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OÖ: Landesregierung ehrt seit Jahren Rechtsextreme

Den Unter­schied kann man wirk­lich Kla­vier spie­len. Als 2009 der ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter des (Ex-)FPÖ-Klubobmanns Ewald Stad­ler für sei­ne angeb­li­chen Ver­diens­te um die Jugend in OÖ geehrt wer­den soll­te, pro­tes­tier­ten die Grü­nen hef­tig – die Ehrung wur­de abge­sagt. 2023 wer­den zwei Men­schen – trotz Pro­tests – geehrt, die deut­lich rechts­extre­me Bezü­ge haben. Das war auch schon […]

8. Sep 2023

Als 2015 der dama­li­ge FPÖ-Kan­di­dat für die Gemein­de­rats­wahl in Wels, Ralph Schä­fer, wegen der Grün­dung einer Bür­ger­wehr und wegen des damals sechs Jah­re zurück­lie­gen­den Vor­wurfs der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung (Schä­fer hat­te die Abbil­dung von Hit­ler-Stell­ver­tre­ter Rudolf Heß an eine Haus­mau­er gesprayt, ver­se­hen mit dem Slo­gan „Mär­ty­rer leben län­ger”), der mit einem außer­ge­richt­li­chen Tat­aus­gleich erle­digt wur­de, von SPÖ und Grü­nen hef­tig kri­ti­siert wur­de, woll­te auch der dama­li­ge ÖVP-Lan­des­ge­schäfts­füh­rer Wolf­gang Hatt­manns­dor­fer nicht zurück­ste­hen und wur­de im ORF OÖ (22.9.15) so wie­der­ge­ge­ben: „Er glau­be nicht dar­an, dass das Zufall ist und ‚Ich erwar­te mir kla­re Distan­zie­rung von Man­fred Haim­buch­ner und Kon­se­quen­zen inner­halb der FPÖ OÖ‘.“

Inzwi­schen ist Hatt­manns­dor­fer ÖVP-Lan­des­rat in Ober­ös­ter­reich und hat Ralph Schä­fer, der mitt­ler­wei­le Stadt­rat für die FPÖ in Wels ist, für eine Ehrung wegen des­sen Ver­diens­te um die Jugend in OÖ vor­ge­schla­gen. Wobei der Vor­schlag eigent­lich von der Frei­heit­li­chen Jugend kam.

Beim Pro­ze­de­re bei den Ehrun­gen für Ver­diens­te um die Jugend in OÖ inter­es­siert uns nur der Umstand, dass Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen die zu Ehren­den selbst vor­schla­gen und das für Jugend zustän­di­ge Lan­des­re­gie­rungs­mit­glied (von der ÖVP) die­sem Vor­schlag fast immer ent­spricht. Das bewirkt, dass die Jun­ge ÖVP und ande­re mit der ÖVP ver­ban­del­te Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen immer bes­tens ver­tre­ten sind unter den Geehr­ten. Die Geehr­ten, „die sich im Rah­men der außer­schu­li­schen Jugend­er­zie­hung um die Jugend des Lan­des Ober­ös­ter­reich außer­ge­wöhn­li­che Ver­diens­te erwor­ben und her­vor­ra­gen­de Leis­tun­gen erbracht haben”, erhal­ten ein Ehrenzeichen.

Irgend­wann wur­de ein zusätz­li­ches Kri­te­ri­um ein­ge­führt. Die Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen bestä­ti­gen seit­her bei ihren Vor­schlä­gen, dass „nur Per­so­nen vor­ge­schla­gen wer­den, die sich vor­be­halt­los zur Distanz zu gewalt­tä­ti­gen, frem­den­feind­li­chen oder ras­sis­ti­schen, sexis­ti­schen oder dis­kri­mi­nie­ren­den Vor­gangs­wei­sen jeder Art sowie zur Demo­kra­tie beken­nen“.

Geschah das vor oder nach dem Vor­schlag im Jahr 2009, Ger­hard Stau­din­ger zu ehren? Für Ver­diens­te um die Jugend in OÖ? Dr. Ger­hard Stau­din­ger war par­la­men­ta­ri­scher Mit­ar­bei­ter des frü­he­ren FPÖ-Klub­ob­manns Ewald Stad­ler. In den 90er-Jah­ren war er auch Refe­rent und Gast beim Ver­ein Dich­ter­stein Offen­hau­sen, bevor der wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung 1999 auf­ge­löst wur­de. Zum Refe­rat ange­tre­ten ist er auch 1991 bei der rechts­extre­men „Hei­mat­ver­bun­de­nen Jugend“ (HVJ). The­ma sei­nes „Tages­bild­vor­trags“ war „Öster­reichs deut­sches Bekennt­nis“ – mit sehr anschau­li­chem „Tages­bild“ über „Deutsch­lands Ver­stüm­me­lung“ 1919. War es die­se auf­op­fern­de Vor­trags­tä­tig­keit, die ihn für den Vor­schlag zum Ehren­zei­chen für Ver­diens­te um die Jugend in OÖ qua­li­fi­ziert hat?

