Andreas Mölzer wird dieser Tage immer wieder in unterschiedlichen TV-Formaten zu den Freiheitlichen befragt. Im ORF erst vor ein paar Wochen etwa zur Causa um die Identitären, jetzt zum Ausscheiden der FPÖ aus der Regierung. Und besonders absurd: Zwischen diesen Ereignissen im Kulturformat „Erlesen“. Auch Puls 4 lädt Mölzer regelmäßig in seine Sendungen ein, zuletzt vor wenigen Tagen, als der Misstrauensantrag gegenüber Sebastian Kurz zur Debatte stand.
Mölzers Präsenz überrascht nicht nur – schließlich hat er keinerlei Funktion in seiner Stammpartei –, sondern ist auch problematisch. So wird etwa im „Report Spezial“ zur Regierungskrise Mölzer zum Thema „Einzelfälle“ in der FPÖ seitens des ORF ernsthaft mit dem Satz anmoderiert: „Selbst dem früheren FPÖ-Parteivordenker Andreas Mölzer ist manches zu viel.“ Das scheint vor dem Hintergrund von Mölzers rechtsextremer publizistischer Tätigkeit und der wahrlich permanenten Pro-FPÖ-Propaganda in „Zur Zeit“ geradezu jenseitig. Das Blatt hat nicht nur keinen der sogenannten „Einzelfälle“ aus den Reihen der Freiheitlichen kritisch kommentiert, sondern ist vielmehr zu deren Verteidigung oder Bagatellisierung angetreten. Aber nicht nur das: „Zur Zeit“ liefert selbst regelmäßig Entgleisungen, die ein zutiefst antidemokratisches Weltbild entlang völkischer Ideologeme klar hervortreten lassen. Nicht selten wird das anhand von historischen, mitunter weniger bekannten Themen ausbuchstabiert. Um ein krasses und aktuelles Beispiel aus Mölzers Blatt geht es im Folgenden.
„Zur Zeit“ verwendet Bildmaterial einer Holocaustleugner-Website
Mit einem Artikel in der Ausgabe 15 (April 2019) dürfte ein weiterer Tiefpunkt erreicht sein.
Erich Körner-Lakatos, ein regelmäßiger Autor von „Zur Zeit“, fabuliert unter dem bizarren Titel „Ion Antonescu im Glück“ ein kurzes Loblied auf den faschistischen Diktator Rumäniens, unter dessen Herrschaft hunderttausende Juden und Jüdinnen ermordet wurden. Zudem verwendet der Artikel ein Foto von Antonescu, das von der englischsprachigen Website „Affirmative Right“ (1) stammt; dort wird nicht nur eine offen antisemitische und rassistische Ideologie vertreten, sondern mitunter auch der Holocaust geleugnet bzw. relativiert. Auf dem Foto, eine Bildmontage, dem der Hintergrund mit den führergrüßenden Menschen hinzugefügt wurde, trägt der Massenmörder Antonescu ein Hakenkreuz-Emblem.
Bereits der erste Satz des Texts auf der betreffenden Website lässt keine Zweifel mehr darüber zu, mit was man es hier zu tun hat: „Adolf Hitler, weit davon entfernt der ‚extreme Radikale’ zu sein, als der er oftmals porträtiert wird, hat sich an Schlüsselstellen seiner Karriere recht häufig mit konservativen und Establishment-Elementen zusammengetan.“
Als Beispiel von Hitlers „inhärentem Konservatismus“ gilt dem (anonymen) Autor auch die Tatsache, dass er Ion Antonescu unterstützte, denn dieser sei ein „moderater Nationalist mit relativ ’sanften’ antisemitischen Ansichten“ gewesen.
Laut dem Text wendeten sich die 1940 einsetzenden antisemitischen Enteignungen gegen eine „extrem reiche und mächtige jüdische Minderheit“. Diese Verbrechen (die der systematischen Ermordung vorangegangen sind) vergleicht der Text mit späteren anti-rassistischen Politiken in afrikanischen Staaten, womit der antisemitische Terror unmissverständlich als Widerstandsakt des „Volkes“ bejaht wird. Die systematische Ermordung von Juden und Jüdinnen ab 1941 findet in dem wahnwitzigen Text selbstverständlich keine Erwähnung.
