fent­licht. Dar­in wer­den Struk­tu­ren und Per­so­na­lia, sowie die wei­ter bestehen­den Ver­flech­tun­gen mit dem Bur­schen­schaf­ter-Milieu und die unge­bro­che­ne Funk­ti­on des Blatts als FPÖ-Vor­feld­or­gan (auch wenn nun nicht mehr „frei­heit­lich“ am Heft­co­ver steht) dar­ge­stellt.  

Wir wid­men uns daher stär­ker den inhalt­li­chen Neue­run­gen des Hef­tes, bzw. der Fra­ge nach einer even­tu­el­len Neu­jus­tie­rung der Blatt­li­nie. Immer­hin wur­de im Mai sei­tens der Eigen­tü­mer eine umfas­sen­de – inhalt­li­che wie redak­tio­nel­le – Neu­auf­stel­lung ver­spro­chen. Der FAV-Stei­er­mark-Obmann Hein­rich Sickl, Gra­zer FPÖ-Gemein­de­rat und Geschäfts­füh­rer der neu gegrün­de­ten Frei­lich Medi­en Ges.m.b.H. ist, kün­dig­te „hoch­wer­ti­ge Jour­na­lis­ten“ an und stell­te sogar in Aus­sicht, auch Anders­den­ken­den eine Stim­me in der erneu­er­ten Zeit­schrift zu geben: „Wir wol­len nicht im eige­nen Saft schmo­ren”, hat es im Juni noch gehei­ßen. Was die­se Ankün­di­gun­gen gemeint haben, lässt sich nun nach­voll­zie­hen: Man öff­net sich „neu­rech­ten“ Inno­va­tio­nen, oder wie das DÖW in einem ers­ten Resü­mee schreibt: „Frei­lich“ zei­ge „sich in The­men­set­zung, Ästhe­tik, Rhe­to­rik und nicht zuletzt per­so­nell stär­ker ’neu­rechts’ inspi­riert“. Hier wol­len wir anknüp­fen. Aber der Rei­he nach.

Abgang und Neustart – zu den Voraussetzungen von „Freilich“

Im Juni 2018 war es mit den Ent­glei­sun­gen soweit gekom­men, dass Nor­bert Hofer sei­nen Par­tei-Freun­den via eines „Österreich“-Interviews mit­teil­te, dass jemand, der in „Aula“ publi­zie­re „die Chan­ce auf eine wei­te­re Kar­rie­re in der FPÖ ver­wirkt“ habe (sie­he Stan­dard oder Klei­ne Zei­tung). Dass FPÖ-Grö­ßen sich in Sachen Mäßi­gung der­ar­tig auto­ri­tär an den Par­tei-Unter­bau wen­den, pas­siert nicht oft und zeigt an, wie groß der Druck gewor­den war. (So groß dann übri­gens doch nicht, denn Vize­kanz­ler Stra­che hat das Schreib­ver­bot bald dar­auf schon wie­der rela­ti­viert und dabei nicht dar­auf ver­zich­tet, einen infa­men und rela­ti­vis­ti­schen Ver­gleich her­zu­stel­len: „Wenn ein frei­heit­li­cher Funk­tio­när beim Fal­ter schreibt, hat er auch kein Kar­rie­re­en­de.“ – sie­he Video­clip der Klei­nen Zeitung).

War­um also muss­te die tra­di­ti­ons­rei­che „Aula“ wei­chen? Das Fass zum über­lau­fen brach­te ein Arti­kel der Mai-Aus­ga­be 2018, in dem der Songcon­test-Teil­neh­mer Cesár Sampson als „ORF-Quo­ten­mohr“ bezeich­net wur­de. Prompt distan­zier­ten sich FPÖ-Poli­ti­ker von ihrem ideo­lo­gi­schen Flagg­schiff, und Gene­ral­se­kre­tär Vilims­ky ließ via Kro­nen­zei­tung ver­kün­den, Stra­che wol­le Cesár zur Ent­schul­di­gung auf Kaf­fee und Kuchen ein­la­den. Die ras­sis­ti­sche Dif­fa­mie­rung eines Publi­kums­lieb­lings ging offen­bar zu weit. Dass die­se Distan­zie­rung bes­ten­falls als schein­hei­lig und selek­tiv ein­zu­schät­zen ist, kann ein­drucks­voll anhand eines Arti­kels des DÖW über die publi­zis­ti­schen Umtrie­be der Aula im Jahr 2017 nach­voll­zo­gen wer­den. Dar­in wird die ziem­lich aktu­el­le rechts­extre­me Nor­ma­li­tät von „Aula“ mit zahl­rei­chen Zita­ten belegt:

