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Faszination „Ökoterrorismus“ (I): Spott & rechtsextreme Projektionen

Was uns der Spott eines „neu­rech­ten“ Akti­vis­ten gegen Kli­ma­schutz über rechts­extre­me Pro­jek­tio­nen sagt. Den Wie­ner Iden­­ti­­tä­­ren-Ideo­­lo­­gen Mar­tin Sem­lit­sch (mit Ali­as­na­men „Licht­mesz“) (1) umtreibt das The­ma Öko­lo­gie. Gleich meh­re­re Tex­te von ihm, die im Blog von Götz Kubit­scheks Maga­zin „Sezes­si­on“ erschie­nen sind (2), geben Ein­bli­cke dar­in, wie „neu­rech­te“ Umdeu­tun­gen und Pro­jek­tio­nen funk­tio­nie­ren – und wie schnell dabei […]

7. Sep 2023
Rechte Ambivalenz beim Thema Natur: Zwischen "Heimatschutz" und Fossil-Populismus (pixabay)
Rechte Ambivalenz beim Thema Natur: Zwischen "Heimatschutz" und Fossil-Populismus (pixabay)

Den Wie­ner Iden­ti­tä­ren-Ideo­lo­gen Mar­tin Sem­lit­sch (mit Ali­as­na­men „Licht­mesz“) (1) umtreibt das The­ma Öko­lo­gie. Gleich meh­re­re Tex­te von ihm, die im Blog von Götz Kubit­scheks Maga­zin „Sezes­si­on“ erschie­nen sind (2), geben Ein­bli­cke dar­in, wie „neu­rech­te“ Umdeu­tun­gen und Pro­jek­tio­nen funk­tio­nie­ren – und wie schnell dabei aus einem iro­ni­schen Hit­ler-Bezug ein erns­ter wer­den kann.

Öko-„Neurechts“

Ziel der soge­nann­ten „Neu­en Rech­ten“ ist die Moder­ni­sie­rung von völ­ki­scher Ideo­lo­gie. Man ist dar­auf bedacht, dem ver­staub­ten, anti-intel­lek­tu­el­len und nicht gera­de kul­tu­raf­fi­nen Kli­schee­bild der extre­men Rech­ten ent­ge­gen­zu­ar­bei­ten und die „hei­ßen Eisen“ der Zeit auf­zu­grei­fen. Letz­te­res ist wesent­li­cher Bestand­teil einer Mimi­kry-Stra­te­gie, der es um eine nach­hal­ti­ge Ver­an­ke­rung rechts­extre­mer Chif­fren und Ideo­lo­ge­me im media­len Main­stream geht (3). Vor die­sem Hin­ter­grund stellt der Auf­griff des The­men­kom­ple­xes Klimawandel/Ökologie/Umweltschutz für die rech­ten Kul­tur­kämp­fer (4) zwar eine Chan­ce, aber auch ein Pro­blem dar. Einer­seits will man dem Fos­sil-Fetisch rechts­po­pu­lis­ti­scher Agitator*innen nicht wider­spre­chen, ande­rer­seits will man gemäß der eige­nen Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie – und dem Anspruch einer Kapi­ta­lis­mus­kri­tik von rechts – auf einen in „Hei­mat­schutz“ umge­deu­te­ten Umwelt­schutz bestehen. Letz­te­res stellt die Akti­vis­ten zudem seit dem Jahr 2020 vor das Pro­blem, dass sie sich mit recht­se­so­te­ri­schen Maßnahmengegner*innen zwar auf einer Sei­te wäh­nen – was ideo­lo­gisch weit­ge­hend auch gut passt –, aber den­noch Distanz wah­ren müs­sen gegen­über der voll­stän­di­gen Eska­la­ti­on in Obsku­ran­tis­mus, wie sie häu­fig in die­sem Milieu anzu­tref­fen ist.

Den­noch: Es liegt Poten­zi­al für die Sze­ne in dem The­ma. Erst letz­tes Jahr hat eine Stu­die (hier bespro­chen von der taz) fest­ge­stellt, dass es an deut­schen Unis inner­halb von Stu­di­en­gän­gen zu Umwelt- und Natur­schutz durch­aus eine Anfäl­lig­keit für rechts­extre­mes Gedan­ken­gut gibt. Die „neu­rech­te“ Sze­ne hat das erkannt; dafür steht etwa die Grün­dung des Maga­zins „Die Keh­re“, das sich aus­schließ­lich mit der The­ma­tik befasst. Her­aus­ge­ber Jonas Schick ist wie Sem­lit­sch Teil des engen Umfel­des von Götz Kubit­schek und schreibt eben­so für die „Sezes­si­on“.

