Wien: Achte Verurteilung für Wiederholungstäter
Korneuburg/NÖ: Freispruch nach „Judenstern“-Posting eines Maßnahmengegners
Steyr/OÖ: Kurzer Prozess
Wien: Achte Verurteilung für Wiederholungstäter
25 Monate unbedingte Haft (nicht rechtskräftig) lautet das Urteil gegen Martin S., das am 30.10.2023 durch ein Wiener Geschworenengericht gefällt wurde, was für den 46-Jährigen die dritte Verurteilung nach dem Verbotsgesetz und die achte insgesamt bedeutet. Im Jahr 2016 wurde er zu 18 Monaten Haft, davon vier Monate unbedingt, verurteilt. Martin S. hatte sich laut Anklage in mehreren Facebook-Profilen als brauner Hetzer und NS-Fan betätigt, und auch vor einer Obdachloseneinrichtung mit Hitlergruß und „Sieg Heil“-Rufen für Aufsehen gesorgt. In eben dieser Einrichtung, wo Martin S. auch Bewohner war, hatte er außerdem einen weiteren Bewohner mit einem Messer bedroht, weshalb damals auch das Delikt der schweren Nötigung verhandelt wurde. Außerdem wurde er bei einem Prozess im Jahr 2019 erneut verurteilt, diesmal zu 18 Monaten unbedingt, wieder wegen NS-Wiederbetätigung (Facebook-Postings) und auch wegen Suchtmittelmissbrauch. Martin S. dürfte seine NS-Gesinnung auch in der Haft unmissverständlich vor sich hergetragen getragen haben, wie Zeugen im Zuge der Ermittlungen ausgesagten.
Diesmal wurde „nur“ ein Tattoo verhandelt: Martin S. hat „Ruhm“ und „Ehre“ auf seinen Händen tätowiert, wobei es sich um einen Neonazi-Code handelt, mit dem der Waffen-SS gehuldigt wird. Martin S. gab sich vor Gericht weinerlich und behauptete, er habe sich den Schriftzug lediglich wegen des Spielfilms „300“ anbringen lassen. Eine wenig glaubhafte Aussage, denn das Tattoo war bereits in dem Wiederbetätigungsprozess von 2016 Gegenstand der Anklage.
Gemäß der Staatsanwaltschaft habe der Angeklagte weiterhin sein Tattoo gezeigt, um seine NS-Gesinnung nach außen zu kommunizieren, und das bedeute Betätigung im nationalsozialistischen Sinne. Die Verteidigung sah das freilich anders und führte den sich verbessernden Lebenswandel des Mannes ins Feld (Job in Aussicht, neue Wohnung, Antiaggressionstherapie etc.) und monierte außerdem, dass die Begriffe „Ruhm“ und „Ehre“ nicht ausreichen würden, um den Straftatbestand der Wiederbetätigung zu erfüllen.
Das hat den Geschworenen nicht gereicht; der Wiederholungstäter Martin S. muss, sofern das Urteil rechtskräftig wird, erneut in Haft, diesmal für zwei Jahre und ein Monat.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Korneuburg/NÖ: Freispruch nach „Judenstern“-Posting eines Maßnahmengegners
Ein 58-Jähriger musste sich am 30.10.2023 wegen eines Postings am Landesgericht Korneuburg vor einem Schwurgericht verantworten. Verhandelt wurde nach dem NS-Verbotsgesetz. Im Jänner 2021 hatte der Covid-Maßnahmengegner auf einer Social Media-Plattform gepostet: „Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen“, dazu ein Bild von einem „Judenstern“, wie er von den Nazis benutzt wurde, um Juden und Jüdinnen zu markieren. Der Mann erzählte vor Gericht, er habe sich nach seiner Entscheidung gegen eine Covid-19-Impfung und seiner Ablehnung von Schutzmasken ungerecht behandelt gefühlt. Um den NS sei es ihm hingegen nicht gegangen. Dem stimmte sogar der Staatsanwalt zu. Die Geschworenen beantworteten die Frage nach der Schuld des Angeklagten mit Nein, weshalb noch im Gerichtssaal ein rechtskräftiger Freispruch erfolgte.
Hinzuzufügen ist, dass in der Berichterstattung der „Niederösterreichischen Nachrichten“ (4.11.23) über den Prozess in der Verhandlung davon die Rede gewesen sei, dass „zu dem angeklagten Delikt ein bedingter Vorsatz“ gehöre. Das ist erstaunlich, denn bei einer Anklage nach § 3h Verbotsgesetz (Holocaustverharmlosung), die in ähnlichen Fällen wie in Korneuburg üblich war und ist, wäre kein Vorsatz notwendig. Ein bedingter Vorsatz hätte Gewicht bei einer Anklage nach § 3g Verbotsgesetz, was wiederum in diesem Fall schlichtweg eine falsche Anklage wäre, denn eine Propagierung des NS stand hier wohl kaum im Raum.
Steyr/OÖ: Kurzer Prozess
Ums kurz zu machen: Viel haben unsere Prozessbeobachter von der Verhandlung am Landesgericht Steyr, in der es am 30.10.23 um den Vorwurf der Verhetzung (§ 283 StGB) ging, nicht mitbekommen. Denn die Verhandlung wurde in einem anderen Raum als angekündigt abgewickelt und kurzerhand vorverlegt. Damit kann nur mehr von der Urteilsverkündung berichtet werden: Freispruch – nicht rechtskräftig.
Beim Angeklagten handelt es sich in Insiderkreisen um keinen ganz Unbekannten: Der seinen Facebook-Profilen nach glühende FPÖ-Fan H.O. hat sich in Steyr mit einem Kühnengruß auffällig gezeigt und als Fan der Neonazi-Band „Kategorie C” geoutet. Nachdem von den Spaziergängen in Steyr nicht mehr viel zu berichten ist, hat sich O. mit seinem Facebook-Profil darauf spezialisiert, auf Livestreams von rechten und inzwischen auch Hamas-freundlichen Demos im gesamten deutschsprachigen Raum hinzuweisen.
Doch das war nicht der Anklagepunkt. O.s Einlösung seines Bekenntnisses nach dem Freispruch, das nicht mehr zu tun – gemeint waren wohl verhetzende Postings –, wird unter Beobachtung stehen. Der kurze Prozess war jedenfalls nach wenigen Minuten beendet – noch bevor er offiziell beginnen hätte sollen.