So will etwa Wolf Bor­kin  „Men­schen ande­rer Ras­se“ nicht „im eige­nen Land haben“ (Jän­ner 2017, S. 19); Tho­mas Sei­fert fan­ta­siert davon, dass der „Glo­ba­lis­mus“ „ras­sisch gemisch­te Indi­vi­du­en zur Fol­ge“ habe (Febru­ar 2017, S. 44); „Völ­ker und Ras­sen“ dro­hen, Ger­hoch Rei­seg­ger zufol­ge, abge­schafft zu wer­den (ebd., S. 50); und Gus­taf Horn spricht sogar von „Mas­sen­mi­gra­ti­on und Bluts­ver­mi­schung“ als Instru­men­te des gehass­ten „Glo­ba­lis­mus“ (ebd., S. 59). Aber nicht nur die­sen offe­nen Ras­sis­mus (mit flie­ßen­den Über­gän­gen zu Ver­schwö­rungs­theo­rien), son­dern auch den wahr­lich aus­ufern­den Anti­se­mi­tis­mus von „Aula“ belegt das DÖW: Sieg­fried Bor­gelt fan­ta­siert von „zio­nis­ti­schen Netz­wer­ken“, die „deut­sche Schuld­kom­ple­xe“ instru­men­ta­li­sie­ren (Jän­ner 2017, S. 44); der katho­li­sche Fun­da­men­ta­list Ger­hoch Rei­seg­ger ver­mu­tet hin­ter dem Pro­tes­tan­tis­mus „die ‚Syn­ago­ge des Satans’ und deren Herl­fers­hel­fer, die frei­mau­re­ri­schen Logen“ (März 2017, S. 53); die rus­si­sche Okto­ber­re­vo­lu­ti­on sei, Lon­gin Men­do zufol­ge, „vom anglo­ame­ri­ka­ni­schen Estab­lish­ment als sozia­lis­ti­sches Expe­ri­ment gestar­tet“ und auch wie­der been­det wor­den (August 2017, S. 18); Tho­mas Sei­fert bestimmt den Autor Robert Men­as­se, der „auf sei­ne jüdi­sche Her­kunft stolz“ sei, gemäß des anti­se­mi­ti­schen Ste­reo­typs der Hei­mat- und Wur­zel­lo­sig­keit: „‚Intel­lek­tu­el­le’ wie ein Men­as­se leben natür­lich hier und da und nir­gend­wo wirk­lich, sie spü­ren kei­ne Ver­bun­den­heit zu einem Volk.“ (Mai/Juni 2017, S. 26) Auch über offe­ne NS-Sym­pa­thie kann man in den „Aula“-Ausgaben des Jah­res 2017 sto­ßen: Das DÖW zitiert etwa einen ehe­ma­li­gen deut­schen Bun­des­wehr­oberst (Mai/Juni 2017, S. 9–13), der von der „Mensch­lich­keit“ und „große[n] Rit­ter­lich­keit“ der Wehr­macht schwärmt. (1)

Distan­zie­run­gen von all­dem sei­tens der FPÖ gab es kei­ne, was nicht über­rascht, denn die folg­te auch schon beim Aller­schlimms­ten nicht: Im Som­mer 2015 ver­öf­fent­lich­te der Bur­schen­schaf­ter Fred Dus­wald einen Arti­kel mit dem Titel „Maut­hau­sen-Befrei­te als Mas­sen­mör­der“ in der „Aula“. Dar­in wer­den die aus dem KZ befrei­ten Men­schen als „Land­pla­ge“ und „Mas­sen­mör­der“ bezeich­net. Dass die „Aula“ soweit ging, einen Arti­kel abzu­dru­cken, in dem Sho­ah-Über­le­ben­de ver­höhnt und ver­ächt­lich gemacht wer­den, hat ein bis heu­te andau­ern­des gericht­li­ches Nach­spiel und war ein Skan­dal, der auch außer­halb von Öster­reich ver­nom­men wur­de (sie­he etwa taz). Auch wir haben dazu aus­führ­lich berich­tet: Febru­ar 2016, Juli 2016, Sep­tem­ber 2016, Febru­ar 2017 und zuletzt im Mai 2018.

Nor­bert Hofer „auf Du und Du” mit der Aula (Aula, Novem­ber 2016)

„Freilich“ präsentiert sich „diskursneugierig“       

„Frei­lich“ kommt auf den ers­ten Blick auf­trump­fend daher; groß­for­ma­tig, ins­ge­samt 100 Sei­ten (etwa ein Drit­tel mehr als „Aula“), sehr vie­le, teil­wei­se sei­ten­fül­len­de Bil­der (die das dazu­ge­won­nen Drit­tel ver­mut­lich gänz­lich aus­ma­chen). Man gönnt sich dies­mal, im Gegen­satz zur alt­ba­cke­nen Aula, sogar eine Online­prä­senz (2). Dort ver­spricht Eigen­tü­mer­ver­tre­ter Sickl „hoch­wer­ti­ge Inhal­te“ für alle, „egal wel­cher poli­ti­schen Cou­leur“, man sei „locker und dis­kurs­neu­gie­rig, sozu­sa­gen ent­spannt.“ Chef­re­dak­teur Ulrich Novak bleibt nicht beim „dir­s­kurs­neu­gie­ri­gen“ Froh­lo­cken, son­dern posi­tio­niert sich inhalt­lich schon etwas deut­li­cher – sozu­sa­gen völ­kisch: „Der kul­tu­rel­le Aspekt unse­rer The­men ver­weist auf die Gemein­sam­kei­ten unse­rer his­to­risch gewach­se­nen deutsch­spra­chi­gen Schick­sals­ge­mein­schaft, wobei wir auch in die Län­der schau­en wol­len, in denen das Volk wie­der sei­ne Stim­me erhebt und sich sei­ner Rech­te als Sou­ve­rän besinnt und die­se sich auch end­lich wie­der selbst­be­wusst nimmt.“ In dem Satz über­sieht man vor lau­ter Welt­of­fen­heit bei­na­he, dass Novak den Begriff „Schick­sals­ge­mein­schaft“ auf das „Volk“ anwen­det; die Ver­bin­dung von „Schick­sal“ und „Volk“ war ein wich­ti­ger Bestand­teil der NS-Kriegs­pro­pa­gan­da und ist ein zen­tra­les Ele­ment völ­ki­scher Welt­an­schau­ung.    

