Die CPAC-Konferenz in Budapest: Kickl und Vilimsky beim Verschwörungsfestival

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Am 4. und 5. Mai tra­fen sich Vertreter*innen der glo­ba­len extre­men Rech­ten zur CPAC-Kon­fe­renz (Cen­ter for Con­ser­va­ti­ve Poli­ti­cal Action/Zentrum für kon­ser­va­ti­ve poli­ti­sche Akti­on) in Buda­pest. Als Red­ner tra­fen dabei auch die FPÖ-Poli­ti­ker Harald Vilims­ky und Her­bert Kickl auf. Dabei befan­den sie sich in bes­ter Gesell­schaft von Verschwörungstheoretiker*innen, Rassist*innen und Homophoben.

Bei der CPAC han­delt es sich um eine jähr­lich statt­fin­den­de Kon­fe­renz, die erst­mals 1974 aus­ge­tra­gen wur­de und von der Ame­ri­ka­ni­schen Kon­ser­va­ti­ven Uni­on (Ame­ri­can Con­ser­va­ti­ve Uni­on) orga­ni­siert wird, einer den Repu­bli­ka­nern nahe­ste­hen­den Netz­werk­or­ga­ni­sa­ti­on der ame­ri­ka­ni­schen poli­ti­schen Rech­ten. Seit 2019 wird die CPAC auch außer­halb der USA aus­ge­tra­gen, bis­her kamen Aus­tra­li­en, Bra­si­li­en, Japan, Mexi­ko, Süd­ko­rea und, nun schon zum zwei­ten Mal nach 2022, Ungarn zum Handkuss.

Inter­es­sant ist auch der ideo­lo­gi­sche Shift von Tei­len der glo­ba­len Rech­ten, der ins­be­son­de­re seit den Jah­ren der Trump-Admi­nis­tra­ti­on wahr­ge­nom­men wer­den kann und sich auch inner­halb der CPAC mani­fes­tiert. Ins­be­son­de­re zur Zeit des kal­ten Krie­ges waren es noch ‚klas­si­sche‘ kon­ser­va­ti­ve The­men wie Anti­kom­mu­nis­mus, der Bezug auf das Chris­ten­tum als gedank­li­cher Dreh- und Angel­punkt sowie ein rabia­ter Anti­kom­mu­nis­mus, die als ideo­lo­gi­scher Motor der CPAC und mit ihr asso­zi­ier­ter Grup­pen gal­ten (1).

Spä­tes­tens mit dem Trum­pis­mus kam es jedoch zu einer Ver­schie­bung nach ganz weit rechts. Die­se mani­fes­tiert sich in einer Nor­ma­li­sie­rung ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­scher Nar­ra­ti­ve über soge­nann­te „Glo­ba­lis­ten“, die im Gehei­men danach trach­ten wür­den, die Welt zu unter­jo­chen und zu einem Hort „sata­ni­scher“ Wer­te (ein Begriff, der von zahl­rei­chen Redner*innen der Buda­pes­ter CPAC-Kon­fe­renz benutzt wur­de) wie Libe­ra­lis­mus oder Homo­se­xua­li­tät zu machen (ja, Homo­se­xua­li­tät wird als poli­ti­sche Ein­stel­lung anstatt als sexu­el­le Ori­en­tie­rung begrif­fen). Dies geht ein­her mit offe­ner Unter­stüt­zung auto­kra­ti­scher Regime. Die­se Dis­kurs­ver­schie­bung ins Wahn­haf­te bezeich­ne­te Lassa­be Lau­ren She­p­herd, eine Lehr­be­auf­tra­ge auf der Uni­ver­si­tät New Orleans und sich selbst zum kon­ser­va­ti­ven Lager zählt, in einem Kom­men­tar für die „Washing­ton Post” gar als „Betrug an den Wur­zeln der kon­ser­va­ti­ven Bewe­gung“ (washingtonpost.com, 19.5.22).

Allei­ne ein Blick auf die dies­jäh­ri­ge Redner*innenliste zeigt schon, wohin die ideo­lo­gi­sche Rei­se geht. Die­se reicht von fest in den Par­la­men­ten ihrer Län­der ver­an­ker­ten Politiker*innen rechts­extre­mer Par­tei­en bis hin zu Obskurant*innen wie etwa dem Japa­ner Hiroa­ki Aeba, sei­nes Zei­chens Mit­glied des „Hap­py Science“-Kultes, der irgend­wo zwi­schen einer glo­ri­fi­zier­ten Glä­ser­rück-Sek­te und einer rabia­ten ras­sis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on, die ihre Mit­glie­der offen auf einen Krieg ein­stimmt, ange­sie­delt ist (unseenjapan.com, 12.8.19). Ein detail­lier­ter Über­blick über einen gro­ßen Teil der Redner*innen fin­det sich bei Bell­tower News.

