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Rückblick KW 39/23

Brau­ne Tat­toos und Neo­na­­zi-Gewalt vor Gericht, Ermitt­lun­gen gegen FPÖ-Nach­­wuchs ein­ge­stellt. Brau­nau-Ried: Brau­ne Tat­toos digi­tal und in natu­ra Wien: Gewalt­tä­ti­ger Neo­na­zi-Hoo­li­gan ver­ur­teilt Flach­gau-Salz­burg: NS-Tat­toos brin­gen Täto­wie­rer vor Gericht Kla­gen­furt: Ver­fah­ren gegen FPÖ-Nach­wuchs in Kärn­ten ein­ge­stellt Brau­nau-Ried: Brau­ne Tat­toos digi­tal und in natu­ra Eigent­lich lie­ße sich der Pro­zess am 26.9. gegen Dani­el F., jener Neo­na­zi, der wegen […]

2. Okt 2023

Braunau-Ried: Braune Tattoos digital und in natura
Wien: Gewalttätiger Neonazi-Hooligan verurteilt
Flachgau-Salzburg: NS-Tattoos bringen Tätowierer vor Gericht
Klagenfurt: Verfahren gegen FPÖ-Nachwuchs in Kärnten eingestellt

Braunau-Ried: Braune Tattoos digital und in natura

Eigent­lich lie­ße sich der Pro­zess am 26.9. gegen Dani­el F., jener Neo­na­zi, der wegen sei­nes Auf­trit­tes im Schwimm­bad Brau­nau für Auf­re­gung gesorgt hat­te, in weni­gen Wor­ten zusam­men­fas­sen: Ange­klag­ter ist sich kei­ner Schuld bewusst, woll­te und will sich nicht wie­der­be­tä­ti­gen, ist geläu­tert. Wird bezüg­lich sei­ner Tat­toos schul­dig gespro­chen, drei eben­falls ange­klag­te Face­book-Pos­tings blei­ben straffrei.

Und eigent­lich wäre F. ein Fall, der nor­ma­ler­wei­se unter der öffent­li­chen Wahr­neh­mungs­schwel­le ver­han­delt wor­den wäre. Sein Pech war jedoch das selt­sa­me Ver­hal­ten von zwei Poli­zis­ten, die am 9. Juli nach der Anzei­ge durch einen deut­schen Bade­gast „aus ermitt­lungs­tak­ti­schen Grün­den“, wie es danach hieß, vor der Kas­se des Bade­ge­län­des gewar­tet hat­ten, um dann unver­rich­te­ter Din­ge wie­der abzuziehen.

Eine Woche spä­ter ging die Cau­sa medi­al hoch. Doch auch davon hat­te F. zunächst nichts mit­be­kom­men und ist mit Freun­din und Kin­dern am 15. Juli noch­mals ins Brau­nau­er Bad mar­schiert – inklu­si­ve bes­tens sicht­ba­rer Nazi-Tat­toos. Dort wur­de er jedoch von einem Bade­meis­ter ange­spro­chen, der ihm sogar Pflas­ter zum Abkle­ben sei­ner Täto­wie­run­gen (Toten­kopf mit Stahl­helm und SS-Runen, „Blut und Ehre“- sowie „Blood & Honour“-Schriftzug, Schwar­ze Son­ne und „H8“ auf den Fin­gern) ange­bo­ten hatte.

Die Vor­ge­schich­ten des 32-jäh­ri­gen F. sind viel­fäl­tig: Neben drei Ver­ur­tei­lun­gen nach dem Ver­bots­ge­setz zwi­schen 2006 und 2013 fass­te er im Lau­fe der Jah­re noch Stra­fen wegen Tier­quä­le­rei, gefähr­li­cher Dro­hung, Sach­be­schä­di­gung, Urkun­den­un­ter­drü­ckung, Dieb­stahl und Kör­per­ver­let­zung aus. Auch das Jahr 2023 hat­te für F. mit juris­ti­schen Pro­ble­men bereits im Früh­jahr begon­nen: Im Mai klopf­ten bei ihm Ermitt­lungs­be­hör­den zum Zweck einer Haus­durch­su­chung an. Der Grund: drei Face­book-Pos­tings aus den Jah­ren 2015 und 2021, auf denen Tei­le sei­ner Tat­toos, die er gericht­lich ange­ord­net schon vor Jah­ren ent­fer­nen las­sen hät­te müs­sen, sicht­bar waren. Die­se Fotos wur­den im Lau­fe des Pro­zes­ses zum Streit­punkt: Waren die Tat­toos dar­auf erkenn­bar oder nicht? Für uns waren sie deut­lich iden­ti­fi­zier­bar, die Geschwo­re­nen spra­chen F. in die­sen Punk­ten spä­ter jedoch frei.