Bereits in der Online-Selbst­dar­stel­lung klingt also an, dass der kos­me­ti­schen Rund­erneue­rung kei­ne inhalt­li­che gegen­über­steht. Hier kann man tat­säch­lich ledig­lich von einer Ober­flä­chen­po­li­tur spre­chen, oder wie das DÖW for­mu­liert: „Frei­lich“ prä­sen­tie­re sich „sti­lis­tisch und inhalt­lich zurück­hal­ten­der als sein – teil­wei­se die Gren­ze zum Neo­na­zis­mus berüh­ren­der – Vorgänger.“

Freilich-Magazin Website

Frei­lich-Maga­zin Website

Obwohl „Frei­lich“ im Ton zurück­hal­ten­der ist, blei­ben die Feind­bil­der völ­lig unver­än­dert: Es geht gegen Libe­ra­lis­mus, „Glo­ba­lis­mus“ und inter­na­tio­na­le Eli­ten, gegen „Mas­sen­mi­gra­ti­on“ und einen durch­ge­hend als links ima­gi­nier­ten Medi­en­main­stream. 

„Neue Rechte“ – neuer Ton, neue Personen, alte Inhalte  

Wie bereits erwähnt: Mit dem Relaunch posi­tio­niert sich das ehe­ma­li­ge Flagg­schiff der extre­men Rech­ten (inhalt­lich sowie per­so­nell) stär­ker „neu­rechts“ als zuvor. Ob die­ser Trend ein lang­fris­ti­ger ist, lässt sich zwar noch nicht sagen, aber die Ent­wick­lung kommt nicht aus hei­te­rem Him­mel: So gibt es eine inzwi­schen regel­mä­ßig statt­fin­den­de Koope­ra­ti­on des FAV Stei­er­mark mit dem „neu­rech­ten“ deut­schen Insti­tut für Staats­po­li­tik (IfS) (3) – die „Herbst­aka­de­mie“ im stei­ri­schen Sem­riach. Das IfS ist ein wich­ti­ger Bau­stein im Netz­werk der bun­des­deut­schen „Neu­en Rech­ten“ und zen­tral für deren Ent­wick­lung seit der Jahr­tau­send­wen­de (vgl. Salz­born 2017, S. 45–52). Die pro­mi­nen­tes­te Figur in dem Netz­werk heißt Götz Kubit­schek. Wir haben über die­se Zusam­men­hän­ge bereits bezüg­lich der Tätig­keit von Vize­kanz­ler Stra­ches Pres­se­spre­cher, Kon­rad Weiß, berich­tet (stoppt­die­rech­ten, Novem­ber 2018). Die­ser schreibt immer wie­der für die Zeit­schrift „Sezes­si­on“ (die sozu­sa­gen der publi­zis­ti­sche Arm des IfS ist) und woll­te bei der letz­ten „Herbst­aka­de­mie“ als Refe­rent auf­tre­ten, hat dann aber doch abge­sagt. 

Zurück zu „Frei­lich“ (4). Vier Akti­vis­ten aus dem „neu­rech­ten“ Spek­trum um das IfS schrei­ben in die­ser Erst­aus­ga­be. Nur deren Bei­trä­ge wol­len wir uns genau­er anse­hen. 

Freilich – Teil des Inhaltsverzeichnisses (Dez. 18)

Frei­lich – Teil des Inhalts­ver­zeich­nis­ses (Dez. 18)

Zweimal Chemnitz

Arndt Novak, ein jun­ger IB-Kader und Bur­schen­schaf­ter bei Danu­bia Mün­chen (sie­he DÖW), hat bereits für das rela­tiv neue, iden­ti­tä­re Medi­en­pro­jekt „anbruch.info“ geschrie­ben. Dort plä­diert er gegen „mul­ti­eth­ni­sche Gesell­schaf­ten“, wel­che „staat­li­che Sou­ve­rä­ni­tät und sozia­le Sta­bi­li­tät“ gefähr­den wür­den, und für die „kon­se­quen­te Fort­füh­rung der neu­rech­ten, kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­ren Denk­tra­di­ti­on“ (5). In „Frei­lich“ schreibt er über Chem­nitz, das inzwi­schen zur Chif­fre des iden­ti­tä­ren Kul­tur­kampfs gewor­den ist: Hier kul­mi­nie­ren die belieb­ten rech­ten Nar­ra­ti­ve von der „Lügen­pres­se“ und einem angeb­li­chen „Täter­schutz“. Novak benutzt die Ereig­nis­se in Chem­nitz, wie bereits vie­le IB-Kader vor ihm, um eine Front­li­nie zu kon­stru­ie­ren: Eli­te, Medi­en und Frem­de vs. Volk.  Novak schreibt vom „Tief­punkt der Pres­se­frei­heit“ und einer „nie dage­we­se­nen Medi­en­kam­pa­gne“ (S. 33). Er ver­sucht sich in so etwas wie völ­ki­scher Selbst­iro­nie, wenn er von der „Ver­schmel­zung öko­no­mi­scher und poli­ti­scher Inter­es­sen zuun­guns­ten der – hor­ri­bi­le dic­tu – ‚bio-deut­schen Urbe­völ­ke­rung’“ (S. 35) schreibt.