Aus öster­rei­chi­scher Per­spek­ti­ve beson­ders inter­es­sant sind selbst­ver­ständ­lich die Auf­trit­te des frei­heit­li­chen EU-Abge­ord­ne­ten Harald Vilimksy und des FPÖ-Par­tei­chefs Her­bert Kickl. Vilims­ky hat­te sei­nen Auf­tritt schon am ers­ten Tag der Kon­fe­renz, als Teil eines „Nati­ons First“ genann­ten Dis­kus­si­on­s­pa­nels. Mode­riert wur­de es von Ist­ván Kovács, dem stra­te­gi­schen Direk­tor des unga­ri­schen „Zen­trums für fun­da­men­ta­le Rech­te“ (Alap­jo­go­kért Köz­pont), einem staats­na­hen und somit weit am rech­ten Rand ste­hen­den Think-Tank.

Das „Zen­trum“ war es übri­gens auch, das die CPAC über­haupt nach Ungarn ein­lud und sich somit maß­geb­lich für die Orga­ni­sa­ti­on und Durch­füh­rung der Ver­an­stal­tung ver­ant­wort­lich zeig­te. Wo man ideo­lo­gisch ange­sie­delt ist, zeig­te sich schon in der Ein­füh­rungs­re­de Kovács‘, als er die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on als Pro­dukt „per­ver­tier­ter“ Ideo­lo­gien bezeich­ne­te und sie in eine Rei­he mit sta­li­nis­ti­schen Dik­ta­tu­ren stell­te. Oder anders gesagt: eine nost­al­gi­sche Ver­klä­rung des Feu­da­lis­mus und Ableh­nung der Aufklärung.

Vilims­kys Co-Diskutant*innen waren Gugliel­mo Pic­chi, ita­lie­ni­scher Poli­ti­ker der rechts­extre­men Lega Nord, die US-Ame­ri­ka­ne­rin und Vor­sit­zen­de des „Insti­tuts für Frau­en­ge­sund­heit“ (Insti­tu­te for Women’n Health), Vale­rie Huber, sowie Mark Ivan­yo von den „Repu­bli­ka­nern für natio­na­le Erneue­rung“ (Repu­bli­cans for Natio­nal Rene­wal), die sich für einen wei­te­ren ideo­lo­gi­schen Turn nach rechts inner­halb der Repu­bli­ka­ner ein­set­zen (motherjones.com, 11.3.20).

Illustrie rechte Runde auf der CPAC-Konferent in Ungarn. V. l. n. r.: István Kovács, Valerie Huber, Guglielmo Picchi, Mark Ivanyo, Harald Vilimsky.

Illus­tre rech­te Run­de auf der CPAC-Kon­fe­renz in Ungarn. V.l.n.r.: Ist­ván Kovács, Vale­rie Huber, Gugliel­mo Pic­chi, Mark Ivan­yo, Harald Vilims­ky (Screen­shot CPAC YT)

Es ist jedoch schwer, die Dis­kus­si­on über­haupt als sol­che zu bezeich­nen. Anstatt eines Aus­tau­sches diver­gie­ren­der poli­ti­scher Ansich­ten war es eine Samm­lung von State­ments, die die auf der Kon­fe­renz vor­herr­schen­den Nar­ra­ti­ve unter­stütz­ten. Ins­be­son­de­re Vilims­ky beton­te die Bedeu­tung der „füh­ren­den Rol­le“ die Ungarn in Zukunft für die euro­päi­sche Rech­te ein­neh­men müs­se. Als Erfolgs­bei­spie­le einer Poli­tik im Sin­ne der CPAC-Teilnehmer*innen nann­te er dann noch die „Wirts­haus­prä­mie“ der schwarz­blau­en nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­re­gie­rung und erwähn­te den Bei­trag des eben­falls an der Kon­fe­renz anwe­sen­den FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Chris­ti­an Hafenecker an der Aus­ar­bei­tung die­ses nach Real­sa­ti­re klin­gen­den Vorhabens.

Eine wei­te­re Fra­ge dreh­te sich um das „gro­ße Gan­ze“ (grea­ter good), das die her­bei­fan­ta­sier­te glo­ba­le links­li­be­ra­le Eli­te dem „Volk“ denn nun auf­drü­cken woll­te. Mark Ivan­yo wuss­te dar­auf eine Ant­wort – näm­lich die Gleich­set­zung von Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie. Vilims­ky ging noch wei­ter und bemerk­te, es hand­le sich dabei um einen Plan von Geor­ge Sor­os, Bill Gates und dem Vor­sit­zen­den des Welt­wirt­schafts­fo­rums (WEF), Klaus Schwab, der Bevöl­ke­rung „schlech­te Imp­stof­fe“ (bad vac­ci­nes) zu ver­kau­fen. Nach­dem das ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­sche The­men­ka­rus­sell sei­ne Run­de gemacht hat­te, war die Dis­kus­si­on zu Ende.

