Ried/OÖ: Razzia bei „Hells Angels“
Wels/OÖ: FPÖ-Bürgermeister instrumentalisiert Gedenken für Konkurrenzveranstaltung
Mauthausen/OÖ: Wirbel um mutmaßlichen Identitären-Spender Grünsteidl nach Recherche von „Stoppt die Rechten“
Wien: Nationalrat beschließt auch posthume Aberkennung von Ehrenzeichen
Wien-Linz-Salzburg: Antisemitischer Angriffe
Wien: Hitlergruß bei Viennale-Fest
Ried/OÖ: Razzia bei „Hells Angels“
Die Polizei-Sondereinheit Cobra führte am Freitag, den 13. Oktober, eine Razzia bei einem Vereinslokal der „Hells Angels“ in Pattingham, Nähe Ried, durch. Der Hauptgrund für den Einsatz war ein Vorfall in einem Tanzlokal in Tumeltsham, der sich im September ereignet hatte. Dazu die Staatsanwaltschaft Ried gegenüber den OÖ-Nachrichten:
Eine Reihe von Mitgliedern des Motorradclubs tauchte Mitte September in diesem Lokal auf. Dort kam es schließlich zu mehreren absichtlichen Körperverletzungen, zudem wollte man vom Lokalbetreiber Schutzgeld erpressen. Laut den bisherigen Ermittlungen wurde gedroht, dass es erneut zu einem solchen „Besuch“ kommen werde, falls man nicht bereit sei, Geld zu bezahlen. (Staatsanwaltschaft zit. nach nachrichten.at, 16.10.23)
Bei der Razzia wurden Schusswaffen, Drogen und mehrere Datenträger sichergestellt. Außerdem fanden in demselben Ermittlungskontext zeitgleich zwei weitere Hausdurchsuchungen bei privaten Adressen in OÖ und Wien statt. Insgesamt wurden drei Männer verhaftet, einer von ihnen erst am Folgetag. Gegen die Männer wird wegen Erpressung, Körperverletzung, Vergehen nach dem Waffengesetz sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. (nachrichten.at)
Männerbündisch organisierte Motorradclubs weisen immer wieder ideologische, geschäftliche und personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen bzw. neonazistischen Szene auf. Insbesondere vor dem Hintergrund von deren Gewaltbereitschaft sowie den zahlreichen Waffenfunden in diesen Milieus in der letzten Zeit, bleibt dieser Zusammenhang brisant. Die „Hells Angels“ waren etwa, genau wie der Konkurrenz-Motoradclub „Bandidos“, in kriminelle Geschäfte mit den oberösterreichischen Neonazis von „Objekt 21“ verwickelt. Rund um die „Bandidos“ und „Objekt 21” wurde wiederum Ende Juni ein ungeheures Waffen- und NS-Devotionalien-Arsenal gefunden.
Wels/OÖ: FPÖ-Bürgermeister instrumentalisiert Gedenken für Konkurrenzveranstaltung
Seit vielen Jahren betreibt die Antifa Wels erfolgreich Erinnerungsarbeit, darunter besonders wichtig: die jährlich stattfindende Pogromnacht-Kundgebung zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938. Dass in diesem Zusammenhang keine Zusammenarbeit mit Vertreter*innen der rechtsextremen FPÖ stattfinden kann, versteht sich von selbst. Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) versucht es deshalb seit seinem Amtsantritt mit einer Konkurrenzveranstaltung, der Welser „Gedenkkundgebung“. Die Jüdische österr. Hochschüler*innenschaft (JöH) hat auf diese Absurdität bereits im Jahr 2020 passend und nach wie vor gültig reagiert, als sie in einer Presseaussendung forderte: „dass die FPÖ keine Pseudo-Gedenken für die Verbrechen der Nationalsozialisten veranstaltet, solange die Partei nicht das geringste getan hat, um ihren offenkundigen und latenten Antisemitismus in den eigenen Reihen aufzuarbeiten“ (ots.at, 9.11.2020).
