Braunau-Ried: Braune Tattoos digital und in natura
Wien: Gewalttätiger Neonazi-Hooligan verurteilt
Flachgau-Salzburg: NS-Tattoos bringen Tätowierer vor Gericht
Klagenfurt: Verfahren gegen FPÖ-Nachwuchs in Kärnten eingestellt
Braunau-Ried: Braune Tattoos digital und in natura
Eigentlich ließe sich der Prozess am 26.9. gegen Daniel F., jener Neonazi, der wegen seines Auftrittes im Schwimmbad Braunau für Aufregung gesorgt hatte, in wenigen Worten zusammenfassen: Angeklagter ist sich keiner Schuld bewusst, wollte und will sich nicht wiederbetätigen, ist geläutert. Wird bezüglich seiner Tattoos schuldig gesprochen, drei ebenfalls angeklagte Facebook-Postings bleiben straffrei.
Und eigentlich wäre F. ein Fall, der normalerweise unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle verhandelt worden wäre. Sein Pech war jedoch das seltsame Verhalten von zwei Polizisten, die am 9. Juli nach der Anzeige durch einen deutschen Badegast „aus ermittlungstaktischen Gründen“, wie es danach hieß, vor der Kasse des Badegeländes gewartet hatten, um dann unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.
Eine Woche später ging die Causa medial hoch. Doch auch davon hatte F. zunächst nichts mitbekommen und ist mit Freundin und Kindern am 15. Juli nochmals ins Braunauer Bad marschiert – inklusive bestens sichtbarer Nazi-Tattoos. Dort wurde er jedoch von einem Bademeister angesprochen, der ihm sogar Pflaster zum Abkleben seiner Tätowierungen (Totenkopf mit Stahlhelm und SS-Runen, „Blut und Ehre“- sowie „Blood & Honour“-Schriftzug, Schwarze Sonne und „H8“ auf den Fingern) angeboten hatte.
Die Vorgeschichten des 32-jährigen F. sind vielfältig: Neben drei Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz zwischen 2006 und 2013 fasste er im Laufe der Jahre noch Strafen wegen Tierquälerei, gefährlicher Drohung, Sachbeschädigung, Urkundenunterdrückung, Diebstahl und Körperverletzung aus. Auch das Jahr 2023 hatte für F. mit juristischen Problemen bereits im Frühjahr begonnen: Im Mai klopften bei ihm Ermittlungsbehörden zum Zweck einer Hausdurchsuchung an. Der Grund: drei Facebook-Postings aus den Jahren 2015 und 2021, auf denen Teile seiner Tattoos, die er gerichtlich angeordnet schon vor Jahren entfernen lassen hätte müssen, sichtbar waren. Diese Fotos wurden im Laufe des Prozesses zum Streitpunkt: Waren die Tattoos darauf erkennbar oder nicht? Für uns waren sie deutlich identifizierbar, die Geschworenen sprachen F. in diesen Punkten später jedoch frei.
Die berechtigte Frage an F., warum er denn auch nach der Hausdurchsuchung wegen der Fotos mit den Tätowierungen auch noch ins Schwimmbad gegangen ist? Er habe sie vergessen, antwortete F., denn er schaue jeden Tag in den Spiegel, 700 Mal im Jahr – Gewöhnungseffekt also! Nazi sei er jedenfalls keiner, er habe keine Zeit gehabt, sich die Tattoos entfernen zu lassen, außerdem sei das teuer. Wir hätten gerne gewusst, warum F., der behauptete, mit der braunen Szene seit zehn Jahren abgeschlossen zu haben, noch immer mit einschlägigen Kameraden auf Facebook kommunizierte; die Frage hat ihm aber niemand gestellt.
Für die Zurschaustellung der Tattoos im Schwimmbad erhielt F. am einen Schuldspruch und 24 Monate Haft, davon acht unbedingt. Dem Staatsanwalt war das zu wenig: Er legte nach dem Prozess Berufung ein. Die nächste Runde folgt also am Oberlandesgericht Linz.
Die „Krone” (2.10.23) weiß inzwischen zu berichten, dass die Ermittlungen gegen die zwei polizeilichen „Helden” eingestellt wurden: „Die Staatsanwaltschaft Ried bestätigte das Ende der Ermittlungen gegen die zwei Polizisten, die auch nie vom Dienst suspendiert waren.”
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Gewalttätiger Neonazi-Hooligan verurteilt
Am Wiener Landesgericht wurde am 26. September der 28-jährige Matej K. rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit dreijähriger Bewährung sowie einer Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung von 1000 Euro, verurteilt. Ein Urteil, das eingedenk der mehrfachen Delikte außerordentlich sanft wirkt. Matej K. hat am 10. Jänner nicht nur mehrfach gegen das Verbotsgesetz verstoßen („Heil Hitler“- und „Sieg Heil“-Rufe), sondern auch zwei Frauen attackiert und verletzt.
