Zum völkischen Eiertanz des Andreas Mölzer (Teil 2): Identitäres in Mölzers „Zur Zeit”

Lesezeit: 13 Minuten

Wie glaub­haft Möl­zers inhalt­li­che Distan­zie­run­gen von den Iden­ti­tä­ren sind, haben wir in Teil 1 die­ses Bei­trags aus­führ­lich bespro­chen. Im zwei­ten Teil geht es um das von ihm her­aus­ge­ge­be­nen Wochen­blatt „Zur Zeit“, wo sich zumin­dest ein Iden­ti­tä­rer und viel Iden­ti­tä­res fin­det. Auch hier zeigt sich, dass eine inhalt­lich plau­si­ble Tren­nung zwi­schen iden­ti­tär und frei­heit­lich aller Distan­zie­run­gen zum Trotz nicht mög­lich ist. Zumin­dest nicht, solan­ge sich die FPÖ nicht klar von Möl­zer und „Zur Zeit“ distanziert.

Ein identitärer Kapitän und Hassposter in Mölzers Wochenblatt 

In Möl­zers rechts­extre­mer Wochen­zeit­schrift „Zur Zeit“ gibt es einen Viel­schrei­ber aus dem Umfeld der Iden­ti­tä­ren: Alex­an­der Schley­er, der seit Jah­res­be­ginn in bei­na­he jeder Aus­ga­be vor­kommt. Schley­er ist bereits vor Jah­ren durch beson­ders wider­li­che Hass­pos­tings auf­fäl­lig gewor­den, damals war er par­la­men­ta­ri­scher Mit­ar­bei­ter von Chris­ti­an Höbart (FPÖ). In die­sen Pos­tings war etwa von „pri­mi­ti­ven Esel­fi­cker­kul­tu­ren“ und von homo­se­xu­el­len Flücht­lin­gen als „war­me Brü­der“ und „Zer­set­zer“ die Rede (womit klar der völ­kisch-bio­lo­gis­ti­sche Wahn anklingt, der eine Zer­set­zung des „Volks­kör­pers“ ima­gi­niert); zu einem Bon­ner Stadt­teil, in dem es angeb­lich extre­mis­ti­sche Mus­li­me geben soll, schreibt Schley­er: „Aus­räu­chern“; zudem posiert er lachend auf einem Foto vor der Reichs­kriegs­flag­ge und tauscht Face­books-Likes mit dem NPD-Vor­sit­zen­den Frank Franz aus. Im Jahr 2010 hat Schley­er noch an Neo­na­zi-Demons­tra­tio­nen im Bonn teil­ge­nom­men. Die Web­site „Anti­fa-Recher­che Wien“ ver­öf­fent­lich­te bereits 2014 Pos­tings, in denen Schley­er Schuss­waf­fen ver­herr­licht und unver­blümt ras­sis­tisch gegen „Bim­bos“ hetzt. Auch sein Auf­tre­ten als Iden­ti­tä­rer war damals bereits bekannt. Bei­na­he unnö­tig zu erwäh­nen: Selbst­ver­ständ­lich ist Schley­er auch schla­gen­der Bur­schen­schaf­ter und nach sei­nem Orts­wech­sel von Bonn nach Wien beim „Corps Han­sea zu Wien“ gelan­det, einer Bur­schen­schaft, die durch enge Ver­bin­dun­gen zur IB auf­ge­fal­len ist.

Im Früh­jahr 2017 lös­te Höbart das Dienst­ver­hält­nis mit Schley­er nach einer Par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge angeb­lich „ein­ver­nehm­lich“ auf. Was man als gutes Timing bezeich­nen könn­te, denn im Som­mer des­sel­ben Jah­res tritt Schley­er erneut medi­en­wirk­sam in Erschei­nung, und zwar als Schiffs­ka­pi­tän bei der iden­ti­tä­ren „Defend Europe“-Aktion, dem wohl pro­mi­nen­tes­ten Unter­neh­men der IB über­haupt. Trotz des kläg­li­chen Schei­terns der men­schen­ver­ach­ten­den und pein­li­chen Akti­on gab es eine Men­ge media­le Auf­merk­sam­keit für die selbst­er­nann­ten Abend­land­ret­ter. Schley­er, der in Nord­zy­pern kurz­zei­tig fest­ge­nom­men wur­de, hat sogar ein Buch zu sei­nem Aben­teu­er ver­fasst, das in Kubit­scheks „neu­rech­tem“ Ver­lag „Antai­os“ erschie­nen ist, wo auch die Bücher von Sell­ner erschei­nen. In einem auf You­tube ver­öf­fent­lich­ten Inter­view mit der Orts­grup­pe „Iden­ti­tä­re Bewe­gung Bonn“ (1) sagt Schley­er, dass er bei einer zwei­ten Boots­ak­ti­on „selbst­ver­ständ­lich wie­der dabei“ wäre. 

