Lesezeit: 4 Minuten

Braune Wadln, Runen und die Polizei

Sind Nazi-Runen straf­bar? In Ober­ös­ter­reich nicht, aber in Kärn­ten schon? In Kärn­ten aber auch nur dann, wenn man kein blau­er Spit­zen­po­li­ti­ker ist? Darf die Poli­zei aus „ein­satz­tak­ti­schen Grün­den“ weg­schau­en? Ist ein rechts abge­rutsch­ter Jugend­for­scher, der mit der Sig-Rune am T‑Shirt her­um­spa­ziert und pro­vo­zie­ren will, ent­schul­digt? Begin­nen wir mit Brau­nau. Das Innen­mi­nis­te­ri­um will ja, dass in […]

25. Aug 2023
Odalrune 29.7.23 Wien (© RechercheNetzwerk. Berlin)
Odalrune 29.7.23 Wien (© RechercheNetzwerk. Berlin)

Begin­nen wir mit Brau­nau. Das Innen­mi­nis­te­ri­um will ja, dass in das Hit­ler-Geburts­haus in der Vor­stadt in Zukunft die Poli­zei ein­zieht, auf dass sie ein wach­sa­mes Auge auf die Hit­ler-Fans und Neo­na­zis wer­fe, die vor dem Haus defi­lie­ren. Das könn­te ins Auge gehen, denn die Brau­nau­er Poli­zei hat Anfang Juli bei einem Vor­fall im Brau­nau­er Frei­bad augen­schein­lich demons­triert, dass sie nicht beson­ders inter­es­siert ist, Neo­na­zis in die Schran­ken zu weisen.

Angesichts der Untätigkeit der Braunauer Polizei ein äußerst schlecht gealterter Tweet des oberösterr. Landespolizeidirektors Andreas Pilsl ausgerechnet an Hitlers Geburtstag: "Die Polizei ist in #OÖ besonders sensibel und verfolgt jede politische Straftat rigoros. Die Neugestaltung der #Polizeiinspektion in Braunau ist ein gelungenes Projekt und beendet rechtsradikale Umtriebe!" (Screenshot Twitter 20.4.22)
Ange­sichts der Untä­tig­keit der Brau­nau­er Poli­zei ein äußerst schlecht geal­ter­ter Tweet des ober­ös­terr. Lan­des­po­li­zei­di­rek­tors Pilsl (Screen­shot Twit­ter 20.4.22)

Einer Fami­lie aus Bay­ern war auf­ge­fal­len, dass am 9. Juli im Frei­bad eine Grup­pe jun­ger Män­ner mit Nazi-Tat­toos lager­te. Ins­ge­samt fünf bis sechs Män­ner. Die Poli­zei wur­de ange­for­dert. Die zwei Poli­zis­ten, die dar­auf­hin erschie­nen, ver­mie­den aber – „aus ein­satz­tak­ti­schen Grün­den“ (ooe.orf.at, 17.7.23) – den Kon­takt mit den Beschul­dig­ten und woll­ten den Bade­meis­ter und den Anzei­gen­le­ger mit nähe­ren Ermitt­lun­gen beauf­tra­gen. Das berich­te­te zunächst ein­mal nur die „Bezirks­Rund­schau“ rund eine Woche nach dem Vor­fall am 15. Juli. Ein Tweet von „Stoppt die Rech­ten“ am Tag dar­auf und die Ankün­di­gung des Abge­ord­ne­ten David Stög­mül­ler, den Innen­mi­nis­ter dazu befra­gen zu wol­len, weck­ten in den nächs­ten Tagen nicht nur die öster­rei­chi­sche Medi­en­öf­fent­lich­keit auf.

