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Rückblick KW 44/23 (II): viel FPÖ

Im zwei­ten Teil unse­res Wochen­rück­blicks geht es um alles, außer Pro­zes­se (sie­he dazu Teil I). Neben einem anti­se­mi­ti­schen Anschlag ist dies­mal wie­der viel von der FPÖ dabei: ein „irri­tier­ter“ FPÖ­ler, zwei aus­fäl­li­ge FPÖ­ler und meh­re­re FPÖ­ler mit dubio­sen Geld­flüs­sen. Wien: Anti­se­mi­ti­scher Brand­an­schlag auf jüdi­schen Teil des Wie­ner Zen­tral­fried­hofs Bez. Schärding/OÖ: Dro­gen­sze­ne mit Neo­na­zi-Ein­schlag? Wien: 1 […]

7. Nov 2023

Wien: Antisemitischer Brandanschlag auf jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs
Bez. Schärding/OÖ: Drogenszene mit Neonazi-Einschlag?
Wien: 1 Million für Strache?
Wels/OÖ: „Irritierter“ FPÖ-Bürgermeister nach Gedenken an Novemberpogrome mit Van der Bellen
Kärnten: FPÖ-Chef Angerer will SPÖ-Gesundheitsreferentin „herprügeln“
Niederösterreichischer FPÖ-Pressesprecher will Scheuba zum AMS schicken

Wien: Antisemitischer Brandanschlag auf jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs

Der jüngs­te Höhe­punkt in einer aktu­el­len Häu­fung anti­se­mi­ti­scher Taten in Öster­reich, die Groß­teils im Gefol­ge des Hamas-Mas­sa­kers vom 7. Okto­ber erfol­gen, wur­de am 1. Novem­ber ver­übt: Auf die Zere­mo­nien­hal­le im jüdi­schen Teil des Wie­ner Zen­tral­fried­hofs wur­de von Unbe­kann­ten ein Brand­an­schlag ver­übt, zudem wur­de ein (ver­kehr­tes) Haken­kreuz und der Schrift­zug „Hit­ler“ an die Außen­mau­er gesprüht.

Laut Israe­li­ti­scher Kul­tus­ge­mein­de (IGK) wur­den die Schmie­re­rei­en mitt­ler­wei­le bereits wie­der über­malt. Ermit­telt wird wegen des Ver­dachts der Brand­stif­tung, der Sach­be­schä­di­gung und wegen Wie­der­be­tä­ti­gung. Dies­be­züg­lich wur­den Anzei­gen gegen Unbe­kannt gelegt. Wie die Täter auf den Fried­hof und in den Vor­raum der Hal­le gekom­men sind, ist noch unklar. (vienna.at, 2.11.23)

Inzwi­schen gibt es aller­dings sicher­ge­stell­te Spu­ren vom Tat­ort: Fin­ger­ab­drü­cke auf einer Bierflasche.
IKG-Prä­si­dent Oskar Deutsch beton­te neben sei­ner Bestür­zung, dass „seit dem Angriff der Hamas auf Isra­el am 7. Okto­ber in Öster­reich 165 anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le zu ver­zeich­nen gewe­sen sei­en.“ (vienna.at) Deutsch infor­mier­te auf der Platt­form X (ehe­mals Twit­ter) dar­über, dass durch den Brand auch wert­vol­le Bücher und ein Tho­ra­schrein zer­stört wurden.

Bez. Schärding/OÖ: Drogenszene mit Neonazi-Einschlag?

Ein poli­zei­li­cher Schlag gegen die Schär­din­ger Dro­gen­sze­ne führ­te zu sechs Ver­haf­tun­gen. Bei den Haus­durch­su­chun­gen wur­den neben unter­schied­li­chen Sucht­mit­teln (Can­na­bis, Metham­phet­amin, Tablet­ten) auch Bar­geld und ver­bo­te­ne Waf­fen sicher­ge­stellt. „Außer­dem konn­ten durch die Ermitt­lun­gen Kenn­zei­chen- und Moped-Dieb­stäh­le, Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz und Ver­bre­chen nach dem Ver­bots­ge­setz geklärt wer­den.“ (meinbezirk.at, 31.10.23) Details zu mög­li­chen Ver­bin­dun­gen des Dro­gen­rings zur Neo­na­zi-Sze­ne sind bis dato nicht öffent­lich bekannt.

Wien: 1 Million für Strache?

