Graz: Schuldspruch für Homophobie und NS-Devotionalien
Innsbruck: „Unsinn“ mit drei Promille
Feldkirch/V: Von Hitlerbildern auf dem Handy nichts gewusst
Pongau-Salzburg: „Schöner Scheiß“
Wien: Kurzer Prozess für Adolf-Liebhaber
Feldkirchen-Klagenfurt: Freispruch für „Schwarze Sonne“
Salzburg: Pensionist mit Nazi-Chatnachrichten
Treffen-Klagenfurt: Sexualstraftäter auch ein Wiederbetätiger
Salzburg: 16-Jähriger nach Verbotsgesetz verurteilt
Graz: Schuldspruch für Homophobie und NS-Devotionalien
Am 4.7.24 stand ein 33-jähriger Grazer wegen Wiederbetätigung vor Gericht: Er soll am Tag der Grazer Regenbogenparade 2023 mehrere queere Personen bedrängt und geschrien haben, „Diese Schwuchteln gehören alle ins KZ“. Bei einer Hausdurchsuchung wurden jede Menge NS-Devotionalien sichergestellt.
Bereits 2017 wurde Michael Z. wegen des Besitzes von NS-Devotionalien verurteilt; im aktuellen Verfahren behauptete er, er habe diese Dinge nur von Bekannten geschenkt bekommen, da er ein „Sammler“ sei. Außerdem habe er nichts gegen Schwule. Zu den gefundenen Gegenständen zählen unter anderem eine Reichskriegsflagge, die er im Wohnzimmer drapiert hatte, Bierflaschen mit Hitlerbildern, mehrere mit Hakenkreuzen verzierte Gegenstände und eine Ausgabe von „Mein Kampf“. Dennoch, so die Verteidigungslinie, habe der Angeklagte mit dem Nationalsozialismus nichts am Hut, auch wenn seine Tattoos – Mickey Maus mit Hitlerbart und ein Hakenkreuz – diesbezüglich eine andere Sprache sprechen. Das Hakenkreuz-Tattoo aber habe er sich gestochen, da es ein buddhistisches Friedenssymbol sei.
Als weiteren Grund für den Besitz dieser Gegenstände nannte Z. die Finanzierung seiner Drogensucht: Er wollte die Devotionalien nur weiterverkaufen, um dadurch an Geld für Alkohol zu kommen. Auch der Verteidiger sowie die Mutter des Angeklagten führten mehrmals dessen Alkoholsucht als entlastendes Argument an. Er sei „ein „wanderndes Irrlicht zwischen Billa-Eck und Keplerbrücke“, brachte der Verteidiger vor.
Schlussendlich wurde Z. in beiden Hauptfragen – es ging neben dem Vorwurf der Wiederbetätigung auch um ein gestohlenes Smartphone – einstimmig schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, davon 16 Monate unbedingt, verurteilt. Als strafmildernd wurde seine Suchtkrankheit gewertet, als erschwerend die Vorstrafe und die offene Probezeit aus der vorangegangenen Verurteilung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Innsbruck: „Unsinn“ mit drei Promille
Der Alkohol hatte einen 37-jährigen Tiroler derartig beeinflusst – es wurden drei Promille Alkoholgehalt im Blut gemessen –, dass er ganz entgegen seiner Haltung im Zuge eines Termins bei der Gesundheitskasse „Heil Hitler“ geschrien, dabei den Führergruß dargeboten und zudem auch noch „Scheiß Tschuschen, scheiß Afghanen, alle Ausländer sollte man vergasen“ (Verhandlungskalender) gerufen haben soll. Beim Prozess am Landesgericht Innsbruck am 15. Juli gab er sich reumütig.
„Das ist nicht meine Einstellung, ich habe damit überhaupt nichts zu tun“, strich der wegen NS-Wiederbetätigung angeklagte 37-Jährige am Innsbrucker Landesgericht mehrfach heraus. Es sei aber so, dass er, wenn er viel Alkohol trinke, Unsinn rede. So auch im vergangenen November: „Ich habe die ganze Nacht Wein und Schnaps konsumiert und allerhöchstens eine Stunde geschlafen.“ (krone.at, 16.7.24)
Mit nur vier Monaten bedingter Haft, einer Geldstrafe über 720 Euro und der Auflage, einen psychiatrisch begleiteten Alkoholentzug zu machen, kam der Angeklagte recht günstig davon. Über die Rechtskraft des Urteils ist nichts bekannt.
