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Grazer Mitglied der Identitären und der Freiheitlichen Jugend als Wiederbetätiger

Am 2. Novem­ber stand erneut ein Mit­glied der rechts­extre­men „Iden­ti­tä­ren“ wegen brau­ner Chat­nach­rich­ten in Graz vor Gericht. Auf­ge­flo­gen ist der 22-Jäh­ri­­ge durch sei­nen Schuld­freund Manu­el S., über des­sen Ver­ur­tei­lung wir im Juni berich­tet haben. Iden­ti­tär & frei­heit­lich Der Geschwo­re­nen­pro­zess ver­lief rou­ti­niert, schließ­lich gäbe es im Jahr rund 50 ähn­li­che Ver­hand­lun­gen in Graz, so die beisitzende […]

8. Nov 2023
Landesgericht Graz
Landesgericht Graz

Identitär & freiheitlich

Der Geschwo­re­nen­pro­zess ver­lief rou­ti­niert, schließ­lich gäbe es im Jahr rund 50 ähn­li­che Ver­hand­lun­gen in Graz, so die bei­sit­zen­de Rich­te­rin. Unge­wöhn­lich war die kla­re Benen­nung der ein­schlä­gi­gen Ver­net­zun­gen in die rechts­extre­me Sze­ne des jun­gen Ange­klag­ten. Mar­tin L. war nicht nur bei den „Iden­ti­tä­ren“, ihrer Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on „DO5“ und im Umkreis der iden­ti­tä­ren „Kul­tur­fes­tung“ im ost­stei­ri­schen Eich­kögl aktiv, son­dern war auch Mit­glied beim „Ring Frei­heit­li­cher Jugend“.

Zum Ver­häng­nis wur­den Mar­tin L. drei Nach­rich­ten auf Whats­App: ein Jugend­fo­to sei­nes Vaters sowie ein von ihm zurecht geschnit­te­nes Bild einer Dating-Platt­form zei­gen jeweils einen Hit­ler­gruß. Das zwei­te Bild kom­men­tier­te er mit „mach mir den Adolf“. Kom­pli­zier­ter wur­de es beim Bild eines T‑Shirts, auf dem ein Lor­beer­kranz sowie „XIV“ zu sehen waren. Mit die­sen Moti­ven und mit dem mitt­ler­wei­le ver­bo­te­nen „Identitären“-Symbol woll­te L. einen T‑Shirt-Han­del auf­zie­hen. Über eine all­fäl­li­ge Mas­sen­pro­duk­ti­on kom­mu­ni­zier­te er mit den bei­den stei­ri­schen iden­ti­tä­ren Kadern Harald W. und Erik F.. Aus der Geschäfts­idee wur­de nichts – wohl auch ein Grund, war­um L. mit sei­nen 22 Jah­ren gera­de ein­mal eine Woche berufs­tä­tig war.

Herumeierei

Doch war­um sorgt die römi­sche „14“ für eine Ankla­ge nach dem Ver­bots­ge­setz? Weil es sich um den Code für die soge­nann­ten „14 Words“ han­delt, einem Glau­bens­satz von Neo­na­zis, den der Ange­klag­te laut Staats­an­walt­schaft bewusst aus­ge­wählt hat­te. Gera­de weil er die Nach­richt dem bereits dafür ver­ur­teil­ten Manu­el S. schick­te und Kon­tak­te zu Füh­rungs­per­so­nen der rechts­extre­men Sze­ne unter­hielt, schie­nen sei­ne Aus­füh­run­gen, wonach sich die Zahl auf den 14. Gra­zer Gemein­de­be­zirk (Eggen­berg), aus­ge­sucht hät­te als unglaub­wür­dig. Gene­rell ant­wor­te­te Mar­tin L. wie so vie­le vor ihm mit Beschwich­ti­gun­gen, was den bei­sit­zen­den Rich­ter zu dem Kom­men­tar ver­an­lass­te: „Wenn sie dann hier sit­zen, ist es immer eine Her­um­krie­che­rei, eine Her­umeie­rei wie ein Wurm im Sand. Es war spon­tan, es war nicht so gemeint, war künst­le­ri­scher Aus­druck und so wei­te, und so fort.“ (Quel­le: Pro­zess­pro­to­koll)

Gene­rell bekann­te sich der Ange­klag­te schul­dig, flüch­te­te sich jedoch in Erklä­rungs­ver­su­che, wonach er nur durch den Schul­freund und sein jun­ges Alter „rein­ge­ruscht“ sei. Er sei damals emp­fäng­lich für die­se „The­men“ gewe­sen, habe ohne­hin nur Flug­zet­tel ver­teilt und habe seit den Ermitt­lun­gen damit abge­schlos­sen sowie alle Kon­tak­te abge­bro­chen. Bei kon­kre­ten Nach­fra­gen kam er mehr­fach ins Sto­cken oder schwieg, wes­halb ihm eine Rei­he von Fotos und wei­te­ren Chat­nach­rich­ten aus dem Ermitt­lungs­akt vor­ge­hal­ten wur­den, um deut­lich zu machen, wie aktiv er wirk­lich war.

