Wochenschau KW 9 und 10/22 (Teil 1)

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Erst­mals wur­de jemand nach dem Ver­bots­ge­setz wegen Tra­gen eines Unge­impft-Juden­ster­nes ver­ur­teilt: Ein Wie­ner und ein Bur­gen­län­der fass­ten 15 Mona­te bedingt. Der Wie­ner hat­te zuvor in einer Bas­tel­stun­de mit sei­ner Toch­ter die Filz-Ster­ne selbst ange­fer­tigt. Kei­ne Stra­fe nach dem Ver­bots­ge­setz erhielt ein St. Pölt­ner, der nach einer Taxi­fahrt mein­te, sein Reichs­ad­ler/Ha­ken­kreuz-Tat­too sei ein Uni­ver­sal­fahr­schein und die Poli­zei wild atta­ckier­te. Und ein alter Bekann­ter, frü­her mit Kon­tak­ten zu Küs­sel & Co, stand vor Gericht, weil er ein­schlä­gi­ge Chat­nach­rich­ten ver­schickt hatte.

St. Pöl­ten: Reichs­ad­ler mit Haken­kreuz als Fahrschein
St. Veit-Kla­gen­furt: 29 oder 19 oder 3 x NS-Propaganda
Laabental/NÖ: Ange­klag­ter mit ein­schlä­gi­ger Vorgeschichte
Wien: Ver­ur­tei­lung wegen Tra­gen eines „Unge­impft-Juden­sterns“
Wien/Paternion: Mr. Bond vor Prozess

St. Pöl­ten: Reichs­ad­ler mit Haken­kreuz als Fahrschein

Aus Thai­land ist der 58-Jäh­ri­ge nach Öster­reich rück­ge­scho­ben wor­den, aber der Grund dafür scheint bei dem Pro­zess kei­ne Rol­le gespielt zu haben. Da ging’s „nur“ um Wie­der­be­tä­ti­gung und Kör­per­ver­let­zung. Der Ver­tei­di­ger nennt den St. Pölt­ner eine „geschei­ter­te Exis­tenz“, der gleich für eini­ge Vor­fäl­le gesorgt hat. Eine Taxi­fahrt woll­te er nur mit Cent-Mün­zen bezah­len, der Taxi­fah­rer war damit nicht ein­ver­stan­den und ging mit dem Ange­klag­ten zur Poli­zei. 

Dort riss er sein Shirt hoch und prä­sen­tier­te einen Reichs­ad­ler samt Haken­kreuz auf der Brust und sag­te, er habe ein „Uni­ver­sal­ti­cket“ (…) Da der Ange­klag­te nach die­sem Vor­fall auf Besu­che der Poli­zei bei sei­ner von der Stadt bezahl­ten Woh­nung nicht reagiert und Droh-Mails mit Nazi-Anspie­lun­gen an die Beam­ten gesen­det hat­te, ord­ne­te die Staats­an­walt­schaft die Fest­nah­me an. Da er droh­te, die „Poli­zis­ten scharf­schüt­zen­ar­tig zu erle­gen und sei­ne Woh­nung bis zum letz­ten Bluts­trop­fen zu ver­tei­di­gen“, rück­ten fünf Beam­te an, die der 58-Jäh­ri­ge mit einer Wol­ke Pfef­fer­spray emp­fing. Drei der Poli­zis­ten wur­den dabei an den Augen ver­letzt. (NÖN, 2.3.22, S. 17)

Die Geschwo­re­nen woll­ten einen Ver­stoß gegen das Ver­bots­ge­setz nicht sehen (obwohl der Mann angab, sich des­sen bewusst zu sein) und spra­chen ihn wegen Kör­per­ver­let­zung schul­dig. Es setz­te 18 Mona­te Haft, davon drei unbe­dingt, die er aller­dings bereits in U‑Haft abge­ses­sen hat.

St. Veit-Kla­gen­furt: 29 oder 19 oder 3 x NS-Propaganda

29 Mal habe der 65-jäh­ri­ge Pen­sio­nist aus dem Kärnt­ner St. Veit via Whats­App NS-Pro­pa­gan­da ver­schickt, so die Ankla­ge. Der Ver­tei­di­ger hat­te „nur“ 19 Sen­dun­gen gezählt, und der Ange­klag­te mein­te, nur drei davon wis­sent­lich ver­schickt zu haben, näm­lich am 20. April, also Hit­lers Geburts­tag, Haken­kreu­ze, SS-Runen und eine Mon­ta­ge von Adolf Hit­ler als Baby.

Die ande­ren Bil­der und Fil­me müs­sen irgend­wo bei einem Daten­pa­ket dabei gewe­sen sein, er habe nichts mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus zu tun, sag­te er. Bei einer frei­wil­li­gen Nach­schau in der Woh­nung des Ange­klag­ten habe man auch nichts Ver­däch­ti­ges gefun­den. Beim Whats­app-Freund, den er seit Kin­der­ta­gen kennt, schon: Die Ver­fas­sungs­schüt­zer ent­deck­ten eine Aus­ga­be von Hit­lers „Mein Kampf“. (kaernten.orf.at, 2.3.22)

Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil im Kla­gen­fur­ter Lan­des­ge­richt: zwölf Mona­te bedingt und eine Geldstrafe.

