Wochenschau KW 17/19

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Das war die Woche der skur­ri­len Aus­re­den vor Gericht: Alko­hol­kon­sum sind wir schon gewöhnt, habe es ganz anders gemeint auch, aber ein Bild von Hit­ler zu pos­ten, um dann zu behaup­ten, man ken­ne ihn nicht und habe sich gedacht, es sei ein Mann mit Schnau­zer aus den 30er-Jah­ren, ist schon ori­gi­nell. Ähn­lich ein Vor­arl­ber­ger, der bei sich im Wohn­zim­mer Hit­ler-Bil­der angeb­lich als Ermah­nung auf­ge­hängt hat­te, die Geschich­te nie­mals zu ver­ges­sen. Auch der Anti­se­mi­tis­mus­exper­te von Stra­che, Micha­el Ley, muss­te wegen übler Nach­re­de und Ver­het­zung vor Gericht und ver­lor den Pro­zess. Und weil wir bei der FPÖ sind: Ein blau­er Ex-Gemein­de­rat und frei­heit­li­cher Gewerk­schaf­ter fin­det Kek­se in Haken­kreuz­form als die besten.

Kla­gen­furt: ein Mann aus den 30i­ger-Jah­ren mit Schnauzbart
Feldkirch/V: einem geis­tig beein­träch­tig­ten Bekann­ten ein Nazi-Tat­too verpasst
Strache’scher Antisemitismus-„Experte“ wegen übler Nach­re­de und Ver­het­zung verurteilt
Tulln/NÖ: Diver­si­on nach Verhetzung
Feldkirch/V: 3.000 Euro Straf­geld nach ras­sis­ti­schen Postings
Sieg­harts­kir­chen­/NÖ-Wien: Kek­se in Hakenkreuzform
Iden­ti­tär? Beim RFS kein Problem
Graz: Bur­schen­schaft Armi­nia lädt am 8. Mai zum Vortrag
Feldkirchen/K: Poli­zist im Ver­eins­vor­stand der Tigurina

Klagenfurt: ein Mann aus den 30iger-Jahren mit Schnauzbart

Die Trä­nen­aus­brü­che eines Kärnt­ner Pen­sio­nis­ten konn­ten eine Ver­ur­tei­lung nicht ver­hin­dern. Auch nicht die Anga­be, dass er da – gemeint ist der Staa­ten­bund – nur hin­ein­ge­zo­gen wor­den sei, weil er gehofft hat­te, „dass die Grup­pe ihm hel­fen kön­ne“. (…) Er habe sich von sei­nem Arbeit­ge­ber, dem Land Kärn­ten, unge­recht behan­delt gefühlt, sei­ne Beschwer­den und Ein­wän­de sei­en aber igno­riert wor­den, sag­te er. Statt­des­sen habe man ihn zur psych­ia­tri­schen Behand­lung geschickt.“ (kaernten.orf.at 25.4.19) Rich­tig­ge­hend slap­stick­ar­tig wird die Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie des Ange­klag­ten, als es um den Vor­wurf der Wie­der­be­tä­ti­gung ging:

Und so hat­te er auf Face­book mit mehr als 3.000 Per­so­nen einen Arti­kel geteilt, in dem eine Iko­ne der deut­schen Neo­na­zi­sze­ne, die 90-jäh­ri­ge Holo­caust-Leug­ne­rin Ursu­la Haver­beck, ver­herr­licht und Adolf Hit­ler als Licht­ge­stalt im Kampf gegen das Böse dar­stellt wur­de. Er habe das Bild nicht als Hit­ler­dar­stel­lung erkannt, erklär­te der Ange­klag­te. So genau habe er nicht geschaut. ‚Viel­leicht ein Mann aus den 30er-Jah­ren mit Schnauz­bart‘, mein­te er. Den Arti­kel, in dem es um die Inhaf­tie­rung Haver­becks ging, habe er nicht gele­sen. Das ein­zi­ge, das er wahr­ge­nom­men habe, war, dass ein Mensch die­ses Alters wegen Holo­caust-Leug­nung ins Gefäng­nis soll. Er habe die Wei­ter­ver­brei­tung als War­nung ver­stan­den, dass auch einem alten Men­schen so etwas pas­sie­ren könne.