Feldkirch/V: Von Hitlerbildern auf dem Handy nichts gewusst
Ein 31-jähriger Mann aus dem Unterland musste sich am 25.7. vor dem Schwurgericht in Feldkirch wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz verantworten. Der Angeklagte, der als unbescholtener, fleißiger und ehrenamtlich tätiger Familienvater beschrieben wird, hatte auf seinem X‑Account ein Kriegsfoto mit dem Schriftzug „Free Palästina“ und dem Zusatz „Er hat es geplant“ gepostet. Nachdem er von seinem Feuerwehrkommandanten darauf hingewiesen wurde, löschte er den Post, doch ein aufmerksamer Bürger hatte bereits einen Screenshot gemacht und ihn bei der Polizei angezeigt.
Inhalte von den im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellten Handys brachten Belastendes zutage: „Dort findet sich ein Bild, das Adolf Hitler zeigt – mit dem Text: ‚Ich werde dich erschießen, Jude!‘ Unter einem anderen Hitler-Foto ist zu lesen: ‚Ich könnte alle Juden töten…!‘“ (krone.at 26.7.24)
Der Angeklagte bestritt im Prozess, ein Rassist zu sein, und erklärte, dass er die Inhalte, die er zugeschickt bekommt, oft nicht richtig lese. Von den Hitlerbildern auf seinem Handy habe er nichts gewusst. Der Vorarlberger wurde mit fünf zu drei Stimmen schuldig gesprochen und zu zehn Monaten bedingter Haft sowie einer Geldstrafe von 7.800 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Pongau-Salzburg: „Schöner Scheiß“
Ein 31-jähriger im Pongau lebender Deutscher wurde am 31.7. am Landesgericht Salzburg wegen NS-Wiederbetätigung (§ 3g Verbotsgesetz) zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Über sechs Jahre hinweg hatte der Techniker etwa 70 Nazi-bezogene Bilder und Videos via WhatsApp verschickt und positiv kommentiert.
Bei einer Hausdurchsuchung fanden Verfassungsschützer eine Reichsflagge, ein Schild mit der Aufschrift „Blut und Ehre“ sowie zwei illegal besessene Waffen. Vor Gericht zeigte sich der Angeklagte geständig und bezeichnete sein Verhalten als „schönen Scheiß“ – „schön“ hätte er allerdings weglassen können! Das Urteil ist rechtskräftig, und der Verurteilte muss sich einer Bewährungshilfe unterziehen. (Quellen: Salzburger Nachrichten, 1.8.24, S. L4 und krone.at, 31.7.24)
Wien: Kurzer Prozess für Adolf-Liebhaber
„Ich liebe den Adolf“: Weil er letzten November unter zwei Instagram-Postings mit Bezug auf Israel eine Liebeserklärung an Hitler hinterlassen hatte, wurde ein 38-Jähriger türkischer Staatsbürger am 2. August nach dem Verbotsgesetz (§ 3h) in Wien verurteilt.
Der beschäftigungslose Angeklagte zeigte sich gleich zu Beginn der Verhandlung geständig, behauptete aber, dass er betrunken gewesen sei und mit den Kommentaren nur provozieren wollte, weil ihn das Vorgehen der israelischen Armee im aktuellen Konflikt störe. Er wisse, dass Hitler und die Nazis unschuldige Menschen getötet haben und fände das nicht gut. Dem Verteidiger zufolge sei sein Mandant kein Mitglied der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ oder anderer rechtsextremer Organisationen.
Am Ende des nur zweistündigen Prozesses stand ein einstimmiger Schuldspruch durch die Geschworenen. Zusätzlich zu der einjährigen bedingten Haftstrafe mit einer dreijährigen Probezeit verhängte das Gericht einen Besuch in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Dass sich der Angeklagte als Elektriker selbstständig machen möchte und unbescholten ist, sah das Gericht als strafmildernd an. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Feldkirchen-Klagenfurt: Freispruch für „Schwarze Sonne“
Ein Villacher, der wegen eines Nazi-Tattoos angeklagt war, wurde am 6.8. am Landesgericht Klagenfurt überraschenderweise freigesprochen. Die „Schwarze Sonne“, die als NS-Symbol gilt und in der Öffentlichkeit verboten ist, wurde von dem 40-Jährigen als Symbol für das „Rad des Schicksals und die Tierkreiszeichen“ verteidigt. Der Mann war im Tiebelpark von Feldkirchen betrunken und mit nacktem Oberkörper aufgefallen, wobei das Tattoo sichtbar war.
