Als 2015 der damalige FPÖ-Kandidat für die Gemeinderatswahl in Wels, Ralph Schäfer, wegen der Gründung einer Bürgerwehr und wegen des damals sechs Jahre zurückliegenden Vorwurfs der NS-Wiederbetätigung (Schäfer hatte die Abbildung von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß an eine Hausmauer gesprayt, versehen mit dem Slogan „Märtyrer leben länger”), der mit einem außergerichtlichen Tatausgleich erledigt wurde, von SPÖ und Grünen heftig kritisiert wurde, wollte auch der damalige ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer nicht zurückstehen und wurde im ORF OÖ (22.9.15) so wiedergegeben: „Er glaube nicht daran, dass das Zufall ist und ‚Ich erwarte mir klare Distanzierung von Manfred Haimbuchner und Konsequenzen innerhalb der FPÖ OÖ‘.“
Inzwischen ist Hattmannsdorfer ÖVP-Landesrat in Oberösterreich und hat Ralph Schäfer, der mittlerweile Stadtrat für die FPÖ in Wels ist, für eine Ehrung wegen dessen Verdienste um die Jugend in OÖ vorgeschlagen. Wobei der Vorschlag eigentlich von der Freiheitlichen Jugend kam.
Beim Prozedere bei den Ehrungen für Verdienste um die Jugend in OÖ interessiert uns nur der Umstand, dass Jugendorganisationen die zu Ehrenden selbst vorschlagen und das für Jugend zuständige Landesregierungsmitglied (von der ÖVP) diesem Vorschlag fast immer entspricht. Das bewirkt, dass die Junge ÖVP und andere mit der ÖVP verbandelte Jugendorganisationen immer bestens vertreten sind unter den Geehrten. Die Geehrten, „die sich im Rahmen der außerschulischen Jugenderziehung um die Jugend des Landes Oberösterreich außergewöhnliche Verdienste erworben und hervorragende Leistungen erbracht haben”, erhalten ein Ehrenzeichen.
Irgendwann wurde ein zusätzliches Kriterium eingeführt. Die Jugendorganisationen bestätigen seither bei ihren Vorschlägen, dass „nur Personen vorgeschlagen werden, die sich vorbehaltlos zur Distanz zu gewalttätigen, fremdenfeindlichen oder rassistischen, sexistischen oder diskriminierenden Vorgangsweisen jeder Art sowie zur Demokratie bekennen“.
Geschah das vor oder nach dem Vorschlag im Jahr 2009, Gerhard Staudinger zu ehren? Für Verdienste um die Jugend in OÖ? Dr. Gerhard Staudinger war parlamentarischer Mitarbeiter des früheren FPÖ-Klubobmanns Ewald Stadler. In den 90er-Jahren war er auch Referent und Gast beim Verein Dichterstein Offenhausen, bevor der wegen NS-Wiederbetätigung 1999 aufgelöst wurde. Zum Referat angetreten ist er auch 1991 bei der rechtsextremen „Heimatverbundenen Jugend“ (HVJ). Thema seines „Tagesbildvortrags“ war „Österreichs deutsches Bekenntnis“ – mit sehr anschaulichem „Tagesbild“ über „Deutschlands Verstümmelung“ 1919. War es diese aufopfernde Vortragstätigkeit, die ihn für den Vorschlag zum Ehrenzeichen für Verdienste um die Jugend in OÖ qualifiziert hat?
Gunther Trübswasser, damals Klubobmann der Grünen im Landtag, protestierte gegen diese Ehrung von Staudinger und bezeichnete sie in einer Presseaussendung „als Schlag ins Gesicht aller bisherigen Ausgezeichneten“. Nachdem auch der Grüne Landesrat Rudi Anschober seine Ablehnung angekündigt hatte, nahm der zuständige Landesrat Viktor Sigl (ÖVP) den Antrag für die Auszeichnung Staudingers zurück. Im Herbst des Jahres durfte Staudinger dann noch für Platz 6 auf der Landtagsliste der FPÖ kandidieren.
Die Alpen-Donau-Nazis kommentierten die Ablehnung Staudingers so, etwa Karl Ashnikow: „Was dieser Trübswasser immer hat. Kamerad Staudinger ist ein ausgezeichnetes Bindeglied zwischen parlamentarischen und freien Kräften. Als soches (sic!) Bindeglied ist er im positiven Sinne in der Jugendarbeit tätig. Ohne ihn würden sich wohl weniger Jugendliche für den Parlamentarismus interessieren.“ Darauf der Obernazi „Heiler“: „Der Rollwagerlfahrer Trübswasser hat vorerst gesiegt. Die ÖVP kuscht also vor Behinderten von den Grünen?“
Schlag ins Gesicht danach
Sagen wir es so: Die ÖVP hat nur kurz „gekuscht“. Das Ehrenzeichen für Verdienste um die Jugend in OÖ, das 1984 durch einen Beschluss der Landesregierung geschaffen wurde, ist in den Jahren nach 2009 nämlich auch an deutschnationale (pennale) Burschenschafter vergeben worden. Also noch weiter nach Rechts.
