Laut dem „Zur Zeit“-Herausgeber Andreas Mölzer gibt es keine Verbindungen zwischen seiner Partei und „rechtsextremen Gruppen“. In dem zur Postille gehörenden Podcast (9.8.23) erklärt er Rechtsextremismus gar zum „Zombie“ und dekliniert diese Behauptung anhand einiger Beispiele durch:
Die rechtsextreme Motorradgang „Bandidos“? Laut Mölzer „weitgehend unpolitisch“; sie seien „eher ein proletarisches Phänomen mit motorisiertem Männlichkeitskult und einer gewissen Gewaltverliebtheit“. Ihnen eine „ideologische Grundierung“ zu unterstellen, sei eine „zielgerichtete politische Verschwörungstheorie“ gegen die FPÖ. Der Rechtsextremismusexperte Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstand (DÖW) sieht das freilich völlig anders, was angesichts des Fundes von über 500 Nazi-Devotionalien und Waffen bei der „Bandidos“-Gang – samt langjähriger Zugehörigkeit vieler Beschuldigter zur braunen Szene sowie Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz – nicht überrascht. Peham ortet eine „Professionalisierung“ sowie eine „enorme Zunahme an Waffenbesitz im organisierten Neonazismus“, und er konstatiert zudem: Die „Gefährdung durch neonazistischen Terror ist so hoch, wie seit den frühen 90er Jahren nicht“ (Interview OÖN, youtube.com, 29.6.23).

Und die „Reichsbürger“? Laut Mölzer „so etwas wie eine Sekte“, ohne „echte politische Ambitionen“. Von Umsturzabsichten, wie sie etwa die Gruppe rund um Prinz Reuß in Deutschland geplant hatte, lässt sich ein Mölzer nicht stören.
Und schließlich die Identitären? Hier sieht Mölzer von einer politischen Einschätzung ab, moniert nur, sie seien gerichtlich „exkulpiert“ worden, würden aber dennoch als rechtsextrem bezeichnet und mit der FPÖ in Verbindung gebracht werden. Dass seine Partei mit den neofaschistischen Identitären regelmäßig und inzwischen auch ganz offen gemeinsame Sache macht und zudem die gleichen Slogans und Ideologeme bedient, erwähnt Mölzer freilich nicht. Stattdessen geht er direkt zu Whataboutism über und raunt, Politik und Verfassungsschutz seien passiv „bei der Bekämpfung der realen Gefahren“ – nämlich „des linksextremen Bereichs der sich zunehmend radikalisierenden Klimakleber und dem Bereich des Islamismus“.
Mölzer predigt diesen infamen Unsinn in seiner bekannten Rolle als völkischer Erklärbär. Als solcher absolviert er auch immer wieder mediale Auftritte zur Verharmlosung seines Milieus, das er mal als „wertkonservativ“, mal als „national-liberal“ verniedlicht. Währenddessen stellen die „Journalisten“ seines Wochenblatts (nur Männer) weiterhin eindrucksvoll unter Beweis, wie rechtsextreme Ideologieproduktion und Hetze funktionieren.
Empörung über Pseudo-Satire
Immer wieder rollt eine Woge der Empörung durch die sozialen Medien, wenn es besonders heftig hergeht. Zuletzt war der Auslöser ein Tweet (9.8.23) der profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer, der einen rassistischen, als „Satire“ getarnten Spottartikel von „Zur Zeit“-Stammschreiber Erich Körner-Lakatos skandalisierte. Dessen aktueller Schmähtext ist gegen Omar Haijawi-Pirchner, den Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), gerichtet und macht sich auf tiefstem Niveau über dessen Namen lustig, nennt ihn „Mohammedaner“ und fragt: „könnte es sein, dass man als Moslem – im Unterbewusstsein – doch ein anderes Gefühl gegenüber den ins Kriminal abgerutschten Glaubensgenossen aufbringt als ein autochthoner Österreicher?“ Dass ein im Waldviertel geborener Polizist kein „autochthoner Österreicher“ sein soll, ist nur verständlich, wenn man in völkischer Ideologie befangen ist und das trifft auf den rassistischen „Zur Zeit“-Schreiber zweifellos zu. Der bei E.K.-L. anklingende Grad an völkischem Reinheitseifer müsste ihn hinsichtlich des eigenen Personals – Stichwort: Udo Landbauer – in Verwirrung stürzen oder zumindest dazu führen, dass er fest beide Augen zudrückt.
