Womit die FPÖ eigentlich (!) zufrieden sein müsste, ist, dass es der Islam dank der ÖVP 15 Mal ins Papier geschafft hat, als Anti-Islam-Programm natürlich, das den türkisen Feldzug gegen den „politischem Islam“ und „Islamismus“ als Code an das rechte Publikum dokumentiert. Elf Erwähnungen sind rund um die Begrifflichkeit „Rechtsextremismus“ im türkis-grünen Regierungsprogramm zu finden – sicherlich ein Rekord, der zweifellos auf die Grünen VerhandlerInnen zurück zu führen ist.
Da wäre einmal im Kapitel „Justiz“ die bereits seit Jänner 2017 versprochene Evaluierung und etwaige Anpassung des Verbotsgesetzes. Nachdem es zu fragwürdigen Urteilen gekommen war, hatte sich selbst der damalige Justizminister Brandstetter davon distanziert: „Er sei ja selbst ‚auch alles andere als glücklich über solche Entscheidungen’, sagte Brandstetter. Wenn sich Schwächen im legistischen System zeigen, müsse man das ganz offen diskutieren. Er wolle sich das auch gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Mauthausen-Komitee anschauen. Er habe das Gefühl, dass es bei Verfahren nach dem Verbotsgesetz von den zuständigen Geschworenengerichten auch zu Freisprüchen komme, die man nicht nachvollziehen könne, betonte Brandstetter. Da es dort keine Begründungen gibt, strebt der Minister hier Änderungen an.“ (derstandard.at, 4.1.17)
Kampf gegen den Antisemitismus – Überarbeitung des Verbotsgesetzes:o Evaluierung und allfällige legistische Überarbeitung des VerbotsG unter dem Aspekt der inländischen Gerichtsbarkeit, insbesondere in Hinblick auf die Äußerungsdelikte der §§ 3g und 3f VerbotsG und Schließen weiterer Lücken (z.B. Teilleugnung).
Prüfung einer Möglichkeit der Einziehung von NS-Devotionalien unabhängig von der Verwirklichung einer mit Strafe bedrohten Handlung und Evaluierung des Abzeichengesetzes
Mit „Teilleugnung“ ist eine Teilleugnung der Shoa gemeint, die Auslöser für die Diskussion um die Tauglichkeit des Verbotsgesetzes war, nachdem ein Welser Rechtsanwalt die Existenz von Vergasungen in Mauthausen geleugnet hatte und dafür freigesprochen wurde. ExpertInnen monierten ebenfalls die Aufnahme der Leugnung der Kriegsschuld ins Verbotsgesetz und eine Überprüfung der Geschworenengerichtsbarkeit im Falle von Verstößen gegen das Verbotsgesetz.
Eine Reihe an Maßnahmen ist im Kapitel „Inneres“ gelistet. Da findet sich die von ExpertInnen schon sehr lange geforderte Schaffung einer Forschungsstelle für Rechtsextremismus und Antisemitismus, die im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) angesiedelt werden und den unter Schwarz-Blau I abgeschafften jährlichen Rechtsextremismusbericht auf Datenbasis des Innen- und Justizministeriums erstellen soll. Ein neu zu organisierendes BVT soll zukünftig rechtsextreme Burschenschaften wieder beobachten und im Verfassungsschutzbericht eine Einschätzung liefern. Das chronisch unterfinanzierte DÖW soll laut Regierungsprogramm gestärkt werden – wir hoffen, dass das nicht nur bei diesem papierenen Zuspruch bleibt.
Neben dem Bekenntnis zu diversen Maßnahmen von der Präventions- bis zur Ausstiegs- und Deradikalisierungsarbeit (mobile Kompetenzstelle, digitale Plattform, Schulworkshops, interdisziplinäres Pilotprojekt …) sind Forschungsvorhaben zur Demokratiestärkung und diverse Monitoringziele genannt.
Ein jährlich einzuberufender Koordinationsausschuss soll „zwischen Regierung, Parlament, Ländern und der Zivilgesellschaft über Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“ sprechen. Wir sind gespannt, wie dieses Prozedere stattfinden und vor allem zu welchen konkreten Ergebnissen es führen wird.
Aus einigen Punkten ist das Grün-Türkise Ping-Pong abzulesen: Bekamen die Grünen eine Maßnahme, eine Formulierung gegen Rechtsextremismus/Rassismus, gibt’s dazu sich spiegelnde Forderungen der ÖVP zum „politischen Islam“. Dazu gehört eine „Dokumentationsstelle für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“, die „nach Vorbild des DÖW“ eingerichtet werden soll. Um diesem Maßstab gerecht zu werden, wird die Stelle zuerst einmal damit beschäftigt sein, eine wissenschaftlich taugliche, klar abgegrenzte Definition für den „politischen Islam“ vorzulegen, nämlich in der Form, wie dies das DÖW für den Begriff „Rechtsextremismus“ seit etwa 30 Jahren praktiziert.
Insgesamt messen sich alle im Programm gelisteten Punkte zum Rechtsextremismus daran, ob sie auf dem Boden der politischen Realität aufschlagen oder seitens der ÖVP nur verbale Zugeständnisse in einem Themenfeld sind, das den Grünen immer besonders wichtig war.
In der Gedenkpolitik ist die seit mehr als zehn Jahren von diversen MinisterInnen angekündigte Möglichkeit, „dass alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Unterrichts zumindest einmal die KZ-Gedenkstätte Mauthausen besuchen können“ enthalten. Hier müssten zuerst die Kapazitäten der Gedenkstätte ausgeweitet, Schließtage rückgängig gemacht und auch andere logistische Änderungen (wie etwa einen öffentlichen Zubringer direkt zur Gedenkstätte) vorgenommen werden. Wenn das zum Verkauf stehende Areal der KZ-Gedenkstätte Gusen tatsächlich durch die Republik erworben wird, wäre vernünftigerweise gleich eine erweiterte Gestaltung mitzudenken, womit auch die Gedenkstätte Mauthausen entlastet werden könnte.
Mit Interesse wird der „Gedenkdienst“ wahrgenommen haben, dass er aufgewertet und gestärkt werden soll. Wenn das nicht zum netten Lippenbekenntnis verkommen soll, muss dies letztlich in erster Linie über höhere finanzielle Zuwendungen passieren.
Fazit: Es wird einiges Beharrungsvermögen brauchen, um die angekündigten Maßnahmen auch umzusetzen. Wenn dies jedoch gelingt, könnte wirklich etwas weitergehen. Notwendig wäre dies angesichts der in den letzten Jahren dramatisch gestiegenen Anzahl an rechtsextremen Delikten und der rechtsterroristischen Anschläge der jüngeren Zeit allemal.