Am Donnerstag, 3.11.2016 fanden am Wiener Landesgericht gleich drei Wiederbetätigungsprozesse statt – zeitgleich. Einer davon war Martin S. gewidmet, der auch wegen schwerer Nötigung angeklagt ist. In einer Unterkunft für Obdachlose hat er laut Anklage nämlich nicht nur mit Hitlergruß und „Sieg Heil“-Parolen Aufsehen erregt, sondern auch, weil er einem Mitbewohner, der ihn wegen seiner Nazi-Aktivitäten gerügt hatte, das Messer an den Hals gesetzt hat.
S. bestreitet die Nazi-Parolen, gibt aber zu, „rechte Sachen“ gesagt zu haben, aber immer nur im privaten Kreis. Er habe nie „jemanden anderen aufgestachelt“, zitiert ihn die „Wiener Zeitung“, die als einzige über den Prozess berichtet.
Klingt nett, stimmt aber nicht. Martin hat auf Facebook unter einem Fake-Bild mit Eva Glawischnig (bei dem man sich wundert, warum ausgerechnet so etwas nicht den moralischen Alarm der Facebook-Tugendwächter ausgelöst hat) die Parole verbreitet: „Ihr dreckigen Denunziantenschweine! Fickt euch ihr Volksverräter!“ Das hat zu einer Verurteilung wegen Beleidigung geführt, die dem Martin offenbar entfallen ist.
„Ruhm und Ehre“, ein Spruch, den Alt- und Neonazis der Waffen-SS widmen, hat er auf einen Knöchel seiner Hand tätowiert, zahlreiche Facebook-Seiten, die sich der Waffen-SS widmen, gefallen ihm ebenso wie Norbert Hofer, die FPÖ, die Identitären, Pegida, der Front National und natürlich HC und UFO-TV.
Dem Gericht erzählt er eine Geschichte von frühkindlicher Prägung durch seine Großeltern, bei denen er aufgewachsen ist – beide Opas waren angeblich bei der SS. „Ständig habe er vom Russlandfeldzug der Nazis gehört, SS-Uniformen seien in der Wohnung gehangen. Fotos in NS-Posen seien gemacht worden. ‚Für einen Jungen war das schon interessant’, sagt er. In seine Schulhefte habe er immer den Reichsadler gemalt. Es habe deswegen „Probleme gegeben.” (Wiener Zeitung)
Gut, mittlerweile ist er einige Jahre älter, aber nach einer Phase der Normalität wieder voll drauf. Vor Gericht bejammert er sich in allen Phasen seines Lebens als Opfer. Das kontrastiert oft ziemlich mit dem Bild, das er sonst über sich verbreiten will. Auf Facebook versucht er zumeist den coolen Lover rauszuhängen, postet „auf viele Anfragen hin“ ein paar „Pics vom Accountinhaber“ und wünscht den „Ladys“ (viel Spaß beim Betrachten. Weil einige der geladenen Zeugen nicht erschienen sind, wurde auf Mitte Dezember vertagt.