Ich habe heute das rechtsextremistische „COMPACT-Magazin” verboten. Es ist ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie. (Nancy Faeser via bmi.bund.de, 16.7.24)
Compact und AUF1
Einer sollte nach den Razzien und dem „Compact”-Verbot auch ins Grübeln kommen: Stefan Magnet, der mit seinem 2021 gestarteten Internet-TV AUF1 stark den bundesdeutschen Raum bespielt. Die beiden, Elsässer und Magnet, haben viel gemeinsam. Die politische Herkunft ist zwar unterschiedlich, aber sie sind mit den Jahren ideologisch in der rechtsextremen Ecke zusammengewachsen und teilen sich Feindbilder, Verschwörungsgebrabbel sowie Putin-Affinität.
Aber da gibt’s weitere Paarläufe: gekündigte Bankkonten, verschleierte Finanzierung und die Nähe zu AfD bzw. FPÖ. Während Elsässer mit Veranstaltungen („Blaue Welle“) offen Wahlkampfunterstützung für die AfD pflegt, die die Linken-Politikerin Martina Renner als versteckte und daher illegale Parteienfinanzierung einschätzt, treibt es Magnet nicht ganz so direkt – blaue Unterstützungstouren etwa für die kommende Nationalratswahl sind nicht geplant.
Die FPÖ ist regelmäßig mit Inseraten auf der AUF1-Website vertreten. Dafür geben sich FPÖ-Politiker*innen als Interviewgäste die Klinke in die Hand. Herbert Kickl durfte sich im November 2021 aus seiner Corona-Quarantäne zuschalten, und Generalsekretär Christian Hafenecker äußerte sich in seinem ersten Studiointerview bei Magnet über „Hausdurchsuchungen“ als „eine neue Form der Spionage“ (4.10.22). Die Razzia im BVT hatte er damit nicht gemeint, obwohl „Spionage“ damals das richtige Stichwort gewesen wäre. Aber das Framing für Maßnahmen gegen die rechtsextreme Szene hat er damit allemal gesetzt.
Über zehn Jahre stand Martin Müller-Mertens im Dienst von Elsässers „Compact”, war oder ist Teilhaber an der nun ebenfalls verbotenen „Compact”-Tochterfirma „Conspect Film GmbH“, bevor er dann 2022 zu Magnets AUF1 wechselte – als „Hauptstadtkorrespondent“, wie es großspurig in Anlehnung an die verhassten etablierten Medien genannt wird. Während auf der einen Seite gemutmaßt wurde, zwischen Magnet und Elsässer würde es aus Konkurrenzgründen zum großen Clash kommen, gingen die beiden andere Wege. Müller-Mertens publizierte weiterhin bei „Compact”, Magnet lud ab Mitte 2022 Elsässer immer wieder in sein Internet-TV ein und nahm ab 2023 Compact-Publikationen ins Sortiment seines AUF1-Shops.


AUF1 und Deutschland
Vom Start weg hatte AUF1 in Deutschland höhere Reichweiten als in Österreich. Laut „similarweb“ rekrutiert AUF1 aktuell etwa zwei Drittel seiner Klientel aus Deutschland, während Österreich mit einem Anteil von nicht einmal 20 % eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt. Christina Baum war im Dezember 2021 die erste aus der AfD-Riege bei AUF1 und durfte dort von einem Sturz des Regimes Marke DDR 1989 träumen. Davon fantasierte auch Stefan Magnet, als er etwa Ende 2021 Österreich kurz vor dem Generalstreik sah und Millionen Ungeimpfter „dem System den Stecker ziehen” würden. Seither sind dutzende AfD-Politiker*innen bei AUF1 aufgetreten, darunter Björn Höcke und im Duett auch Herbert Kickl mit Alice Weidel.

Der Rubel muss rollen
Zentral bei beiden Plattformen ist der Aspekt der Monetarisierung. Volkstümlicher ausgedrückt: Der Rubel muss rollen. Das reicht von fast aggressiven Aufrufen, Spenden zu tätigen, angereichert mit Narrativen, selbst Opfer und damit auf Spenden angewiesen zu sein, bis zur Bewerbung des eigenen Shops. Während „Compact” zentral seine hauseigenen Printprodukte ins Schaufenster stellt, muss AUF1 vornehmlich andere Produkte loswerden.
Im März dieses Jahres wurde angekündigt, dass Elsässer die Geschäftskonten bei seiner Hausbank verlieren würde, im Juli verlautbarte Magnet, acht Bankkonten von AUF1 seien gekündigt worden, und er müsse nun nach Ungarn ausweichen. (Warum AUF1 gleich acht Konten besitzt, hat er nicht verraten.) Während Magnet stakkatoartig betont, „basisfinanziert” nur von den Spenden seiner Zuseher*innen finanziert zu werden, sind die „Compact”-Geldgeber zumindest teilweise bekannt – nicht, weil Elsässer darüber geredet hätte, sondern weil Journalist*innen des „Spiegel“ (22.3.24) dazu einiges recherchiert hatten.
Einer von Elsässers Finanziers ist der hessische Bauunternehmer Hartmut Issmer, der 2023 mit 265.000 Euro als größter Einzelspender der AfD aufscheint. „Zusammengerechnet habe er das Blatt [Compact] in den vergangenen Jahren mit Spenden in »allemal fünfstelliger Höhe« bedacht, bestätigt er am Telefon.“ (spiegel.de) Issmer unterstützt auch AUF1, wie aus einer Werbeeinschaltung hervorgeht. Es ist nun zu erwarten, dass nach den Hausdurchsuchungen vor allem die Geldflüsse rund um „Compact” und Elsässer ins Visier der Behörden geraten werden.