Die Stra­te­gie ging nicht gut, der Kärnt­ner wur­de ein­stim­mig schul­dig gespro­chen, vom Rich­ter setz­te es (nicht rechts­kräf­tig) eine Geld­stra­fe von 1.500 Euro und 14 Mona­te beding­te Haft.

Feldkirch/V: einem geistig beeinträchtigten Bekannten ein Nazi-Tattoo verpasst

Eine rela­tiv hohe unbe­ding­te Haft­stra­fe von zwei Jah­ren erhielt ein 39-jäh­ri­ger Vor­arl­ber­ger für ins­ge­samt 17 ein­schlä­gi­ger Delik­te. Am sprich­wört­lich her­vor­ste­chends­ten: Er hat­te einem geis­tig beein­träch­tig­ten Mann NS-Tat­toos ver­passt: „auf den Bauch ein Por­trät von Adolf Hit­ler, den Nazi-Slo­gan ‚Blut und Ehre‘, ein Haken­kreuz sowie eine Gür­tel­schnal­le mit einem Haken­kreuz“ (neue.at, 26.4.19). 

Ansons­ten im Nazi-Menü des Ange­klag­ten: Mit­glied einer Whats­app-Grup­pe namens „Right Devils“, in der er u.a. „Arbeit macht frei“ und „Dan­ke den 100.000 Juden für die Asche“ hin­ter­las­sen haben soll. Zudem exis­tie­ren Fotos vom Ange­klag­ten samt Hit­ler­gruß und auch noch Hit­ler­bil­der im Wohn­zim­mer. Für die hat­te der Ange­klag­te eine schlicht­weg ent­waff­nen­de Erklä­rung: „Die Bil­der hät­ten ihn ermah­nen sol­len die Geschich­te nie­mals zu ver­ges­sen.“ (heute.at, 25.4.19) Die Ermah­nung hat offen­bar nichts gehol­fen, zumal der Mann bereits acht­fach vor­be­straft sein soll. Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. Detail am Ran­de: „Zwei der Zeu­gen wur­den selbst wegen Wie­der­be­tä­ti­gung rechts­kräf­tig ver­ur­teilt. Sie hat­ten ihre Kin­der für Nazi­po­sen miss­braucht.“ (Vor­arl­ber­ger Nach­rich­ten, 26.4.19) Wir haben über die­ses Paar berich­tet.

Strache’scher Antisemitismus-„Experte“ wegen übler Nachrede und Verhetzung verurteilt

Die Ver­an­stal­tung des Vize­kanz­lers im Febru­ar im Wie­ner Kur­sa­lon Hüb­ner zum The­ma „isla­mi­scher Anti­se­mi­tis­mus“ hat­te es in sich: Nicht nur, dass Stra­che die durch­aus beacht­li­chen Kos­ten von mehr als 40.000 Euro über sein Minis­te­ri­um finan­zie­ren ließ, sie kann auch als eine iden­ti­tä­re Pro­pa­gan­da­ver­an­stal­tung inter­pre­tiert wer­den: Mit Lai­la Mir­zo saß eine Dis­ku­tan­tin am Podi­um, die engs­te Ver­stri­ckun­gen zu den Iden­ti­tä­ren auf­weist und auch Micha­el Ley gilt als Sym­pa­thi­sant der Iden­ti­tä­ren. Und der hat­te sich nun vor Gericht zu ver­ant­wor­ten, weil er dem in Salz­burg leh­ren­den Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Farid Hafez die Mit­glied­schaft bei der Mus­lim­bru­der­schaft ange­dich­tet hat­te, die die Ver­nich­tung des Juden­tums als Ziel hätte.

Farid Hafez auf Facebook: "Ich werde ihn jedenfalls klagen."

Farid Hafez auf Face­book: „Ich wer­de ihn jeden­falls klagen.”

Ley wur­de – nicht rechts­kräf­tig – zu einer Straf­zah­lung von 2.400 Euro ver­ur­teilt. „Denn der Rich­ter for­der­te Bewei­se dafür, dass Hafez ein Mus­lim­bru­der sei. Da die­se fehl­ten, wur­de Ley ver­ur­teilt. Der Autor von Wer­ken wie ‚Klei­ne Geschich­te des Anti­se­mi­tis­mus’ bekam nun selbst Pro­ble­me wegen Aus­sa­gen zum The­ma Anti­se­mi­tis­mus. Er wer­de ‚sicher­lich‘ in die Beru­fung gehen, sagt er.“ (krone.at, 25.4.19)

Farid Hafez auf Facebook: Gute Nachricht: In erster Instanz gegen Michael Ley gewonnen.

