Etwas mehr als 200 Mitglieder hat eine Telegram-Gruppe, die „Mr. Bond“ supportet. Die Nicknames lesen sich so wie die Gesinnung ihres Günstlings und wohl auch der von dessen Unterstützer*innen.
In der Gruppe werden nicht nur seine mit abscheulichen Nazi-Texten unterfütterten Songs auf und ab empfohlen und online gestellt, sondern auch Spenden gesammelt. Unter der Ägide der besonders umtriebigen „Linney“, die den SS-Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ zu ihrem Telegram-Motto gemacht hat, wird über Monate gerätselt und nachgefragt, wie H. mit vollem Namen heißen und wo er einsitzen könnte und über welche Rechtsanwälte Hilfe zu erwarten sei.
Selbst bei den verurteilten Holocaustleugner*innen Monika Schaefer und David Irving wird um Rat und Unterstützung gebeten. Während Schaefer empfiehlt, Mr. Bond möge sich nur ja nicht vom rechten Weg abbringen lassen, verwies der mit der österreichischen Justiz und dem Verbotsgesetz erfahrene Irving auf die Tochter seines ehemaligen und inzwischen nach Walhall abgegangenen einschlägigen Anwalts.
In der eifrigen Suche nach der Identität von „Mr. Bond“, versuchte „Linney“, mit einem Trick über das Standard-Forum an den Namen ranzukommen: Sie gab sich als über den wachsenden Antisemitismus Schockierte, die den inhaftierten Philip H. bekehren wollte: „Kann mir jemand eine Nachricht mit seinem vollen Namen senden, damit ich diesem Mann mehr Menschlichkeit geben kann durch die Gnade Gottes!?“ Ihren braunen Gesinnungskamerad*innen im Forum verriet „Linney“, ihr sei speiübel gewesen beim Eintippen dieser Zeilen. (Ob sie ihr Posting tatsächlich veröffentlicht hat, ist uns nicht bekannt.)
Irgendwann aber führten „Linneys“ Nachforschungen zum Erfolg: Stolz ließ sie die Community wissen, dass sie nach zehn Monaten H.s Identität, den Namen seines Anwalts in Erfahrung bringen und die Anklageschrift – fein säuberlich ins Englische übersetzt – auf diversen Plattformen zum Download bereitstellen konnte. Die wird seither in braunen Kreisen als Zeugnis für das vermeintlich unrechtmäßige Vorgehen der staatlichen Behörden gegen H. herumgereicht. In diversen Kanälen wird aufgerufen, „Mr. Bond“ zu unterstützen, natürlich monetär, aber auch durch aufmunternde Briefe in die Justizanstalt Josefstadt, wo H. seit Februar 2021 in Untersuchungshaft sitzt. Dabei gibt man Tipps, wie die Behörden zu verwirren und aufs Glatteis zu führen seien – einerseits, um die Absender-Identität zu verschleiern und andererseits über Nonsense-Texte, um sich einen Spaß zu machen: „Include a short paragraph detailing something completely innocuous. Like a home improvement project for example. Use obscure words that are not in common use. Guards will study the letter trying to decipher the „hidden code”. A funny joke to play on them.“
„He was a nice guy“
Geht es nach Trevis L., Verfasser eines Huldigungsartikels, war „Mr. Bond“ eine Art Superstar in der Szene. In einer schmalztriefenden Glorifizierung des Jahres 2016 als „a certain kind of romanticism and optimism“ für die Rechten wird „Mr. Bond“ als Inkarnation des damaligen Zeitgeistes bejubelt: „But if there was one person who truly embodied the zeitgeist of 2016, it would be P. H., a man better known by his stage name: Mr. Bond. Mr. Bond did not make 2016; he was 2016 made flesh.”
Zuvor hatte der Autor in einem braunen Forum um Meldungen von Personen gebeten, die „Mr. Bond“ kannten. Gefragt waren jedoch nur Statements, die den Nazi-Rapper in ein positives Licht stellen würden: „Here, I am looking for testimonials that might help humanize Mr. Bond and make him look good. So focus on the positive aspects. ‘He was a nice guy with a great sense of humor. Always there for a friend in need’. That kind of stuff.”
Kohle mit Songs
Auf Mail-Anfrage eines Fans, der die Songs in einer guten Qualität erstehen wollte, gab Mr. Bond zur Antwort, er verkaufe sie nicht, aber „Some people contribute shekels, but I mainly do it for the meme war.“ Die „Shekels“ dürften in Form von Kryptowährungen geflossen sein.
In einem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien ist die Rede von „der offensichtlichen Bestreitung seines Lebensunterhaltes” mit dem „Verkauf seiner Musik”. Allein über eines von Philip H.s Bitcoin-Wallets liefen zehntausende Euro an vermeintlichen [gemeint ist hier wohl „angeblichen“; Anmk. SdR] Spenden. (tagesschau.de, 2.2.22)
Fleißig gesammelt wird auch seit H.s Verhaftung, obwohl sehr lange Unklarheit bestand, für wen da gespendet werden sollte. Kohle soll auch über „Mr. Bond”-Merchandise-Artikel reinkommen, deren Preise sich offensichtlich danach ausrichten, möglichst viele Beträge mit „88“, also dem Code für „Heil Hitler“, zu generieren.
Es ist inzwischen bei Ermittlungen Standard,
nicht nur Telefon, E‑Mail-Accounts und die sozialen Medien [zu durchforsten], sondern auch Finanzströme, die zu einer Person führen. Doch bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien lässt man bezüglich des Rechtsextremisten Philip H. wissen: „Die Finanzströme wurden nicht untersucht und es liegen keine Informationen über allfällige Spender vor.” tagesschau.de, 2.2.22)
Hier scheint sich also nur mehr die Frage zu stellen, ob es am Desinteresse oder an Unfähigkeit der ermittelnden Behörden liegt, wenn nicht einmal der Versuch gemacht wird, „Mr. Bonds” Supporter*innen auf die Spur zu kommen.
➡️ Mr. Bond (Teil 2): die Anklage
➡️ Nazi-Bond ist abgestürzt