Pathos hat alles in diesem Video, die Bilder, die Musik, aber auch der Text, den der rechtsextreme Magnet selbst ins Mikro spricht:
Heute beginnt der Aufstand. Heute beginnt der massive Widerstand, die letzte Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung. Das höre ich in vielen Gesprächen. Und sie wollen und werden einen Generalstreik vom Zaun brechen, der diesem System den Stecker ziehen wird. Wenn eineinhalb oder zwei Millionen ungeimpfte Menschen und mit ihnen die Geimpften, die sich nicht in die dritte, vierte, fünfte, zehnte Nadel per Gesetz treiben lassen wollen, wenn diese Leute ihre Arbeit niederlegen und dem System ihren Konsum, ihr Geld, ihre Finanzen entziehen, dann kommt ein Kollaps. Und die Politik muss zurückrudern. Das höre ich mit vielen Leuten im Gespräch. Es ist eine revolutionäre Stimmung, und es sind Hunderttausend auf den Straßen. Das gab es noch nie. Jetzt beginnt eine Wende.
Magnet träumt also von einem Umsturz, der, wenn die letzte Warnung der von ihm herbeifantasierten Massen nicht ernst genommen würde, nicht mehr friedlich ablaufen werde. Das lässt er rhetorisch allerdings andere sagen, jene „vielen”, mit denen er angeblich gesprochen habe. Nun ist die Gesprächsmöglichkeit im Rahmen von ein paar Stunden Demonstration selbst für einen Stefan Magnet beschränkt, selbst dann, wenn er die 40.000 Teilnehmenden mal schnell mehr als verdoppelt, aber Magnet rechnet hoch und kommt zu Millionen Ungeimpfter und Geimpfter, die sich nicht gewaltvoll „in die Nadel treiben lassen wollen“. Und die würden sich in einen Generalstreik begeben, um „dem System“ „den Stecker zu ziehen“.
Die (erfundenen) Hunderttausend habe „es noch nie gegeben“, imaginiert Magnet weiter. Das ist nur dann richtig, wenn etwa das Lichtermeer 1993, das alleine in Wien 300.000 Menschen auf die Straße brachte (zeitgleich waren es weitere viele Tausend in anderen Städten) ausgeblendet wird oder die Friedensdemonstration 1983 mit 100.000 bis 120.000 Teilnehmenden. Die passen jedoch nicht ins rechtsextreme Weltbild des Stefan Magnet, darum streicht er sie gleich, um jene zum Durchhalten zu bewegen, die nun tatsächlich einen Sturz des – demokratischen – Systems herbeisehnen. Davon gab es am 20. November in Wien mit Beteiligung aus Deutschland, Ungarn und anderen Ländern zweifellos genug.
#Demo Rumänische Rechtsextreme und ungarische Pfeilkreuzler schwenken ihre Fahnen, deutsche Rechte sind sind aus Berlin angereist, österreichische Identitäre marschieren vorneweg.Neonazis aller Länder, vereinigt euch in Wien?
— Cathrin Kahlweit (@CathrinKahlweit) November 20, 2021
Mobilisiert wurde auf einigen, zum Teil großen Telegram-Accounts. Etwa über jenen des rassistischen Verschwörungsanhängers Xavier Naidoo, wo ausgerechnet der Teilnahmeaufruf der freiheitlichen Splitterpersonalvertretung im Bundesheer geteilt wurde. Oder von Oliver Janich, der von den Philippinen ausrichtete: „Es ist natürlich völlig klar, dass jeder einen Polizisten über den Haufen schiessen dürfte, der einen zur Zwangsimpfung schleppt. Und nein, das ist kein Aufruf zur Gewalt, sondern Notwehr. ich würde es tun. Und wer ein scheiss Gesetz dazu braucht: Google Nürnberger Codex.“
Janich und Magnet gaben sich bereits im Vorfeld der Demonstration gegenseitig die Bühne, Janich durfte bei Magnets TV auftreten, auf den Telegram-Kanälen referenzierten sich die beiden vor dem Wien-Event besonders häufig gegenseitig. Es ist für Magnet bequem, wenn Janich aus dem vor der Justiz sicheren Exil unverhohlen ausspricht, was hierzulande ohne folgenden Haftbefehl nicht möglich wäre: Polizisten über den Haufen schießen zu dürfen. Natürlich nur aus „Notwehr“, aber die wäre in dem „Corona-Knast“, aus dem Magnet Österreich in einer Revolution herausführen will, wohl gegeben.
Der Schulterschluss mit der FPÖ ist gegeben, die Annäherung der Blauen zu ganz weit Rechtsaußen nicht mehr übersehbar. Das zeigt sich nicht nur an der Demonstration, zu der die FPÖ aufgerufen und die sie wesentlich mitgetragen hat, sondern auch am Auftritt von Parteichef Kickl bei Magnets AUF1-TV. Dass FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz bei der Demonstration zum Generalstreik aufgerufen hat und dem System ebenfalls den Stecker ziehen will, ist nur eine Parallele zwischen FPÖ und Magnet in deren wahnhaftem Kampf gegen die vermeintliche „Corona-Diktatur”.
Kurios, dass Magnet in seinem Video zur Demonstration gegen Schluss hin ausgerechnet das Denkmal des Feldmarschall Radetzky prominent einblendet, jenes Feldherrn, der mit seinen Truppen die Revolution von 1848 in Italien blutig niederschlagen hat lassen. Vielleicht ist das nur Magnets Unwissen zu dem Denkmal am Stubenring geschuldet, aber zur Unterstreichung von Umsturzträumen kann der Kriegsherr Radetzky allemal dienen.
➡️ zu Stefan Magnets Internet-TV: Wer steckt hinter AUF1-TV? Teil 1: Brauner Untergrund