Misogynie, Femizide, Rechtsextremismus und die FPÖ mit doppelter Zunge
Über den Zusammenhang zwischen Misogynie und Rechtsextremismus ist bereits viel publiziert worden. Die deutsche „Amadeu Antionio Stiftung“ veröffentlichte Ende 2022 die Analysebroschüre „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“, in der die wichtigsten Zusammenhänge und Begrifflichkeiten kompakt dargestellt sowie Fallanalysen geboten werden. Zentral bei Femiziden, also der Tötung von Frauen durch Männer, weil sie Frauen sind, ist, dass sie im engeren Familien- oder Beziehungsverband begangen werden: durch (ehemalige) Ehe- oder Lebenspartner, oft im Zuge von und nach Trennungen.
Femizide und Gewalttaten gegenüber Frauen würden häufig durch den Begriff „Beziehungstat“ individualisiert, heißt es in der Broschüre. „Die mediale und juristische Darstellung als ‚Ehe-Drama‘ oder ‚Familientragödie‘ perpetuieren auf diese Weise eine Entpolitisierung.“ (S. 45)
Durch die Bezeichnung eines Femizides als „Ehedrama” wird suggeriert, dass es sich hierbei um einen tragischen Einzelfall handle, der nichts mit gesellschaftlichen Strukturen zu tun habe. Die Thematik wird somit entpolitisiert – entgegen der feministischen Analyse, dass das Private politisch sei. Kommt eine Ebene hinzu, auf der Marginalisierung eine Rolle spielt – etwa, wenn der Tatverdächtige als Muslim oder als Migrant gelesen wird – ist eine rassistische Deutung („Ehrenmord“) keine Seltenheit. In beiden Fällen wird vernachlässigt, dass auch einige Angehörige der Mehrheitsgesellschaft ihren cis männlichen Überlegenheitsanspruch mitunter gewaltvoll umsetzen. Das Beklagen einer verlorenen Geschlechterordnung kann demnach nichts anderes sein als eine sexistische Machtfantasie, in der cis Männer hierarchisch über anderen Menschen stehen. Genau an dieser Stelle entsteht eine Brücke zwischen sexistischen Tendenzen in der Mehrheitsgesellschaft und sexistischen rechtsextremen Ideologien. (S. 14)
Nachdem im Fall des Grazer Ex-Parteikollegen Michael Winter, der beschuldigt wird, seine Frau geschlagen zu haben, die FPÖ noch vor wenigen Tagen via Presseaussendung verlautbart hatte, „Gewalt an Frauen darf nicht bagatellisiert werden. (…) Der geschilderte Fall ist kein Kavaliersdelikt. Wenn nun einfach zur Tagesordnung übergegangen wird, machen sie jene, die ansonsten immer gegen Gewalt gegen Frauen eintreten, völlig unglaubwürdig.“, will die Partei im viel schwerwiegenderen Fall ihres eigenen Politikers keinen Parteizusammenhang gelten lassen. In einer kurz gehaltenen Presseaussendung anlässlich des gestern bekannt gewordenen Falls ließ sie zum „tragischen Tod einer 39-jährigen Reitstallbesitzerin“ wissen, dass beide, Täter und Opfer, „FPÖ-Mitglieder“ gewesen seien und:
Die Tat ist eine menschliche Tragödie und ein absoluter Wahnsinn. Aus Rücksicht auf die Familienangehörigen und Hinterbliebenen bitten wir darum, verantwortungsvoll damit umzugehen. Der Versuch, einen darüberhinausgehenden Zusammenhang mit der FPÖ Niederösterreich zu konstruieren, ist widerlich und menschenverachtend.
Im Mai 2021 fantasierte der FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Presseaussendung: „Nicht Frauenbild der österreichischen Männer, sondern irre Gewalttäter und Zuwanderung sind das Problem.“ Kurz: Wenn österreichische Männer zu Tätern werden, sind sie „irr“, wenn es Männer mit Migrationshintergrund sind, ist es das „Frauenbild von Zuwanderern vor allem aus islamischen Ländern“.
David G.
David G.s Leichnam wurde gestern ebenfalls gefunden. Er habe Suizid begangen, nachdem er, so diverse Medienberichte, die Frau, mit der er liiert war, durch einen Kopfschuss getötet und ihren Leichnam auf einem Friedhof in Tschechien abgelegt haben soll.
G. hat eine aufstrebende Karriere in der niederösterreichischen FPÖ hinter sich: Stadtparteiobmann, Stadtrat, und als Nachfolger von Walter Rosenkranz avancierte er im Dezember 2022 zum Bezirksparteiobmann. Fotos zeigen ihn oft mit Parteigranden. Seine Facebook-Timeline ist – wenig verwunderlich – mit freiheitlichen Inhalten und Sujets gefüllt, seine seltenen eigenen Postings richteten sich gegen alle Feindbilder der FPÖ und gegen „Faschisten“ – damit meinte er etwa die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
Frauen, die abtreiben, bezeichnete G. noch als 26-Jähriger als „zu Fleisch gewordene Dämonen für die sich selbst der Teufel genieren müsste“, einen Mann, der den konservativen Weg eingeschlagen hat, erklärt er in demselben Posting, „weil er die feministische Scheiße zuhause nicht mehr aushält und sich schämen muss“. Im Juni trat er für natürliche Mütter, Töchter und starke Frauen und gegen „den Links-Woken Frauenhass“ auf.
