Die Umsturzträume des Stefan Magnet

Lesezeit: 4 Minuten

Mit Beet­ho­vens „Ode an die Freu­de“ unter­malt Ste­fan Magnets Inter­net-TV AUF1 sein Jubel­vi­deo zur Demons­tra­ti­on in Wien der von Rechts­extre­men – allen vor­an die FPÖ – geführ­ten Corona-Maßnahmenverweigerer*innen. Im Text klingt es aller­dings weni­ger freund­lich: Da wird unver­hoh­len mit Gewalt­aus­brü­chen gedroht.

Pathos hat alles in die­sem Video, die Bil­der, die Musik, aber auch der Text, den der rechts­extre­me Magnet selbst ins Mikro spricht:

Heu­te beginnt der Auf­stand. Heu­te beginnt der mas­si­ve Wider­stand, die letz­te Mög­lich­keit einer fried­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung. Das höre ich in vie­len Gesprä­chen. Und sie wol­len und wer­den einen Gene­ral­streik vom Zaun bre­chen, der die­sem Sys­tem den Ste­cker zie­hen wird. Wenn ein­ein­halb oder zwei Mil­lio­nen unge­impf­te Men­schen und mit ihnen die Geimpf­ten, die sich nicht in die drit­te, vier­te, fünf­te, zehn­te Nadel per Gesetz trei­ben las­sen wol­len, wenn die­se Leu­te ihre Arbeit nie­der­le­gen und dem Sys­tem ihren Kon­sum, ihr Geld, ihre Finan­zen ent­zie­hen, dann kommt ein Kol­laps. Und die Poli­tik muss zurück­ru­dern. Das höre ich mit vie­len Leu­ten im Gespräch. Es ist eine revo­lu­tio­nä­re Stim­mung, und es sind Hun­dert­tau­send auf den Stra­ßen. Das gab es noch nie. Jetzt beginnt eine Wende.

Magnet träumt also von einem Umsturz, der, wenn die letz­te War­nung der von ihm her­bei­fan­ta­sier­ten Mas­sen nicht ernst genom­men wür­de, nicht mehr fried­lich ablau­fen wer­de. Das lässt er rhe­to­risch aller­dings ande­re sagen, jene „vie­len”, mit denen er angeb­lich gespro­chen habe. Nun ist die Gesprächs­mög­lich­keit im Rah­men von ein paar Stun­den Demons­tra­ti­on selbst für einen Ste­fan Magnet beschränkt, selbst dann, wenn er die 40.000 Teil­neh­men­den mal schnell mehr als ver­dop­pelt, aber Magnet rech­net hoch und kommt zu Mil­lio­nen Unge­impf­ter und Geimpf­ter, die sich nicht gewalt­voll „in die Nadel trei­ben las­sen wol­len“. Und die wür­den sich in einen Gene­ral­streik bege­ben, um „dem Sys­tem“ „den Ste­cker zu zie­hen“.

Magnet fantasiert vom Generalstreik, vom Crash, "dem System den Stecker ziehen" "im Kampf gegen das scheiss System" (Screenshots TG, 16.11., 20.11., 21.11.)

Magnet fan­ta­siert vom Gene­ral­streik, vom Crash, „dem Sys­tem den Ste­cker zie­hen” „im Kampf gegen das scheiss Sys­tem” (Screen­shots TG, 16.11., 20.11., 21.11.)

Die (erfun­de­nen) Hun­dert­tau­send habe „es noch nie gege­ben“, ima­gi­niert Magnet wei­ter. Das ist nur dann rich­tig, wenn etwa das Lich­ter­meer 1993, das allei­ne in Wien 300.000 Men­schen auf die Stra­ße brach­te (zeit­gleich waren es wei­te­re vie­le Tau­send in ande­ren Städ­ten) aus­ge­blen­det wird oder die Frie­dens­de­mons­tra­ti­on 1983 mit 100.000 bis 120.000 Teil­neh­men­den. Die pas­sen jedoch nicht ins rechts­extre­me Welt­bild des Ste­fan Magnet, dar­um streicht er sie gleich, um jene zum Durch­hal­ten zu bewe­gen, die nun tat­säch­lich einen Sturz des – demo­kra­ti­schen – Sys­tems her­bei­seh­nen. Davon gab es am 20. Novem­ber in Wien mit Betei­li­gung aus Deutsch­land, Ungarn und ande­ren Län­dern zwei­fel­los genug.