Die Tabui­sie­rung von „Migran­ten­ge­walt“ sei ursäch­lich für ein „Kli­ma der Unfrei­heit und der Repres­si­on“ (ebd.). Novaks Feind­be­stim­mung lau­tet „west­li­che Ideo­lo­gie“. Er fan­ta­siert von „[i]dentitätspolitische[n] Eingriffe[n] in die Bevöl­ke­rungs­zu­sam­men­set­zung, die Geschlech­ter­rol­len und das Fami­li­en­bild“ (S. 39). Immer wie­der geht die Schlei­fe zurück zu dem Mord, bis zum pathe­ti­schen Ende: Die „Blu­men und Ker­zen auf Deutsch­lands Stra­ßen“ sei­en „die stil­le Ankla­ge eines ver­ges­se­nen Vol­kes“ (ebd.). Das bekann­te Kal­kül hin­ter der Erzäh­lung: Mor­de und Ein­wan­de­rung sol­len in eine direk­te Ver­bin­dung gesetzt wer­den (der Mord wird dem unge­wünsch­ten Kol­lek­tiv zuge­schrie­ben und nicht ein­zel­nen Tätern), und zwar vor dem Hin­ter­grund, dass die „Mas­sen­ein­wan­de­rung“ ein gezielt gesteu­er­tes Eli­ten­pro­jekt gegen das Volk sei und die offe­ne media­le Debat­te dar­über (auf­grund öko­no­mi­scher und poli­ti­scher Inter­es­sen) ver­hin­dert wer­de. 

Ganz ähn­li­che Töne schlägt Felix Men­zel an, der von Arndt Novak für „Frei­lich“ inter­viewt wird. Men­zel ist Grün­der und Her­aus­ge­ber der „Blau­en Nar­zis­se“, einer haupt­säch­lich online agie­ren­den Jugend­zeit­schrift, die als „Vor­feld­in­sti­tu­ti­on“ fun­giert, um „neu­rech­te Welt­an­schau­ung in nied­rig­schwel­li­ger Wei­se“ (Salz­born 2017, S. 49) an ein jun­ges Publi­kum zu ver­mit­teln. Außer­dem ist er Autor bei der „Sezes­si­on“ und eine Schlüs­sel­fi­gur der Inden­ti­tä­ren Bewe­gung in Deutsch­land . Auch Men­zel bedient das Nar­ra­tiv „Eli­te vs. Volk“ und for­mu­liert das kli­schee­haft und poin­tiert: „Der eigent­li­che Riss in Deutsch­land ver­läuft zwi­schen Patrio­ten und Deutsch­land­ab­schaf­fern, zwi­schen Rea­lis­ten und Gut­men­schen sowie zwi­schen einer glo­ba­lis­ti­schen Eli­te und boden­stän­di­gen Men­schen aus dem Volk.“ (S. 41)

Aus dem Feind­bild „glo­ba­lis­ti­sche Eli­te“ wird das Furcht­bild eines gesell­schaft­li­chen Zer­falls abge­lei­tet: Zuge­spitzt in dem Sze­na­rio einer „Anpas­sung des Nor­dens an den armen Süden durch Über­be­völ­ke­rung, Mas­sen­mi­gra­ti­on und viel­leicht auch einen dar­aus resul­tie­ren­den Welt­bür­ger­krieg“ (S. 43). Ganz nach Carl Schmitt, dem Nazi-Juris­ten und Vor­den­ker des NS, klingt es wenn Men­zel sagt: „Einig­keit setzt ein Min­dest­maß an Homo­ge­ni­tät vor­aus. […] Die Mul­ti­kul­ti-Gesell­schaft dage­gen för­dert letzt­end­lich eine unauf­halt­sa­me Frag­men­tie­rung.“ (S. 45). Mit der Front­stel­lung „Homo­ge­ni­tät“ vs. „Frag­men­tie­rung“ (ein net­te­res Wort für „Zer­set­zung“) knüpft Men­zel an den völ­ki­schen Intel­lek­tu­el­len-Jar­gon der soge­nann­ten „kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on“ an, also an  die Wei­ma­rer Vor­den­ker des NS.