Bei dem Text handelt es sich nicht um eine „Entgleisung“, denn solcher Rassismus ist bei „Zur Zeit“ schlicht Normalität. Nur der Grad der Heftigkeit scheint zu bestimmen, wann ein Text das Feigenblatt „Satire“ verpasst bekommt. „Zur Zeit“ missbraucht also die Kunstgattung des subversiven Spotts als Etikett für Texte, in denen die inhaltliche Normalität lediglich im Ton gesteigert wird – in der Regel hin zu offenem Hass und persönlichen Untergriffen (die sonst womöglich klagbar wären). E.K.-L. produziert zwar viel „Satire“ für „Zur Zeit“ (in jeder Ausgabe findet sich unter dem Kolumnen-Titel „Das E.K.E.-L.“ ein solcher Sermon), aber er schreibt eben auch ganz „normale“ Beiträge, die sehr deutlich zeigen, dass seine „Satiren“ lediglich graduelle Steigerungen in Heftigkeit sind.
Die Empörung über den Text ist begrüßenswert, aber ihr medialer Ausdruck wird dann problematisch, wenn der völlig unbedeutende Schreiber E. K.-L. durch reichweitenstarke Twitteraccounts – die dann teilweise noch dazu den ganzen Text verbreiten – möglicherweise bekannter wird als davor. Darauf hat Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) zu Recht hingewiesen.
Beispiele für Nicht-Satire
Wir haben bereits mehrmals über den nicht-satirischen E.K.-L. berichtet. Etwa im Jahr 2019, wo er in Ausgabe 15 den rumänischen Diktator Ion Antonescu (1882–1946), der als Hitler-Kollaborateur den Massenmord an rumänischen Juden und Jüdinnen organisiert hat, in einem ausschließlich positiv gestimmten Artikel als konservativen Helden verklärt.
Im selben Jahr bezeichnet E.K.-L. den IKG-Präsidenten Oskar Deutsch in einem auf der „Zur Zeit“-Homepage erschienenen Kurztext (24.6.19) als „Ayatollah Deutsch“. Und er nimmt dessen antifaschistisches Engagement zum Anlass, vor einer Entwicklung hin zu einem „System wie im Iran“ zu warnen. Damit deutet er gemäß des antisemitischen Motivs einer jüdischen Verschwörung eine Unterwanderung des Staates an und er vergleicht Deutsch mit dem Führer eines Terrorregimes, das mehrfach den Holocaust geleugnet hat und weiterhin von der Vernichtung Israels träumt.
Ein ähnliches Spiel mit antisemitischen Codes treibt er auch in einem heuer auf der Website (6.3.23) erschienenen Text über die italienische Sozialdemokratin Elly Schlein. Dass Schleins Vater Jude ist, lässt E.K.-L. via eines unverdächtigen Zitats aus der „Neuen Zürcher Zeitung” verlautbaren, um sie anschließend mit der Post-Faschistin Giorgia Meloni zu kontrastieren. Völlig unabhängig von deren gänzlich unterschiedlicher Politik (Schlein Sozialdemokratin, Meloni Rechtsextreme), vergleicht er beide lediglich anhand von Herkunft und Lebensstil – und das wiederum entlang von antisemitischen Klischees.
