Ursprünglich war die Facebookgruppe „Club 3 Kornblume“ eine öffentlich zugängliche Hetzgruppe mit der Zusatzbezeichnung „Österreich-Deutschland“. Weil zu viele AntifaschistInnen die rechte Hetze mitlasen, Diskussionen einforderten und mit dem Strafrecht drohten, spalteten die Betreiber eine geschlossene Gruppe ab, drehten die Zusatzbezeichnung um auf „Deutschland-Österreich“ und fügten noch hinzu „Die Heimat Patrioten 2016“.
Kehlsteinhaus und Kornblume
Einziger Administrator der geschlossenen Gruppe war Karl M.(45), ein Kärntner, der sich nach seinen Angaben vor Gericht wegen der Flüchtlingsbewegung 2015 radikalisiert hatte. Ein Euphemismus angesichts des Umstandes, dass sich Karl M. als waschechter Neonazi in der Gruppe und auf seinem privaten Facebook-Profil präsentierte. Sein privates Profil zierte er zeitweise mit dem Kehlsteinhaus als Titelfoto. Ein deutliches Erkennungs-und Bekenntniszeichen!
Für die geschlossene Facebook-Gruppe war das die Kornblume. Als der Richter von dem nach mir als Zeuge einvernommenen Kärntner Verfassungsschützer wissen wollte, warum die Gruppe so viele Mitglieder haben konnte, erwiderte der, dass das wohl auf die Kornblume zurückzuführen sei, bei der man ja wisse, wofür sie stehe. Er hat Recht! Die Kornblume, das Erkennungszeichen der illegalen Nazis, führte wohl die allermeisten in der Gruppe zusammen. Zum Zeitpunkt meiner Anzeige, im November 2016, umfasste sie mehr als 18.000 Mitglieder, wuchs aber auch danach – bis zur Schließung – noch weiter an. Jeden Tag unzählige Hass- und Hetzkommentare, Fotos und Videos mit Dutzenden Postings dazu – eine unerträgliche braune Soße. Übertreibe ich? Sicher nicht.
Während ich am Montag Vormittag auf meine Zeugeneinvernahme warte, wird drinnen im Verhandlungssaal ein Video gezeigt: „Buchenwald – Was genau geschah“, ein als Doku getarntes besonders übles Beispiel von Holocaustleugnung, das der Angeklagte in die Gruppe gestellt hat: Zyklon B sei nur zur Entlausung von Kleidern eingesetzt worden usw.. Zu diesem verlogenen Dreck passt übrigens wie die Faust aufs Auge das zynische Foto, das einer (nicht der Angeklagte) an anderer Stelle postete: „Vergaser – Früher war das mal ein Beruf“
Nach der Vorführung des Buchenwald-Videos verlässt ein sichtlich schockierter Journalist den Verhandlungssaal, schüttelt den Kopf und ruft mir zu: „Unpackbar!“ „Unpackbar“ ist aber so ziemlich alles, was in der Gruppe herumschwirrte. Hitler-Fotos, Hitler-Reden, Mitglieder, die sich als Napola-Schüler, SSler oder gar mit fiktiven Namen wie „Heinrich Goeppels, Reichsadmiral bei Reichsführer-SS“ vorstellen.
Im November 2016 zeigte ich Karl M., den Administrator, an. Zu diesem Zeitpunkt haben ich bzw. „Stoppt die Rechten“ schon etliche besorgte Zuschriften und Aufforderungen erhalten, doch etwas gegen diese Gruppe zu unternehmen. Die Gruppe war zwar nicht öffentlich zugänglich, aber einige GegnerInnen sind anscheinend durch- und hineingerutscht, versorgten mich mit Informationen und Screenshots.
Die Blauen unter den Braunen
Was aber ist eigentlich mit denen, die in der Gruppe drinnen waren, weil sie der Kornblume gefolgt sind? Da meine ich in erster Linie nicht die üblichen Verdächtigen aus der dritten und vierten Reihe, die wegen Wiederbetätigung Verurteilten oder die „Anführer“ von Neonazi-Grüppchen wie der „Partei des Volkes“, auch nicht die zahlreich in der Gruppe vertretenen kleinen FPÖ-Funktionäre und ‑MandatarInnen, sondern die aus der zweiten Reihe der FPÖ: die Wiener Stadträtin Ursula Stenzel, der Grazer Klubobmann Armin Sippel, Landesrat Elmar Podgorschek aus OÖ, die Abgeordneten zum Nationalrat Edith Mühlberghuber, Robert Lugar, Walter Rauch und auch Marcus Franz, der allerdings nicht bei der FPÖ, sondern in diesem Zeitraum „wilder“ Abgeordneter (vorher ÖVP und Team Stronach) war? Haben die nichts bemerkt? Sind sie – wieder einmal – einfach wo reingerutscht, wo sie – wieder einmal – keine Ahnung von der politischen Orientierung der Gruppe hatten? Warum sind es fast immer dieselben, denen so etwas passiert? Eine Frage ist leicht beantwortbar: Noch nie hat ein/e FPÖ-MandatarIn bemerkt, in welch grauslicher, brauner Umgebung er da gelandet ist und Anzeige erstattet.
Vor der Anzeige stelle ich Karl M. ein Ultimatum: Entweder er dreht die Gruppe sofort ab, oder ich zeige ihn an. Karl M. reagiert nicht. Trotz Anzeige passiert zunächst einmal gar nichts. Lange nicht! Es dauert bis zum Herbst 2017, dann klopft ein Verfassungsschützer bei Karl M. an, erzählt ihm von der Anzeige und vom Ermittlungsauftrag, den ihm die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Wiederbetätigung erteilt hat. Erst da dreht Karl M. die inzwischen auf über 20.000 Mitglieder angewachsene Gruppe schlagartig ab, löscht sein privates Facebook-Profil, zieht sich aus dem Internet komplett zurück.