Wo man ideo­lo­gisch steht, zeig­te auch ein kur­zes Film­chen, das wäh­rend der Kon­fe­renz abge­spielt wur­de. Da wur­de bei­spiels­wei­se die Mär ver­brei­tet, die „Neo­mar­xis­ten“ wür­den die Bürger*innen der EU gegen­ein­an­der aus­spie­len und „Wel­len des Post­mo­der­nis­mus“ (waves of post­mo­der­nism) schaf­fen. Ihr Ziel sei es, dass „wir“ uns nicht sicher füh­len soll­ten, da „sie” pla­nen „unse­re“ Reli­gi­on und Kul­tur aus­zu­lö­schen. Das Gan­ze war zudem unter­legt mit Bil­dern von Bag­gern die eine Kir­che abrei­ßen sowie Drag Queens, die Per­for­man­ces und Reden in Kir­chen und Kin­der­gär­ten hal­ten. Kurz danach folg­te ein Sujet einer Fami­lie, die unter einem in den Far­ben der unga­ri­schen Natio­nal­flag­ge gehal­te­nen Schirms vor einer regen­bo­gen­far­be­nen Sturz­flut Schutz sucht. Homo­pho­bie war, wenig über­ra­schend, natür­lich eines der zen­tra­len The­men der Kon­fe­renz. Es folg­ten Bil­der von Geor­ge Sor­os und Ursu­la von der Ley­en, die angeb­lich einen „Total­an­griff“ („full sca­le attack“) gegen Ungarn gestar­tet hät­ten. „We need to stop this!“ –  und dann ein Aus­schnitt von Orbán, wie er Trump die Hand schüt­telt. Die CPAC, so am Ende des Film­chens, stel­le sich gegen die „Fein­de der Nor­ma­li­tät“ (enemies of nor­ma­li­ty).

Am zwei­ten Tag folg­te der Auf­tritt des blau­en Par­tei­vor­sit­zen­den. Kickl war jedoch nicht selbst anwe­send, son­dern ver­las per Video­zu­schal­tung eine zuvor auf­ge­nom­me­ne Erklä­rung. Die Rede selbst hör­te sich eher an wie die eines offen mit Neo­na­zis koope­rie­ren­den, wahn­haf­ten Ver­schwö­rungs­er­zäh­lers Mar­ke Mar­tin Rut­ter als die eines auch nur ansatz­wei­se in einer seriö­sen und fak­ten­ba­sier­ten Welt­sicht behei­ma­te­ten Bun­des­kanz­ler-Aspi­ran­ten. In der WHO und dem WEF gin­gen die „Mil­li­ar­dä­re von Gates bis Sor­os“ ein und wür­den mit den abge­ho­be­nen „Euro­kra­ten“ der EU bzw. den „Glo­ba­lis­ten“ ein Euro­pa schaf­fen wol­len, das auf Mas­sen­zu­wan­de­rung und dem Ver­bot von Indi­vi­dua­li­tät beru­he. Zum letz­ten Punkt ist anzu­mer­ken, dass die FPÖ es ist, die neu­er­dings sogar das Tra­gen von Jog­ging­ho­sen an Schu­len ver­bie­ten will (derstandard.at, 8.5.23).

Nun, eine Kri­tik an der EU ist natür­lich nicht per se falsch oder rechts­extrem. Es geht nur dar­um, was als Alter­na­ti­ve ange­bo­ten wird. Für Kickl ist das jedoch kei­nes­wegs eine demo­kra­ti­sche­re Gesell­schaft, son­dern ein auto­ri­tä­res Regime à la Vik­tor Orbán, dem er, wie der Groß­teil sei­ner Vorredner*innen auch, groß­zü­gig Blu­men streut. Die EU müs­se „von Ungarn ler­nen“. Wie die Macher*innen des beschrie­be­nen Pro­pa­gan­da­film­chens will auch Kickl die „Nor­ma­li­tät“ – natür­lich eine, die er und sei­nes­glei­chen defi­nie­ren. Und wie die­se ima­gi­nier­te auto­ri­tä­re Wen­de aus­schaut, zeigt sich Tag für Tag in Orbáns Ungarn.

Fuß­no­ten

1 Pres­ton Par­ker, Dani­el: CPAC: The Ori­g­ins and Role of The Con­fe­rence in the Expan­si­on and Con­so­li­da­ti­on of the Con­ser­va­ti­ve Move­ment, 1974–1980, Uni­ver­si­ty of Pennsylvania.