Nun hat der FPÖler Rabl noch einmal ordentlich an Absurdität nachgelegt: Er hat eine Initiative ins Leben gerufen, die Schulklassen für die Teilnahme an seiner „Gedenkveranstaltung“ mit einem Geldbetrag von 200 Euro für Schulprojekte belohnen möchte. Rabl betonte die Normalität eines solchen Vorgehens, während ihm SPÖ, ÖVP und Grüne eine Instrumentalisierung der Schüler*innen vorwarfen, um seiner Veranstaltung höhere Besucher*innenzahlen zu bescheren. (nachrichten.at, 18.10.23)
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird heuer bei der antifaschistischen Pogromnacht-Kundgebung sprechen, was Rabl hinsichtlich seiner blau getönten Konkurrenzveranstaltung zusätzlich ärgern könnte.
Übrigens schwingt in Rabls peinlichem Keilen um Schüler*innen einige Ironie mit: Schließlich zirkuliert in blau-braunen Medien- und Politikmilieus seit langem die propagandistische Lüge, bei antifaschistischen Aktivist*innen handle es sich um bezahlte Akteure. Nun zeigt sich denkbar plump, wer tatsächlich versucht pseudo-zivilgesellschaftliches Engagement qua Bezahlung zu mobilisieren.
Mauthausen/OÖ: Wirbel um mutmaßlichen Identitären-Spender Grünsteidl nach Recherche von „Stoppt die Rechten“
Der Mauthausener Gemeinderat Sascha Grünsteidl wurde heuer vom Land OÖ mit dem Ehrenzeichen „Verdienste um die Jugend“ ausgezeichnet. „Stoppt die Rechten“ hat in einer Recherche nicht nur die Kontinuität oberösterreichischer Ehrungen von Rechtsextremen aufgezeigt, sondern auch, dass Grünsteidl als Spender bzw. Mitglied der „Identitären“ in einer entsprechenden Spender*innenliste des Verfassungsschutzes aufscheint.
Während der für die Ehrung verantwortliche ÖVP-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer erklären ließ, dies sei zum Zeitpunkt der Ehrung noch nicht bekannt gewesen und man könne die Liste nicht verifizieren, zeigten sich die Mauthausner Gemeindepolitiker*innen der Parteien außerhalb der FPÖ bestürzt und forderten in einer parteiübergreifenden Stellungnahme volle Aufklärung. Dass unter den Unterzeichner*innen auch Gemeinderäte der ÖVP sind, ist besonders erwähnenswert, richtet sich der Protest in dem Schreiben doch direkt gegen ihren eigenen Landesrat. (kurier.at, 20.10.23)
Die Grünen haben nun eine Anfrage an Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer eingebracht und wollen wissen, ob
eine Spende an eine rechtsextreme Gruppierung, deren Symbole gemäß der Grundlage des Symbole-Gesetzes verboten sind, ein Ausschlusskriterium für ein Jugend-Ehrenzeichen” ist und ob „es die Möglichkeit [gibt] ein Jugend-Ehrenzeichen im nachhinhein zu entziehen”: „Wenn ja, wäre eine aktive finanzielle Unterstützung für eine vom Verfassungsschutz beobachtete und als rechtsextrem eingestufte Gruppierung wie die Identitären Anlass dazu?
Wien: Nationalrat beschließt auch posthume Aberkennung von Ehrenzeichen
Im Nationalrat wurde eine Novellierung des Ehrenzeichengesetzes beschlossen, wie der Pressedienst des Parlaments bekanntgab:
ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne stimmten heute für den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf, der künftig auch die Aberkennung von Ehrenzeichen nach dem Tod der geehrten Person ermöglicht. Zudem werden die Bestimmungen für die Verleihung und Aberkennung diverser Ehrenzeichen des Bundes vereinheitlicht. Gegen das Vorhaben stimmte lediglich die FPÖ: Sie sprach sich gegen „eine Demontage der Geschichte“ aus. (ots.at, 19.10.23)
In der österreichischen NS-Nachfolgerepublik wurden zahlreiche Nazi-Täter geehrt wie etwa Hans Globke, ein Mitverfasser der „Nürnberger Rassegesetze“, der im Jahr 1956 mit dem „Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ ausgezeichnet wurde, was wiederum im Jahr 2018 die verspätete Thematisierung dieses Problems anstieß und zum Anlassfall der parlamentarischen Diskussion wurde. Dass die rechtsextreme FPÖ, die bekanntlich von ehemaligen SS-Männern gegründet wurde, als einzige Parlamentsfraktion gegen den Entwurf stimmte, überrascht nicht. Man durfte jedoch auf die Argumentation der blauen Fraktionsredner*innen gespannt sein.