„Zur Zeit“ – ein identitärer Redakteur und viele identitäre Inhalte

Kann es sein, dass Möl­zer von all­dem nichts weiß? Kaum. Die Cau­sa erzeug­te nicht nur viel Medi­en­re­so­nanz, sie wird sogar in „Zur Zeit“ selbst ange­führt: In einer aktu­el­len Aus­ga­be (2) – also bereits nach dem Neu­see­land-Atten­tat – steht bei einem Kom­men­tar von Schley­er, in dem er gegen NGOs hetzt, unten ange­führt, dass er „Navi­ga­ti­ons­of­fi­zier bei ‚Defend Euro­pe’“ war.

In die­sem Kom­men­tar unter dem Titel „Schif­fe ver­sen­ken“ spricht er von den „Zer­set­zern in Behör­den und Par­la­men­ten“, von NGOs als „Ver­bre­cher“ und davon, dass deren „wahn­haf­ter Selbst­hass die eth­ni­sche Zer­stö­rung Euro­pas“ befördere.

Alexander Schleyer in "Zur Zeit": Schiffe versenken

Alex­an­der Schley­er in „Zur Zeit”: Schif­fe versenken

Möl­zer selbst stellt in der­sel­ben Aus­ga­be die Behaup­tung auf, es gäbe eine „Asyl­in­dus­trie“, die sich „in der Fol­ge der Mas­sen­in­va­si­on des Jah­res 2015 auch hier­zu­lan­de eta­bliert“ habe (3). Ledig­lich die­se bei­den Arti­kel zusam­men betrach­tet erge­ben bereits eine sehr iden­ti­tär klin­gen­de Pro­pa­gan­da-Melan­ge: Die völ­ki­sche Angst vor „Zer­set­zung“, Flücht­lin­ge als „Inva­so­ren,“ Euro­pa wird „eth­nisch“ zer­stört, eine „Asyl­in­dus­trie“ zieht die Fäden und bedient ihre Geschäfts­in­ter­es­sen. Man muss es wie­der­ho­len: Das ist nach dem Mas­sa­ker von Christ­church und nach der ver­ba­len Abgren­zung der FPÖ gegen die IB geschrie­ben worden.

Schley­ers Tex­te in „Zur Zeit“ zeich­nen sich all­ge­mein durch eine beson­de­re Vul­ga­ri­tät und Niveau­lo­sig­keit aus. So muss­te er etwa in der­sel­ben Aus­ga­be einen Wider­ruf schal­ten: Er hat­te in der Nr. 3/2019 über die Jour­na­lis­tin Nina Horac­zek behaup­tet, die „einst für den RAF-freund­li­chen ‚Fal­ter’ schrei­ben­de ‚Chef­re­por­te­rin’“ hät­te poli­ti­sche Geg­ner „durch Pri­vat­kla­gen (…) sys­te­ma­tisch wirt­schaft­lich ver­nich­tet“.