Gun­ther Trübs­was­ser, damals Klub­ob­mann der Grü­nen im Land­tag, pro­tes­tier­te gegen die­se Ehrung von Stau­din­ger und bezeich­ne­te sie in einer Pres­se­aus­sendung „als Schlag ins Gesicht aller bis­he­ri­gen Aus­ge­zeich­ne­ten“. Nach­dem auch der Grü­ne Lan­des­rat Rudi Anscho­ber sei­ne Ableh­nung ange­kün­digt hat­te, nahm der zustän­di­ge Lan­des­rat Vik­tor Sigl (ÖVP) den Antrag für die Aus­zeich­nung Stau­din­gers zurück. Im Herbst des Jah­res durf­te Stau­din­ger dann noch für Platz 6 auf der Land­tags­lis­te der FPÖ kandidieren.

Die Alpen-Donau-Nazis kom­men­tier­ten die Ableh­nung Stau­din­gers so, etwa Karl Ash­ni­kow: „Was die­ser Trübs­was­ser immer hat. Kame­rad Stau­din­ger ist ein aus­ge­zeich­ne­tes Bin­de­glied zwi­schen par­la­men­ta­ri­schen und frei­en Kräf­ten. Als soches (sic!) Bin­de­glied ist er im posi­ti­ven Sin­ne in der Jugend­ar­beit tätig. Ohne ihn wür­den sich wohl weni­ger Jugend­li­che für den Par­la­men­ta­ris­mus inter­es­sie­ren.“ Dar­auf der Ober­na­zi „Hei­ler“: „Der Roll­wa­gerl­fah­rer Trübs­was­ser hat vor­erst gesiegt. Die ÖVP kuscht also vor Behin­der­ten von den Grü­nen?

User "Karl Ashnikow" und "Heiler" im Alpen-Donau-Forum über "Kamerad Staudinger" und Gunther Trübswasser
User „Karl Ash­ni­kow” und „Hei­ler” im Alpen-Donau-Forum über „Kame­rad Stau­din­ger” und Gun­ther Trübswasser

Schlag ins Gesicht danach

Sagen wir es so: Die ÖVP hat nur kurz „gekuscht“. Das Ehren­zei­chen für Ver­diens­te um die Jugend in OÖ, das 1984 durch einen Beschluss der Lan­des­re­gie­rung geschaf­fen wur­de, ist in den Jah­ren nach 2009 näm­lich auch an deutsch­na­tio­na­le (pen­na­le) Bur­schen­schaf­ter ver­ge­ben wor­den. Also noch wei­ter nach Rechts.

2010 erhiel­ten es Mar­tin Fischer, Bur­schen­schaf­ter der fach­stu­den­ti­schen Ver­bin­dung Baju­va­ria in Linz und Elmar Pod­gor­schek von der acSV Ger­ma­nia Ried. Das „a“ steht übri­gens für „all­deutsch“, das „c“ für kon­ser­va­tiv, also vor­gest­rig. Die Rie­der Ger­ma­nia ist außer­dem jene pen­na­le Bur­schen­schaft, die sich 2017 einen Neo­na­zi zum Sin­gen auf die Bude ein­ge­la­den hat und die­sen denk­wür­di­gen Auf­tritt auch vom Neo­na­zi-Netz­ra­dio „Ger­ma­nia“ beglei­ten ließ. Dem Alten Herrn der acSV Ger­ma­nia, Elmar Pod­gor­schek, kön­nen wir die Neo­na­zi-Con­nec­tions sei­ner Jung­bur­schis von 2017 nur indi­rekt als Ver­sa­gen in sei­ner Jugend­ar­beit vor­wer­fen. Es reicht aber auch, dass sich Pod­gor­schek 2009 bei der „Aula“ nicht zum ers­ten Mal “ für deren „Gesin­nungs­treue“ bedankt hat und 2010 beim 100-jäh­ri­gen Stif­tungs­fest der Rie­der Ger­ma­nen beklag­te, dass unse­re Hei­mat ihren deut­schen Cha­rak­ter ver­lie­ren könnte.