Verfolgungswahn & Kriegsrhetorik 

Der wich­tigs­te und bekann­tes­te „neu­rech­te“ Akti­vist, der in „Frei­lich“ zu Wort kommt, ist Götz Kubit­schek: Mit­be­grün­der des IfS, Geschäfts­füh­rer des rechts­extre­men Ver­lags Antai­os und Chef­re­dak­teur der „Sezes­si­on“. In sei­nem „Freilich“-Beitrag attes­tiert Kubit­schek der „Zivil­ge­sell­schaft“ (womit er offen­sicht­lich sei­ne Kri­ti­ke­rIn­nen, bzw. Anti­fa­schis­tIn­nen im All­ge­mei­nen meint) ein „patho­lo­gi­sches Ver­hal­ten“ (S. 48), zu des­sen Sym­pto­men „ein mis­sio­na­ri­scher Drang zur tota­len geis­ti­gen Hygie­ne“ (ebd.) gehö­re. Die Patho­lo­gi­sie­rung von Kri­ti­ke­rIn­nen ist seit jeher ein belieb­tes Mit­tel rechts­extre­mer Dem­ago­gie. Kubit­schek weiß das im pole­mi­schen Ton eines intel­lek­tu­el­len Essay­is­ten zu rau­nen, aber das ändert nichts an der Tat­sa­che: Er erklärt sei­ne Geg­ne­rIn­nen pau­schal als krank. Dazu sei der zivil­ge­sell­schaft­li­che „Mora­lis­mus“ ein „Total­an­griff auf die Mün­dig­keit“ des Bür­gers. „Die ‚Zivil­ge­sell­schaft‘ […] ist ins­ge­samt mora­lis­tisch infi­ziert.“ (ebd.)

Kubit­schek bleibt aber nicht beim Patho­lo­gi­sie­ren von Kri­tik, son­dern über­setzt das gan­ze The­ma (ohne ver­ständ­li­chen Über­gang) in die Ter­mi­no­lo­gie des Krie­ges. Wenig über­ra­schend bezieht er sich dazu (neben Peter Slo­ter­di­jk) auf Carl Schmitt und schreibt in des­sen mili­ta­ris­ti­scher Freun­d/­Feind-Rhe­to­rik: „Wenn der nie­der­ge­run­ge­ne Geg­ner kein besieg­ter Geg­ner mehr ist, son­dern auf­grund eines mora­lis­ti­schen und damit dis­kri­mi­nie­ren­den Kriegs­be­griffs der zwar mili­tä­risch Besieg­te, aber noch immer böse Feind, endet der Krieg erst, wenn die Umer­zie­hung die­ses Fein­des weg von sei­ner bösen Ver­gan­gen­heit und sei­nem ver­werf­li­chen Lebens­ge­setz voll­zo­gen ist.“ (S. 51) Inter­es­sant an die­ser mar­tia­li­schen Wen­de in Kubit­scheks Text ist mit­un­ter, dass er sich damit selbst in eine Tra­di­ti­ons­li­nie setzt, in der das, was er ver­tritt bereits mili­tä­risch besiegt wur­de. Ist das ein offe­nes Ein­ge­ständ­nis der NS-Kon­ti­nui­tät sei­nes Lagers? 

Vor dem Hin­ter­grund die­ses Kriegs­be­griffs sieht Kubit­schek jeden­falls die „Säu­be­rungs­ak­ti­on […] einer mora­lisch geimpf­ten (oder infi­zier­ten) Welt­in­nen­raum­po­li­zei“ (ebd.) am Werk. Schwin­del­erre­gend absurd wird die Kriegs­rhe­to­rik, wenn er eine Ana­lo­gie zur geziel­ten Tötung von Osa­ma Bin Laden her­stellt (wobei er wie­der Slo­ter­di­jk zitiert – S. 51). Als müss­ten rechts­extre­me Möch­te­gern­re­bel­len in Deutsch­land fürch­ten, Opfer von staat­li­chen Mord­ak­tio­nen zu wer­den.  

Kubit­schek ima­gi­niert sei­ne Kri­ti­ke­rIn­nen als Ver­fol­ger, als „Jäger“ und als „mora­lis­ti­sche Trei­ber“, die mit „subtile[n] For­men sozia­ler Hin­rich­tung“ (ebd.) ope­rie­ren. Den Höhe­punkt errei­chen die­se Pro­jek­tio­nen wenn er zum letz­ten Mal Slo­ter­di­jk zitiert, und zwar mit dem Satz: „Wer ver­ste­hen möch­te, war­um im 20. Jahr­hun­dert der poli­ti­sche Mora­lis­mus mehr Opfer for­der­te als der poli­ti­sche Bio­lo­gis­mus, soll­te auf das gute Böse ach­ten, das sei­nen Agen­ten die Pflicht zur Aus­lö­schung des Fein­des ein­flüs­tert.“ (Slo­ter­di­jk zitiert nach Kubit­schek, S. 51)  

Die­ses „gute Böse“ bleibt in Kubit­scheks Text weit­ge­hend unbe­stimmt: Mal wird ange­deu­tet, es sei die Zivil­ge­sell­schaft, mal wird sug­ge­riert es sei­en die Eli­ten oder der media­le Main­stream. Die Art, wie er das Zitat ein­setzt, macht aber jeden­falls klar, dass es sich dabei um etwas han­deln muss, das mehr Opfer gefor­dert hat, als der „poli­ti­sche Bio­lo­gis­mus“, des­sen extrems­te Aus­for­mung bekann­ter­wei­se der NS war. Kurz­um: Er rückt die Beweg­grün­de sei­ner Kri­ti­ke­rIn­nen in die Nähe einer men­schen­ver­ach­ten­den Ideo­lo­gie. Er zieht den Ver­gleich nicht direkt, son­dern lässt ihn aus der Kon­struk­ti­on sei­nes Tex­tes bzw. der Plat­zie­rung sei­ner Zita­te her­vor­tre­ten. Aber die Mes­sa­ge ist ein­deu­tig: Wir wer­den gejagt und „ver­nich­tet“ von einer Mehr­heit, die „infi­ziert“ ist von einer Ideo­lo­gie, die mehr Men­schen getö­tet hat als der Natio­nal­so­zia­lis­mus. 