Recher­chen von „Stan­dard“ und „Spie­gel“ zufol­ge kommt nun zur seit Jah­ren um die Wie­ner FPÖ und den Ex-Chef Stra­che schwe­len­de Spe­sen­af­fä­re ein bri­san­ter Ver­dacht hin­zu, näm­lich „dass hohe Sum­men aus dem Par­tei­ver­mö­gen unrecht­mä­ßig an FPÖ-Poli­ti­ker geflos­sen sein könn­ten – dies­mal über das für dis­kre­te Finanz­ge­schäf­te bekann­te Liech­ten­stein.“ (derstandard.at, 2.11.23) Es geht dabei um Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­run­gen für Stra­che und den frü­he­ren FPÖ-Wien-Spit­zen­funk­tio­när Hil­mar Kabas – in Sum­me han­delt es sich um einen Mil­lio­nen­be­trag. Die Staats­an­walt­schaft Wien hat in der Cau­sa bei der Liech­ten­stei­ner Jus­tiz um Rechts­hil­fe gebe­ten. In dem ent­spre­chen­den Ansu­chen ist die Rede davon, dass

Stra­che und Kabas „ihre Befug­nis, über frem­des Ver­mö­gen zu ver­fü­gen oder einen ande­ren zu ver­pflich­ten, wis­sent­lich miss­braucht“ hät­ten. Dadurch hät­ten sie die Wie­ner FPÖ geschä­digt, „wobei sie durch die Tat einen € 300.000,– über­stei­gen­den Scha­den her­bei­führ­ten“. Gegen Stra­che und Kabas besteht des­halb der Ver­dacht der Untreue als Betei­lig­te. (derstandard.at)

Damit hat sich die Spe­sen­af­fä­re noch ein­mal aus­ge­wei­tet. In dem weit­läu­fi­gen Jus­tiz­fall gel­ten inzwi­schen längst nicht mehr nur Stra­che und sei­ne ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­ter als Beschul­dig­te, son­dern auch akti­ve FPÖ-Poli­ti­ker wie Domi­nik Nepp und Harald Vilims­ky.

Wels/OÖ: „Irritierter“ FPÖ-Bürgermeister nach Gedenken an Novemberpogrome mit Van der Bellen

Der Wel­ser Bür­ger­meis­ter Andre­as Rabl (FPÖ) sorg­te letz­te Woche für Irri­ta­ti­on, als bekannt wur­de, dass er Schul­klas­sen eine Beloh­nung von 200 Euro in Aus­sicht stel­len woll­te, so sie an sei­ner „Gedenk­ver­an­stal­tung“ teil­neh­men. Dabei han­delt es sich um ein Kon­kur­renz­pro­jekt zur seit 25 Jah­ren statt­fin­den­den Kund­ge­bung zum Geden­ken an die Novem­ber­po­gro­me von 1938, die von der Anti­fa Wels ver­an­stal­tet wird und ges­tern, am 6.11.2023, statt­fand. Bun­des­prä­si­dent Alex­an­der Van der Bel­len war einer der Redner*innen bei die­ser anti­fa­schis­ti­schen Ver­an­stal­tung. Er bezog sich auch auf die Kon­ti­nui­tät von Anti­se­mi­tis­mus sowie sei­ne gegen­wär­tig gefähr­lichs­ten Erscheinungsformen:

„Anti­se­mi­tis­mus hat hier kei­nen Platz. Hass hat hier kei­nen Platz“, beton­te Van der Bel­len die dar­aus erwach­sen­de Ver­ant­wor­tung Öster­reichs. Dabei sei es egal, ob es sich „um den alt­ein­ge­ses­se­nen Anti­se­mi­tis­mus han­delt, der uns auch aus dunk­len Win­keln und sti­cki­gen Kel­lern unse­res Lan­des immer wie­der ent­ge­gen­schlägt“ oder „um isla­mis­tisch oder anti­is­rae­lisch moti­vier­ten Anti­se­mi­tis­mus, wie er jetzt man­cher­orts mani­fest wird“. Äuße­run­gen, die Isra­el das Exis­tenz­recht abspre­chen, dürf­ten eben­so wenig tole­riert wer­den wie Anschlä­ge auf jüdi­sche Ein­rich­tun­gen oder Her­ab­wür­di­gun­gen der israe­li­schen Flag­ge, mahn­te das Staats­ober­haupt und beton­te: „Jüdin­nen und Juden sind ein Teil Öster­reichs und müs­sen sich hier sicher und zu Hau­se füh­len kön­nen.“ (derstandard.at, 6.11.23)

Rabl gab sich nun gegen­über den „Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten“ (3.11.23) irritiert:

Ihn stört die Anwe­sen­heit Van der Bel­lens bei der Anti­fa-Ver­an­stal­tung. Deren Prot­ago­nis­ten wür­den bei jeder sich bie­ten­den Gele­gen­heit die FPÖ als ras­sis­tisch und rechts­extrem ver­un­glimp­fen. Zudem wer­de die offi­zi­el­le Gedenk­ver­an­stal­tung der Stadt vor dem jüdi­schen Mahn­mal im Poll­hei­mer­park von der Anti­fa mit Inter­ven­tio­nen tor­pe­diert. (OÖN)

Rabls Ver­such, Schul­klas­sen mit Geld zum „FPÖ“-„Gedenken“ zu locken, wur­de von der Bil­dungs­di­rek­ti­on der Stadt übri­gens abgelehnt.