Meine Anzeige ist zwar ausführlich (20 Seiten), umfasst aber nur einen vergleichsweise kurzen Zeitraum des „Wirkens“ von Karl M.. Eigenständige und zusätzliche Ermittlungen, etwa über den langen Zeitraum zwischen Anzeige und erstem Kontakt mit Karl M. findet der Verfassungsschutz anscheinend nicht notwendig. Das ist ein schweres Manko, denn die Verteidigung von Karl M. beruft sich in ihrem Plädoyer darauf, dass Karl M. nur in einem sehr kurzen Zeitraum Schreckliches gepostet habe.
Rassistische Hetze und Lügen
Das stimmt mit Sicherheit nicht. Karl M. hat über einen langen Zeitraum sehr viel braunen Dreck selbst gepostet und noch viel mehr als Administrator geduldet. Holocaust-Leugnung, Nazi-Propaganda, Drohungen, Antisemitismus und Rassismus – das alles geht auf sein Konto. Ein besonders übles Beispiel von hetzerischem Rassismus lieferte er mit diesem Empörungsposting (ich habe es nicht in die Anzeige aufgenommen):
„Nordafrikanische migranten grillen in Tirol zum Spaß einen lebendigen Hund ! Und fotografieren dieses traurige Schauspiel dann auch noch!!“
Sein Posting wird rund 1.300 mal (!) geteilt und erhält unter anderem folgende Kommentare:
„Alle an den Eiern aufhängen und mit kleinem Feuerzeug schmoren lassen, damits lang dauert
Die Assi müsste man anzünden
Tötet das Gesindel
Diese Drecks Vicher gehören dort hin wo es ganz viele Betten für die breit stehen. Aber vorher müßten die das mit unseren jetzigen Regierungen machen, damit die dann auch etwas von wunderschönen Vielfalt haben.
Das ganze Gesoxe raus aus Österreich
Aufhängen!
Der Abschaum, der aus dem Urwald kam!
Töten sollte man diese drecks nigger allesamt wie damals der ku klux klan!!!
Ich hasse diesen Abschaum! Ich wünsche mir, alle diese Intelilgentskrüpel selbst brennen zu sehen. Euch scheiß‚ „Willkommensklatscher”, euch hasse ich genau so!!!
ja ja — Frau Merkel, ist ja wieder nur ein Einzelfall, aber diese Menschen wurden von Ihnen eingeladen, haben es allerdings nicht bis Berlin geschafft und „vergnügen” sich jetzt in Tirol
Lasst uns diese Afrikanischen Schweine zur hölle fahren,und auch verbrennen!
Diese drei Halbaffen sollte man lebendig Häuten es gibt doch keine Worte für so ein Drecks Volk
Bastarde„„dreckiges „””” schwarzes Rattenpack”””„für euch„,die Gaskammern von Auschwitz„„, jedem das seine“.
Erstunken und erlogen hat Karl M. dieses Posting allein zum Zweck der Hetze. Weder stimmt der Ort der Handlung (Tirol) noch die Angabe über die Herkunft „Nordafrikanische Migranten“.
Langer Tatzeitraum, unzählige Postings
In der Verhandlung gibt sich Karl M. geständig. Sein Verteidiger appelliert im Schlussplädoyer an die Geschworenen, dass der Angeklagte nicht auf so blöde Ideen gekommen wäre, wenn er eine Arbeit gehabt hätte. Außerdem sei der Tatzeitraum sehr kurz gewesen, der Angeklagte sonst nie einschlägig aufgefallen und in seiner Wohnung gebe es nicht einmal Nazi-Devotionalien, alles Widerliche habe sich ausschließlich im Internet abgespielt. Eine Ansammlung von Plattitüden und gefährlichen Irrmeinungen, die aber bei der Bemessung der Strafe offensichtlich verfangen haben: 12 Monate bedingt und 2.880 Euro Geldstrafe lautet das noch nicht rechtskräftige Urteil.
Ich bin ja ohnehin sehr skeptisch, dass eine unbedingte Haftstrafe bei Menschen wie Karl M. eine Besserung bewirken könnte, aber mit diesem Urteil stimmen einfach die Relationen nicht! Wenn ein Saufnazi für das Heben seiner rechten Hand soviel „Schmalz“ bekommt wie Karl M. für zwei Jahre braunes Wüten vor und mit Riesenpublikum, dann passt das nicht wirklich. Dass die prominenten Mitglieder in seiner Gruppe so wie die zahlreichen braunen Hetzer völlig ungeschoren bleiben, passt mir aber auch nicht. Ich beruhige mich damit, dass nach der Anzeige schlussendlich die Gruppe und Karl M. aus Facebook verschwunden sind. Immerhin!
Als ich nach meiner Zeugeneinvernahme zum Bahnhof gehe, komme ich am Parteilokal des BZÖ vorbei. Eine elektronische Anzeigetafel signalisiert die Top-Meldung, einen Vortrag am 26. April (schon vorbei) zum Thema: „Jörg Haider. Selbstmord, Mord, Unfall oder Attentat?“
Das erinnert mich an das Posting von Karl M. in der „Kornblumen“-Gruppe: „Dr. Jörg Haider. Das 8. Jahr nach seiner Hinrichtung durch die Zionisten“
Die „Kornblumen“-Ideologie ist leider noch nicht tot!