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Rückblick KW 43/23

Ein Pro­zess und zwei Beru­fun­gen, ein geoute­ter Ex-FPÖ­­ler und ein FPÖ-Chef mit auto­ri­tä­ren Fan­ta­sien, eine Mas­sen­schlä­ge­rei mit Hit­ler­gruß und eine Ras­sis­mus­stu­die mit schlech­tem Ergeb­nis, NS-Geschmie­­re und ‑Gekle­be, und zuletzt Erfreu­li­ches: Raz­zi­en in Deutsch­land gegen Neo­na­zis. Salz­burg: Pro­zess nach Ver­bots­ge­setz ver­tagt Ried/OÖ: Zwei Beru­fun­gen durch die Staats­an­walt­schaft OÖ: FPÖ-Chef Haim­buch­ner setzt Jour­na­lis­ten mit Isla­mis­ten gleich Graz: […]

2. Nov 2023

Salzburg: Prozess nach Verbotsgesetz vertagt
Ried/OÖ: Zwei Berufungen durch die Staatsanwaltschaft
OÖ: FPÖ-Chef Haimbuchner setzt Journalisten mit Islamisten gleich
Graz: Ex-FPÖler und Polizist Michael Winter von FPÖ geoutet
Österreich-EU: Schlechtester Platz in Rassismus-Studie
Telfs/T: Massenschlägerei und NS-Parolen
Ampflwang/OÖ: Hakenkreuz-Schmierage auf Gemeindeamt
Gallneukirchen/OÖ: Zahlreiche NS-Aufkleber im Ort verteilt
Deutschland: Razzien im Neonazi-Musikproduktionsmilieu

Salzburg: Prozess nach Verbotsgesetz vertagt

Ein Geschwo­re­nen­pro­zess nach dem Ver­bots­ge­setz am Salz­bur­ger Lan­des­ge­richt wur­de ver­gan­ge­nen Mon­tag auf 27. Novem­ber ver­tagt. Ange­klagt ist ein 53-jäh­ri­ger Por­tu­gie­se, dem ange­las­tet wird, er habe Anfang April die­ses Jah­res zwei SPÖ-Wahl­hel­fer beim Anbrin­gen eines Pla­kats beschimpft und sinn­ge­mäß gesagt, es brau­che „wie­der einen Hit­ler“. Die Ver­tei­di­gung kon­ter­te, der Mann habe den NS nicht glo­ri­fi­zie­ren, son­dern im Gegen­teil mah­nen wol­len, denn das Pla­kat habe ihn an die faschis­ti­sche Dik­ta­tur in Por­tu­gal erin­nert. Die Rich­te­rin ver­tag­te, auch weil eine phy­si­sche Erkran­kung des Man­nes ange­führt wur­de – sie will die behan­deln­den Ärzt*innen hören. (Quel­le: Salz­bur­ger Nach­rich­ten, 24.10.23, S. L4)

Ried/OÖ: Zwei Berufungen durch die Staatsanwaltschaft

In den ver­gan­ge­nen Wochen fan­den im Lan­des­ge­richt Ried meh­re­re bri­san­te Pro­zes­se nach dem Ver­bots­ge­setz bzw. im Zusam­men­hang mit neo­na­zis­ti­scher Akti­vi­tät statt. Nun wur­den zwei Beru­fun­gen nach Schuld­sprü­chen angemeldet.

Es geht ein­mal um Dani­el F., jenen Neo­na­zi, der wegen sei­ner im Schwimm­bad Brau­nau zur Schau gestell­ten NS-Tat­toos für Auf­re­gung gesorgt hat­te und zu 24 Mona­ten Haft, davon acht unbe­dingt, ver­ur­teilt wur­de. Dem Staats­an­walt ist das zu wenig. Er erklär­te gegen­über den „Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten“ zu dem lan­ge amts­be­kann­ten Wiederholungstäter:

„Es war die vier­te Ver­ur­tei­lung wegen des Ver­bre­chens nach 3g Ver­bots­ge­setz. Der Mann hat­te jah­re­lang Zeit, sich die Nazi-Täto­wie­run­gen ent­fer­nen zu las­sen. Pas­siert ist trotz drei­er ein­schlä­gi­ger Ver­ur­tei­lun­gen nichts. Daher for­dert die Staats­an­walt­schaft Ried eine höhe­re Stra­fe“. (nachrichten.at, 27.10.23)