Farid Hafez auf Face­book: Gute Nach­richt: In ers­ter Instanz gegen Micha­el Ley gewonnen.

Die Web­site „Kis­met Online“ berich­tet, dass Hafez auch den FPÖ-Par­la­ments­klub, Heinz-Chris­ti­an Stra­che und FPÖ-TV geklagt habe. „Auf Anfra­ge kom­men­tiert Hafez ledig­lich, man habe sich außer­ge­richt­lich geei­nigt, und es habe eine Pau­schalsum­me an ihn gege­ben. Über die Sum­me ist Still­schwei­gen ver­ein­bart.“ Das Video von der Ver­an­stal­tung sei inzwi­schen off­line genom­men worden.

Tulln/NÖ: Diversion nach Verhetzung

500 Euro muss ein 61-jäh­ri­ger im Irak gebo­re­ner Tull­ner berap­pen, der auf Face­book gegen den Islam gehetzt hat­te: „‚2.800 Moscheen hat die CDU in Deutsch­land gebaut und das Land mit isla­mi­schen Mes­ser­ste­chern und Ver­ge­wal­ti­gern über­schwemmt‘ und ‚Wenn alle Täter als psy­chisch krank erklärt wer­den, dann ist der Islam die Psy­cho­se.‘“ (NÖ Nach­rich­ten, 25.4.19, S. 10). Sei­ne Begrün­dung: Er sei als ori­en­ta­li­scher Christ ein Opfer. Der Rich­ter bot dem Mann eine Buß­zah­lung von 500 Euro als Diver­si­on an. Staats­an­walt­schaft und Ange­klag­ter waren damit einverstanden.

Feldkirch/V: 3.000 Euro Strafgeld nach rassistischen Postings

„‚Dreck bleibt Dreck und Nig­ger bleibt Nig­ger‘, mit der­art geschmack­lo­sen Äuße­run­gen trat der 52-Jäh­ri­ge ins­ge­samt 15 Mal auf Face­book in Erschei­nung. Äuße­run­gen, die er, wie er sagt, immer nur auf kri­mi­nel­le Flücht­lin­ge bezog. Also auf sol­che, die bei uns in Euro­pa Straf­ta­ten ver­üben. Heu­te tun im sei­ne Inter­net­äu­ße­run­gen leid, er bereut das Gan­ze sehr.“ (vol.at, 26.4.19) Ein „schwe­res Schick­sal“, wie der Ver­tei­di­ger vor­brach­te, habe den Ange­klag­ten „zum Bier­trin­ken“ bewo­gen und „und danach zu die­sen Äuße­run­gen“. Das rechts­kräf­ti­ge Urteil: eine Straf­zah­lung von 3.000 Euro.

Sieghartskirchen/NÖ-Wien: Kekse in Hakenkreuzform

Der ehe­ma­li­ge Sieg­harts­kir­che­ner FPÖ-Gemein­de­rat und frei­heit­li­che Per­so­nal­ver­tre­ter Erol P. muss nach NS-Pos­tings mit beruf­li­chen Kon­se­quen­zen rech­nen. Er war Sani­tä­ter bei der Berufs­ret­tung Wien, nach deren Anga­ben „Recher­chen erge­ben [haben], dass von dem Bediens­te­ten im Zeit­raum von Novem­ber 2017 bis April 2019 auf Face­book natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Sym­bo­le, bild­li­che Dar­stel­lun­gen von Adolf Hit­ler und Bil­der mit ras­sis­tisch moti­vier­ten Beweg­grün­den gepos­tet wor­den sind”. (derstandard.at, 28.4.19)

Bei sei­nen Pos­tings fan­den sich „unter ande­rem das Bild einer alten Frau, die Kek­se in Haken­kreuz­form aus dem Ofen holt. Kom­men­tiert wur­de das Bild mit den Wor­ten ‚Omas Kek­se sind die bes­ten!‘ Ein wei­te­res Bild zeigt einen gestreck­ten Mit­tel­fin­ger, wobei auf dem Zei­ge­fin­ger mit Kugel­schrei­ber Adolf Hit­ler sowie auf dem Dau­men ein Haken­kreuz gezeich­net wurde.“