Obwohl er erst kürzlich eine Haftstrafe wegen NS-Wiederbetätigung verbüßt hatte, votierten die Geschworenen für einen Freispruch. Sein Anwalt argumentierte, der Angeklagte habe nicht viel über die Konsequenzen nachgedacht. Dafür, dass er wenige Stunden nach dem Auftritt im Tiebelpark seine Lebensgefährtin bedroht und attackiert hatte, wurde der Mann zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt; das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. (Quelle: krone.at, 6.8.24)
Update 26.9.24: Das OLG Graz trug nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft dem Erstgericht auf, die bedingt ausgesprochene Strafe in eine unbedingte umzuwandeln.
Salzburg: Pensionist mit Nazi-Chatnachrichten
Kurz fällt der Bericht der Salzburger Nachrichten (8.8.24) zum Prozess eines 64-jährigen Salzburger aus:
Zehn Monate bedingte Haft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz: So lautete am Donnerstag am Landesgericht Salzburg das bereits rechtskräftige Urteil eines Geschworenensenats (Vorsitz: Richterin Ilona Schalwich-Mózes) für einen 64-jährigen Salzburger Pensionisten. Laut Staatsanwalt Christoph Wancata hatte der unbescholtene Angeklagte über drei Jahre hindurch via WhatsApp eine Vielzahl von Postings versendet, in denen etwa Adolf Hitler glorifiziert und die Ziele bzw. Greueltaten des Nationalsozialismus positiv dargestellt wurden. Im Prozess bekannte sich der 64-Jährige schuldig zum Anklagevorwurf.
Treffen-Klagenfurt: Sexualstraftäter auch ein Wiederbetätiger
Rechtsextreme neigen dazu, sich als die obersten Kinderschützer zu gerieren, die Realität dahinter sieht nicht selten anders aus. Am 9. August standen getrennt voneinander zwei Angeklagte im Landesgericht Klagenfurt vor Gericht und mussten sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer Unmündigen verantworten. Beide waren angeklagt, ein zwölfjähriges Mädchen via Chatnachrichten zu Missbrauchshandlungen aufgefordert zu haben. Der 40-jährige Täter zeigte sich halb geständig.
Im Keller des 40-Jährigen wurden bei einer Hausdurchsuchung wegen der Chats Hitler-Devotionalien gefunden, was ihm erst im April eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz (sechs Monate bedingt plus Geldstrafe) eingebracht hatte. (kaernten.orf.at, 9.8.24)
Er habe laut Verhandlungskalender „von Oktober 2021 bis September 2023 in Stöckelweingarten [sic!], sich im nationalsozialistischen Sinne wiederbetätigt (…), indem er einschlägige Gegenstände für andere sichtbar in seinem Kellerraum ausgestellt haben soll“.
Für seine Missbrauchstat erhielt der Kärntner nun 18 Monate Haft, davon sechs unbedingt.
Salzburg: 16-Jähriger nach Verbotsgesetz verurteilt
Nur knappe Informationen gibt es zu einem Prozess, der am 14.8. am Salzburger Landesgericht abgewickelt wurde.
Vor den Geschworenen im Salzburger Landesgericht hat sich am Mittwoch ein 16-Jähriger erklären müssen: Der Jugendliche hatte in 54 Chat-Nachrichten das NS-Reich verherrlicht. Nicht nur: Auf dem Handy fanden Ermittler auch Videos, in denen der Jugendliche den Hitler-Gruß zeigte. Wegen Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz 3g wurde der junge Einheimische zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem wurde ihm sein Handy abgenommen und er muss per Weisung Mauthausen besuchen. (Kronen Zeitung, 15.8.24, S. 30)
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 2): Prozesse Verhetzung
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 3): Von Razzien, Burschenschaftern, Identitären bis zum Bundesheer
il 1): Verbotsgesetz-Prozesse
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 4): Blick über die Grenzen
➡️ Rückblick KW 27–33/24 (Teil 5): FPÖ