Aus der Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Schärding
„Wiesinger selbst sagt auf Nachfrage von VICE, es handle sich um ein Steinmetzzeichen: Ein O, ein W und dazu zwei i‑Punkte. „‚Das hat aber mit der Odalrune eigentlich nichts zu tun’, so Wiesinger weiter: ‚Irgendein Spinner habe eben einmal gemeint, er müsse das mit der Odalrune vergleichen. Eine Ähnlichkeit ließe sich aber einfach nicht vermeiden, bei O und W.‘“ (vice.com, 16.7.16)

Damit erklärt Wiesinger, dass ihm die Ähnlichkeit seines Logos mit der Odalrune schon seit längerem bekannt sei, eine Ähnlichkeit sich aber nicht vermeiden ließe.
Ich verweise dazu auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 4.7.1984, in der eine Beschwerde des Klägers, der ein Abzeichen mit der Odalrune getragen hat, abgewiesen wurde. Der Kläger berief sich unter anderem auch darauf, dass sich das inkriminierte Abzeichen „in wesentlichen Punkten von den von der Behörde zu Vergleichszwecken herangezogenen NS-Symbolen unterscheide (nach Proportion und Form sowie durch das Fehlen hochgestellter Querhaken im Unterteil bzw. von Pfeilspitzen)“.
Dazu stellt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung, mit der die Beschwerde Klägers, abgewiesen wurde, fest, dass sich die Änderungen „nur in unwesentlichen Einzelheiten“ von der Odalrune unterscheiden würden und zweitens auch das Nichtwissen über die Rechtswidrigkeit im konkreten Fall nicht vor der Strafbarkeit schützt:
„Davon abgesehen übersieht der Beschwerdeführer, daß nach der von ihm selbst ins Treffen geführten Regelung des § 5 Abs. 2 VStG 1950 die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßenunverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte, die von ihm vorgebrachten Umstände jedoch nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichen, einen solchen Beweis als erbracht anzusehen.“
Auch die weiteren Ausführungen in diesem Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes belegen, dass
„schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes dann Strafe nach sich zieht, wenn, was hier gleichfalls zutrifft, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist“.
Was für das Abzeichen der „Laienbühne Wienerwald“ im gegenständlichen Fall gegolten hat, sollte auch für das Logo des Herrn Wiesinger gelten, im Besonderen deswegen, weil Herr Wiesinger spätestens seit 2016 von der starken Ähnlichkeit mit der Odalrune weiß und aus der politischen Einstellung des Herrn Wiesinger abgeleitet werden kann, dass die Verwendung dieses Symbols auch schon vorher nicht bloß zufällig und ahnungslos erfolgt ist.
Auch eine allfällig behauptete Verwendung der Odalrune unter Berufung auf die Freiheit der Kunst ist in Wiesingers Fall nicht statthaft, weil es sich erstens nicht um eine der im § 2 ermöglichten straffreien Ausnahmebestimmungen handeln kann und zweitens schon aus naheliegenden Gründen die Verwendung von so starken NS-Symbolen wie Sieg-Rune, Odalrune oder Hakenkreuz nicht mit der Freiheit der Kunst gerechtfertigt werden kann – es sei denn, die Intention der Zurschaustellung wäre gegen den Nationalsozialismus gerichtet. In diesem Sinn ist das Abzeichengesetz eigentlich sehr klar und eindeutig – sowohl bei der Strafbarkeit als auch bei den Ausnahmebestimmungen.
Weil einige grundsätzliche Fragen zum Abzeichengesetz angesprochen werden, hier für Interessierte der Leserbrief an „Stoppt die Rechten“, der uns zur Anzeige motiviert hat:
Der Leserbrief von Michael W.
Wie Medienberichten der letzten Tage zu entnehmen ist, wurde der Maler Manfred „Odin“ Wiesinger als Vertreter der FPÖ für den Kulturbeirat des Landes Oberösterreich vorgeschlagen und seitens der oö Landesregierung bestellt (Vgl. § 7 ff Oö. Kulturförderungsgesetz).
Im Zuge der Berichterstattung informierten mehrere Medien darüber, dass Manfred Wiesinger die Odalrune als „Logo“ verwende, so etwa„Seinen Künstlernamen Odin (nach dem nordischen Göttervater) erhielt Wiesinger in der Burschenschaft, sein echter Vorname lautet Manfred. Als Logo führt er eine stilisierte Othala- bzw. Odal-Rune, die in der Waffen-SS und später bei Neonazis (u. a. bei der verbotenen Wiking-Jugend) Verwendung fand. Wiesinger sieht in seinem Logo hingegen ein harmloses Monogramm aus seinen Initialen ‚O‚ und ‚W‚.“
- sowie diepresse.com vom 13.5.19 in Verbindung mit einem Artikel von vice.com (mit Fotos von Werken von M. Wiesinger) vom 22.7.2016:
Gemäß § 1 Abs. 1 Abzeichengesetz 1960 BGBl. Nr. 84/1960 (AbzG)dürfen Abzeichen, Uniformen oder Uniformteile einer in Österreich verbotenen Organisation öffentlich weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden. Als Abzeichen sind auch Embleme, Symbole und Kennzeichen anzusehen.
Bei Zuwiderhandeln ist eine Geldstrafe bis zu EUR 4.000,00 oder Freiheitsstraße bis zu einem Monat vorgesehen (§ 3 Abs. 1 AbzG). Abzeichen, die den Gegenstand einer strafbaren Handlung im Sinne des § 1 AbzG bilden, sind, soweit dies nach der Beschaffenheit der Abzeichen möglich ist, für verfallen zu erklären (§ 3 Abs. 2 AbzG).