Schleyer muss in "Zur Zeit" widerrufen

Schley­er muss in „Zur Zeit” widerrufen

Schley­er distan­ziert sich frei­lich nur von die­ser einen kon­kre­ten Aus­sa­ge, obwohl der gesam­te Arti­kel (4) infam und grenz­über­schrei­tend und ein wah­res Mus­ter­bei­spiel für die bei rechts­extre­men Het­zern belieb­te Opfer­po­se ist: Schley­er ima­gi­niert sich und sei­ne Gesin­nungs­ge­nos­sen als ver­folg­te Rebel­len, spricht von „DDR-Poten­ti­al“ und „sta­li­nis­ti­schen Metho­den der psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung“, und hal­lu­zi­niert die „geziel­te Ein­schleu­sung offen­kun­dig aso­zia­ler Ele­men­te auf rech­ten Kund­ge­bun­gen“ (womit die Neo­na­zis in den eige­nen Rei­hen als von Außen ein­ge­schleust sti­li­siert wer­den, frei­lich, ohne dafür auch nur einen ein­zi­gen Beleg vor­brin­gen zu kön­nen). Die Grü­nen sei­en „reif für ein Ver­bots­ver­fah­ren“. Der wider­sprüch­li­che Schwenk von einer sol­chen auto­ri­tä­ren For­de­rung zurück zu wei­te­ren weh­lei­di­gen Anwür­fe gegen seriö­se Jour­na­lis­tIn­nen gelingt Schley­er erstaun­lich schnell: „Medi­en­leu­te wie Micha­el Bon­va­lot oder Colet­te Schmitt vom rosa­ro­ten ‚Stan­dard’ sehen ihre ein­zi­ge Auf­ga­be dar­in, Miß­li­e­bi­gen auf­zu­lau­ern und sie zu denun­zie­ren, in der Hoff­nung, ihnen größt­mög­li­chen Scha­den zuzu­fü­gen.

Er schreibt vom „Kon­zept der sozia­len Ver­nich­tung“, das ein „Teil der psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung der Lin­ken“ sei. Auch der Staat hängt da mit drin: Die AfD etwa wer­de „durch For­men der sozia­len Ein­schüch­te­rung [geschwächt], die man sonst eher aus süd­ame­ri­ka­ni­schen Dik­ta­tu­ren kennt“. Dann ver­tei­digt er „besorg­te Eltern“, die „gegen den staat­lich ver­ord­ne­ten Gen­der-Wahn­sinn pro­tes­tiert“ hät­ten, weil sie nicht woll­ten, „dass ihre Kin­der in der Volkschu­le mit Dil­dos spie­len und Schwu­len­sex üben“. Der Text schließt mit einer bizar­ren Anspie­lung gegen die Wei­ma­rer Repu­blik, also jene par­la­men­ta­ri­sche Demo­kra­tie, die von den Nazis zer­stört wur­de; Schley­er par­al­le­li­siert sei­nen poli­ti­schen Kampf damit unver­hüllt mit der faschis­ti­schen Rebel­li­on gegen die Wei­ma­rer Republik:

Der Lin­ken und ihrer offe­nen Kriegs­füh­rung mit den här­tes­ten Ban­da­gen zu begeg­nen, ist zwar durch­aus legi­tim, nicht aber ziel­füh­rend, so lan­ge wie einst in Wei­mar, Staat, ‚Jus­tiz’ und Ver­wal­tung in ihren Hän­den lie­gen.       

Apropos gegen die Demokratie …

„Zur Zeit“ zeigt sich auch abseits von Schley­er in mul­ti­pler Hin­sicht anschluss­fä­hig an iden­ti­tä­re Ideo­lo­gie (die rechts­extre­me Nor­ma­li­tät des Blatts haben wir auch in Teil 2 unse­rer Recher­che zu „Zur Zeit” von Dezem­ber 2018 bespro­chen). Beson­ders deut­lich wird das, wenn es um die auto­ri­tä­re Umge­stal­tung der Gesell­schaft geht.