Um im medi­zi­nisch-bio­lo­gis­ti­schen Jar­gon zu blei­ben: Kubit­schek ver­ab­reicht sich und den Sei­nen mit die­sem Text eine gro­ße Dosis Immu­ni­sie­rung gegen jede Kri­tik. Denn die Tat­sa­che, dass völ­ki­sche und rechts­extre­me Posi­tio­nen aus poli­ti­schen Debat­ten weit­ge­hend aus­ge­schlos­sen wer­den, ist nicht schwe­rer zu erklä­ren, als etwa die Tat­sa­che, dass zu Meteo­ro­lo­gie-Kon­gres­sen kei­ne Leu­te ein­ge­la­den wer­den, die von der Exis­tenz von Chem­trails phan­ta­sie­ren. Dies bedeu­tet aber bekannt­lich nicht, dass Ver­tre­te­rIn­nen sol­cher Ver­schwö­rungs­theo­rien „gejagt“ und „sub­til hin­ge­rich­tet” wer­den.   

Kubit­schek fasst in Theo­rie-Begrif­fe, was sich durch die gesam­te Aus­ga­be von „Frei­lich“ zieht: Die Selbst­in­sze­nie­rung als poli­tisch Verfolgte.

Volkssuizid & internationale Eliten 

Mar­tin Licht­mesz (eigent­lich Mar­tin Sem­lit­sch mit rich­ti­gem Namen) – Wie­ner Inden­ti­tä­ren-Ideo­lo­ge, Haupt­au­tor der „Sezes­si­on“ und Buch­au­tor bei Kubit­scheks rechts­extre­mem Antai­os-Ver­lag – hält auf Sei­te 99 das Schluss­wort. Es geht gegen den viel­ge­schol­te­nen UN-Pakt. Titel: „Wor­über man nicht spre­chen soll, dar­über darf man nicht schwei­gen.“ Womit sich schon die Hal­lu­zi­na­ti­on eines Tabus ankün­digt, das man angeb­lich bricht, obwohl das The­ma von rech­ter Sei­te medi­al lan­ciert wur­de und anschlie­ßend eine öffent­li­che Debat­te dar­über statt­fand. Licht­mesz schreibt, es hand­le sich bei dem Pakt um „eine offe­ne Agen­da inter­na­tio­na­ler Eli­ten“, die „über das Schick­sal gan­zer Völ­ker und Kon­ti­nen­te ent­schei­den“ wol­len. Es sei ein „Sui­zid­pakt“; aber zum Glück hät­te sich dar­an ein­mal mehr „die Macht alter­na­ti­ver, unab­hän­gi­ger Medi­en und Netz­wer­ke erwie­sen“ – die­se „Gegen­öf­fent­lich­keit“ müs­se wei­ter aus­ge­baut wer­den, bis „die Armin Wolfs und Georg Rest­les epi­lep­ti­sche Anfäl­le bekom­men“. 

Was die­se Bei­trä­ge eint ist eine drei­fa­che Selbst­in­sze­nie­rung: Als Rebell (wenn es um über­mäch­ti­ge Eli­ten geht), als Opfer (wenn es um Kri­ti­ker und Abgren­zung von Rechts­extre­mis­mus geht) und als Ret­ter des Abend­lan­des (wenn es die belieb­ten Unter­gangs­phan­ta­sien geht). Die­se Moti­ve zie­hen sich wie blaue Fäden durch die gan­ze Aus­ga­be von „Frei­lich“ und sind zugleich wesent­li­che Momen­te von „meta­po­li­ti­schen“ Dis­kurs­stra­te­gien der „Neu­en Rechten“.

„Metapolitik“

Samu­el Salz­born, der ein Buch über die bun­des­deut­sche „Neue Rech­te“ geschrie­ben hat, bezeich­net es als wesent­li­ches Moment von „Stra­te­gien rech­ter Hege­mo­nie­ge­win­nung […], die öffent­li­che Sag­bar­keits­gren­ze zu ver­schie­ben“. (2017, S. 12) Das Para­do­xe an der Aula-Wie­der­ge­burt „Frei­lich“ ist hin­ge­gen, dass hier das Anknüp­fen an „neu­rech­te“ Stra­te­gien offen­bar das Gegen­teil bewir­ken soll: Man möch­te zurück­ru­dern, weil die „Aula“ die­se Sag­bar­keits­gren­ze mehr­fach all­zu deut­lich über­schrit­ten hat. Wie passt das zusammen?

Salz­born zufol­ge lässt sich die Ziel­set­zung der „Neu­en Rech­ten“ unter „zwei Schlag­wor­ten zusam­men­fas­sen: die Intel­lek­tua­li­sie­rung des Rechts­extre­mis­mus durch die For­mie­rung einer intel­lek­tu­el­len Meta­po­li­tik und die Errin­gung einer (rech­ten) ‚kul­tu­rel­len Hege­mo­nie’“ (2018, S. 75). Der Begriff „Meta­po­li­tik“ geht auf Alain de Benoist zurück, einen Vor­den­ker der fran­zö­si­schen Rech­ten (nou­vel­le droi­te), der es wie­der­um der Hege­mo­nie­theo­rie des ita­lie­ni­schen Phi­lo­so­phen Anto­nio Gramsci ent­nom­men hat. Das Kon­zept bezeich­net die geziel­te Ein­fluss­nah­me auf den vor­po­li­ti­schen, zivil­ge­sell­schaft­li­chen Raum: Die „poli­ti­sche Soft­ware“ (vgl. Goetz 2017, S. 104), also die oft dif­fu­sen aber gesell­schaft­lich wirk­mäch­ti­gen und mobi­li­sie­rungs­fä­hi­gen Ideen davon, was etwa Gemein­schaft, Iden­ti­tät, Frei­heit, „Volk“, etc. bedeuten.