Der­sel­be Staats­an­walt mel­de­te außer­dem Beru­fung gegen die Straf­hö­he gegen Manu­el S. (aka „Spee­dy“) an. Der u.a. wegen Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz und Ver­bre­chen nach dem Ver­bots­ge­setz mehr­fach vor­be­straf­te 42-jäh­ri­ge Inn­viert­ler wur­de vor­letz­te Woche wegen des Ver­kaufs von 420 Gramm Amphet­amin zu einer Frei­heits­stra­fe von 18 Mona­ten unbe­dingt ver­ur­teilt. „Spee­dy“ ist aus dem Umfeld des inzwi­schen zer­schla­ge­nen neo­na­zis­ti­schen Ver­eins „Objekt 21“ bekannt und steht zudem in mut­maß­li­cher kri­mi­nel­ler Ver­bin­dung zu dem rechts­extre­men Motor­rad­club „Ban­di­dos“, bei dem Ende Juni ein rie­si­ges Arse­nal von Waf­fen und NS-Devo­tio­na­li­en gefun­den wur­de. Vor die­sem Hin­ter­grund wun­dert es kaum, dass dem Staats­an­walt das Urteil zu mil­de ist. Das Ober­lan­des­ge­richt Linz muss nun über die bei­den Beru­fun­gen ent­schei­den. (nachrichten.at)

OÖ: FPÖ-Chef Haimbuchner setzt Journalisten mit Islamisten gleich

Der ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ-Chef und Lan­des­haupt­mann-Stv. Man­fred Haim­buch­ner hat in einer Rede, die von dem Jour­na­lis­ten Diet­mar Mascher (OÖ-Nach­rich­ten) in einem Social-Media-Post zitiert wur­de, fol­gen­den Satz vom Sta­pel gelas­sen: „Wenn Her­bert Kickl Kanz­ler wird, wird er eini­gen Beneh­men bei­brin­gen: Isla­mis­ten und Jour­na­lis­ten.

Der infa­me Satz zielt einer­seits dar­auf ab, unlieb­sa­me Journalist*innen mit isla­mis­ti­schen Mör­der­ban­den gleich­zu­set­zen. Ande­rer­seits bedient er durch die Ver­wen­dung des mora­li­sie­ren­den und ent­po­li­ti­sie­ren­den Begriffs „Beneh­men“ ein auto­ri­tä­res Bedürf­nis nach Ab- und Bestra­fung, das für die rechts­extre­me Füh­rer­kult-Par­tei FPÖ typisch ist. Die SPÖ-Par­la­men­ta­rie­rin Sabi­ne Schatz hat Haim­buch­ners Bemer­kung via X (vor­mals Twit­ter) auf­ge­grif­fen und die berech­tig­te Fra­ge gestellt, was der ÖVP-Lan­des­haupt­mann Stel­zer zu der­lei auto­ri­tä­ren Ergüs­sen sagt:

Graz: Ex-FPÖler und Polizist Michael Winter von FPÖ geoutet

Micha­el Win­ter war lang­jäh­ri­ger FPÖ-Poli­ti­ker in Graz, bis er zum KFG („Kor­rup­ti­ons­frei­er Gemein­de­rats­klub“) wech­sel­te, für den er nun im Gemein­de­rat sitzt. Dabei han­delt es sich um eine FPÖ-Abspal­tung, die nach dem dor­ti­gen Kol­laps der Par­tei im Zuge eines Finanz­skan­dal gegrün­det wur­de. Win­ter ist außer­dem Poli­zist. Ver­gan­ge­ne Woche, am 25.10., war er aller­dings der Grund eines Poli­zei­ein­sat­zes: Er soll sei­ne Ehe­frau im Gesicht ver­letzt haben, Details sind nicht bekannt. Aller­dings erhielt er, wie es bei poten­zi­el­len Gefähr­dern vor­ge­schrie­ben ist, eine poli­zei­li­che Weg­wei­sung und zudem ein vor­über­ge­hen­des Waf­fen­ver­bot. (orf.at, 26.10.23)