So plä­diert der ehe­mals lei­ten­de Funk­tio­när des Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­bands Salz­burg Wolf­gang Cas­part in einem „Zur Zeit“-Artikel von 2018 offen für die kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re Abschaf­fung der Demo­kra­tie (sie­he auch Kurier) und ver­wen­det dabei an zen­tra­ler Stel­le identitär-„neurechtes“ Wor­ding. Denn er plä­diert für die Errin­gung der „kul­tu­rel­len Hege­mo­nie“ im Sin­ne Anto­nio Gramscis. Die Bezug­nah­me auf den kom­mu­nis­ti­schen Theo­re­ti­ker Gramsci ist für stram­me Rech­te – wie Cas­part einer ist – kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich. Dabei han­delt es sich viel­mehr um eine Aneig­nung der „neu­en“ und iden­ti­tä­ren Rech­ten, die sich über den Umweg der fran­zö­si­schen Nou­vel­le Droi­te – und deren Haupt­ver­tre­ter Alain de Benoist – nun auf Gramscis Hege­mo­nie-Theo­rie bezie­hen. IBÖ-Chef Mar­tin Sell­ner wird nicht müde, den Begriff der kul­tu­rel­len Hege­mo­nie zu bemü­hen, um das Ziel sei­ner rechts­ak­ti­vis­ti­schen „Meta­po­li­tik“ zu benen­nen. Was nun Cas­part meint, wenn er im iden­ti­tä­ren Jar­gon vom „gegenrevolutionäre[n] Kampf um die Wie­der­her­stel­lung der kulturelle[n] Hege­mo­nie“ (5) träumt, spricht er unmiss­ver­ständ­lich aus: „Alles, was euro­päi­sche Kul­tur zer­stört und krank gemacht hat, muss selbst ver­nich­tet wer­den. 

Wäh­rend Cas­part rela­tiv unver­blümt von einer Art völ­ki­scher Dik­ta­tur träumt, zeigt Möl­zer im Edi­to­ri­al der Aus­ga­be 8 von 2019, wie man ähn­li­che auto­ri­tä­re Wunsch­vor­stel­lun­gen in einem Jar­gon der Demo­kra­tie trans­por­tie­ren kann (6). Er kommt Innen­mi­nis­ter Kickl zur Hil­fe, wenn er des­sen skan­da­lö­se Aus­sa­ge, wonach das Recht der Poli­tik zu fol­gen hät­te, wie­der­holt und bekräf­tigt. Möl­zer unter­schei­det dazu zwi­schen „Bür­ger­rech­ten“, für die sich sein Lager angeb­lich schon immer ein­ge­setzt habe, und „uni­ver­sel­len Men­schen­rech­ten“, die „etwas ganz ande­res“ sei­en. Näm­lich eine „Zivil­re­li­gi­on […] jen­seits der bür­ger­li­chen Grund­rech­te, die ja an eine staat­lich for­mier­te Gemein­schaft und an Bür­ger­pflich­ten gebun­den sind.“ (Womit er klar macht, das Ein­zel­ne nicht ein­fach Rech­te haben, son­dern die­se an Gemein­schaft und Pflich­ten gebun­den sein sol­len.) Möl­zer schreibt wei­ter: „Die­se uni­ver­sel­len Men­schen­rech­te exis­tie­ren gewis­ser­ma­ßen abs­trakt und bin­dungs­los und wer­den im Zeit­al­ter der Mas­sen­mi­gra­ti­on zuneh­mend als Hebel gegen natio­nal­staat­li­che Sou­ve­rä­ni­tät und demo­kra­ti­sche Selbst­be­stim­mung (…) ein­ge­setzt. 

Möl­zer bedient hier eine belieb­te For­mel von Rechts­extre­men: In einer Demo­kra­tie soll doch alles Recht vom Vol­ke aus­ge­hen, so auch Grund- und Men­schen­rech­te, und wenn der Sou­ve­rän, also das Volk, das eben anders haben möch­te, dann ist das auch eine demo­kra­ti­sche Ent­schei­dung. Grund- und Men­schen­rech­te gel­ten hier nicht mehr als das, was sie sind – näm­lich Vor­aus­set­zung und Grund­be­din­gung von Demo­kra­tie –, son­dern wer­den einem ima­gi­nier­ten „Volks­wil­len“ unter­ge­ord­net und sol­len dem­entspre­chend poli­tisch ver­han­del­bar sein. Möl­zer nennt das den „frei­heit­li­chen Rechts­staat“, der aber in Wahr­heit nichts ande­res als eine völ­ki­sche Pseu­do­de­mo­kra­tie sein kann. Denn Möl­zer ver­steht „Volk“ selbst­ver­ständ­lich nicht in einem auf­ge­klär­ten Sinn als Gesell­schaft, also nicht „als poli­ti­sche Wil­lens­ge­mein­schaft von ‚Glei­chen’, son­dern als über­his­to­ri­sche Schick­sals- und Abstam­mungs­ge­mein­schaft von Iden­ti­schen“ (FIPU 2019, S. 13).  