„Meta­po­li­tik“ bezeich­net also den Kampf um das kul­tu­rel­le Vor­feld von (exe­ku­ti­ver, legis­la­ti­ver und judi­ka­ti­ver) Poli­tik. Die geziel­te Ein­wir­kung auf den gesell­schaft­li­chen Main­stream soll die­sen eben „nicht in Detail­fra­gen […] ver­än­dern, son­dern […] grund­le­gen­de Denk­rich­tun­gen einer Gesell­schaft […] prä­gen und […] bestim­men, um so den Bereich der (poli­ti­schen) Kul­tur zu beset­zen“ (Salz­born 2018, S. 76). Auf einer intel­lek­tu­el­len Ebe­ne soll dem­entspre­chend rechts­extre­mes Gedan­ken­gut anschluss­fä­hig an feuil­le­to­nis­ti­sche und uni­ver­si­tä­re Dis­kur­se wer­den. Dabei wird die geis­tes- und ideen­ge­schicht­li­che Fun­die­rung durch den Bezug auf die „kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on“ besorgt: Die völ­ki­sche Rebel­li­on von Intel­lek­tu­el­len wie Carl Schmitt oder Ernst Jün­ger gegen die jun­ge Wei­ma­rer Repu­blik vor dem NS. 

Das Kon­zept der „Meta­po­li­tik“ ist inzwi­schen zu einem all­ge­gen­wär­ti­gen Begriffs­fe­tisch bei „neu­rech­ten“ und iden­ti­tä­ren Akti­vis­ten gewor­den. Als Bei­spie­le für „meta­po­li­ti­sche Erfol­ge“ der Rechts­extre­men um Kubit­schek gel­ten nicht nur gelun­ge­ne Pro­vo­ka­tio­nen (etwa bei der Frank­fur­ter Buch­mes­se), son­dern bei­spiels­wei­se auch medi­en­wirk­sa­me Ver­mitt­lun­gen „neu­rech­ter“ Inhal­te durch Per­sön­lich­kei­ten außer­halb der Sze­ne. Als aktu­el­les Bei­spiel kann der Autor Uwe Tell­kamp gel­ten, der einen offe­nen Brief gegen den „Mora­lis­mus“ im Kunst- und Kul­tur­be­trieb in Kubit­scheks „Sezes­si­on“ ver­öf­fent­licht hat und der Zeit­schrift damit wei­te­res Medi­en­echo besorgt hat (sie­he etwa Die Zeit). Das Ziel ist stets die Ver­schie­bung und Auf­wei­chung der Gren­zen in Rich­tung Main­stream. Dies gilt auch für die „neu­rech­te“ und iden­ti­tä­re Beset­zung der Ereig­nis­se in Chem­nitz. Hier bot sich die Mög­lich­keit, rechts­extre­me Denk­mus­ter nah an den Main­stream zu brin­gen: Das hoch­gra­dig emo­tio­na­li­sier­te The­ma wur­de sofor­tig beschlag­nahmt und in das rechts­extre­me Nar­ra­tiv über­setzt: Frem­de, Medi­en und Eli­te vs. Das Volk. 

„Meta­po­li­tik“ meint sowohl den rech­ten „Kul­tur­kampf“ um Deu­tungs­ho­heit und The­men­set­zung, als auch die Re-Intel­lek­tua­li­sie­rung der rechts­extre­mer Welt­an­schau­ung. Die Stra­te­gie kann aber nicht funk­tio­nie­ren, wenn die Gren­zen zu früh und all­zu ein­deu­tig über­schrit­ten wer­den. Daher der iden­ti­tä­re und „neu­rech­te“ Eier­tanz: Man spricht nicht über „Ras­se“, son­dern über Iden­ti­tät; man ist nicht deutsch­na­tio­nal, son­dern eth­no­plu­ra­lis­tisch aus­ge­rich­tet; man redet nicht offen von der „zio­nis­ti­schen Welt­ver­schwö­rung“, son­dern belässt es vor­erst bei „glo­ba­lis­ti­schen Eli­ten“, etc. 

Die alte „Aula“ – und damit kom­men wir zurück zur oben gestell­ten Fra­ge zurück – war wohl ein­fach zu offen rechts­extrem, um mit ihr „Meta­po­li­tik“ zu betrei­ben.  

