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Rückblick KW 25/23 (I): Prozesse

In St. Pöl­ten wur­de ein 32-Jäh­ri­­ger ver­ur­teilt, weil er brau­ne Chat­nach­rich­ten ver­schickt und Kriegs­ma­te­ri­al beses­sen hat. Eben­falls auf­ge­fun­de­ne NS-Devo­­tio­na­­li­en darf er aller­dings behal­ten. In Wien erklär­te ein Ange­klag­ter das Ver­schi­cken von Nazi-Schrott u.a. damit, das Haken­kreuz sei für ihn ein Frucht­bar­keits­sym­bol. Kilb-St. Pöl­ten: Nazi-Nach­rich­­ten, Nazi-Devo­­tio­na­­li­en und Kriegs­ma­te­ri­al Wien: Haken­kreuz als ver­meint­li­ches Frucht­bar­keits­sym­bol Kilb-St. Pöl­ten: Nazi-Nachrichten, […]

26. Jun 2023
Gerichtsgebäude Landesgericht St. Pölten (© SdR)
Gerichtsgebäude Landesgericht St. Pölten (© SdR)

Kilb-St. Pöl­ten: Nazi-Nach­rich­ten, Nazi-Devo­tio­na­li­en und Kriegsmaterial
Wien: Haken­kreuz als ver­meint­li­ches Fruchtbarkeitssymbol

Kilb-St. Pöl­ten: Nazi-Nach­rich­ten, Nazi-Devo­tio­na­li­en und Kriegsmaterial

Die Ver­hand­lung am St. Pölt­ner Lan­des­ge­richt begann gleich mit einem tech­ni­schen Pro­blem: Die Auf­nah­me­tech­nik funk­tio­nier­te nicht. Daher behalf sich das Gericht mit einem Dik­tier­ge­rät. Der Staats­an­walt ver­zich­te­te den­noch dar­auf, die Ankla­ge vor­zu­tra­gen und ver­wies auf die 38 Sei­ten umfas­sen­de Ankla­ge­schrift – ein sehr unge­wöhn­li­cher Vor­gang in einem Pro­zess, bei dem mit acht Geschwo­re­nen juris­ti­sche Lai*innen über Schuld und Unschuld zu ent­schei­den haben. Der Staats­an­walt gab sich auch im wei­te­ren Ver­lauf des Pro­zes­ses wort­karg und erhob erst zum Schluss das Wort.

Der 32-jäh­ri­ge Ange­klag­te Peter K. hat­te sich nach dem Ver­bots- und Waf­fen­ge­setz vor dem Gericht zu ver­ant­wor­ten. Die Vor­wür­fe waren durch­aus hef­tig: 22 brau­ne Chat­nach­rich­ten an einen Bekann­ten, mit dem K. als Metall­su­cher unter­wegs war. Der Kol­le­ge trat dies­mal als Zeu­ge auf – Pro­zess inklu­si­ve Ver­ur­tei­lung (24 Mona­te) hat er bereits hin­ter sich. Dazu kam eine beacht­li­che Samm­lung von NS-Devo­tio­na­li­en, dar­un­ter ein Jute­sack mit Haken­kreuz, eine NS-Arm­bin­de, Gür­tel­schnal­len, Bil­der, Brief­mar­ken, Foto­bü­cher, Zeich­nun­gen, Fah­nen, Uni­form, Stahl­hel­me, Schwer­ter und Dol­che. Die NS-Sym­bo­le waren groß­teils abge­klebt. Und dann wur­de bei der Haus­durch­su­chung auch noch Kriegs­ma­te­ri­al sicher­ge­stellt: ein Gewehr­gra­nat­ge­rät und drei Gewehrläufe.

Ver­tei­di­ger und Ange­klag­ter äußer­ten sich nach bekann­tem Mus­ter: K. habe mit der Nazi-Ideo­lo­gie nichts am Hut, die ver­schick­ten Chat­nach­rich­ten sei­en nur Spaß gewe­sen, und über­haupt habe er nicht gewusst, dass Nach­rich­ten die­ser Art ver­bo­ten sei­en. Ange­spro­chen auf die Devo­tio­na­li­en bekam das Gericht zu hören, dass sein geschicht­li­ches Inter­es­se von sei­nem Opa stam­me, der ihn beein­flusst habe.

Waf­fen und Devo­tio­na­li­en waren in einem eige­nen Raum im Ober­ge­schoß des Hau­ses dra­piert. Zufäl­lig waren Zim­mer und Waf­fen­schrank bei der Haus­durch­su­chung geöff­net. Er habe just an dem Tag ver­pennt und ver­ges­sen zuzu­sper­ren, war die Erklä­rung. Das Gewehr­gra­nat­ge­rät habe er aus einem pri­va­ten Muse­um in Deutsch­land gekauft, auch da sei ihm nicht klar gewe­sen, dass das in Öster­reich ver­bo­ten ist.