Mölzer rückt die freiheitliche Welt zurecht

Mit Bekannt­wer­den der Spen­de des Christ­church-Atten­tä­ters an Mar­tin Sell­ner geriet Möl­zer in argu­men­ta­ti­ve Tur­bu­len­zen. Ritt man noch im März aus, um den Iden­ti­tä­ren die Mau­er zu machen und Kanz­ler Kurz, der eine Distan­zie­rung sei­tens der FPÖ gefor­dert hat­te, in „Zur Zeit“ fron­tal anzu­grei­fen, ihn sogar als „schä­big“ zu titu­lie­ren – was immer­hin vom freit­li­chen Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Wen­de­lin Möl­zer kam, zog der Vater, Andre­as, weni­ge Tage spä­ter jedoch die Not­brem­se und schwur­bel­te auf sei­nem Blog (13) von den Irrun­gen und Ver­wir­run­gen rund um die Grup­pe, „die natür­lich längst kei­ne Bewe­gung ist, son­dern nur einen Kreis von ein, zwei Dut­zend jun­ger Leu­te umfasst“. 

„Zur Zeit” rei­tet schwe­re Angrif­fe auf Sebas­ti­an Kurz (Quel­le Twit­ter FIPU)

Möl­zer sti­li­siert koope­rie­ren­de Par­tei­mit­glie­der (ent­per­so­na­li­siert und distan­ziert als „man“ bezeich­net) zu Opfern, die im guten Glau­ben an die jun­gen Akti­vis­ten und aus der frei­heit­lich kon­stru­ier­ten Not­la­ge des Jah­res 2015 her­aus Sym­pa­thien gezeigt hatten.

Da traut man sich dann – spe­zi­ell im Mas­sen­an­sturm des Som­mers 2015 – zur einen oder ande­ren Pro­test­ver­an­stal­tung. Da trat der eine oder ande­re poli­ti­sche Ver­tre­ter die­ses natio­nal-frei­heit­li­chen Lagers selbst als Red­ner bei Ver­an­stal­tun­gen die­ser neu­en Jugend­grup­pe auf, man räum­te ihnen Platz ein im Bereich der Publi­zis­tik des Drit­ten Lagers, spen­de­te viel­leicht auch für die eine oder ande­re Akti­vi­tät oder glaub­te, sie mit der Ver­mitt­lung von Ver­eins­räum­lich­kei­ten oder deren Ver­mie­tung unter­stüt­zen zu sollen.

Nun ereilt blit­zes­ar­tig auch Möl­zer jene Erkennt­nis, die der Ver­fas­sungs­schutz sinn­ge­mäß schon vor Jah­ren ver­öf­fent­lich­te und in unzäh­li­gen ande­ren Publi­ka­tio­nen nach­zu­le­sen war: Die Iden­ti­tä­ren haben Berüh­rungs­punk­te in den Neo­na­zis­mus, den Möl­zer jedoch nie­mals so bezeich­nen würde.

Im Zuge die­ser Medi­en­kam­pa­gne, die eben die Frei­heit­li­chen wegen ihren vor­ma­li­gen Kon­tak­ten zu die­ser iden­ti­tä­ren Grup­pe unter Druck set­zen soll­te, wur­den aller­dings auch Struk­tu­ren und Details über die iden­ti­tä­re Grup­pe selbst bekannt, die ein neu­es Licht auf sie wer­fen: Nicht nur, dass der Spre­cher die­ser Grup­pe (…) kei­nes­wegs immer für den „moder­ni­sier­ten Rechts­extre­mis­mus“ stand, son­dern wohl aus der dumpf-rech­ten Ecke eines Gott­fried Küs­sel kommt und dass eben der­sel­be durch das Anbrin­gen von Haken­kreuz-Auf­kle­bern auf der Bade­ner Syn­ago­ge straf­fäl­lig und gerichts­no­to­risch wurde.

