Kilb-St. Pölten: Nazi-Nachrichten, Nazi-Devotionalien und Kriegsmaterial
Wien: Hakenkreuz als vermeintliches Fruchtbarkeitssymbol
Kilb-St. Pölten: Nazi-Nachrichten, Nazi-Devotionalien und Kriegsmaterial
Die Verhandlung am St. Pöltner Landesgericht begann gleich mit einem technischen Problem: Die Aufnahmetechnik funktionierte nicht. Daher behalf sich das Gericht mit einem Diktiergerät. Der Staatsanwalt verzichtete dennoch darauf, die Anklage vorzutragen und verwies auf die 38 Seiten umfassende Anklageschrift – ein sehr ungewöhnlicher Vorgang in einem Prozess, bei dem mit acht Geschworenen juristische Lai*innen über Schuld und Unschuld zu entscheiden haben. Der Staatsanwalt gab sich auch im weiteren Verlauf des Prozesses wortkarg und erhob erst zum Schluss das Wort.
Der 32-jährige Angeklagte Peter K. hatte sich nach dem Verbots- und Waffengesetz vor dem Gericht zu verantworten. Die Vorwürfe waren durchaus heftig: 22 braune Chatnachrichten an einen Bekannten, mit dem K. als Metallsucher unterwegs war. Der Kollege trat diesmal als Zeuge auf – Prozess inklusive Verurteilung (24 Monate) hat er bereits hinter sich. Dazu kam eine beachtliche Sammlung von NS-Devotionalien, darunter ein Jutesack mit Hakenkreuz, eine NS-Armbinde, Gürtelschnallen, Bilder, Briefmarken, Fotobücher, Zeichnungen, Fahnen, Uniform, Stahlhelme, Schwerter und Dolche. Die NS-Symbole waren großteils abgeklebt. Und dann wurde bei der Hausdurchsuchung auch noch Kriegsmaterial sichergestellt: ein Gewehrgranatgerät und drei Gewehrläufe.
Verteidiger und Angeklagter äußerten sich nach bekanntem Muster: K. habe mit der Nazi-Ideologie nichts am Hut, die verschickten Chatnachrichten seien nur Spaß gewesen, und überhaupt habe er nicht gewusst, dass Nachrichten dieser Art verboten seien. Angesprochen auf die Devotionalien bekam das Gericht zu hören, dass sein geschichtliches Interesse von seinem Opa stamme, der ihn beeinflusst habe.
Waffen und Devotionalien waren in einem eigenen Raum im Obergeschoß des Hauses drapiert. Zufällig waren Zimmer und Waffenschrank bei der Hausdurchsuchung geöffnet. Er habe just an dem Tag verpennt und vergessen zuzusperren, war die Erklärung. Das Gewehrgranatgerät habe er aus einem privaten Museum in Deutschland gekauft, auch da sei ihm nicht klar gewesen, dass das in Österreich verboten ist.
Zusammengefasst: Viel angebliches Unwissen traf auf Sammelleidenschaft und Lust am Spaß. Dementsprechend fiel auch das Schlusswort des Verteidigers aus: Der Angeklagte sei einfach ein Mensch, der seinem Hobby nachgegangen war.
Die Geschworenen sahen das bezüglich der NS-Devotionalien offenbar ähnlich und stimmten mehrheitlich für einen Freispruch. Für die Chatnachrichten und das Kriegsmaterial setzte es allerdings einen bereits rechtskräftigen Schuldspruch mit 18 Monaten bedingter Haft. Die NS-Devotionalien darf der nun wegen Wiederbetätigung verurteilte K. behalten – eine Absurdität, die im Zuge der anstehenden Novellierung des Verbotsgesetzes beseitigt werden soll.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Hakenkreuz als vermeintliches Fruchtbarkeitssymbol
Am Landesgericht Wien musste sich der 51-jährige Markus P. am 20.6. dem Tatverdacht stellen, gegen das Verbotsgesetz § 3g verstoßen zu haben. Über einen Zeitraum von fast drei Jahren hatte er mehr als dreißig Text-Bild-Nachrichten und Videos mit nationalsozialistischen Inhalten per WhatsApp verschickt. Im Ermittlungsverfahren wurde auch noch weiteres Bildmaterial sichergestellt, allerdings konnte nicht nachgewiesen werden, ob er das auch verschickt hatte. Dazu kamen auch rassistische Nachrichten, der Tatbestand der Verhetzung war dennoch nicht erfüllt.
P. gab an, nicht gewusst zu haben, welche Konsequenzen es habe, Nachrichten mit nationalsozialistischen Inhalten zu verschicken. Darüber hinaus hätten keine der Empfänger der Nazi-Nachrichten deponiert, die nicht haben zu wollen. Er selbst bewege sich nicht in nationalsozialistischen Kreisen und auch niemand aus seinem Freundeskreis fände die NS-Zeit gut. Er sei auch nicht fremdenfeindlich, denn schließlich habe er eine Freundin in der Slowakei, und er sei schon ein halbes Jahr im Kosovo gewesen.
Jene Nachrichten, die er während seiner Aufenthalte in der Slowakei, also vor allem an den Wochenenden und Feiertagen verschickt haben soll, waren nicht Teil der Verhandlung, da der Tatort nicht Österreich war. Immerhin wusste P., „dass in der Slowakei gewisse Sachen nicht verboten“ seien. Ansonsten habe er sich „wenig bis nichts“ dabei gedacht, als er die Bilder versandte. Ohne sich „größere Gedanken“ zu machen, verbreitete er beispielsweise ein Video, auf dem ein Kind zu sehen ist, das mit Legosteinen das KZ Auschwitz nachbaut oder ein Bild, auf dem ein Adler mit Hakenkreuz in seinen Fängen, das Symbol der Luftwache der Wehrmacht, abgebildet ist. Vielleicht rührt das auch daher, dass für P. das Hakenkreuz ein Fruchtbarkeitssymbol darstelle – womit er originellerweise einer Deutung der Swastika folgte, die im NS propagiert wurde.
Der Angeklagte wurde einstimmig schuldig gesprochen und zu zwei Jahren bedingter Haft mit einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!