Die berech­tig­te Fra­ge an F., war­um er denn auch nach der Haus­durch­su­chung wegen der Fotos mit den Täto­wie­run­gen auch noch ins Schwimm­bad gegan­gen ist? Er habe sie ver­ges­sen, ant­wor­te­te F., denn er schaue jeden Tag in den Spie­gel, 700 Mal im Jahr – Gewöh­nungs­ef­fekt also! Nazi sei er jeden­falls kei­ner, er habe kei­ne Zeit gehabt, sich die Tat­toos ent­fer­nen zu las­sen, außer­dem sei das teu­er. Wir hät­ten ger­ne gewusst, war­um F., der behaup­te­te, mit der brau­nen Sze­ne seit zehn Jah­ren abge­schlos­sen zu haben, noch immer mit ein­schlä­gi­gen Kame­ra­den auf Face­book kom­mu­ni­zier­te; die Fra­ge hat ihm aber nie­mand gestellt.

Für die Zur­schau­stel­lung der Tat­toos im Schwimm­bad erhielt F. am einen Schuld­spruch und 24 Mona­te Haft, davon acht unbe­dingt. Dem Staats­an­walt war das zu wenig: Er leg­te nach dem Pro­zess Beru­fung ein. Die nächs­te Run­de folgt also am Ober­lan­des­ge­richt Linz.

Die „Kro­ne” (2.10.23) weiß inzwi­schen zu berich­ten, dass die Ermitt­lun­gen gegen die zwei poli­zei­li­chen „Hel­den” ein­ge­stellt wur­den: „Die Staats­an­walt­schaft Ried bestä­tig­te das Ende der Ermitt­lun­gen gegen die zwei Poli­zis­ten, die auch nie vom Dienst sus­pen­diert waren.”

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Wien: Gewalttätiger Neonazi-Hooligan verurteilt

Am Wie­ner Lan­des­ge­richt wur­de am 26. Sep­tem­ber der 28-jäh­ri­ge Matej K. rechts­kräf­tig zu einer beding­ten Frei­heits­stra­fe von 18 Mona­ten mit drei­jäh­ri­ger Bewäh­rung sowie einer Ver­pflich­tung zur Scha­dens­er­satz­zah­lung von 1000 Euro, ver­ur­teilt. Ein Urteil, das ein­ge­denk der mehr­fa­chen Delik­te außer­or­dent­lich sanft wirkt. Matej K. hat am 10. Jän­ner nicht nur mehr­fach gegen das Ver­bots­ge­setz ver­sto­ßen („Heil Hit­ler“- und „Sieg Heil“-Rufe), son­dern auch zwei Frau­en atta­ckiert und verletzt.

Die ers­te Per­son wur­de zu sei­nem Opfer, weil sie ihn beim Uri­nie­ren in der Öffent­lich­keit gese­hen hat­te. K. ver­folg­te sie dar­auf­hin, beschimpf­te sie („bleib ste­hen, du lin­ke Sau“) und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, anschlie­ßend soll er noch „Sieg Heil“ geschrien haben. Die Frau erlitt eine Schä­del­prel­lung. Kurz dar­auf kam es zum nächs­ten Gewalt­vor­fall in einer U‑Bahnstation. K. atta­ckier­te eine Frau, nach­dem sie ihn, gemein­sam mit einer anwe­sen­den Freun­din, wegen lau­ter „Sieg Heil“-Rufe anspro­chen hat­te. Er beschimpf­te sie dar­auf­hin ras­sis­tisch, bespuck­te und ohr­feig­te sie. Als die bei­den Frau­en zum Aus­gang der Sta­ti­on woll­ten, um die Poli­zei zu ver­stän­di­gen, gab K. der geschla­ge­nen Frau einen Fuß­tritt, sodass sie die Roll­trep­pe nach unten stürzte.