Da fällt eine Distan­zie­rung des in der Selbst­wahr­neh­mung nicht dumpf-rech­ten Patrio­ten Möl­zer leichter:

Alles in allem ist also völ­lig rich­tig, was die frei­heit­li­che Par­tei­spit­ze zum The­ma erklärt hat: (…) Die FPÖ aber als eine bür­ger­li­che patrio­ti­sche Par­tei kön­ne nicht ver­ant­wort­lich gemacht wer­den für poli­ti­sche Split­ter­grup­pen, auch wenn es da und dort in inhalt­li­cher Hin­sicht und in per­so­nel­ler Hin­sicht in der Ver­gan­gen­heit die eine oder ande­re Über­schnei­dung gege­ben habe. Und hin­zu­ge­fügt wer­den muss aus der Sicht des über­zeug­ten Natio­nal­li­be­ra­len, dass man sich Begrif­fe wie „Patrio­tis­mus“ und „Iden­ti­tät“ nicht durch eine klei­ne Polit-Sek­te dis­kre­di­tie­ren wird lassen!

Möl­zer ist mit sei­ner Par­tei­spit­ze im Rei­nen, sei­ne patrio­ti­sche Welt somit wie­der in Ord­nung, in stramm rech­ter Ord­nung. Frei­lich, ohne auch nur einen Mil­li­me­ter vom ideo­lo­gi­schen Paar­lauf mit den Iden­ti­tä­ren abzurücken.

Schluss

Zusam­men­ge­fasst: Andre­as Möl­zer hat schon iden­ti­tä­re Ideo­lo­gie ver­brei­tet, als es noch kei­ne Iden­ti­tä­ren gab (Stich­wort „Umvol­kung“). Ein beson­ders vul­gä­rer Het­zer in Möl­zers „Zur Zeit“ ist eng mit den Iden­i­tä­ren ver­ban­delt und war Kapi­tän bei deren pein­li­cher Hass­ak­ti­on im Mit­tel­mehr. Die Inhal­te von „Zur Zeit“ sind weit­ge­hend kom­pa­ti­bel mit der iden­ti­tä­ren Ideo­lo­gie, ins­be­son­de­re auch dort, wo es um eine kla­re Abkehr von Demo­kra­tie und Rechts­staat geht. 

Die FPÖ inse­riert bei „Zur Zeit“ und gibt der Zeit­schrift regel­mä­ßig Inter­views (Innen­mi­nis­ter Kickl etwa seit Dezem­ber zwei­mal). Außer­dem bekommt das Hetz­blatt jähr­lich öffent­li­che För­der­gel­der. Der vor kur­zem von Sebas­ti­an Kurz gefor­der­te Inse­ra­te­stopp für extre­me Medi­en müss­te, so das eine ernst­zu­neh­men­de Inter­ven­ti­on sein soll, jeden­falls auch „Zur Zeit“ betref­fen. 

So lan­ge sich die FPÖ nicht von Leu­ten wie Möl­zer – und Medi­en wie „Zur Zeit“ – distan­ziert, bleibt das Abrü­cken von der IB inhalt­lich völ­lig halt­los. 

Postskriptum: Die Zuneigung zu autoritären Regimen

Was die völ­ki­sche Pseu­do­de­mo­kra­tie kon­kret bedeu­ten könn­te, klingt in „Zur Zeit“ immer wie­der sehr deut­lich an – auch in den aktu­el­len Num­mern. Ange­fan­gen etwa bei der offe­nen Lie­be zu Ungarns Minis­ter­prä­si­dent Orbán, dem eine gan­ze Aus­ga­be mit dem Titel: „Ungarn: Vor­bild für Euro­pa?“ gewid­met ist (7). Dort wird der auto­ri­tä­re Kurs der unga­ri­schen Fidesz-Par­tei durch­wegs gelobt, etwa durch Johan­nes Hüb­ner (8), den ehe­ma­li­gen FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten und Meis­ter anti­se­mi­ti­scher Anspie­lun­gen. Orbáns anti­se­mi­ti­sche Hetz­te gegen Geor­ge Sor­os, die mit­un­ter kaum anders klingt als bei dem Neu­see­land-Atten­tä­ter, wird in „Zur Zeit“ offen­siv ver­tei­digt und auch repro­du­ziert: So behaup­tet Redak­teur Bern­hard Toma­s­chitz (9), dass sich die EU-Insti­tu­tio­nen vor allem dar­an stö­ren, dass „Orbán nicht nach der Pfei­fe des in Brüs­sel bes­tens ver­netz­ten US-Spe­ku­lan­ten Sor­os tanzt“.

