Beginnen wir mit Braunau. Das Innenministerium will ja, dass in das Hitler-Geburtshaus in der Vorstadt in Zukunft die Polizei einzieht, auf dass sie ein wachsames Auge auf die Hitler-Fans und Neonazis werfe, die vor dem Haus defilieren. Das könnte ins Auge gehen, denn die Braunauer Polizei hat Anfang Juli bei einem Vorfall im Braunauer Freibad augenscheinlich demonstriert, dass sie nicht besonders interessiert ist, Neonazis in die Schranken zu weisen.
Einer Familie aus Bayern war aufgefallen, dass am 9. Juli im Freibad eine Gruppe junger Männer mit Nazi-Tattoos lagerte. Insgesamt fünf bis sechs Männer. Die Polizei wurde angefordert. Die zwei Polizisten, die daraufhin erschienen, vermieden aber – „aus einsatztaktischen Gründen“ (ooe.orf.at, 17.7.23) – den Kontakt mit den Beschuldigten und wollten den Bademeister und den Anzeigenleger mit näheren Ermittlungen beauftragen. Das berichtete zunächst einmal nur die „BezirksRundschau“ rund eine Woche nach dem Vorfall am 15. Juli. Ein Tweet von „Stoppt die Rechten“ am Tag darauf und die Ankündigung des Abgeordneten David Stögmüller, den Innenminister dazu befragen zu wollen, weckten in den nächsten Tagen nicht nur die österreichische Medienöffentlichkeit auf.
Der oö Aktionsplan gg Extremismus in Aktion: Frau ruft Polizei,weil im Braunauer Schwimmbad Männer mit Nazi-Tattoos lungern. Was nun angeblich folgt, glaubst du nicht: Polizei kommt zwar, betritt das Bad aber nicht, sondern meint, der Bademeister solle die Männer rausbringen. 1/3 pic.twitter.com/00tEP2i46c
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) July 16, 2023
Bei dem deutschen Badegast war die untätige Braunauer Polizei an den Falschen geraten, denn der wusste genau, was er gesehen hatte und was zu tun gewesen wäre, da er ein auf Rechtsextremismus spezialisierter bayrischer Polizist ist. Die Staatsanwaltschaft Ried ordnete Ermittlungen an, durch die in Kürze zumindest einer der unbekannten Verdächtigen gefunden werden konnte. Bingo! Daniel F. (32) ist wahrlich kein Unbekannter, sondern schon seit weit mehr als einem Jahrzehnt in der Neonazi-Szene aktiv, was ihm bisher drei Vorstrafen wegen NS-Wiederbetätigung eingetragen hat. „Der 32-jährige Innviertler fiel früher auch durch andere Delikte unangenehm auf: Körperverletzungen, Drohungen, Nötigungen.“ (nachrichten.at, 27.7.23)
Auffällig sind nicht nur seine Tattoos, sondern auch seine Freundschaften zu den einschlägigen Neonazi-Größen von Objekt 21 (O 21). Nicht bloß auf Facebook, sondern dokumentiert auch durch die Attacke auf ein Kebap-Lokal in Braunau, die er – gerade aus der Haft wegen Wiederbetätigung entlassen – gemeinsam mit dem O 21-Neonazi Michael B. durchgeführt hatte.
Die Anklageschrift gegen den in U‑Haft genommen F. ist laut Staatsanwaltschaft Ried bereits fertig gestellt. Ermittelt wird noch gegen jenen deutschen Badegast (58), der am 19. August in einem Strandbad am Klopeinersee in Kärnten seine am rechten Wadl tätowierten Sig-Runen, Symbol der SS, offen zur Schau trug. Auch in diesem Fall waren es Badegäste, die die Polizei verständigten, die, anders als in Braunau, den braunen Badegast kurzfristig festnahm und wegen Wiederbetätigung anzeigte. Es geht also – sogar in Kärnten! Wenn man allerdings ein früherer blauer Spitzenpolitiker wie Kurt Scheuch ist, dann kann ein rechtsextremer Runenfreund als Privatgutachter für Entlastung vom Vorwurf der Wiederbetätigung sorgen.
Der deutlich nach Rechtsaußen abgerutschte Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, der bei einer Pressekonferenz im August mit der Jugendstaatssekretärin eine halb geöffnete Weste trug, unter der kokett ein T‑Shirt mit zwei Runen hervorlugen durfte, brauchte bisher noch keinen rechten Runologen. Seine Argumentation, dass es sich dabei um das (teilweise verdeckte) Logo der Pagan-Metal-Band „Steinalt“ handle, für die er ein wenig Werbung machen habe wollen, verfing sogar bei einigen Linken: Ja, wenn das so ist!
Wir machen trotzdem darauf aufmerksam, dass die Verwendung bestimmter Runen wie der Sig-Rune – egal ob einzeln oder doppelt ausgeführt – schon nach dem Abzeichengesetz verboten und mit einer Verwaltungsstrafe bewehrt ist, aber auch zu einer Anzeige bzw. Strafverfolgung nach dem Verbotsgesetz führen kann.