Die „wehrhaft pennale Burschenschaft Tigurina“ ist eigentlich ziemlich öffentlichkeitsscheu. Als im Jahr 2000 thematisiert wurde, dass Sohn Heinrich der FPÖ-Kurzzeit-Sozialministerin Elisabeth Sickl nach einer schweren Vergangenheit im Umfeld der neonazistischen „Nationalistischen Front“ bei der „Tigurina“ gelandet ist, erklärte Mutter Elisabeth, dass sie „damals sehr unglücklich mit der Entwicklung“ gewesen sei, aber jetzt sei er „Mitglied einer schlagenden Verbindung. Das ist etwas komplett anderes“ (Format Nr. 6/2000). Und wie! Als dann die Webseite der „Tigurina“ etwas näher inspiziert wurde, fand sich neben geschmacklosen sexistischen und bräunlichen Witzchen („heil Ostmark!“) auch ein besonders widerlicher antisemitischer Eintrag, den „News“ (Nr. 13/2000) damals so beschrieben hat:
Der Höhepunkt der stramm-nationalen Geschmacklosigkeiten findet sich unter der Rubrik „Die Aufdecker“: ein manipuliertes Bild, das einen fallenden Juden vor einem Reiter mit „fototechnisch’ aufgesetztem SS-Helm zeigt. Begleittext: „Tel-Aviv, 32. Juli 1943. Mit unglaublicher Brutalität und Intoleranz gehen berittene SS-Schergen (siehe Helm!) gegen einen Exbummel von Andersaussehenden vor. (Dabei sind es angeblich eh Rechtsgerichtete.) Der Säckelwart der B! Tigurinaverliert dabei seine Mütze!“
Daraufhin verschwand die Webseite der „Tigurina“ für fast 20 Jahre von der Bildfläche. Schließlich wollte man sich die durch Schwarz-Blau neu sprudelnden Förderungen des Bundes für pennale Verbindungen nicht verbauen!
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Im Stillen blühte die geschmacklose widerlich braune und antisemitische Gesinnung aber offensichtlich weiter: „NS-Koketterie“, nennt das das DÖW in seinem aktuellen Beitrag über das Video der „Tigurina“ mit dem Titel „Der Fuchs“.
Mittlerweile ist das Video von der Homepage der „Tigurina“ heruntergenommen worden: angeblich aufgrund der höflichen Bitte von „Villacher Bier“, wie die Tigurinen anmerken. Ein LKW-Zug von „Villacher Bier“ wird nämlich im Video gezeigt, neben Ratten und Aas. Letzteres wird illustriert mit einem Foto von George Soros und Angela Merkel.

Wir ersparen uns hier weitere Schilderungen und verweisen auf den Beitrag des DÖW. Die Erzählstimme, Thomas Eichhorn, bekannt als Sprecher vieler TV-Produktionen, verweist in einer Stellungnahme darauf, dass er nur beauftragt wurde, für einen Naturfilm (wohl über Füchse) einen Text einzusprechen. Sein Auftraggeber war demnach Helmut Sch.. Über die politische Aussage der dazu montierten Bilder habe er keine Kenntnis gehabt. Die „Kleine Zeitung“ berichtet (25.4.19, S. 18/19), dass die Villacher Brauerei not amused war über die Verwendung ihres Logos in dem Video und dass die Staatsanwaltschaft wegen Wiederbetätigung Ermittlungen gegen die Burschenschaft, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe, aufgenommen habe.

