Von der Kleinen Zeitung (Kärnten-Ausgabe 8.2.22, S. 20) befragt, erklärt Hermann Kandussi:
Es gibt keine Reden mehr, seit ich Obmann der Ulrichsberggemeinschaft bin, nichts Anrüchiges“, sagt Hermann Kandussi, der das Amt 2013 von Peter Steinkellner (ÖVP) und Rudolf Gallob (SPÖ) übernommen hat. Vielmehr arbeite man eng mit dem LVT zusammen. „Daher habe ich 2017 auch Martin Rutter eine Ansprache untersagt“, so Kandussi. Tauschitz schätze er sehr. „Es ist eine Sauerei, was mit ihm passiert, er war nie in der rechten Szene tätig.“
Kann schon sein, dass Tauschitz – außerhalb seiner beiden Reden beim Ulrichsbergtreffen – nie in der rechten Szene tätig war, jedoch obliegt es nicht Hermann Kandussi, Tauschitz auf dessen politische Aktivitäten und Kontakte zu beurteilen – das bleibt noch immer der Job des Verfassungsschutzes im Zuge einer Sicherheitsüberprüfung – zumal Kandussi ohnehin einen anderen Begriff von „rechte Szene“ zu haben scheint, als er im Fachdiskurs normalerweise verwendet wird.
Keine Reden?
Aber Kandussi plagen offenbar auch größere Gedächtnislücken, denn er wird bereits 2012 als Obmann der Ulrichsberggemeinschaft (UBG) genannt. Er war es auch, der an der Seite des bis heute unbelehrbaren und strammen Waffen-SS-Veteranen Herbert Bellschan von Mildenburg stand, als dieser beim Treffen eine Rede hielt (Foto hier). Und auch Kandussi selbst hat sein Denken sehr unverblümt zum Ausdruck gebracht, nämlich, dass die Einstufung der Waffen-SS als verbrecherische Organisation nicht hinzunehmen sei. „Das waren getriebene Richter. Sagen sie mir ein Verbrechen, das die Waffen-SS begangen hat.“ Von den „anderen SS-Leuten“ – sprich der Totenkopf-SS – distanziere er sich, “von der Waffen-SS nicht” (zit. nach heute.at, 16.9.12).
Der Rechtshistoriker und heutige Bildungs- und Wissenschaftsminister Martin Polaschek kommentierte dazu: „Zu leugnen, dass Mitglieder der Waffen-SS Kriegsverbrechen begangen haben, fällt eigentlich unter das Verbotsgesetz. Die Gräueltaten der Waffen-SS sind dokumentiert, auch bei Holocaust-Verbrechen.” (heute.at) Kandussi handelte sich damit tatsächlich eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz ein. Die Ermittlungen wurden schlussendlich eingestellt, weil laut Staatsanwaltschaft Kandussi kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte.
Treffen fanden, wenn auch immer wieder nicht direkt am Berg, jährlich weiter statt, und jährlich waren auch Alt- (von denen naturgemäß immer weniger) und Neonazis dabei. Die Website u‑berg.at, auf der viele Treffen gut dokumentiert sind, zeigt etwa aus ein Foto aus 2015 vom Lega Nord-Politiker Antonio Calligaris bei dessen Festrede, der auch Neonazis im Festzelt gelauscht haben.
Das DÖW widmete dem Ulrichsbergtreffen 2016 einen anschaulichen Beitrag:
Als Redner traten u. a. (…) der stolze Waffen-SS-Veteran Herbert Bellschan von Mildenburg, der ehemalige FPÖ-Politiker Karlheinz Klement und (wie bereits 2013) der US-Kroate Tomislav Sunić auf. Letzterer hatte bereits im Februar auf einer rechtsextremen Kundgebung in Klagenfurt gesprochen (siehe: Tomislav Sunić zu Gast bei Identitären).
Am „Kameradschaftsabend” haben dem Vernehmen nach rund 200 Personen teilgenommen, die Kranzniederlegung zog nach Medienangaben fast 150 Personen an. Darunter befand sich auch eine aus dem Kölner Raum angereiste Delegation der offen neonazistischen Partei Die Rechte. In ihrem Reisebericht freuen sich die deutschen Neonazis über ein „mehr als gelungen[es]” Wochenende, wenig überraschend wollen sie auch 2017 wieder teilnehmen.
Da haben wir also als Redner nochmals Bellschan von Mildenburg, dazu den Faschisten Tomislav Sunić und Karlheinz Klement. Der von der FPÖ dreimal ausgeschlossene Klement wurde im Laufe seiner Jahre immer verhaltensauffälliger. 2009 kassierte er rechtskräftig eine Verurteilung wegen Verhetzung, und 2010 mischte er bei der Gründung der neonazistischen „Europäischen Aktion“ mit. Trotz seiner einschlägigen Vorgeschichten durfte er 2016 auftreten, aber daran kann sich Kandussi offenbar nicht erinnern, denn es habe ja keine Reden gegeben.
Apropos 2013: Gut gelaunt berichten deutsche Neonazis von ihrer Teilnahme am Treffen.
Hervorgehoben wird, dass sie schon vor Beginn des offiziellen Programms die Gelegenheit hatten, sich mit „Zeitzeugen” der Wehrmacht und Waffen-SS, u. a. auch mit einem Angehörigen aus der „SS-Leibstandarte Adolf Hitler”, zu unterhalten. (…) Daneben freuen sich die deutschen Neonazis, dass beim heurigen „Ulrichsbergtreffen” auch Kontakte zu einer „jungen Kameradschaft in der Ostmark” aufgenommen werden konnten. (doew.at, Sep. 2013)
Aber Hermann Kandussi subsumiert seine Obmannschaft ja anders: keine Reden, nichts Anrüchiges. Dafür arbeitet er mit dem Landesverfassungsschutz zusammen. Mit dem neuen Chef möglicherweise besonders gut. Bleibt die Frage, was denn nun wirklich eine Sauerei ist.
.@eisbaerhelmut von der Kleinen Zeitung hat dem Kärntner LVT-Chef #Tauschitz in einem langen Interview eingangs die richtige Frage gestellt: „Wann treten Sie zurück?“ „Diese Frage stellt sich nicht“, antwortete Tauschitz. Wirklich? Thread 1/8 pic.twitter.com/cRenqbc3hC
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) February 6, 2022
➡️ Kritik an neuem Chef des Kärntner Verfassungsschutzes weitet sich aus
➡️ Das rechtsextreme Ulrichsbergtreffen: Kultstätte einer „verbrecherischen Organisation”