Befreundet war G. auf Facebook mit vielen – auch aus dem rechtsextremen Milieu außerhalb der FPÖ. Auffällig darunter ist der Neonazi Hans Jörg Schimanek jun., der in zwei Accounts als Profilbild ein Foto aus seiner Zeit in der neonazistischen Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO) verwendet. H.J.Schimanek jun. „organisierte bis 1991 gemeinsam mit Küssel (ca. 100) ‚paramilitärische Übungen‘. Seinen Gesinnungsgenossen zeigte er etwa wie man Messer durch Kehlen schneide.“ (Wikipedia) Schimanek stammt wie G. aus Langenlois, der Bruder ist – inzwischen ohne Mandat aus der zweiten Reihe – in der lokalen FPÖ tätig, in der G. Obmann war.
Etliche aus G.s Freundschaftsliste haben sich seit gestern verabschiedet. Neue Einträge in seiner Facebook-Chronik von befreundeten Accounts adressieren David G.: „David es tut mir unendlich leid wie das passieren konnte!“, „Lieber David schade wie dein Leben zu Ende gegangen ist !!“, „Ruhe in Frieden Kamerad“. Die ermordete Frau findet keine Erwähnung. Es war ja nur eine „menschliche Tragödie“.
Exkurs: Die blaue Granitfestung
Schönbach ist eine kleine Marktgemeinde im Waldviertel: 758 Einwohner*innen weist der Eintrag auf Wikipedia mit 1.1.2023 aus. Noch kleiner ist Aschen, eine Katastralgemeinde von Schönbach, die von 55 Menschen bewohnt wird. Dort befindet sich ein Reitstall – und an der gleichen Adresse der Verein „Granitfestung Erhaltung und Bewahrung von österreichischer Kultur und Brauchtum“.
Den Verein gibt es noch nicht lange – für 26. Juni 2023 ist sein Entstehungsdatum im Vereinsregister vermerkt. Obmann ist Franz Oysmüller. Der hat zwar 2020 für die FPÖ in der Gemeinde Zwettl kandidiert, für eine Gemeinderatssatz hat es jedoch bei weitem nicht gereicht. Auf einem Veranstaltungsfoto der „Granitfestung“ posiert Oysmüller mit einem T‑Shirt des rechtsextremen Verschwörungssenders AUF1.
Die „Granitfestung“ ist auf Facebook mit einem Wotansknoten als Profil- und Headerbild und einer Freundesliste, die deutlich rechtsextrem durchwirkt ist, präsent. Neben dem Chef der rechtsextremen „Freien Bürgerpartei Österreich” sind dort auch Florian Machl, der Macher von report24 und Michael Scharfmüller, der Macher von Info-Direkt vertreten. Letzterer „durfte“ erst vor wenigen Tagen einen Vortrag über die „Funktionsweise von Medien“ halten. Zünftig in kurzer Lederhose. Vor ihm referierte ein ungarischer Journalist ebenfalls über Medien: Kohán Mátyás von der wöchentlichen Online-Zeitung „Mandiner“, die wie die meisten Medien in Ungarn zu einer Orbán-nahen Stiftung gehört. Die „Granitfestung“ fasste die wesentlichen Inhalte seines Vortrags in ausgewogener Darstellung zusammen: „Im Bereich der Pressefreiheit scheint es ein ausgewogenes System zu sein.“ Michael Scharfmüller hat diese Zusammenfassung gefallen. Möglicherweise hat er da Anregungen für seinen eigenen Vortrag erhalten.
Sonst war noch nicht viel los in der „Granitfestung“. Der mittlerweile in der Wiener Leopoldstadt lebende deutsche Spitzel und Hetzer Irfan Peci, der durch rassistische Parolen auch Martin Sellner positiv aufgefallen und ebenfalls bestens in der rechtsextremen Szene verankert ist, war ebenfalls schon in der Waldviertler Festung zu Gast. Für den Herbst waren „neben vielen tollen Vortragenden“ auch „noch tolle Workshops zum Thema Wasseradern suchen, Brot backen, Rauchwerk herstellen, Obstbaumschnitt“ angekündigt. Ein Workshop zum Thema „CDL“, also wie man die bei Corona-Schwurblern sehr beliebte Chlordioxidlauge selber herstellen kann, fand schon im August statt.
Vermutlich werden die angekündigten „tollen“ Veranstaltungen in der „Granitfestung“ nicht stattfinden können. Die FPÖ-Funktionärin und Besitzerin des Bauernhofes, bei dem der Verein eingetragen ist, wurde ermordet – mutmaßlich vom stellvertretenden Schriftführer des Vereins, dem FPÖ-Bezirksparteiobmann David G..
Update 23.22.23: Der Nachfolger von David G. als Stadtrat wird sein Vorgänger, René Schimanek.