Kärnten: FPÖ-Chef Angerer will SPÖ-Gesundheitsreferentin „herprügeln“

Die His­to­rie der FPÖ ist an dümm­li­chen Unter­grif­fen und Dif­fa­mie­run­gen reich. Der Kärnt­ner FPÖ-Lan­des­par­tei­ob­mann Erwin Ange­rer bemüht sich aber zur Zeit ganz beson­ders, die­ser blau­en Tra­di­ti­on die Ehre zu erwei­sen. Erst im Okto­ber hat­te er medi­en­wirk­sam behaup­tet, SPÖ-Mandatar*innen woll­ten Kin­der „in kom­mu­nis­ti­sche Umer­zie­hungs­la­ger rein­set­zen und von klein gleich auf als Mar­xis­ten erzie­hen“ (stopptdierechten.at, 10.10.23). Nun hat er im Rah­men von Kick­ls „Hei­mat-Tour“ ange­kün­digt, er wol­le die SPÖ-Gesund­heits­re­fe­ren­tin Bea­te Prett­ner „her­prü­geln“. Prett­ner zum ORF:

Die­se Aus­sa­ge (…) rich­tet sich von selbst. Weil wenn ein Poli­ti­ker inhalt­lich nicht mehr argu­men­tie­ren kann und dann mit Gewalt droht, dann ist er fehl am Platz. Sowohl in der Poli­tik als auch in einer öffent­li­chen Funk­ti­on, in einer Zeit, wo Gewalt gegen Frau­en dras­tisch zunimmt und wo das zuneh­mend ein Pro­blem in Öster­reich wird, hier einen Auf­ruf zu star­ten. (kleinezeitung.at, 5.11.2023)

Ange­rer ver­tei­dig­te sei­ne Aus­sa­ge gegen­über „meinbezirk.at“ (4.11.23). Es sei dabei um nichts ande­res gegan­gen, als Miss­stän­de auf­zu­zei­gen. Die­se Aus­re­de ist so typisch, wie die ver­ba­le Gewalt­an­dro­hung selbst: Am Ende war es nicht so gemeint, und das wüss­ten auch alle, „aber sie unter­stel­len bewusst etwas ande­res“ (ebd.). So schnell lan­det man nach dem Rezept ein­ge­üb­ter frei­heit­li­cher Rhe­to­rik-Gepflo­gen­hei­ten in der gemüt­li­chen Opferrolle.

Niederösterreichischer FPÖ-Pressesprecher will Scheuba zum AMS schicken

Die Geschich­te beginnt völ­lig harm­los: Der Kaba­ret­tist Flo­ri­an Scheu­ba ver­öf­fent­licht einen Tweet, in dem er schreibt: „Voll Vor­freu­de darf ich bekannt geben: Mor­gen beginnt die neue Staf­fel von ‚Scheu­ba fragt nach’. Mein ers­ter Gast ist Dani­el Kehl­mann.” Der der­zei­ti­ge FPÖ-Pres­se­spre­cher in Nie­der­ös­ter­reich Mar­tin Glier fühlt sich dazu bemü­ßigt zu ant­wor­ten: 2024 wer­den Sie nur mehr beim AMS auftreten.”

Tweet Scheuba und Antwort Glier (30.10.23)
Tweet Scheu­ba und Ant­wort Glier (30.10.23)

Hans Rauscher dazu im „Stan­dard” (4.11.23):

Man muss der­lei schon ernst neh­men. Haim­buch­ner ist nicht irgend­wer, und auch Mar­tin Glier ist FPÖ-Urge­stein. Sie – und vor allem Kickl – wür­den schon umset­zen, was sie ankün­di­gen: einen Ver­nich­tungs­feld­zug gegen Kri­ti­ker. Es liegt daher an den – nicht so schwa­chen – Kräf­ten der Demo­kra­tie, dafür zu sor­gen, dass die­se Vor­freu­de auf die Macht­er­grei­fung ein Fall von „prae­cox” ist.

Bei Haim­buch­ner spielt Rauscher auf eine Äuße­rung an, die der ober­ös­ter­rei­chi­sche Vize-Lan­des­haupt­mann in einer Rede getä­tigt hat­te, wonach Kickl als Kanz­ler „Isla­mis­ten und Jour­na­lis­ten” Beneh­men bei­brin­gen werde.