Die Odalrune ist ein Symbol einer verbotenen Organisation iSd AbzG iVm VerbotsG wie auch der Rechtsprechung des VwGH (Vgl. zB VwGH 4.7.1984, 81/01/0227) und des VfGH (VfSlg 9246mwN) zu entnehmen ist:
„Die Odalrune war das Divisionszeichen der 7. SS-Division Prinz Eugen und diente den Angehörigen der SS, Rasse- und Siedlungs-Hauptamt als Abzeichen. Es kann unerörtert bleiben, unter welchen Umständen die Verwendung der Odalrune nicht gegen das AbzeichenG verstößt…“ (Vgl. dazu auch Lichtenwagner, „…den Geist der Organisation verpflanzende Wirkung“, Das Abzeichengesetz als Mittel im Kampf gegen NS-Symbole, S. 51 ff und 54 ff, in Lichtenwagner/Reiter-Zatloukal(Hrsg), „…um alle nazistische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern“, NS-Wiederbetätigung im Spiegel von Verbotsgesetz und Verwaltungsstrafrecht).
Manfred Wiesinger verneint, dass es sich bei dem von ihm verwendeten Emblem um die Odalrune handelt (vgl. oben Artikel auf derstandard.at vom 13.5.19). Sollte – wie von M. Wiesinger angegeben – das von ihm gestaltete und verwendete Zeichen tatsächlich in Nuancen von einer Odalrune abweichen, kommt § 1 Abs. 2 AbzG zur Anwendung: „Das Verbot des Abs. 1 erstreckt sich auch auf Abzeichen, Uniformen und Uniformteile, die auf Grund ihrer Ähnlichkeit oder ihrer offenkundigen Zweckbestimmung als Ersatz eines der in Abs. 1 erwähnten Abzeichen, Uniformen oder Uniformteile gebraucht werden.“ Der Rechtsprechung zufolge müssen die Symbole sich „in ihrer darstellerischen Gestaltung und vom Gesamteindruck her gesehen“ ähnlich sein, Einzelheiten können abweichen. (Vgl. VwGH 4.7.1984, 81/01/0227sowie Lichtenwagner, S. 53 f).
Weiters reicht Fahrlässigkeit aus, um die Strafnorm des § 1 AbzG zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, dass die Person, welche das entsprechende Symbol darstellt, weiß, dass es sich um ein Symbol handelt, dessen Darstellung verboten ist (Vgl. Lichtenwagner, S. 50).
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Sachverhalt kann auch § 2 Abs. 1 AbzG von Bedeutung sein:
„Die Verbote des § 1 finden, wenn nicht das Ideengut einer verbotenen Organisation gutgeheißen oder propagiert wird, keine Anwendung auf Druckwerke, bildliche Darstellungen, Aufführungen von Bühnen- und Filmwerken sowie Ausstellungen, bei denen Ausstellungsstücke, die unter § 1 fallen, keinen wesentlichen Bestandteil der Ausstellung darstellen.“
Um festzustellen, ob diese Ausnahme zum Tragen kommt, bedürfte es wohl auch einer sachverständigen, kunsthistorischen Einschätzung. Das Berufen auf diese Ausnahme scheint aber aus Laiensicht angesichts der in Medien erfolgten Beschreibungen der Werke von M. Wiesinger zumindest fraglich zu sein (Vgl. dazu ua auch http://galleria.thule-italia.com/m‑odin-wiesinger/?lang=de).
Weitere Rechtsprechungs- und Literaturnachweise zum AbzG finden sich ua bei Lichtenwagner, „…den Geist der Organisation verpflanzende Wirkung“, Das Abzeichengesetz als Mittel im Kampf gegen NS-Symbole, S. 47 ff, in Lichtenwagner/Reiter-Zatloukal(Hrsg), „…um alle nazistische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern“, NS-Wiederbetätigung im Spiegel von Verbotsgesetz und Verwaltungsstrafrecht.
Auch wenn seitens der FPÖ mit der Nominierung von M. Wiesinger in den Landeskulturbeirat im Vorfeld der EU-Wahl wohl (wieder einmal) bewusst provoziert werden sollte: Eine Person mit einem offensichtlich – trotz aller Schein-Beteuerungen und ‑Abgrenzungen – einschlägigen Gedankengut und mit einer derart frauenverachtenden Einstellung (vgl. dazu auch insb. Vice-Artikel oben) wie M. Wiesinger darf in Österreich keinerlei Funktion bzw. Amt in einem Organ bzw. Gremium einer Körperschaft öffentlichen Rechts – sei es auch nur beratend – ausüben. Andernfalls kommt Österreich ua seiner Verpflichtung gemäß Artikel 9 Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich BGBl. Nr. 152/1955, alle Spuren des Nazismus aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu entfernen, nicht hinreichend bzw. nicht im erforderlichen Maße nach.

Weiterführende Literatur zum Abzeichengesetz:
Mathias Lichtenwagner, „… den Geist der Organisation verpflanzende Wirkung“ Das Abzeichengesetz als Mittel im Kampf gegen NS-Symbole. In: Mathias Lichtenwagner, Ilse Reiter-Zatloukal (Hg.), „… um alle nazistische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern“ NS-Wiederbetätigung im Spiegel von Verbotsgesetz und Verwaltungsstrafrecht. CLIO-Verlag, Graz 2018. € 18,- (Kurzbeschreibung)