Vorneweg: Jene Anklageschrift, die die Neonazi-Freund*innen von „Mr. Bond“ verbreiten, ist eine beeinspruchte Version, an den wesentlichen Anklagepunkten dürfte sich jedoch nichts geändert haben.
Die StA Wien hat die Anklage präzisiert und erneut eingebracht. Doch auch diese landete nach einem Einspruch von Philip H. beim OLG. Diesmal aber vergeblich. Das Oberlandesgericht hat die Anklage zugelassen, damit muss sich der Kärntner demnächst vor Gericht verantworten, wie Christina Salzborn, Sprecherin des Landesgerichts Wien, am Dienstag bestätigt. (kleinezeitung.at, 2.2.22)
Dem 37-jährige Kärntner werden insgesamt mehr als 100 Punkte nach § 3g Verbotsgesetz zu Last gelegt. Begangen habe er die Straftaten in einem Tatzeitraum von 2013 bis zu seiner Verhaftung am 20.1.21. Den Kern der Anklage bilden Texte, die „Mr. Bond“ zu bekannten Songs als Coverversions hinzugedichtet und zwischen 2016 und 2019 veröffentlicht hat: In dem uns vorliegenden Schriftsatz sind 76 Passagen und Bebilderungen seiner Nazi-Texte angeführt.
Dazu kommen Ausschnitte aus Emails ab dem Oktober 2013, darunter etwa eine Nazi-Version des „Vater unser“, das dann als „Adolf unser“ betitelt von „Mr. Bond“ verschickt wurde oder auch – als ein Höhepunkt an Abscheulichkeit – das Bild eines jüdischen Babys kombiniert mit dem eines verbrannten Babys. Ebenfalls angelastet wird Philip H. der Besitz von NS-Propagandamaterial, das im Zuge der Hausdurchsuchung bei ihm sichergestellt wurde: Bücher, T‑Shirts mit dem Sonnenrad und dem Reichsadler; 2 Fahnen mit der Schwarzen Sonne und die Reichskriegsflagge.
H. soll als „Mr. Bond“ auch das Manifest des Christchurch-Attentäters ins Deutsche übersetzt, in einem Forum veröffentlicht und dabei mehrfach die „Schwarze Sonne“ und andere NS-Symbole verwendet haben. Seinen letzten 2019 veröffentlichten Song hatte „Mr. Bond“ dem australischen Mörder von 51 Menschen gewidmet. Die Staatsanwaltschaft geht dabei auch explizit auf die Bedeutung der „Schwarzen Sonne“ ein – deren Zur-Schau-Stellung die Grazer Polizei kürzlich in einem bedenklichen Akt als nicht strafbar eingeschätzt haben soll.
Die beiden Journalist*innen Christoph Mackinger und Sabina Wolf sind „Mr. Bond“ bereits vor seiner Verhaftung auf die Spur gekommen – damals noch in der Annahme, dass hinter dem Pseudonym ein Wiener stecken würde. Ganz falsch lagen sie damit möglicherweise nicht, denn laut Anklageschrift soll H. zwischen 2013 und 2018 in Wien gelebt haben.
Hinter politischen Ereignissen vermutet er [Mr. Bond] regelmäßig eine jüdische Verschwörung, und den Holocaust an sechs Millionen Juden leugnet er gleich völlig: „Holohoax”. Auch viele von Mr. Bonds – durchwegs männlichen – Onlinefreunden wünschen sich mehr rassistische Attentäter. In ihren Augen ist der Rechtsterrorist aus Christchurch ein Heiliger: „St. Brenton. Ich liebe diesen Mann”, schreibt der Wiener am Tag nach T.s kaltblütigem Mord an 51 Menschen. „Stellt euch 100 Brentons vor – auf der ganzen Welt!” Und weiter: „Auch wir müssen uns bereit machen, um losschlagen zu können, und das sehr bald.” (derstandard.at, 22.9.2020)
Als Mr. Bond über den Livestream mitbekommen hatte, dass der Halle-Attentäter seinen Song „Power Level“ als Soundtrack für die geplanten Mordtaten in der Synagoge ausgewählt hatte, war er noch angetan, aber am „14. Oktober 2019, wenige Tage nach dem Anschlag in Halle, zieht Mr. Bond in einem Forum enttäuscht Bilanz und schreibt: ‚Jetzt ist es offiziell. Der Typ erschoss nur zwei Deutsche, keine Moslems oder Ähnliches. Ein massives Versagen.’ ” (derstandard.at, 22.9.2020)
In der Anklage wird festgehalten, dass der Kärntner als besonders gefährlich einzustufen sei, er könne fähig sein, selbst ein Attentat zu begehen bzw. andere dazu mit seinen Texten aufzustacheln. Sein Verhalten nach der Verhaftung wird als unkooperativ bezeichnet, er soll sich bis jetzt nicht zu den Anklagepunkten geäußert haben. Dabei singt „Mr. Bond” in einem Song: „Ich hab keine Lust, mir den Mund zu verbieten.“ Seine Lust wird möglicherweise nicht der Grund dafür sein, dass von ihm in den nächsten Jahren keine weiteren Widerlichkeiten verbreitet werden. Dafür könnte eine Verurteilung im bevorstehenden Prozess sorgen.