Der Holocaust in Rumänien
Ion Antonescu war nicht nur ein opportunistischer Kollaborateur des Naziregimes, sondern auch ein Antisemit und ein aktiver Akteur der Menschenvernichtung. Eine Aufarbeitung dieser Verbrechen durch eine internationale Kommission von HistorikerInnen unter der Leitung von Elie Wiesel gab es erst 2004. Der Abschlussbericht kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Antonescu-Regime vorsätzlich am Holocaust beteiligt hat und für die Ermordung von 280 000 bis 380 000 rumänischen und ukrainischen Juden und Jüdinnen, sowie etwa 20 000 Roma und Sinti verantwortlich ist. Der systematischen Tötung im rumänischen Besatzungsgebiet Transnistrien (und durch Todesmärsche in dieses Gebiet) gingen Pogrome und Massaker, vor allem in Bessarabien und der Bukowina, voran.
Trotz der selektiven Bearbeitung der NS-Verbrechen in Europa, in der Rumänien tatsächlich besonders lange unterbeleuchtet blieb, handelt es sich bei dem Ausmaß der dortigen Verbrechen selbstverständlich nicht um ein Geheimwissen, das erst nach dem Jahr 2000 enthüllt wurde. So bezieht sich der Abschlussbericht der Wiesel-Kommission von 2004 etwa auf den Historiker Raul Hilberg, dessen Standardwerk zur Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen aus den 1960er Jahren stammt. Zitiert wird der Satz (2): „Außer Deutschland war kein anderes Land in Judenmassaker solchen Ausmaßes verstrickt.“ (Hilberg 2016, S. 812) Hilberg beschreibt die rumänische Zusammenarbeit mit den Nazis als eine „Mixtur aus Destruktivität und Opportunismus“. Das Resultat davon war ein „beispielloses Register antijüdischer Ausschreitungen“ (ebd., S. 813).
Auch Hannah Arendt hat bereits 1964 in ihrem Buch zum Prozess gegen Adolf Eichmann in Israel die herausragende antisemitische Barbarei in Rumänien unter Antoenscu beschrieben. Sie zitiert sogar Hitler, der im August 1941, also kurz nach dem Befehl zur „Endlösung“, zu Goebbels gesagt habe, dass „ein Mann wie Antonescu in dieser Frage viel radikaler vorgeht, als wir es bisher getan haben“ (Hitler zit. nach Arendt 2017, S. 297). Wie Hilberg verweist auch sie auf die Mixtur aus organisiertem Vernichtungswahn und jenem korrupten Opportunismus, der Geld daran verdiente Juden und Jüdinnen sich freikaufen zu lassen.
Arendt hält den extremen Zynismus der rumänischen Mörder folgendermaßen fest:
„Antonescu war von Anfang bis zum Ende nicht eigentlich ‚radikaler’ als die Nazis (wie Hitler meinte), sondern eigenartigerweise der deutschen Entwicklung immer um eine Fußlänge voraus. Als erster machte er seine Juden staatenlos, und er hatte sie in aller Öffentlichkeit abschlachten lassen, als die Nazis noch vorsichtig ausprobierten, wie weit man gehen könne. Er verfiel auf die Idee, Juden zu verkaufen, ein reichliches Jahr früher als Himmler auf sein ‚Blut-gegen-Ware’-Geschäft, und er endete damit, wie Himmler schließlich auch, daß er die ganze Angelegenheit abblies, als sei sie eine bedauerliche Fehlleistung gewesen.“ (ebd., S. 300)
Kurzum: Das Antonescu-Regime war mitnichten ein passiver NS-Satellitenstaat, sondern aktiv und eigenständig am Vernichtungsprogramm der Nazis beteiligt.
Erich Körner-Lakatos zu Antonescu
Zurück zu „Zur Zeit“ (3). Dort findet Körner-Lakatos ausschließlich positive Töne für den faschistischen Massenmörder und Nazi-Kollaborateur Antonescu. Kein Wort über die Ermordung von Juden, Jüdinnen und Roma, dafür der Hinweis, dass Antonescu „wegen seiner geradlinigen Haltung beim Volk überaus beliebt“ gewesen sei. Körner-Lakatos knüpft an den beliebten Anti-Dekadenz-Diskurs der extremen Rechten an, wenn er weiter erklärt: „Ion Antonescu ist für die einfachen Menschen im Land geradezu ein Antipode zum verkommenen Leben der frankophilen Bukarester Oberschicht.“
Dass das faschistische Rumänien ab der Machtübernahme von Antonescu ein NS-Satellit (und dementsprechend ein Akteur der NS-Vernichtungspolitik) war, klingt bei Körner-Lakatos lediglich in euphemistischen Tönen an: „Deutsch-rumänische Achse: Christliche und konservative Kräfte genossen Rückendeckung aus Deutschland“, heißt es neben dem Bild von der braunen Website.