Mobi­li­siert wur­de auf eini­gen, zum Teil gro­ßen Tele­gram-Accounts. Etwa über jenen des ras­sis­ti­schen Ver­schwö­rungs­an­hän­gers Xavier Naidoo, wo aus­ge­rech­net der Teil­nah­me­auf­ruf der frei­heit­li­chen Split­ter­per­so­nal­ver­tre­tung im Bun­des­heer geteilt wur­de. Oder von Oli­ver Janich, der von den Phil­ip­pi­nen aus­rich­te­te: Es ist natür­lich völ­lig klar, dass jeder einen Poli­zis­ten über den Hau­fen schies­sen dürf­te, der einen zur Zwangs­imp­fung schleppt. Und nein, das ist kein Auf­ruf zur Gewalt, son­dern Not­wehr. ich wür­de es tun. Und wer ein scheiss Gesetz dazu braucht: Goog­le Nürn­ber­ger Codex.“

Janich: "„Es ist natürlich völlig klar, dass jeder einen Polizisten über den Haufen schiessen dürfte (...) aufgebracht über die fschistischen Massenmörder" (TG 16.11.21)

Janich: „„Es ist natür­lich völ­lig klar, dass jeder einen Poli­zis­ten über den Hau­fen schies­sen dürf­te (…) auf­ge­bracht über die fschis­ti­schen Mas­sen­mör­der” (TG 16.11.21)

Janich und Magnet gaben sich bereits im Vor­feld der Demons­tra­ti­on gegen­sei­tig die Büh­ne, Janich durf­te bei Magnets TV auf­tre­ten, auf den Tele­gram-Kanä­len refe­ren­zier­ten sich die bei­den vor dem Wien-Event beson­ders häu­fig gegen­sei­tig. Es ist für Magnet bequem, wenn Janich aus dem vor der Jus­tiz siche­ren Exil unver­hoh­len aus­spricht, was hier­zu­lan­de ohne fol­gen­den Haft­be­fehl nicht mög­lich wäre: Poli­zis­ten über den Hau­fen schie­ßen zu dür­fen. Natür­lich nur aus „Not­wehr“, aber die wäre in dem „Coro­na-Knast“, aus dem Magnet Öster­reich in einer Revo­lu­ti­on her­aus­füh­ren will, wohl gegeben.

"AUF1" zitiert Janich, Janich teilt "AUF1": Österreich als "Versuchslabor der Freimaurer"

„AUF1” zitiert Janich, Janich teilt „AUF1”: Öster­reich als „Ver­suchs­la­bor der Freimaurer”

Magnet aus dem "Corona-Knast" Österreich

Magnet aus dem „Coro­na-Knast” Österreich

Der Schul­ter­schluss mit der FPÖ ist gege­ben, die Annä­he­rung der Blau­en zu ganz weit Rechts­au­ßen nicht mehr über­seh­bar. Das zeigt sich nicht nur an der Demons­tra­ti­on, zu der die FPÖ auf­ge­ru­fen und die sie wesent­lich mit­ge­tra­gen hat, son­dern auch am Auf­tritt von Par­tei­chef Kickl bei Magnets AUF1-TV. Dass FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär Micha­el Schned­litz bei der Demons­tra­ti­on zum Gene­ral­streik auf­ge­ru­fen hat und dem Sys­tem eben­falls den Ste­cker zie­hen will, ist nur eine Par­al­le­le zwi­schen FPÖ und Magnet in deren wahn­haf­tem Kampf gegen die ver­meint­li­che „Coro­na-Dik­ta­tur”.

Kickl bei "AUF1" aus seiner Coronna-Quarantäne (16.11.21)

Kickl bei „AUF1” aus sei­ner Coro­na-Qua­ran­tä­ne (16.11.21)

Kuri­os, dass Magnet in sei­nem Video zur Demons­tra­ti­on gegen Schluss hin aus­ge­rech­net das Denk­mal des Feld­mar­schall Radetz­ky pro­mi­nent ein­blen­det, jenes Feld­herrn, der mit sei­nen Trup­pen die Revo­lu­ti­on von 1848 in Ita­li­en blu­tig nie­der­schla­gen hat las­sen. Viel­leicht ist das nur Magnets Unwis­sen zu dem Denk­mal am Stu­ben­ring geschul­det, aber zur Unter­strei­chung von Umsturz­träu­men kann der Kriegs­herr Radetz­ky alle­mal dienen.

Reiterstandbild Radetzky in AUF1

Rei­ter­stand­bild Radetz­ky in AUF1

➡️ zu Ste­fan Magnets Inter­net-TV: Wer steckt hin­ter AUF1-TV? Teil 1: Brau­ner Untergrund