Lichtmesz, Kubitschek, Schick beim Sinnieren über Ökologie und Gewalt (YouTube, 29.8.22)
Licht­mesz, Kubit­schek, Schick beim Sin­nie­ren über Öko­lo­gie und Gewalt (You­Tube, 29.8.22)

Hohn und Hitler

Bereits im Juni 2022 hat Sem­lit­sch im Blog der „Sezes­si­on“ eine vier­tei­li­ge Arti­kel­se­rie zum The­ma „Öko­ter­ro­ris­mus“ ver­öf­fent­licht. Im ers­ten Teil spot­tet er über die Kli­ma­ak­ti­vis­tin Lui­sa Neu­bau­er, die er etwa als „ver­wöhn­ter, rei­cher Teen­ager, der im Kör­per einer Erwach­se­nen gefan­gen ist“ oder auch als „klei­nes Mäd­chen mit gro­ßer Klap­pe“ beschimpft. Das (sexis­tisch unter­mal­te) Ver­ächt­lich­ma­chen hat den Zweck, die Akti­vis­tin als unbe­deu­tend zu erklä­ren. Neu­bau­er und auch Gre­ta Thun­berg sei­en „rei­ne Medi­en­phä­no­me­ne“, die ihre Bekannt­heit „geziel­tem Astro­tur­fing ver­dan­ken“ wür­den. Eine Aus­sa­ge, die span­nen­der­wei­se Sem­lit­schs eige­nes Milieu prä­zi­se cha­rak­te­ri­siert – schließ­lich bezeich­net der Begriff „Astro­tur­fing“ ein Phä­no­men, dass die gesam­te „Neue Rech­te“ die­ser Tage recht gut fasst: Eine Mar­ke­ting­stra­te­gie, die dar­auf auf­baut, sich als „Gras­wur­zel­be­we­gung“ dar­zu­stel­len, obwohl hier ledig­lich eine klei­ne Grup­pe ein ganz spe­zi­fi­sches Inter­es­se verfolgt. 

Sem­lit­sch behaup­tet, nicht nur die Klimaschützer*innen, son­dern die „Links­extre­men über­haupt, egal wel­cher Glau­bens­rich­tung, [haben] eine sys­tem­af­fir­mie­ren­de Funk­ti­on“; inso­fern hät­ten lin­ke Aktivist*innen auch „Nar­ren­frei­heit“, wäh­rend rech­te „wie Ter­ro­ris­ten oder Mas­sen­mör­der in spe behan­delt“ wür­den. Die­se wohl­be­kann­te Selbst­sti­li­sie­rung zum Opfer ist ein Ste­cken­pferd jeder Aus­prä­gung der gegen­wär­ti­gen extre­men Rech­ten: Jene die vom „gro­ßen Aus­tausch“ schwa­dro­nie­ren sehen sich sofort als Ver­folg­te, sobald skan­da­li­siert wird, dass jemand unter dem Ban­ner ihrer Slo­gans tat­säch­lich Men­schen abschlach­tet. Sem­lit­sch beherrscht die­ses Geschäft einer aggres­si­ven Lar­moy­anz seit vie­len Jahren. 

Span­nen­der aber noch an die­sem Bei­spiel ist, dass er hier Ein­bli­cke in einen wei­te­ren zen­tra­len Aspekt rechts­extre­mer Ideo­lo­gie gewährt: Die Unfä­hig­keit oder den Unwil­len, gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se außer­halb mar­tia­li­scher Freund-Feind-Sche­ma­ta zu begrei­fen. Denn Sem­lit­sch pro­ji­ziert eben die­ses Sche­ma einer ulti­ma­ti­ven Feind­bild­be­stim­mung auf die Moti­va­ti­on sei­ner Gegner*innen. Und dabei spart er auch nicht mit NS-rela­ti­vie­ren­den Super­la­ti­ven, etwa wenn er einen „öffent­li­chen Dis­kurs­wan­del“ hin­sicht­lich der Legi­ti­ma­ti­on von Gewalt dia­gnos­ti­ziert und schreibt: „Was gegen den ‚neu­en Hit­ler‘ Putin recht ist, soll­te gegen den ulti­ma­ti­ven ‚Nazi‘ Kli­ma­wan­del, der die gan­ze Mensch­heit holo­caus­ten will, bil­lig sein, n’est-ce pas [„nicht wahr“, Übers. SdR]?“ (Licht­mesz 2022) Ganz ähn­lich tönt es im zwei­ten Teil sei­ner Arti­kel­se­rie, wenn Sem­lit­sch mit Bezug auf den mar­xis­ti­schen Sozio­lo­gen Andre­as Malm zuspitzt, was er für den lin­ken Zugang zur öko­lo­gi­schen Kata­stro­phe hält: „Es han­delt sich dabei also um einen ulti­ma­ti­ven, abso­lu­ten Feind, um einen struk­tu­rel­len Mega-Giga-Über-Hit­ler, und gegen ihn zu kämp­fen, bedeu­tet, sich in den Dienst einer ulti­ma­ti­ven, abso­lu­ten Moral zu stel­len.