Wenig von der nachträglichen Aberkennung von Ehrenzeichen hält hingegen die FPÖ, wie Susanne Fürst und Harald Stefan ausführten. Es handle sich um reine Symbolpolitik, zudem sei die FPÖ gegen „die ständige Demontage der Geschichte”, meinte Fürst. Das gelte auch für die Umbenennung von Straßen und den Abriss von Denkmälern. Es gebe sicher „eine erkleckliche Anzahl” von Personen, bei denen man heute nicht mehr verstehe, warum sie in der Vergangenheit einen Orden oder ein Ehrenzeichen bekommen haben, so Fürst, diese wieder abzuerkennen, sei aber nicht der richtige Weg. Auch Abgeordneter Stefan hält es für problematisch, „Geschichte mit dem Zeigefinger der Gegenwart zu messen”. Schließlich könne sich die Einschätzung einer Person rasch ändern. (ots.at, 19.10.23)
Wir lernen: Wenn Naziverbrecher heute als solche benannt und daraus Konsequenzen gezogen werden, bezeichnet dies die FPÖ eine aus ihrer Sicht unzulässige „Demontage der Geschichte” und als „problematisch”.
Wien-Linz-Salzburg: Antisemitische Angriffe
Eine Gruppe Jugendlicher hat in der Nacht von Freitag auf Samstag die israelische Flagge vom Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk gerissen. Während des antisemitischen Vandalenaktes imitierte eine junge Frau Maschinengewehrschüsse in Richtung des Tempels. Die 17-Jährige konnte ausgeforscht werden und wurde auf freiem Fuß angezeigt. Die Tat ist durch ein Handyvideo dokumentiert, das seither tausende Klicks in den sozialen Medien sammelt. (kurier.at, 21.10.23) Warum einer der zentralsten Orte jüdischen Lebens in Österreich trotz der erhöhten Terrorwarnstufe und trotz der anhaltenden antisemitischen und terrorverherrlichenden Demonstrationen in Wien nicht rund um die Uhr bewacht war, ist seither Gegenstand von Fragen und Kritik.
In Linz kam es am Sonntag Abend zu einem ähnlichen Delikt mit antisemitischem Hintergrund: Die von der Stadt gehisste Israel-Flagge vor dem Alten Rathaus auf dem Hauptplatz wurde von Jugendlichen heruntergerissen, anschließend trampelten sie darauf herum. Es ist bereits das zweite Mal seit dem von der Hamas verübten Massaker am 7. Oktober, dass die Flagge in Linz beschädigt wurde. Vor dem Salzburger Schloss Mirabell wurde die Flagge am Wochenende bereits zum dritten Mal vom Fahnenmast gerissen. (nachrichten.at, 23.10.23)
Am Samstag gab es in Wien erneut eine Demonstration, bei der mit Hamas-Glorifizierung, NS-Relativierung und Vernichtungsaufrufen gegen den jüdischen Staat nicht hinter dem Berg gehalten wurde:
Die nächste Party zum Pogrom: buntes Panorama an Israel-Auslöschungs-Phantasien, Hamas-Glorifizierung & NS-/Holocaustrelativierung, aufgelockert durch Bekenntnisse österr. „Antiimp”-Szenegrößen wie M. Pröbsting (0:30) & N. Schöndorfer (1:50), ihr Blut für al-Aqsa geben zu wollen. https://t.co/plRfuWkUPc
— Bernhard Weidinger (@bweidin) October 23, 2023
Wien: Hitlergruß bei Viennale-Fest
NS-Wiederbetätigung kann auch an unerwarteten Orten passieren, so etwa bei einer Party der Viennale in der Wiener Kunsthalle am vergangenen Samstag. Ein Mann hat dort mehrmals im Verlauf von einer Stunde den Arm zum Hitlergruß nach oben gereckt. Das Sicherheitspersonal soll Augenzeug*innen zufolge nur sehr zögerlich reagiert haben, sodass der Mann mit dem verbotenen NS-Symbol über einen längeren Zeitraum ungestört provozieren konnte. Die Viennale-Verantwortlichen widersprechen dieser Darstellung: Der Mann sei zuerst verwarnt, dann des Lokals verwiesen worden. Anzeige wurde bis dato weder durch die Augenzeug*innen, noch durch das Festival erstattet. (Quelle: diepresse.com, 23.10.23)
Hitlergruß bei Viennale-Party: „Keiner hat reagiert“. https://t.co/5sZli2xY10
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) October 23, 2023