Laabental/NÖ: Ange­klag­ter mit ein­schlä­gi­ger Vor­ge­schich­te 

War­um die Vor­fäl­le aus 2016 – das Ver­schi­cken von drei brau­nen Nach­rich­ten via Whats­App – erst jetzt zur Ver­hand­lung gekom­men sind und wie sie amts­be­kannt wur­den , geht aus dem Bericht der NÖN nicht her­vor, aber viel­leicht war die­ser Hin­ter­grund auch nicht The­ma im Pro­zess am Lan­des­ge­richt St. Pöl­ten. Inter­es­sant ist jedoch das ein­schlä­gi­ge Vor­le­ben des 48-jäh­ri­gen Angeklagten.

Der Staats­an­walt brach­te zur Spra­che, dass der Beschul­dig­te in sei­ner Jugend in der Hoo­li­gan-Sze­ne ver­kehr­te, Kon­takt zu Gott­fried Küs­sel und Peter Bin­der hat­te, und an Leis­tungs­mär­schen teil­nahm. So war er etwa in Ungarn beim 60 Kilo­me­ter lan­gen „Ausbruch“-Marsch dabei: „Da tre­ten Per­so­nen in Uni­for­men der Waf­fen-SS und der Wehr­macht auf“, sag­te der Staats­an­walt. Der Ver­tei­di­ger des Laaben­ta­lers beton­te: „Das Vor­le­ben des Ange­klag­ten ist nicht The­ma im Ver­fah­ren.“ Sein Man­dat wer­de sich schul­dig beken­nen. „Es sind aber nicht nur die bösen Rech­ten, die sol­che Nach­rich­ten wei­ter­lei­ten, son­dern auch nor­ma­le Bür­ger“, so der Anwalt. (noen.at, 9.3.22)

Mög­li­cher­wei­se hat der Anwalt ein ande­res Ver­ständ­nis als gemein­hin üblich von „nor­ma­len Bür­gern“ und straf­recht­lich rele­van­ten Taten, der Ange­klag­te zeig­te sich zumin­dest ein­sich­tig und gab an, „das The­ma 2017 been­det“ zu haben und jetzt „ein abso­lu­ter Demo­krat“ zu sein. Er erhielt einen Schuld­spruch und bereits rechts­kräf­ti­ge Zwölf Mona­te auf Bewährung.

Wien: Ver­ur­tei­lung wegen Tra­gen eines „Unge­impft-Juden­sterns“

Zumin­dest öffent­lich bekannt wur­de erst­mals eine Ver­ur­tei­lung wegen Tagen eines Juden­sterns auf einer Coro­na-Demo. Betrof­fen waren ein Wie­ner (34), der mit sei­ner Toch­ter selbst gebas­tel­te Filz-Juden­ster­ne mit der Auf­schrift „Unge­impft“ auch einem Bur­gen­län­der (50) über­las­sen hat­te. Dem Vor­wurf, den Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­harm­lost zu haben, wider­spra­chen die bei­den Ange­klag­ten, aber ihr Ver­hal­ten tue ihnen heu­te „extrem“ leid.

Der vor­sit­zen­de Rich­ter kon­fron­tier­te den Ange­klag­ten, der die David­ster­ne gebas­telt hat­te, mit diver­sen Ver­glei­chen zwi­schen NS-Zeit und Gegen­wart. Ob es Geset­ze zum Ver­bot der Hei­rat zwi­schen Geimpf­ten und Unge­impf­ten gebe und ob Unge­impf­te einen zusätz­li­chen Vor­na­men anneh­men müs­sen, frag­te er den 34-Jährigen.
Die­ser gab an, nicht nach­ge­dacht zu haben. Er habe auf­zei­gen wol­len, dass er sich unter­drückt gefühlt habe. Weil die Ein­füh­rung von 2‑G am Arbeits­platz zur Dis­kus­si­on stand, habe er um sei­nen Job gefürch­tet. Im Gegen­satz zu Juden im „Drit­ten Reich“ hät­te er sei­ne Situa­ti­on aller­dings ändern kön­nen, indem er sich imp­fen hät­te las­sen, gab er auf Nach­fra­ge des Rich­ters zu. (wien.orf.at, 10.3.22)

Für bei­de gab es einen (nicht rechts­kräf­ti­gen) Schuld­spruch mit 15 Mona­ten bedingt.

15 Monate bedingt für diesen Aufstecker (Foto Presseservice Wien; nachbearbeitet SdR)

15 Mona­te bedingt für die­sen Auf­ste­cker (Foto Pres­se­ser­vice Wien; nach­be­ar­bei­tet SdR)

Wien/Paternion: Mr. Bond vor Prozess

Phil­ip H. aka „Mr. Bond” befin­det sich seit Jän­ner 2021 in Wien in Unter­su­chungs­haft. Nun steht sein Pro­zess bevor. Ab 29. März wer­den am Wie­ner Lan­des­ge­richt mehr als 100 Delik­te nach dem Ver­bots­ge­setz ver­han­delt. Dass H. Unter­stüt­zung aus der inter­na­tio­na­len Nazi-Sze­ne erhält, ist bekannt. Die APA (10.3.22) berich­tet, dass die offen­bar auch in der Nähe der Jus­tiz­an­stalt, in der H. die U‑Haft ver­bringt, agi­tiert: „Vor eini­gen Mona­ten wur­de sogar vis-a-vis des Lan­des­ge­richts für Straf­sa­chen eine Fah­ne mit dem Schrift­zug „Free Mr. Bond” aus einem Fens­ter gehängt.”