2010 erhielten es Martin Fischer, Burschenschafter der fachstudentischen Verbindung Bajuvaria in Linz und Elmar Podgorschek von der acSV Germania Ried. Das „a“ steht übrigens für „alldeutsch“, das „c“ für konservativ, also vorgestrig. Die Rieder Germania ist außerdem jene pennale Burschenschaft, die sich 2017 einen Neonazi zum Singen auf die Bude eingeladen hat und diesen denkwürdigen Auftritt auch vom Neonazi-Netzradio „Germania“ begleiten ließ. Dem Alten Herrn der acSV Germania, Elmar Podgorschek, können wir die Neonazi-Connections seiner Jungburschis von 2017 nur indirekt als Versagen in seiner Jugendarbeit vorwerfen. Es reicht aber auch, dass sich Podgorschek 2009 bei der „Aula“ nicht zum ersten Mal “ für deren „Gesinnungstreue“ bedankt hat und 2010 beim 100-jährigen Stiftungsfest der Rieder Germanen beklagte, dass unsere Heimat ihren deutschen Charakter verlieren könnte.
2013 folgte die nächste Ehrung wegen der Verdienste um die Jugend in OÖ. Wieder zwei Burschenschafter. Siegfried Arthofer ist nicht nur aktuell Obmann von zwei schlagenden pennalen Verbindungen (Normannia Brünn St. Florian und Donauhort Aschach ), sondern er war in seiner Jugend burschenschaftlicher Saalschützer beim Vortrag des deutschen Rechtsextremen, Antisemiten und frühen Reichsbürgers Reinhold Oberlercher, wie dem Sammelband „Völkische Verbindungen“ zu entnehmen ist. Wer sich darüber hinaus interessiert, wie sich Jugendarbeit in der pennalen Verbindung Donauhort gestaltet, dem sei die Lektüre der Antifa-Recherche empfohlen.
2015 gibt’s dann so etwas wie ein rechtsextremes Highlight bei den Ehrungen. Zwei pennale Burschenschafter, Karl Winkler und Gerald Zauner, und als Draufgabe ein rechtsextremer FPÖ-Stadtrat und Vizebürgermeister der Stadt Linz. Bei Detlef Wimmer, der natürlich auch ein Burschenschafter ist (bei der rechtsextremen Arminia Czernowitz Linz, geht unser Archiv fast über. Wir sparen uns hier Details, aber nicht die Frage: Was waren seine Verdienste für die Jugend in OÖ? Ing. Karl Winkler war 2015 übrigens Obmann des Vereins, der damals als Medieninhaber des neu gegründeten rechtsextremen Magazins „Info-Direkt“ firmierte und der zwei Jahre später am rechtsextremen Kongress der „Verteidiger Europas“ in Linz beteiligt war.
Auch 2018 sind wieder pennale Burschenschafter unter den Geehrten. 2020 schreiben die „Omas gegen Rechts“ einen Protestbrief an Landeshauptmann Stelzer gegen die Ehrung der zwei pennalen Burschenschafter, Helmut Grünling (Eysn Steyr) und Klaus Mitterhofer (Arminia Gmunden). Haben sie Antwort erhalten?
Und 2023?
Jedenfalls in Form der vorgeschlagenen Namen für 2023. Es gibt keine Ehrungen mehr für pennale Burschenschafter! Aber noch immer für Personen, die von der Freiheitlichen Jugend vorgeschlagen und dort tätig waren bzw. sind. Da soll es nämlich nicht nur ein Ehrenzeichen für den Welser Stadtrat Schäfer geben, sondern auch für den bisher öffentlich nicht abgehandelten Mauthausener FPÖ-Gemeinderat Sascha Grünsteidl. Auf dessen FB-Account ist noch nichts von der Ehrung zu lesen, dafür von seiner Hochzeit, die erst einige Monate zurückliegt. Unter den Gratulanten finden sich auch einige, die früher einmal dem neonazistischen Bund Freier Jugend (BFJ) zuzuordnen waren. Aber was kann der frisch vermählte Sascha Grünsteidl dafür, wenn ihm ein paar ewig Gestrige gratulieren?
Wenn Grünsteidl allerdings zum Beispiel ein Mitglied oder Unterstützer der Identitären Bewegung gewesen und als solcher auf einer Spenderliste des Verfassungsschutzes angeführt wäre, dann hätten wir auch 2023 eine Ehrung für einen Rechtsextremen durch die oberösterreichische Landesregierung. Und das würde wohl dem frisch beschlossenen „Aktionsplan gegen Extremismus“ widersprechen!