Es ist ungeheuerlich, NS-kollaborierende Faschisten als „christliche und konservative Kräfte“ zu bezeichnen. Das Loblied endet bei den frühen politischen Erfolgen des Führers Antonescu: „Der neue Staatsführer (Conducatorul al Statului Roman) geht energisch ans Werk.“
Dass Hitler ein wahrer Antonescu-Fan war, wusste Körner-Lakatos übrigens, denn er hat erst vor Kurzem, in der „Zur Zeit“-Ausgabe 13, einige wohlmeinende Hitler-Zitate zu Antonescu wiedergegeben (4). Diese stammen aus dem Buch „Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier“ von Henry Picker. Körner-Lakatos gibt sie im Wesentlichen einfach wieder, „kritisch“ eingebettet lediglich durch die Ansage, dass die „Tischgespräche“ „Einblicke in die verquere völkische Gedankenwelt Adolf Hitlers“ geben würden. So verquer dürften sie ihm gar nicht vorkommen, denn im Untertitel zu seinem Artikel heißt es mild zu Hitler: „Ein Kind seiner Zeit im Urteil über andere Völker.“ Die Milde im Umgang mit Hitlers Wahnvorstellungen steigert sich dann bis zu einem Punkt, wo man sich ein Witzchen gönnt: Anschließend an das Hitler-Zitat, „Antonescu ist von allen unseren Verbündeten der absolut bedeutendste Kopf“, fügt Körner-Lakatos den Satz, „Wenn das der Duce wüsste!“ (gemeint ist natürlich Mussolini) an. Ein rechtsextremer Schenkelklopfer zur Auflockerung nach einer Reihe von rassistischen Hitler-Zitaten.
Körner-Lakatos schreibt regelmäßig für „Zur Zeit“ und fällt nicht zum ersten Mal durch extreme Äußerungen auf. Wobei der Antonescu-Text weniger durch explizite Aussagen, als durch – zweifellos bewusste – Auslassungen und seine zeitliche Komposition funktioniert. Ausgelassen werden etwa die frühen antisemitischen Gesetze, die Antonescu relativ unmittelbar nach der Machtübernahme erließ, oder die Tatsache, dass Tausende Juden und Jüdinnen bereits ahnten, was ihnen unter dem neuen Führer zustoßen würde und Rumänien auf seeuntüchtigen Schiffen Richtung Palästina zu fliehen suchten, wobei Hunderte starben (vgl. Hilberg 2016, S. 816). Der Text endet genau so, dass der Genozid ab 1941 nicht mehr erwähnt wird und lediglich eine Art Heldengeschichte übrig bleibt, die das Narrativ des bodenständigen Politikers, der gegen das angeblich verkommene und dekadente Establishment aufbegehrt, bedient.
Presseförderung
„Zur Zeit“ erhält jährlich im Rahmen der Vertriebsförderung öffentliche Gelder, 2018 waren es 45.000 Euro. Im November 2015 stellten die Grünen anlässlich eines rassistischen Artikels im Nationalrat einen Antrag auf Streichung der staatlichen Presseförderung, der mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde.
Wir haben zuletzt mehrfach über „Zur Zeit“ berichtet:
Im Dezember 2018 zu zwei herausragenden Entgleisungen (Teil 1) und zur rechtsextremen Normalität des Blatts (Teil 2)
Im April 2019 zu Mölzers Ideologie der „Umvolkung“ (Teil 1) und zu den Zusammenhängen zwischen „Zur Zeit“ und den Identitären (Teil 2)
Im Mai 2019 über eine mögliche Querfinanzierung aus EU-Geldern
Fußnoten
1 Website von „Affirmative Right“: „The Romanian ‚Night of the long Knives’ – Ion Antonescu and the Overthrow of the Iron Guard“, zuletzt eingesehen: 28.05.2019
2 Siehe „Executive Summary“ in der Verlinkung zu dem Bericht der Kommission, S. 1
3 „Zur Zeit“, Nr. 15, April 2019, S. 44–45
4 „Zur Zeit“, Nr. 13, März – April 2019, S. 44–45
Literatur
Arendt, Hannah (2017/1964): Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. München/Berlin: Piper
Hilberg, Raul (2016/1961): Die Vernichtung der europäischen Juden. Band 2. Frankfurt/Main: Fischer