Den­noch: Der Glut­kern der „Neu­en Rech­ten“ ist die Volks­ge­mein­schafts­ideo­lo­gie, deren iden­ti­täts­po­li­ti­sche Agen­da zwar nicht mehr offen ras­sis­tisch, sehr wohl aber eth­nisch argu­men­tiert wer­den muss. Die kate­go­ria­le eth­ni­sche Tren­nung basiert stets „auf einem homo­ge­ni­sie­ren­den und sozio­bio­lo­gi­schen Dif­fe­renz­den­ken, in dem […] Men­schen nur in ihrer eth­nisch-kul­tu­rel­len Iden­ti­tät – und nicht in ihrer Sub­jek­ti­vi­tät – gedacht wer­den“ (Salz­born 2018, S. 78). In die­ser Welt­an­schau­ung tre­ten Indi­vi­du­en struk­tu­rell hin­ter Kol­lek­ti­ve zurück: Dar­aus folgt der rechts­extre­me Anti­li­be­ra­lis­mus, der grund­sätz­lich nicht mit einer Demo­kra­tie – ver­stan­den als Rechts­staat, der vom Indi­vi­du­um als Trä­ger von Rech­ten aus­geht – ver­ein­bar ist. Die rechts­extre­me Beset­zung von Demo­kra­tie läuft in Wahr­heit stets auf eine völ­ki­sche Dik­ta­tur hin­aus, und da bil­det die „Neue Rech­te“ kei­ne Aus­nah­me.   

Fazit

„Frei­lich“ schal­tet im Ver­gleich zur „Aula“ nicht nur einen Gang zurück, son­dern unter­nimmt eine inhalt­li­che und per­so­nel­le Neu­jus­tie­rung in Rich­tung „neue“ und iden­ti­tä­re Rech­te. Die neu­rech­te Ver­su­chung ist ver­ständ­lich: Der iden­ti­tä­re Jar­gon erlaubt es, inhalt­li­che Kon­ti­nui­tät zur alten „Aula“ zu bewah­ren, ohne stän­dig in den Grenz­be­reich zum offe­nen Neo­na­zis­mus zu rut­schen. Es geht offen­bar wei­ter­hin dar­um zen­tra­le Moti­ve des frei­heit­li­chen Nar­ra­ti­ves intel­lek­tu­ell zu grun­die­ren und ideo­lo­gisch zu fes­ti­gen. Den­noch lässt die­se ers­te Aus­ga­be ver­mu­ten, dass man den Echo­raum frei­heit­li­cher und kor­po­rier­ter Selbst­be­spie­ge­lung ein Stück weit erwei­tern möch­te, und sich für „neu­rech­te“ und iden­ti­tä­re Inno­va­tio­nen auch in Zukunft offen zei­gen wird. 

Die Poin­te: Wäh­rend die FPÖ sich vor einem hal­ben Jahr von den Ent­glei­sun­gen der „Aula“ abgren­zen muss­te, muss Stra­che sich inzwi­schen von den Iden­ti­tä­ren abgren­zen, deren Hel­den nun in der Aula-Wie­der­ge­burt ihr Unwe­sen trei­ben. Auch die­ses Mus­ter ken­nen wir von der FPÖ: Oben wird abge­putzt und abge­grenzt, wäh­rend in den unte­ren Rei­hen flei­ßig an den flie­ßen­den Über­gän­gen von frei­heit­lich zu bräun­lich, von Bur­schi zu IB-Kader, genetz­werkt wird.

Fuß­no­ten

1 Alle Zita­te aus der Aula 2017 stam­men von dem DÖW-Bei­trag: „Die Aula 2017: Gegen „Ost­küs­te“, „Bluts­ver­mi­schung“ und „para­si­tä­res Groß­ka­pi­tal“. Online hier, bzw. hier als pdf
2 Home­page von „Frei­lich“, zuletzt ein­ge­se­hen am 04.02.2019
3 Das Insti­tut für Staats­po­li­tik ist ein rechts­extre­mer Thinktank und hat mit einer Uni­ver­si­tät nichts zu tun, „Insti­tut“ ist ledig­lich kein geschütz­ter Begriff. Dem Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Samu­el Salz­born zufol­ge ver­weist die Ver­wen­dung des Begriffs durch das IfS auf eine „neu­rech­te Mimi­kry-Stra­te­gie“ (2017, 46), wobei es um das Vor­täu­schen von uni­ver­si­tä­rem Niveau geht.
4 Alle Zita­te stam­men von „Frei­lich. Das Maga­zin für Selbst­den­ker“. Aus­ga­be No. 1/2018, Dez. 2018.
5 Web­site „anbruch.info“, zuletzt ein­ge­se­hen am 04.02.2019

Lite­ra­tur

Goetz, Judith (2017): „…in die media­le Debat­te ein­drin­gen“ – ‚Iden­ti­tä­re’ Selbst­in­sze­nie­run­gen und ihre Rezep­ti­on durch öster­rei­chi­sche Medi­en. In: Goetz/Sedlacek/Winkler (Hg.): Unter­gangs­ter des Abend­lan­des. Ideo­lo­gie und Rezep­ti­on der rechts­extre­men ‚Iden­ti­tä­ren’. Ham­burg: Mar­ta Press, S. 91–112
Salz­born, Samu­el (2017): Angriff der Anti­de­mo­kra­ten. Die völ­ki­sche Rebel­li­on der Neu­en Rech­ten.  Wein­heim Basel: Beltz Juventa
Salz­born, Samu­el (2018): Rechts­extre­mis­mus. Erschei­nungs­for­men und Erklä­rungs­an­sät­ze. 3. Auf­la­ge. Baden Baden: Nomos