Verdachtsfall – gesichert rechtsextremistisch – Verbot
Schon 2020 war „Compact“ vom deutschen Verfassungsschutz als Verdachtsfall, dann 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden – eine Warnung, die Elsässer besser ernstnehmen hätte sollen.
Die Compact-Magazin GmbH trägt Positionen und Aussagen in die Öffentlichkeit, die eindeutig als völkisch-nationalistisch sowie minderheitenfeindlich zu bewerten sind”, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit. „Die Äußerungen enthalten wiederholt antisemitische Verschwörungsmythen und islamfeindliche Motive. Zudem sind sie durch eine Verächtlichmachung und Verunglimpfung der politischen Parteien, Politiker und Repräsentanten der Bundesrepublik gekennzeichnet. (tagesschau.de, 10.12.21)
Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden. (Nancy Faeser via bmi.bund.de , 16.7.24)
Compact und AUF1: Die „Welterklärer” am Beispiel Trump
Sowohl „Compact” als auch AUF1 vermitteln dem Publikum, das Weltgeschehen erklären zu können. Im Wettlauf um die schnellste Einordnung eines Ereignisses versuchen sich beide als Blitzerklärer und dabei auch als Blitzpropheten – ohne jegliche Hemmschwelle, dafür auf kursierende Fake-News zurückzugreifen. Das funktioniert nur deshalb, weil alles in ein einziges Erklärungsschema gepresst wird: in den Kampf einer herbeifantasierten, allumfassend bösen globalistischen Elite gegen den Rest der Welt. Protagonisten und Orte sind willkürlich austauschbar.
Am Beispiel des Schussattentats auf Trump lässt sich diese Taktik gut deklinieren: Während „Compact“ auf seinem Telegram-Kanal bereits gegen 1h30 früh (unserer Zeit) zu wissen glaubte, dass es sich bei dem Täter um „Mark Violets“, ein „Antifa-Mitglied“ (1) handle – und diese Falschmeldung nicht mehr korrigierte –, landete es nach zig Postings über Kennedy und Fico beim „Deep State“, der Trump beseitigen wolle.

Die AUF1-Klientel musste länger warten, da hier der Chef immer persönlich den Ersterklärer spielt. Magnet startete erst um sechs Uhr morgens mit seinen „Erklärungen“, aber kam dafür im Schnelldurchlauf zum „Deep State“, den „Globalisten“ und mit der üblichen Selbstviktimisierungsstrategie auch zu AUF1: „So wie sie auch gegen uns als AUF1 und alle Kritiker gezielt vorgehen.“ Der echte Täter wird bei beiden weggelassen, weil er als registriertes Mitglied der Republikaner nicht ins Schema passt und zudem mit den vordefinierten „Feinden“ schon festgemacht ist, wer an dem Attentat Schuld trägt.
Es ist daher nur selbstverständlich, dass Magnet auf das „Compact”-Verbot mit seiner üblichen Schablone reagiert: „Für die Geschichtsbücher der ganze Wortlaut dieser Unperson. Faeser ist nicht verrückt geworden, sie verfolgt nur knallhart ihren Plan. Das ist das Schicksalsjahr 2024 am Weg der Globalisten-Agenda 2030.“ (Magnet TG 16.7.24)
Der Rubel hat ausgerollt
„Compact“ war auch blitzschnell, das Trump-Attentat zu monetarisieren: Nach einem Höcke-Taler wurde gestern die „Heldenmedaille Donald Trump“ ins Shop-Sortiment genommen. Der wird um knapp 75 Euro angeboten – dumm für jene, die ihn bereits bestellt und bezahlt haben. Sie werden dieses überteuerte Glanzstück aus dem Hause Elsässer möglicherweise nie erhalten. Obwohl davon auszugehen, dass Elsässer gegen das Verbot klagen wird, hat der Rubel (vorerst) ausgerollt.
Spannend bleibt, was bei den heutigen Razzien gefunden wurde. Das könnte möglichweise auch Stefan Magnet stark interessieren. Und es fragt sich, wie lange Bundesinnenministerin Faeser zusehen wird, wenn AUF1 das ideologische, aber möglicherweise auch das wirtschaftliche „Compact”-Geschäft von Österreich aus in Deutschland weiterbetreiben wird. Und ob Österreich die rechtsextremen Geschäfte des Stefan Magnet weiterhin schulterzuckend zur Kenntnis nehmen wird.
Das extrem rechte #CompactMagazin wurde heute verboten.
Von den Polizeimaßnahmen war heute Morgen auch Chefredakteur #JürgenElsässer in #Falkensee betroffen.
Fotos:https://t.co/0QteduQQWA
Tagesspiegel-Artikel zum Thema:https://t.co/EGgR3hNEJm pic.twitter.com/OzauLdDPte— Presseservice_RN (@PresseserviceRN) July 16, 2024
Fußnote
1 auf dem Bild (von „Compact” erst nach mehr als einem Tag gelöscht) ist der italienische Journalist Marco Violi zu sehen, der mit dem tatsächlichen Täter Thomas Matthew Crooks keinerlei Ähnlichkeit aufweist.
Crooks ist als Republikaner registriert. Berichten zufolge spendete er am Tag der Amtseinführung von Biden im Januar 2021 allerdings 15 Dollar an eine Spenden-Organisation der Demokraten. Die „New York Post weist darauf hin, dass Crooks zum Zeitpunkt der Spende 17 Jahre alt war. Im September 2021 registrierte er sich dann mit 18 Jahren als Mitglied der Republikanischen Partei. (n‑tv.de, 14.7.24)