Matej K. war alko­ho­li­siert, was letzt­lich (neben sei­nem bis dato angeb­lich „ordent­li­chen Lebens­wan­del“) straf­mil­dernd wirk­te. Aller­dings han­delt es sich bei K. nicht um einen blo­ßen Ras­sis­ten, der ein­mal betrun­ken aus­ras­tet, son­dern um einen in der Neo­na­zi-Sze­ne orga­ni­sier­ten Hoo­li­gan, der auch dem Ver­fas­sungs­schutz bekannt ist, des­sen Ein­schät­zung vor Gericht ein­be­zo­gen wur­de. Dem­nach ist K. Mit­glied bei der neo­na­zis­ti­schen Grup­pe „Tanz­bri­ga­de“, hat­te Kon­tak­te zur neo­na­zis­ti­schen Klein­par­tei „Der III. Weg“ und dürf­te auch mit dem Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel bekannt sein – Letz­te­res belegt zumin­dest ein Foto von einem Hand­shake, den K. vor Gericht auch zugab.

Zudem wur­de er bereits vor den inkri­mi­nier­ten Taten von anti­fa­schis­ti­schen Aktivist*innen wegen angeb­li­cher Über­grif­fe gegen links oder migran­tisch gele­se­ne Per­so­nen im 16. Bezirk als ras­sis­ti­scher Gewalt­tä­ter geoutet: Ein Pla­kat mit einer War­nung vor dem Mann wur­de ver­öf­fent­licht, mit­samt Foto von K. und sei­nem Face­book-Pseud­onym „Matej Ven­dis“. Pas­send dazu: Vor Gericht wur­de auch ein zwei­ter Gewalt­vor­fall von Anfang Febru­ar im 16. Bezirk ver­han­delt, für den K. sich aller­dings „nicht schul­dig“ bekann­te und auch frei­ge­spro­chen wur­de. Es ging dabei um den angeb­li­chen Ver­such einen Mann mit Pfef­fer­spray zu attackieren.

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➡️ Bericht auf meinbezirk.at: Mann schlägt Frau­en und ruft „Sieg Heil” in Wien

Flachgau-Salzburg: NS-Tattoos bringen Tätowierer vor Gericht

Am Don­ners­tag muss­te sich ein 47-jäh­ri­ger Täto­wie­rer wegen des Vor­wurfs der Wie­der­be­tä­ti­gung vor dem Salz­bur­ger Lan­des­ge­richt ver­ant­wor­ten. Der Flach­gau­er hat­te einem Bekann­ten NS-Sym­bo­le auf die Haut täto­wiert: laut Staats­an­walt­schaft eine „Schwar­ze Son­ne“, einen „Wotans­kno­ten“ und den Spruch „Arbeit adelt“. Im Schwur­ge­richts­saal will der Mann von der Bedeu­tung die­ser Sym­bo­le nichts gewusst haben. Mehr noch: Er bezeich­ne­te sich selbst gar als Anti­fa­schis­ten. Aller­dings wur­den im Zuge einer Haus­durch­su­chung bei dem Mann auch NS-Devo­tio­na­li­en und ein ver­bo­te­ner Schlag­ring gefun­den. Der Schuld­spruch lau­tet 15 Mona­te Haft auf Bewäh­rung für natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wie­der­be­tä­ti­gung, nicht rechts­kräf­tig. (krone.at, 28.9.23)

Klagenfurt: Verfahren gegen FPÖ-Nachwuchs in Kärnten eingestellt

Die Ermitt­lun­gen wegen Ver­het­zung gegen drei Beschul­dig­te der Kärnt­ner FPÖ-Jugend wur­de am Diens­tag durch die Kla­gen­fur­ter Staats­an­walt­schaft ein­ge­stellt. Es ging dabei um zwei Face­book-Pos­tings: Eines zeig­te zum Welt­flücht­lings­tag Sta­chel­draht, in einem zwei­ten for­der­ten die Nach­wuchs­funk­tio­nä­re einen Stopp der „Slo­we­ni­sie­rung“ Kärn­tens, von der Blaue bekannt­lich seit Jahr­zehn­ten hal­lu­zi­nie­ren. Die Begrün­dung für die Ein­stel­lung laut Behör­den­spre­che­rin: Es habe sich tech­nisch nicht fest­stel­len las­sen, wer die Pos­tings ver­öf­fent­licht hat­te und die Beschul­dig­ten sei­en nicht gestän­dig gewe­sen. Das slo­we­nen­feind­li­che Pos­ting hat­te im Febru­ar bereits für eine diplo­ma­ti­sche Ver­stim­mung gesorgt, die öster­rei­chi­sche Bot­schaf­te­rin wur­de des­halb ins slo­we­ni­sche Außen­mi­nis­te­ri­um zitiert. (derstandard.at, 26.9.23)