Bei dem deut­schen Bade­gast war die untä­ti­ge Brau­nau­er Poli­zei an den Fal­schen gera­ten, denn der wuss­te genau, was er gese­hen hat­te und was zu tun gewe­sen wäre, da er ein auf Rechts­extre­mis­mus spe­zia­li­sier­ter bay­ri­scher Poli­zist ist. Die Staats­an­walt­schaft Ried ord­ne­te Ermitt­lun­gen an, durch die in Kür­ze zumin­dest einer der unbe­kann­ten Ver­däch­ti­gen gefun­den wer­den konn­te. Bin­go! Dani­el F. (32) ist wahr­lich kein Unbe­kann­ter, son­dern schon seit weit mehr als einem Jahr­zehnt in der Neo­na­zi-Sze­ne aktiv, was ihm bis­her drei Vor­stra­fen wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung ein­ge­tra­gen hat. „Der 32-jäh­ri­ge Inn­viert­ler fiel frü­her auch durch ande­re Delik­te unan­ge­nehm auf: Kör­per­ver­let­zun­gen, Dro­hun­gen, Nöti­gun­gen.“ (nachrichten.at, 27.7.23)

Auf­fäl­lig sind nicht nur sei­ne Tat­toos, son­dern auch sei­ne Freund­schaf­ten zu den ein­schlä­gi­gen Neo­na­zi-Grö­ßen von Objekt 21 (O 21). Nicht bloß auf Face­book, son­dern doku­men­tiert auch durch die Atta­cke auf ein Kebap-Lokal in Brau­nau, die er – gera­de aus der Haft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ent­las­sen – gemein­sam mit dem O 21-Neo­na­zi Micha­el B. durch­ge­führt hatte.

F. postet Tattoo mit SS-Totenkopf auf FB (Screenshot FB)
F. pos­tet Tat­too mit SS-Toten­kopf auf FB (Screen­shot FB)

Die Ankla­ge­schrift gegen den in U‑Haft genom­men F. ist laut Staats­an­walt­schaft Ried bereits fer­tig gestellt. Ermit­telt wird noch gegen jenen deut­schen Bade­gast (58), der am 19. August in einem Strand­bad am Klo­pei­ner­see in Kärn­ten sei­ne am rech­ten Wadl täto­wier­ten Sig-Runen, Sym­bol der SS, offen zur Schau trug. Auch in die­sem Fall waren es Bade­gäs­te, die die Poli­zei ver­stän­dig­ten, die, anders als in Brau­nau, den brau­nen Bade­gast kurz­fris­tig fest­nahm und wegen Wie­der­be­tä­ti­gung anzeig­te. Es geht also – sogar in Kärn­ten! Wenn man aller­dings ein frü­he­rer blau­er Spit­zen­po­li­ti­ker wie Kurt Scheuch ist, dann kann ein rechts­extre­mer Runen­freund als Pri­vat­gut­ach­ter für Ent­las­tung vom Vor­wurf der Wie­der­be­tä­ti­gung sorgen.

Der deut­lich nach Rechts­au­ßen abge­rutsch­te Jugend­for­scher Bern­hard Heinz­l­mai­er, der bei einer Pres­se­kon­fe­renz im August mit der Jugend­staats­se­kre­tä­rin eine halb geöff­ne­te Wes­te trug, unter der kokett ein T‑Shirt mit zwei Runen her­vor­lu­gen durf­te, brauch­te bis­her noch kei­nen rech­ten Runo­lo­gen. Sei­ne Argu­men­ta­ti­on, dass es sich dabei um das (teil­wei­se ver­deck­te) Logo der Pagan-Metal-Band „Stein­alt“ hand­le, für die er ein wenig Wer­bung machen habe wol­len, ver­fing sogar bei eini­gen Lin­ken: Ja, wenn das so ist!

Wir machen trotz­dem dar­auf auf­merk­sam, dass die Ver­wen­dung bestimm­ter Runen wie der Sig-Rune – egal ob ein­zeln oder dop­pelt aus­ge­führt – schon nach dem Abzei­chen­ge­setz ver­bo­ten und mit einer Ver­wal­tungs­stra­fe bewehrt ist, aber auch zu einer Anzei­ge bzw. Straf­ver­fol­gung nach dem Ver­bots­ge­setz füh­ren kann.