2013 folg­te die nächs­te Ehrung wegen der Ver­diens­te um die Jugend in OÖ. Wie­der zwei Bur­schen­schaf­ter. Sieg­fried Artho­fer ist nicht nur aktu­ell Obmann von zwei schla­gen­den pen­na­len Ver­bin­dun­gen (Nor­man­nia Brünn St. Flo­ri­an und Donau­hort Aschach ), son­dern er war in sei­ner Jugend bur­schen­schaft­li­cher Saal­schüt­zer beim Vor­trag des deut­schen Rechts­extre­men, Anti­se­mi­ten und frü­hen Reichs­bür­gers Rein­hold Ober­ler­cher, wie dem Sam­mel­band „Völ­ki­sche Ver­bin­dun­gen“ zu ent­neh­men ist. Wer sich dar­über hin­aus inter­es­siert, wie sich Jugend­ar­beit in der pen­na­len Ver­bin­dung Donau­hort gestal­tet, dem sei die Lek­tü­re der Anti­fa-Recher­che empfohlen.

2015 gibt’s dann so etwas wie ein rechts­extre­mes High­light bei den Ehrun­gen. Zwei pen­na­le Bur­schen­schaf­ter, Karl Wink­ler und Gerald Zau­ner, und als Drauf­ga­be ein rechts­extre­mer FPÖ-Stadt­rat und Vize­bür­ger­meis­ter der Stadt Linz. Bei Det­lef Wim­mer, der natür­lich auch ein Bur­schen­schaf­ter ist (bei der rechts­extre­men Armi­nia Czer­no­witz Linz, geht unser Archiv fast über. Wir spa­ren uns hier Details, aber nicht die Fra­ge: Was waren sei­ne Ver­diens­te für die Jugend in OÖ? Ing. Karl Wink­ler war 2015 übri­gens Obmann des Ver­eins, der damals als Medi­en­in­ha­ber des neu gegrün­de­ten rechts­extre­men Maga­zins „Info-Direkt“ fir­mier­te und der zwei Jah­re spä­ter am rechts­extre­men Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Euro­pas“ in Linz betei­ligt war.

Karl Winkler und Gerald Zauner werden 2015 vom Land OÖ für Verdienste um die oö. Jugend geehrt (Foto: Land OÖ)
Karl Wink­ler und Gerald Zau­ner wer­den 2015 vom Land OÖ für Ver­diens­te um die oö. Jugend geehrt (Foto: Land OÖ)
Detlef Wimmer wird 2015 vom Land OÖ für Verdienste um die oö. Jugend geehrt (Foto: Land OÖ)
Det­lef Wim­mer wird 2015 vom Land OÖ für Ver­diens­te um die oö. Jugend geehrt (Foto: Land OÖ)

Auch 2018 sind wie­der pen­na­le Bur­schen­schaf­ter unter den Geehr­ten. 2020 schrei­ben die „Omas gegen Rechts“ einen Pro­test­brief an Lan­des­haupt­mann Stel­zer gegen die Ehrung der zwei pen­na­len Bur­schen­schaf­ter, Hel­mut Grün­ling (Eysn Steyr) und Klaus Mit­ter­ho­fer (Armi­nia Gmun­den). Haben sie Ant­wort erhalten?

Und 2023?

Jeden­falls in Form der vor­ge­schla­ge­nen Namen für 2023. Es gibt kei­ne Ehrun­gen mehr für pen­na­le Bur­schen­schaf­ter! Aber noch immer für Per­so­nen, die von der Frei­heit­li­chen Jugend vor­ge­schla­gen und dort tätig waren bzw. sind. Da soll es näm­lich nicht nur ein Ehren­zei­chen für den Wel­ser Stadt­rat Schä­fer geben, son­dern auch für den bis­her öffent­lich nicht abge­han­del­ten Maut­hau­se­ner FPÖ-Gemein­de­rat Sascha Grünst­eidl. Auf des­sen FB-Account ist noch nichts von der Ehrung zu lesen, dafür von sei­ner Hoch­zeit, die erst eini­ge Mona­te zurück­liegt. Unter den Gra­tu­lan­ten fin­den sich auch eini­ge, die frü­her ein­mal dem neo­na­zis­ti­schen Bund Frei­er Jugend (BFJ) zuzu­ord­nen waren. Aber was kann der frisch ver­mähl­te Sascha Grünst­eidl dafür, wenn ihm ein paar ewig Gest­ri­ge gratulieren?

Wenn Grünst­eidl aller­dings zum Bei­spiel ein Mit­glied oder Unter­stüt­zer der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung gewe­sen und als sol­cher auf einer Spen­der­lis­te des Ver­fas­sungs­schut­zes ange­führt wäre, dann hät­ten wir auch 2023 eine Ehrung für einen Rechts­extre­men durch die ober­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­re­gie­rung. Und das wür­de wohl dem frisch beschlos­se­nen „Akti­ons­plan gegen Extre­mis­mus“ widersprechen!