Dass es sich bei der Per­son um Micha­el Win­ter han­delt, wur­de von der stei­ri­schen FPÖ in einer Pres­se­aus­sendung geoutet, die ein­deu­tig auf sei­ne Per­son schlie­ßen lässt, ohne jedoch den Namen genannt zu haben. Damit zeigt die frei­heit­li­che Trup­pe erneut die inti­me Feind­schaft, die sie mitt­ler­wei­le mit ihren Ex-Par­tei­an­ge­hö­ri­gen ver­bin­det – was wohl auf Wech­sel­sei­tig­keit beruht. Das Outing hat Win­ter dann offen­bar zum Anlass genom­men, sei­ne Unschuld gegen­über der „Klei­nen Zei­tung“ zu beteu­ern, der er auch die Zeu­gen­ein­ver­nah­me sei­ner Frau zur Unter­maue­rung vor­leg­te. (kleinezeitung.at, 27.10.23)

Win­ter wur­de übri­gens im Jahr 2008, als er stei­ri­scher RFJ-Obmann war, rechts­kräf­tig wegen Ver­het­zung ver­ur­teilt, womit er sei­ner Mut­ter, Susan­ne Win­ter, zuvor kam: Sie wur­de bekannt­lich als FPÖ-Abge­ord­ne­te im Jahr 2009 wegen einer inhalt­lich ähn­li­chen ras­sis­ti­schen Ver­het­zung ver­ur­teilt.

Österreich-EU: Schlechtester Platz in Rassismus-Studie

In einer empi­ri­schen Stu­die zu Ras­sis­mus gegen schwar­ze Men­schen, die letz­te Woche von der Euro­päi­schen Agen­tur für Grund­rech­te (FRA) ver­öf­fent­licht wur­de, schnei­den Deutsch­land und Öster­reich unter den 13 befrag­ten Staa­ten am schlech­tes­ten ab. „Dem­nach gaben 76 bezie­hungs­wei­se 72 Pro­zent der Befrag­ten an, in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren wegen ihrer Haut­far­be, Her­kunft oder Reli­gi­on benach­tei­ligt wor­den zu sein.“ (derstandard.at, 25.10.23)

Der Durch­schnitt aller 13 Län­der liegt bei 45 Pro­zent aller Befrag­ten. Ins­ge­samt ist das Ergeb­nis alar­mie­rend, denn im Ver­gleich zu einer vori­gen Stu­die aus dem Jahr 2016 ist ein deut­li­cher Anstieg von Ras­sis­mus­er­fah­run­gen zu ver­zeich­nen. Der FRA-Direk­tor O’F­la­her­ty nennt die­sen Trend „scho­ckie­rend“ und for­dert die EU-Staa­ten auf, einer­seits bei der Erhe­bung ihrer Daten genau­er zu wer­den und ande­rer­seits Straf­ta­ten mit ras­sis­ti­schem Hin­ter­grund här­ter zu bestra­fen. Ganz an der Spit­ze liegt Öster­reich in der Stu­die auch hin­sicht­lich Dis­kri­mi­nie­rung durch die Poli­zei und Dis­kri­mi­nie­rung bei der Arbeits­su­che. Bei ras­sis­tisch moti­vier­ten Über­grif­fen liegt Öster­reich im vor­de­ren Feld, eben­so bei per­sön­li­chen Gewalt­er­fah­run­gen und ras­sis­ti­schen Beleidigungen/Drohungen an Schu­len. (Quel­le: derstandard.at, 25.10.23)

Telfs/T: Massenschlägerei und NS-Parolen

Am Abend des 28.10. kam es in Tefls zu einer hef­ti­gen Schlä­ge­rei zwi­schen zwei Grup­pen beim loka­len Sport­zen­trum. Nach poli­zei­li­chen Anga­ben wur­den dabei fünf Per­so­nen ver­letzt, drei von ihnen muss­ten in ein Inns­bru­cker Kran­ken­haus gebracht wer­den. Eine Per­son soll wäh­ren des Gewalt­ex­zes­ses mehr­mals mit erho­be­ner Hand „Sieg Heil“ und „Heil Hit­ler“ geschrien haben, die Poli­zei erstat­te­te Anzei­ge nach dem Ver­bots­ge­setz. (Quel­le: tt.com, 29.10.23)