Als wir jetzt im DÖW-Beitrag über das Video der „Tigurina“ lasen, dass ein bis heute aktiver Tigurine „noch in den 1990er-Jahren zum inneren Kreis der österreichischen Neonaziszene unter Gert Honsik, Franz Radl jun. und Gottfried Küssel“ gehörte, hatten wir zunächst eine vage Assoziation zu der verwegenen Einschätzung von Mutter Elisabeth zu ihrem Sohn Heinrich, dessen Vergangenheit und spätere tugendhafte Entwicklung zu einem wehrhaften Burschen und Grazer FPÖ-Gemeinderat sowie Freund der Identitären.
Wir blätterten also in unserem riesigen Zeitschriften-Archiv den Beitrag aus dem „Format“ Nr. 6/2000 nach und fanden darin den folgenden Hinweis:
Ein Stapo-Bericht von Oktober 1991 schildert einen Aufmarsch vor dem Landesgericht Graz, bei dem Sickl mit Szenegrößen wie Gerd Honsik und Gottfried K. für die Freilassung eines Kameraden protestierte. Zitat der Stapo: „Sie solidarisierten sich mit der Meinung des Inhaftierten Franz R., daß die Gaskammern Attrappen seien.” Ein Wiederbetätigungsverfahren gegen Sicklwurde eingestellt.
Heinrich ist aber nicht der „bis heute aktive Tigurine“ mit der braunen Vergangenheit, denn erstens war er 1991 nur „zufällig“ bei diesem Aufmarsch dabei, und zweitens ist er mittlerweile in Graz aktiv – als FPÖ-Gemeinderat, Burschenschafter der „Arminia“ und Freund der Identitären. Bei der „Tigurina“ ist ein anderer „alter Herr“ bis heute aktiv, findet sich sogar im Vereinsregister als Schriftführer, obwohl das bei der „Tigurina“ eigentlich „Schriftwart“ heißt, und hat eine Vergangenheit, die ihn nicht nur „zufällig“ in die Neonazi-Szene geführt hat.
1995 wurden Andreas Thierry, eine langjährige Szenegröße und “‘Wehrsportpartner“ von Heinz-Christian („Heinrich“) Strache und Helmut Adolf Sch., der „Tigurine“, wegen Wiederbetätigung zu 24 bzw. 15 Monaten bedingt verurteilt. Die beiden hatten ein Flugblatt „Die Wahrheit über die Waffen-SS“ verteilt, in dem es unter anderem hieß: „Es ist eine Lüge, daß die Waffen-SS eine verbrecherische Organisation gewesen ist. Wahrheit ist vielmehr, daß sie ehrenhaft und anständig gekämpft hat.“
Thierry habe er bei einer Burschenschaft kennengelernt, erklärte Helmut Adolf Sch. in der Verhandlung. War Thierry auch bei der Tigurina? Oder ist man sich bei Wehrsportübungen über den Weg gelaufen? Helmut Sch. hat seinen zweiten Vornamen jedenfalls nicht zufällig erhalten, denn wenige Tage vor seiner eigenen Verhandlung musste sich auch sein Vater wegen Wiederbetätigung vor dem Landesgericht Klagenfurt verantworten, wurde allerdings freigesprochen. Der Lehrer hatte sich unter anderem 1991 an einer Demonstration für Franz Radl, eine andere Szene-Größe, beteiligt und – so die Anklage — im Unterricht Einschlägiges von sich gegeben. 1995 war Helmut Adolf 22 Jahre alt. Seiner Gesinnung dürfte er aber treu geblieben sein, denn für die braune Kampfschrift des Altnazi Herbert Schweiger „Evolution des Wissens – Neuordnung der Politik“ lieferte er den „Satz“. Außerdem ist Helmut als Zeichner bzw. Grafiker aktiv – aber das ist eine andere Geschichte.

Dem „A. Lemisch“, der das Fuchsen-Video auf YouTube stellte, sind wir natürlich sehr dankbar für seinen Hinweis, auch wenn er samt Fuchs-Video seit heute nicht mehr zu finden ist, denn sein Account ist wie einst die Website der „Tigurina“ verblichen.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch anmerken, dass der echte Lemisch zwar auch pennaler Burschenschafter, aber bei der Tauriska in Klagenfurt, war, und zwar heftig deutschnational, aber anscheinend kein Nazi. Das ist doch ein deutlicher Unterschied!
