Die Anmeldung zum braunen Treffen (6.–8.10.23) inklusive Zahlung des Ticketpreises erfolgte über die deutsche Neonazi-Partei „Der III. Weg“. Der genaue Veranstaltungsort würde nach der Anmeldung bekannt gegeben, hieß es in der Bewerbung für den Kongress, der zu Ehren des schweren Holocaustleugners Gerd Honsik ausgerichtet wurde.
Während in Sopron diverse Initiativen gegen das Neonazi-Meeting mobilisierten und u.a. vor dem Haus in der „Lehár Ferenc utca“, das einst der 2018 verstorbene Honsik erworben und dessen Tochter an eine Gruppierung rund um Gottfried Küssel verkauft hatte, protestierten, versammelten sich laut Eigenangabe etwa 60 braune Kameraden neben den österreichischen Gastgebern aus der Schweiz, Deutschland, Italien, Tschechien, Ungarn und Schweden in Wien – und zwar im „Centimeter“ am Währinger Gürtel 1, wie etliche veröffentlichte Fotos und ein Abgleich durch den Journalisten Christof Mackinger belegen.

Der Wirt will jedoch sein eigenes Lokal nicht erkannt haben. Mackinger hat ihn für „Die Zeit“ befragt:
Auf Nachfrage von ZEIT ONLINE will der Betreiber der Lokalkette, Heinz Pollischansky, an besagtem Wochenende „nichts Auffälliges” beobachtet haben. Auf Vorlage der online veröffentlichten Fotos vom Kongress entgegnet er, er sei „unsicher”, ob er seine eigenen Kellerräumlichkeiten auf den Bildern erkenne. Ein Besuch des Lokals aber lässt keinen Zweifel – die auffällige Wandvertäfelung, die Bestuhlung und zuletzt der Wandschmuck – der Gerd-Honsik-Europa-Kongress fand im Wiener Bezirk Währing statt. (zeit.de, 25.10.23)
Man habe sich am Freitagabend (6.10.23) „mit Kameraden in einer Volksgaststätte [getroffen], wo man kaum Zeit hatte, das Lokal zu betreten, schon wurde man mit echtem österreichischen Wiener Schnitzel und Bier verwöhnt“ (Übersetzung mit Deepl, Anmk. SdR), schwärmt ein skandinavischer Neonazi.
„Blutmystik“ im Centimeter
In diversen Meldungen von Teilnehmern wird auch mehr über das zuvor nur kursorisch beschriebene Line-up verraten: Zuerst sei „ein österreichischer Nationalist“ – zweifellos eine euphemistische Umschreibung für Neonazi – aufgetreten. Danach durfte der Schwede Fredrik Vejdeland von der Nordischen Widerstandsbewegung (auf Schwedisch „Nordiska motståndsrörelsen“ – NMR) zum Rednerpult schreiten. „Zahlreiche rassistische und homofeindliche Gewalttaten, Anschläge und einige Morde gegen vermeintlich Andersdenkende sowie ‚politische Gegner*innen‘ gehen auf das Konto der Bewegung“, schreibt Belltower 2020 in einem ausführlichen Artikel zur NMR. Vejdeland ließ sich in Nazi-Jargon über die „Invasion von Rassenfremden” nach Europa aus und beklagte, dass die „globale Elite” „arisches Kanonenfutter” für ihre Kriege rekrutieren würde.
Nach Vejdeland sei Pierre Krebs aufgetreten. Der Gründer des rechtsextremen „Thule Seminars“ und Vertreter der Rassenlehre wurde vor einem Jahr wegen Volksverhetzung in Deutschland verurteilt. Vertreten wurde er vom Neonazi-Anwalt Wolfgang Nahrath. Krebs ist auch Mitglied der vor wenigen Wochen behördlich verbotenen neonazistischen „Artgemeinschaft“. „Dieser Vortrag war akademisch und esoterisch, aber auch in mehrfacher Hinsicht radikal, wenn es um Blutmystik, arische Archetypen und die Rassenseele ging“, fasst der skandinavische Neonazi Krebs‘ Vortrag in Wien zusammen.
Nach den Ausführungen von Krebs sei der aus Bozen stammende Davide Brancaglion von der italienischen neofaschistischen Gruppierung „CasaPound“, der wir ein eindeutig zuordenbares Foto aus dem „Centimeter“ zu verdanken haben, zu Wort gekommen. Auch Brancaglion war im letzten Jahr vor Gericht und wurde dort zu sechs Monaten unbedingter Haft wegen Körperverletzung verurteilt. Er attackierte 2016 einen Jugendlichen, weil der vor dem CasaPound-Quartier die Partisanen-Hymne „Bella Ciao“ mit dem Handy abgespielt hatte.
Zum Schluss habe „ein Aktivist von ‚Der Dritte Weg‘, der die Belagerung von Budapest miterlebte, wo deutsche und ungarische Truppen heldenhaft gegen die Sowjetunion kämpften, ein Tag, der heute als Glory Day bekannt ist und jedes Jahr mit einem Gedenkmarsch begangen wird“, über „alternatives Heldengedenken” und die „historischen Hintergründe der heldenhaften Verteidigung von Budapest” geredet. Der angesprochene geschichtsrevisionistische „Aktivist“ muss bereits ein hohes Alter aufweisen, wenn er beim „heldenhaften“ Kampf von SS-Einheiten und der deutschen Wehrmacht gegen die sowjetischen Truppen 1944/45 dabei gewesen sein soll.
Parlamentarische Anfrage
Die Grünen haben nun zum klandestinen Neonazi-Treffen eine parlamentarische Anfrage eingebracht und wollen vom Innenminister u.a. wissen, ob der Nazi-Auflauf, der mit einem Rundgang durch die Wiener Innenstadt endete, vom Verfassungsschutz überwacht wurde und ob Straftaten beobachtet wurden. Einen Vorgeschmack auf die Antwort hat das Innenministerium auf Nachfrage durch „Die Zeit“ bereits geliefert: „Der österreichische Bundesinnenministerium teilt auf Nachfrage mit, der Verfassungsschutz erteile keine Auskünfte zu überwachten Personen und Gruppen. Würden ’strafrechtlich relevante Sachverhalte bekannt’, würden diese bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.” Ja, wenn sie denn bekannt geworden wären!