Identitär? Beim RFS kein Problem

Wie schwam­mig die offi­zi­el­le Order der FPÖ ist, dass akti­ve Iden­ti­tä­re kei­ne Funk­ti­on inner­halb der FPÖ ein­neh­men dürf­ten, führt der Ring Frei­heit­li­cher Stu­den­ten (RFS) vor. In einem Inter­view mit der „Pres­se“ sagt die Co-Vor­sit­zen­de Tat­ja­na Schraml:

Schraml: Ein Funk­tio­när der iden­ti­tä­ren Bewe­gung kann bei uns kei­ne Funk­ti­on ein­neh­men. Aber solan­ge jemand nur Mit­glied ist und sich auf lega­lem Boden bewegt, ist es kein Pro­blem, dass er auch bei uns Mit­glied ist. Es ist nicht illegal.
Pres­se: Und ein ein­fa­ches Mit­glied der Iden­ti­tä­ren kann auch bei der ÖH-Wahl für den RFS antreten?
Schraml: Ja, aber das ist der­zeit nicht der Fall. Auch ist kei­ner unse­rer Funk­tio­nä­re Mit­glied bei der iden­ti­tä­ren Bewe­gung. Und wir sind da, um die Inter­es­sen der Stu­den­ten zu vertreten.

Fragt sich nur, wel­che Funk­tio­nä­rIn­nen die Iden­ti­tä­ren außer den in den Ver­ei­nen vor­ge­schrie­be­nen Vor­stands­funk­tio­nen haben? Aber wer weiß, viel­leicht unter­schei­det der RFS nach der von den Iden­ti­tä­ren getrof­fe­nen Ein­tei­lung ihrer Anhän­ger­schaft in „Hopli­ten“ als Fußi­den­ti­tä­re und in „Spar­tia­ten“ als Vollidentitäre?

Graz: Burschenschaft Arminia lädt am 8. Mai zum Vortrag

8. Mai, Tag der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus, und die Gra­zer Bur­schen­schaft Armi­nia lädt zum Vor­trag: Der Iden­ti­tä­re Mar­tin Sem­lit­sch aka Licht­mesz refe­riert über das The­ma „Mit Lin­ken leben“. Bie­tet sich gera­de an die­sem Tag auch an, zumin­dest im geis­ti­gen Hori­zont der Bur­schen­schaft. Sem­lit­sch soll­te viel­leicht eher berich­ten, wie es sich mit Neo­na­zis lebt, denn mit denen ist er vor eini­gen Wochen in Skan­di­na­vi­en aufgetreten.

Feldkirchen/K: Polizist im Vereinsvorstand der Tigurina

Gegen die „Wehr­haft pen­na­le Bur­schen­schaft Tigu­ri­na zu Feld­kir­chen“ ermit­telt nach dem Fuchs(en)-Video die Staats­an­walt­schaft wegen des Ver­dachts auf Wie­der­be­tä­ti­gung. Nun wur­de bekannt, dass nicht nur der nach dem Ver­bots­ge­setz 2005 ver­ur­teil­te Hel­mut Adolf. Sch. im Vor­stand der Tigu­ri­na sitzt, son­dern auch ein Beam­ter des Lan­des­kri­mi­nal­amts Kärnten.

Sein Dienst­ge­ber, die Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on (LPD), hat von der Klei­nen Zei­tung davon erfah­ren hat, und ist von die­ser Kom­bi­na­ti­on wenig begeis­tert. Die LPD hält aber fest, dass es sich dabei um „die Pri­vat­an­ge­le­gen­heit“ des Beam­ten han­delt – noch. Man sei „an Tat­sa­chen gebun­den“, so LPD-Spre­cher Rai­ner Dio­ni­sio. Solan­ge dem Poli­zis­ten kein straf­ba­res Ver­ge­hen nach­ge­wie­sen sei, habe man kei­ne Hand­ha­be. Der Poli­zist selbst hat wohl kei­ne Straf­tat durch sei­ne oder inner­halb sei­ner Bur­schen­schaft bemerkt: Denn sonst hät­te er, so sieht es das Gesetz vor, Anzei­ge erstat­ten müs­sen.“ (Klei­ne Zei­tung, 28.4.19)

Müss­te also sein, dass – wer auch immer – das Video ohne die Zustim­mung des Vor­stands online gestellt hat und dass der Ver­eins­kas­sier, also der Poli­zist, nie auf die Tigu­ri­nen-Web­site geschaut hat …