Zuerst war ein Foto des Ange­klag­ten zu sehen, für das er gemein­sam mit Manu­el S. und dem Chef der „Iden­ti­tä­ren“, Mar­tin Sell­ner, posier­te, gefolgt von einer Auf­nah­me vom „Doku Ser­vice Stei­er­mark“, das Mar­tin L. mit einer stei­ri­schen Fah­ne bei einem Info­stand der „DO5“ zeigt.

Foto eines DO5-Infostands aus Graz vom 22.8.2020 (Foto von Doku Service Steiermark)
Foto eines DO5-Info­stands aus Graz vom 22.8.20 (Foto von Doku Ser­vice Steiermark)

Identitärer Insta-Admin

Für die „DO5 Stei­er­mark“ hat­te der Ange­klag­te sogar den Insta­gram-Account betreut, wie er vor Gericht zugab. Für mehr Dis­kus­si­on sorg­te ein Akti­ons­fo­to, auf dem zwei ver­mumm­te Män­ner in der Dun­kel­heit vor der Gra­zer ÖVP-Zen­tra­le mit Fah­ne, einem Schild und mit der Auf­schrift „fällt das Lamb­da, fällt die Demo­kra­tie“ posier­ten. Denn so spon­tan und unbe­darft wie der Ange­klag­te die Akti­on, an der er sich damals betei­lig­te, dar­stell­te, wäre sie laut den Berufsrichter*innen nicht gewe­sen. Er sei nicht nur mit­ge­lau­fen und über­haupt sei es „schon ein Zufall, dass von allen Sei­ten irgend­wie ihnen die rechts­ra­di­ka­len Sachen zuflie­gen, oder?“, so die Vor­sit­zen­de nach einer wei­te­ren Dis­kus­si­on über die Inhal­te der iden­ti­tä­ren Spie­le­ent­wick­ler „Kvlt­ga­mes“, an deren Stil sich der Ange­klag­te ori­en­tie­ren woll­te. Das von „Kvlt­ga­mes“ pro­du­zier­te und in Deutsch­land indi­zier­te Com­pu­ter­spiel „Hei­mat Defen­der“ qua­li­fi­zier­te die Staats­an­wäl­tin klar als rechts­extrem, homo­phob und antisemitisch. 

Im Zuge der Haus­durch­su­chung bei L. wur­den eine Viel­zahl von Sti­ckern, aber auch Zeit­schrif­ten wie etwa „Info-Direkt“ auf­ge­fun­den – das, obwohl Mar­tin L. spä­tes­tens seit den Ermitt­lun­gen gegen sei­nem ehe­ma­li­gen Schuld­freund Manu­el S. vor­ge­warnt gewe­sen sein muss, so die Staatsanwältin. 

Sein Face­book-Pro­fil zeigt wei­te­re Betä­ti­gungs­fel­der: L. nahm unter ande­rem 2020 bei einem rechts­extre­men Auf­marsch am Kah­len­berg teil, besuch­te Ver­an­stal­tun­gen der „Kul­tur­fes­tung“ und insze­nier­te sich 2021 mit ande­ren rechts­extre­men Akti­vis­ten als ver­meint­li­cher Grenzschützer. 

Ustaša-Fan

Für Ver­wir­rung auf Sei­ten der Rich­te­rin sorg­te der Umstand, dass sich der aus Kroa­ti­en stam­men­de Ange­klag­te neben sei­nen Akti­vi­tä­ten inner­halb der öster­rei­chi­schen rechts­extre­men Sze­ne eben­falls als Fan der faschis­ti­schen Ustaša gezeigt hat. So fand man unter ande­rem ein Foto des Ange­klag­ten in Uni­form vor einer kroa­ti­schen Fah­ne, außer­dem soll er über einen Online-Shop Fan­ar­ti­kel der Ustaša, deren Sym­bo­le in Öster­reich ver­bo­ten sind, ange­bo­ten haben. 

Die Geschwo­re­nen ent­schie­den ein­stim­mig für einen Schuld­spruch, womit erneut ein (ehe­ma­li­ges) Mit­glied der „Iden­ti­tä­ren“ und des frei­heit­li­chen Nach­wuch­ses ver­ur­teilt wur­de. Die Straf­hö­he über 120 Tages­sät­ze à fünf Euro und elf Mona­te bedingt auf drei Jah­re plus ver­pflich­ten­der Bewäh­rungs­hil­fe ist bereits rechtskräftig.