In einer ande­ren Aus­ga­be (10) fei­ert Alex­an­der Schley­er die repres­si­ve Poli­tik gegen Mus­li­me in Indi­en, etwa dass der indi­sche Staat letz­ten Som­mer vier Mil­lio­nen Mus­li­me aus­ge­bür­gert – oder wie Schley­er schreibt, „[s]ich ent­le­digt“  – habe. Schley­er schließt sei­ne Depor­ta­ti­ons­fan­ta­sien mit dem Satz: „Möge Shi­va sei­nen Zorn ent­la­den und Brah­ma die Kraft des gehei­men Deutsch­land erwe­cken.

Auch für die mas­sen­mör­de­ri­sche Anti-Dro­gen Poli­tik des phil­ip­pi­ni­schen Macht­ha­bers Duter­te hat „Zur Zeit“ Ver­ständ­nis. (11) Zu dem Aus­tritt des Staats aus dem Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof heißt es in einem kur­zen Text: „Auch Duter­tes Krieg gegen Kri­mi­na­li­tät empör­te das legi­ti­ma­ti­ons­lo­se Welt­ge­richt.“ Dazu ein Foto von Duter­te mit auto­ma­ti­scher Waffe.

In der­sel­ben Aus­ga­be gibt es einen wei­te­ren Kurz­bei­trag über Weiß­russ­land (12), in dem die dort herr­schen­de Dik­ta­tur abge­fei­ert wird, bis in die Details, dass es dort kei­ne „Schwu­len­pa­ra­den“ gebe, die Ehe Mann und Frau vor­be­hal­ten sei und Straf­ta­ten „ent­spre­chend hart geahn­det [wer­den,] bis zur Todes­stra­fe“. Der Text schließt mit: „Ein Traum.“

"Zur Zeit" huldigt dem weißrussischen Autokraten Lukaschenko

„Zur Zeit” hul­digt dem weiß­rus­si­schen Auto­kra­ten Lukaschenko

Kurz­um: „Zur Zeit“ zeigt ein wahr­lich glo­ba­les Den­ken, wenn es um Ver­ständ­nis und Zunei­gung für auto­ri­tä­re Regime geht. Man muss sich vor Augen hal­ten: Die­se Bei­spie­le stam­men alle­samt nur aus den aktu­el­len Aus­ga­ben von März und April 2019.

Fußnoten

1 You­tube: „Eine Akti­on an der Gren­ze: Alex­an­der Schley­er über Defend Euro­pe“, zuletzt ein­ge­se­hen am 15.04.2019
2 „Zur Zeit“, Nr. 13, März – April 2019, S. 30
3 ebd., S. 59
4 „Zur Zeit“, Nr. 3, Jän­ner 2019, S. 31–37
5 „Zur Zeit“, Nr. 32–33, August 2018, S. 38–49
6 „Zur Zeit“, Nr. 8, Febru­ar – März 2019, S. 4
7 „Zur Zeit“, Nr. 14, April 2019, S. 29–37
8 ebd., S. 28–30
9 ebd., S. 29–37
10 „Zur Zeit“, Nr. 11, März 2019, S. 16
11 „Zur Zeit“, Nr. 12, März 2019, S. 18
12 ebd., S. 5
13 Möl­zer, Andre­as (10.4.2019): Akti­vis­ten oder Sek­tie­rer (andreasmoelzer.wordpress.com; zuletzt ein­ge­se­hen: 24.4.19)

Lite­ra­tur:
FIPU (2019): Rechts­extre­mis­mus. Band 3: Geschlech­ter­re­flek­tier­te Per­spek­ti­ven. Her­aus­ge­ge­ben von der For­schungs­grup­pe Ideo­lo­gien und Poli­ti­ken der Ungleich­heit. Wien: Mandelbaum.