Aufgrund von Schleins drei Staatsbürgerschaften nennt er sie „Magd dreier Herren“, was ihr, vom dümmlichen Sexismus der Formulierung abgesehen, die Fähigkeit zur Treue gegenüber nur einem Staat implizit absprechen soll. Dann unterscheidet E.K.-L. die beiden mittels einer antisemitisch aufgeladenen Gegenüberstellung von „Anywheres“ und „Somewheres“. Ersteres bezieht er auf Schlein. Dabei handle es sich um „eher entwurzelte, sich den einfachen Menschen in jeder Hinsicht überlegen dünkende Zeitgenossen“. Und er setzt fort:
Im Gegensatz zu den somewheres, die sich über einen Ort, eine gesellschaftliche Gruppe, über die Zugehörigkeit zu ihrem Volk definieren, sind anywheres Menschen mit wechselnder Identität, ewige Wanderer, die nirgends so wirklich dazugehören, Weltbürger ohne richtige Heimat. (…) Sie genießen die Vorteile einer Gesellschaft, in der Geld wichtig ist. Weil dies im Grunde genommen der einzige Wert ist, den sie anerkennen.
E.K.L. bedient hier in pseudo-soziologischem Jargon einige Klassiker des Antisemitismus, die er direkt auf Schlein bezieht: wechselnde Identität, „ewige Wanderer“, keine „Heimat“, der „einzige Wert“ sei Geld. Er spricht ihr implizit die „Volkszugehörigkeit“ ab („entwurzelt“) und setzt sie in ein Naheverhältnis von Geldgier. So funktioniert kodierter Antisemitismus.
Vor diesem Hintergrund naheliegend: E.K.-L. ist wie die ganze Redaktion seines Blatts ein Fan von Viktor Orbán, dem Diktator der „Wahlautokratie“ Ungarn. Er nennt den antisemitischen Hetzer: „konservativer Staatsmann von internationalem Format“ (Homepage, 4.5.23), und er freut sich am Beispiel des rechten Vernetzungstreffens „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) über eine autoritäre Morgendämmerung am Horizont: „Von linker und global-liberaler Seite werden derartige Treffen mit besonderem Argwohn beäugt, da ein gemeinsames Vorgehen patriotischer Kräfte als Gefahr für die – in letzter Zeit ohnedies bröckelnde – kulturelle Hegemonie woker Ideologen gilt.“
Seit Jahren schwelgt E.K.-L. in der Orbán-Euphorie und lässt seinen autoritären Gelüsten immer wieder freien Lauf; etwa im Jahr 2014 (Ausgabe 37), wo er Orbáns „Beschäftigungspolitik“ lobt und sich darüber freut, dass jene, „die faul und ungewaschen in der Hängematte des Sozialstaates dösen“, künftig zur „Arbeit“ (doew.at, 9.14) gezwungen würden.
Mit diesen Schlaglichtern ist exemplarisch aufgezeigt, wie Stammautor E.K.L. neben „satirischem“ Rassismus auch andere Elemente rechtsextremer Ideologie bedient: Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus, antidemokratischen Autoritarismus – und all das ganz offen nicht-satirisch. Die Liste ließe sich freilich fortsetzen.
Weiterhin pressegefördert
„Zur Zeit“ erhält weiterhin jährlich Presseförderung aus der öffentlichen Hand – als hätte die systematische Verbreitung von Halb- und Viertelwahrheiten und ganzen Unwahrheiten zum Zweck rechter Stimmungsmache etwas mit Journalismus zu tun. Auch die Grüne Regierungsbeteiligung hat bislang an dieser Tatsache nichts geändert. Daher nochmal zugespitzt: Der NS-Nachfolgestaat Österreich bezahlt seit vielen Jahren mit Steuergeld ein völkisches Schmierenblatt, das auf unterirdischem Niveau Stimmung gegen rassistisch markierte „Fremde“, Frauenrechte, LGBT-Personen und George Soros – oder andere antisemitische Platzhalter – macht. „Stoppt die Rechten“ hat diese rechtsextreme Normalität in „Zur Zeit“ im Jahr 2020 in einem ausführlichen Dossier dokumentiert. An diesen Einschätzungen hat sich nichts verändert.