Zusam­men­ge­fasst: Viel angeb­li­ches Unwis­sen traf auf Sam­mel­lei­den­schaft und Lust am Spaß. Dem­entspre­chend fiel auch das Schluss­wort des Ver­tei­di­gers aus: Der Ange­klag­te sei ein­fach ein Mensch, der sei­nem Hob­by nach­ge­gan­gen war.

Die Geschwo­re­nen sahen das bezüg­lich der NS-Devo­tio­na­li­en offen­bar ähn­lich und stimm­ten mehr­heit­lich für einen Frei­spruch. Für die Chat­nach­rich­ten und das Kriegs­ma­te­ri­al setz­te es aller­dings einen bereits rechts­kräf­ti­gen Schuld­spruch mit 18 Mona­ten beding­ter Haft. Die NS-Devo­tio­na­li­en darf der nun wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teil­te K. behal­ten – eine Absur­di­tät, die im Zuge der anste­hen­den Novel­lie­rung des Ver­bots­ge­set­zes besei­tigt wer­den soll.

Gerichtsgebäude Landesgericht St. Pölten (© SdR)
Gerichts­ge­bäu­de Lan­des­ge­richt St. Pöl­ten (© SdR)

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Wien: Haken­kreuz als ver­meint­li­ches Fruchtbarkeitssymbol

Am Lan­des­ge­richt Wien muss­te sich der 51-jäh­ri­ge Mar­kus P. am 20.6. dem Tat­ver­dacht stel­len, gegen das Ver­bots­ge­setz § 3g ver­sto­ßen zu haben. Über einen Zeit­raum von fast drei Jah­ren hat­te er mehr als drei­ßig Text-Bild-Nach­rich­ten und Vide­os mit natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Inhal­ten per Whats­App ver­schickt. Im Ermitt­lungs­ver­fah­ren wur­de auch noch wei­te­res Bild­ma­te­ri­al sicher­ge­stellt, aller­dings konn­te nicht nach­ge­wie­sen wer­den, ob er das auch ver­schickt hat­te. Dazu kamen auch ras­sis­ti­sche Nach­rich­ten, der Tat­be­stand der Ver­het­zung war den­noch nicht erfüllt. 

P. gab an, nicht gewusst zu haben, wel­che Kon­se­quen­zen es habe, Nach­rich­ten mit natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Inhal­ten zu ver­schi­cken. Dar­über hin­aus hät­ten kei­ne der Emp­fän­ger der Nazi-Nach­rich­ten depo­niert, die nicht haben zu wol­len. Er selbst bewe­ge sich nicht in natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Krei­sen und auch nie­mand aus sei­nem Freun­des­kreis fän­de die NS-Zeit gut. Er sei auch nicht frem­den­feind­lich, denn schließ­lich habe er eine Freun­din in der Slo­wa­kei, und er sei schon ein hal­bes Jahr im Koso­vo gewesen.

Jene Nach­rich­ten, die er wäh­rend sei­ner Auf­ent­hal­te in der Slo­wa­kei, also vor allem an den Wochen­en­den und Fei­er­ta­gen ver­schickt haben soll, waren nicht Teil der Ver­hand­lung, da der Tat­ort nicht Öster­reich war. Immer­hin wuss­te P., „dass in der Slo­wa­kei gewis­se Sachen nicht ver­bo­ten“ sei­en. Ansons­ten habe er sich „wenig bis nichts“ dabei gedacht, als er die Bil­der ver­sand­te. Ohne sich „grö­ße­re Gedan­ken“ zu machen, ver­brei­te­te er bei­spiels­wei­se ein Video, auf dem ein Kind zu sehen ist, das mit Lego­stei­nen das KZ Ausch­witz nach­baut oder ein Bild, auf dem ein Adler mit Haken­kreuz in sei­nen Fän­gen, das Sym­bol der Luft­wa­che der Wehr­macht, abge­bil­det ist. Viel­leicht rührt das auch daher, dass für P. das Haken­kreuz ein Frucht­bar­keits­sym­bol dar­stel­le – womit er ori­gi­nel­ler­wei­se einer Deu­tung der Swas­tika folg­te, die im NS pro­pa­giert wurde.

Der Ange­klag­te wur­de ein­stim­mig schul­dig gespro­chen und zu zwei Jah­ren beding­ter Haft mit einer drei­jäh­ri­gen Pro­be­zeit ver­ur­teilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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