Ampflwang/OÖ: Hakenkreuz-Schmierage auf Gemeindeamt

In der Gemein­de Ampfl­wang wur­de zum zwei­ten Mal inner­halb von weni­gen Wochen das Gemein­de­amt, in dem auch die ört­li­che Poli­zei­wa­che unter­ge­bracht ist, mit Haken­kreu­zen und Beschimp­fun­gen beschmiert. Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz wur­den erstat­tet (meinbezirk.at, 30.10.23). Die loka­le Poli­tik, ins­be­son­de­re der SPÖ-Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Kien­ast, reagier­te gegen­über den „Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten“ mit Empö­rung. Betont wur­de auch, dass

die Gemein­de erst kürz­lich einen „Mei­len­stein“ in der Erin­ne­rungs­kul­tur gesetzt hat­te. Wie berich­tet, wur­de am 7. Okto­ber eine Gedenk­ta­fel für die Ampfl­wan­ger Kauf­manns­fa­mi­lie Grü­ner ent­hüllt. Oskar, der jüngs­te Sohn der Fami­lie, wur­de im Alter von 13 Jah­ren im Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz von den Nazis ermor­det. (OÖ Nach­rich­ten, 30.10.23, S. 24)

Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die brau­nen Van­da­len­ak­te im Zusam­men­hang mit der Ent­hül­lung der Gedenk­ta­fel stehen.

Gallneukirchen/OÖ: Zahlreiche NS-Aufkleber im Ort verteilt

Es ist heu­er bereits der drit­te Van­da­len­akt mit neo­na­zis­ti­schem Hin­ter­grund in der Gemein­de Gall­neu­kir­chen: Ver­gan­ge­ne Woche wur­den zahl­rei­che Auf­kle­ber mit Slo­gans wie „NS-Zone“ oder „Fuck Anti­fa“ im Ort ange­bracht, etwa an Pla­kat­stän­dern und Later­nen­mas­ten, aber auch an Schau­käs­ten der Sozia­lis­ti­schen Jugend (SJ) und der Grü­nen sowie am Jugend­zen­trums­ein­gang. (Quel­le: meinbezirk.at, 30.10.23)

Deutschland: Razzien im Neonazi-Musikproduktionsmilieu

In Deutsch­land erfolg­te am 26.10. ein gro­ßer behörd­li­cher Schlag gegen ein inter­na­tio­nal agie­ren­des Neo­na­zi-Musik­netz­werk. Der Rechts­extre­mis­mus­exper­te Andre­as Speit berich­te­te dar­über aus­führ­lich für die taz:

Wie das nie­der­säch­si­sche Innen­mi­nis­te­ri­um mit­teil­te, durch­such­ten rund 250 Ein­satz­kräf­te drei Objek­te in Nie­der­sach­sen sowie wei­te­re in Ham­burg, Ber­lin, Thü­rin­gen, Rhein­land-Pfalz und Baden-Würt­tem­berg – sowie eines auf Mal­lor­ca. (…) Im thü­rin­gi­schen Fret­ter­ode fand bei der lang­jäh­ri­gen NPD-Grö­ße Thors­ten Hei­se eine Raz­zia statt. Die ZKI (die ermit­teln­de Zen­tra­le Kri­mi­nal­in­spek­ti­on Olden­burg, Anmer­kung SdR) hält ihm und wei­te­ren Beschul­dig­ten vor, durch den Ver­trieb von „volks­ver­het­zen­der rechts­extre­mer Musik“ eine „kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung“ zu bil­den“ (taz.de, 26.10.23)

Den Haus­durch­su­chun­gen waren nach Poli­zei­an­ga­ben mona­te­lan­ge Ermitt­lun­gen vor­an­ge­gan­gen, Nie­der­sach­sen dürf­te den Schwer­punkt dabei gebil­det haben – drei Objek­te wur­den hier durchsucht.
Mit dem Ver­bot der „Ham­mers­kins“ gab es erst vor kur­zem einen groß ange­leg­ten Schlag gegen die Neo­na­zi­sze­ne in Deutsch­land, bei dem eben­falls Rechts­rock-Struk­tu­ren zen­tra­ler Bestand­teil der Ermitt­lun­gen waren. (Quel­le: taz.de)