Die erste Person wurde zu seinem Opfer, weil sie ihn beim Urinieren in der Öffentlichkeit gesehen hatte. K. verfolgte sie daraufhin, beschimpfte sie („bleib stehen, du linke Sau“) und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, anschließend soll er noch „Sieg Heil“ geschrien haben. Die Frau erlitt eine Schädelprellung. Kurz darauf kam es zum nächsten Gewaltvorfall in einer U‑Bahnstation. K. attackierte eine Frau, nachdem sie ihn, gemeinsam mit einer anwesenden Freundin, wegen lauter „Sieg Heil“-Rufe ansprochen hatte. Er beschimpfte sie daraufhin rassistisch, bespuckte und ohrfeigte sie. Als die beiden Frauen zum Ausgang der Station wollten, um die Polizei zu verständigen, gab K. der geschlagenen Frau einen Fußtritt, sodass sie die Rolltreppe nach unten stürzte.
Matej K. war alkoholisiert, was letztlich (neben seinem bis dato angeblich „ordentlichen Lebenswandel“) strafmildernd wirkte. Allerdings handelt es sich bei K. nicht um einen bloßen Rassisten, der einmal betrunken ausrastet, sondern um einen in der Neonazi-Szene organisierten Hooligan, der auch dem Verfassungsschutz bekannt ist, dessen Einschätzung vor Gericht einbezogen wurde. Demnach ist K. Mitglied bei der neonazistischen Gruppe „Tanzbrigade“, hatte Kontakte zur neonazistischen Kleinpartei „Der III. Weg“ und dürfte auch mit dem Neonazi Gottfried Küssel bekannt sein – Letzteres belegt zumindest ein Foto von einem Handshake, den K. vor Gericht auch zugab.
Zudem wurde er bereits vor den inkriminierten Taten von antifaschistischen Aktivist*innen wegen angeblicher Übergriffe gegen links oder migrantisch gelesene Personen im 16. Bezirk als rassistischer Gewalttäter geoutet: Ein Plakat mit einer Warnung vor dem Mann wurde veröffentlicht, mitsamt Foto von K. und seinem Facebook-Pseudonym „Matej Vendis“. Passend dazu: Vor Gericht wurde auch ein zweiter Gewaltvorfall von Anfang Februar im 16. Bezirk verhandelt, für den K. sich allerdings „nicht schuldig“ bekannte und auch freigesprochen wurde. Es ging dabei um den angeblichen Versuch einen Mann mit Pfefferspray zu attackieren.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
➡️ Bericht auf meinbezirk.at: Mann schlägt Frauen und ruft „Sieg Heil” in Wien
Flachgau-Salzburg: NS-Tattoos bringen Tätowierer vor Gericht
Am Donnerstag musste sich ein 47-jähriger Tätowierer wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung vor dem Salzburger Landesgericht verantworten. Der Flachgauer hatte einem Bekannten NS-Symbole auf die Haut tätowiert: laut Staatsanwaltschaft eine „Schwarze Sonne“, einen „Wotansknoten“ und den Spruch „Arbeit adelt“. Im Schwurgerichtssaal will der Mann von der Bedeutung dieser Symbole nichts gewusst haben. Mehr noch: Er bezeichnete sich selbst gar als Antifaschisten. Allerdings wurden im Zuge einer Hausdurchsuchung bei dem Mann auch NS-Devotionalien und ein verbotener Schlagring gefunden. Der Schuldspruch lautet 15 Monate Haft auf Bewährung für nationalsozialistische Wiederbetätigung, nicht rechtskräftig. (krone.at, 28.9.23)
Klagenfurt: Verfahren gegen FPÖ-Nachwuchs in Kärnten eingestellt
Die Ermittlungen wegen Verhetzung gegen drei Beschuldigte der Kärntner FPÖ-Jugend wurde am Dienstag durch die Klagenfurter Staatsanwaltschaft eingestellt. Es ging dabei um zwei Facebook-Postings: Eines zeigte zum Weltflüchtlingstag Stacheldraht, in einem zweiten forderten die Nachwuchsfunktionäre einen Stopp der „Slowenisierung“ Kärntens, von der Blaue bekanntlich seit Jahrzehnten halluzinieren. Die Begründung für die Einstellung laut Behördensprecherin: Es habe sich technisch nicht feststellen lassen, wer die Postings veröffentlicht hatte und die Beschuldigten seien nicht geständig gewesen. Das slowenenfeindliche Posting hatte im Februar bereits für eine diplomatische Verstimmung gesorgt, die österreichische Botschafterin wurde deshalb ins slowenische Außenministerium zitiert. (derstandard.at, 26.9.23)