Was Sem­lit­sch spöt­tisch zum Vor­wurf erhebt, gibt frei­mü­ti­ge Ein­bli­cke in die Funk­ti­ons­wei­se sei­ner eige­nen Ideo­lo­gie. Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on ent­lang eines mar­tia­li­schen Freund-Feind-Sche­mas ist schließ­lich der rhe­to­ri­sche Puls­schlag der extre­men Rech­ten. Denn man befin­det sich ja im apo­ka­lyp­ti­schen Abwehr­kampf gegen den gezielt betrie­be­nen „Bevöl­ke­rungs­aus­tausch“. Das völ­ki­sche Ver­spre­chen eines hei­len homo­ge­nen Schre­ber­gar­tens kann ohne sol­che (inne­re und äuße­re) Feind­be­stim­mung nicht aus­kom­men; inso­fern zählt auch die Mora­li­sie­rung des Poli­ti­schen zu den Kern­ele­men­ten extrem rech­ter Ideo­lo­gie: Nicht gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se und Prak­ti­ken sind das Pro­blem, son­dern Per­so­nen und Per­so­nen­grup­pen ver­ei­teln jene hei­le Welt, die sich ansons­ten ja ganz natur­wüch­sig ein­stel­len müss­te im „eth­no­kul­tu­rell“ homo­ge­nen Biotop.

Kurz: Apo­ka­lyp­tik (Stich­wort: „Unter­gang des Abend­lan­des“ und „Bevöl­ke­rungs­aus­tausch“) sowie per­so­na­li­sie­ren­de und mora­li­sie­ren­de Freund-Feind-Sche­ma­ta zäh­len zu den Kern­ele­men­ten der rechts­extre­men Ideo­lo­gie. Und Sem­lit­sch pro­ji­ziert die­se Kom­ple­xi­täts­re­duk­ti­on sei­nes Milieus auf einen als „links“ mar­kier­ten Umwelt- bzw. Klimaschutz. 

Die Pro­jek­ti­ons­leis­tung ent­las­tet; das unein­ge­stan­de­ne Eige­ne wird im Ande­ren erkannt und dort kri­ti­siert bzw. ver­ächt­lich gemacht. Und der Kli­ma­schutz eig­net sich frei­lich her­vor­ra­gend als Pro­jek­ti­ons­flä­che für die rechts­extre­me Lustangst am Untergang.

➡️ Fas­zi­na­ti­on „Öko­ter­ro­ris­mus“ (II): Vernichtungsfantasien

Fußnoten

1 Licht­mesz ist Autor bei der „neu­rech­ten“ Zeit­schrift „Sezes­si­on“ und dem „Antaios“-Verlag, bei­de betrie­ben von Sze­ne-Grö­ße Götz Kubit­schek im säch­si­schen Schnell­ro­da. Er hat sich in sei­nem Milieu u.a. ande­rem einen Namen damit gemacht, dass er ein Buch mit dem Titel „Revol­te gegen den Gro­ßen Aus­tausch“ (2016) von dem fran­zö­si­schen Rechts­extre­mis­ten Renaud Camus ins Deut­sche über­setzt hat. Damit lie­fer­te er der Sze­ne jenen Text, von dem die ras­sis­ti­sche Ver­schwö­rungs­chif­fre vom „Bevöl­ke­rungs­aus­tausch“ stammt, die zum Haupt­slo­gan der „Iden­ti­tä­ren“ wurde.
2 Zitier­te Quel­len: Licht­mesz, Mar­tin (2022): „Öko­ter­ro­ris­mus“ (vier­tei­li­ge Arti­kel­se­rie), erschie­nen im Blog der „Sezes­si­on“, zuletzt ein­ge­se­hen: 07.08.2023
3 Die zu die­ser Stra­te­gie gehö­ren­den Simu­la­ti­on von Grö­ße haben wir unlängst anhand eines Ver­lags­tref­fens in Wien bespro­chen: Rechts­extre­mes „Vien­na Cal­ling“ (21.4.23)
4 Da es sich bei den ent­spre­chen­den Akteu­ren bei­na­he aus­schließ­lich um Män­ner han­delt, ver­wen­den wir auch nur die männ­li­che Form