FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?

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Seit zwei Tagen sind Mario Eustac­chio und Armin Sip­pel in der Gra­zer Poli­tik Geschich­te. Wäh­rend Sip­pels Nach­fol­ger als Klub­ob­mann, Alexis Pas­cut­ti­ni, ver­such­te, wenigs­tens durch das Tra­gen der Korn­blu­me blaue Kon­ti­nui­tät zu ver­sprü­hen, ist in der Rea­li­tät der Gra­zer Blau­en eini­ges ins Rut­schen gera­ten. Wir haben uns in den vor­her­ge­hen­den Bei­trä­gen zum Gra­zer Finanz­skan­dal vor­wie­gend den Ver­ei­nen gewid­met, die die Stadt­par­tei so groß­zü­gig über die Jah­re hin­weg ali­men­tiert hat­te. Aber auch wei­te­re Details aus dem frei­heit­li­chen Finanz­ge­ba­ren ver­die­nen Aufmerksamkeit.

Vor­ne­weg: Es gilt die Unschulds­ver­mu­tung! Nach­dem der frei­heit­li­che Finanz­re­fe­rent Mat­thi­as Eder mit­tels einer Selbst­an­zei­ge depo­niert hat, eine hal­be Mil­li­on Euro unter­schla­gen zu haben, Mario Eus­stac­chio und Armin Sip­pel zwar dar­auf ver­zich­tet haben, ab Mitt­woch ihr neu­es Man­dat anzu­tre­ten, aber jeg­li­ches schuld­haf­tes Ver­hal­ten von sich gewie­sen haben, könn­ten alle „eigen­ar­ti­gen“ Über­wei­sun­gen aufs Kon­to des ehe­ma­li­gen Finanz­re­fe­ren­ten gegan­gen sein. Theo­re­tisch! Das scheint der Whist­le­b­lower jedoch anders zu sehen. In sei­nem Mail vom 6. Novem­ber mit den Screen­shots der Buch­hal­tung aus den Jah­ren 2014 bis Mit­te 2019 frag­te er:

„War­um deckt die Lan­des FPÖ Eustac­chio und Sip­pel immer noch?
War­um deckt die Bun­des FPÖ Eustac­chio und Sip­pel immer noch?
War­um kas­siert Eustac­chio immer noch Tag für Tag Steu­er­gelt (11.996,41€ im Monat)
War­um kas­siert Sip­pel immer noch Tag für Tag Steuergeld?
War­um wur­de bis heu­te noch nie­mand aus der FPÖ ausgeschlossen?“

Es sind berech­tig­te Fra­gen, auf die die FPÖ bis­lang noch kei­ne Ant­wort gege­ben hat. Sie wird wis­sen, warum.

Spen­den an Tote?

Vom FPÖ-Kon­to gin­gen jedes Jahr zahl­rei­che Ein­zel­spen­den jeweils über ein paar Hun­dert Euro ab: etwa für Miet- und Heiz­kos­ten­zu­schüs­se oder ande­re Unter­stüt­zun­gen. Löb­lich, doch der Whist­le­b­lower schreibt: Recher­chen haben erge­ben, dass es begüns­tig­te Bür­ger, wel­che in der Lis­te geführt, sind, nie gege­ben hat oder die­se schon lan­ge ver­stor­ben sind.“

Tat­säch­lich sind bei Über­wei­sun­gen oft nur Nach­na­men ange­führt, à la Frau Mül­ler oder Herr Mei­er: xxx Euro. Als kuri­os ein­zu­stu­fen ist, dass mehr­fach Spen­den mit dem Betreff „Hand­werks­bur­schen auf Wan­der­schaft“ gegan­gen sein sol­len. Unter den Ein­zel­be­güns­tig­ten scheint in den Jah­ren 2015 und 2016 ein Fami­li­en­na­me beson­ders häu­fig auf, immer jedoch mit ande­ren Vor­na­men: Es ist der (gar nicht so häu­fig vor­kom­men­de) Nach­na­me eines Gra­zer Iden­ti­tä­ren. Ob das Zufall ist?

Auch eine Frau G. soll unter dem Titel „Ein­mal­spen­de“ regel­mä­ßig Zuwen­dun­gen erhal­ten haben, eben­so wie Herr M., der sogar in einem „Sitz- und Hun­ger­streik“ peku­ni­är geför­dert wor­den sein soll. Merk­wür­dig schei­nen auch Über­wei­sun­gen an Per­so­nen zu sein, bei deren Namen „(Wei­ter­lei­tung Büro Stra­che)“ ver­merkt ist.

Blaue For­schungs­för­de­rung

11.400.- sind im Jahr 2015 an den „Ver­ein zur För­de­rung fort­schritt­li­cher Gemein­de­po­li­tik“ gegan­gen, ein­mal unter dem Titel „2 Arbei­ten“, ein­mal unter „Arbeit Ein­kaufs­zen­tren und Raum­ord­nung“ und ein­mal unter „För­de­rung For­schungs­ar­beit“. Die blaue Lie­be zur For­schung ging jedoch noch viel wei­ter: Im Jahr 2017 ergin­gen 4.900.- für zwei „For­schungs­ar­bei­ten Miet­recht und Wohn­bau“, im Jahr 2018 3.000.- für „zwei wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en“. Zusam­men mit den Zuwen­dun­gen an Armin Sip­pel für des­sen angeb­li­che his­to­ri­sche For­schun­gen, müss­te die Gra­zer FPÖ durch ihre groß­zü­gi­gen För­de­run­gen jede Men­ge neu­es Wis­sen gene­riert haben.

Sucht­be­ra­tung und Suchtbericht

Eine aus­ge­präg­te Affi­ni­tät scheint die Gra­zer FPÖ auch zur Sucht­be­ra­tung und ‑prä­ven­ti­on ent­wi­ckelt zu haben – ob aus eige­ner Not oder aus all­ge­mei­ner Für­sorg­lich­keit geht aus den Über­wei­sun­gen natur­ge­mäß nicht hervor.

Dabei ver­trau­te sie offen­bar nur einer ein­zi­gen Per­son, die aus bur­schen­schaft­li­chen Krei­sen kom­men soll. Das hät­te bei dem hohen Alko­hol­kon­sum in kor­po­rier­ten Krei­sen auch eine gewis­se Logik. Dabei muss der Sucht­be­ra­ter auch jede Men­ge Auf­wen­dun­gen getä­tigt haben, denn von 2014 bis 2019 flos­sen Tau­sen­de von Euro unter dem Label „Unkos­ten“ vom FPÖ-Kon­to ab. Zwei­mal ist auch ein „Sucht­be­richt“ erwähnt, für den 4.200 Euro über­wie­sen wur­den. Der wird ver­mut­lich nur für inter­ne Zwe­cke erstellt wor­den sein, denn öffent­lich zu fin­den ist er genau­so wenig wie die oben erwähn­ten For­schungs­ar­bei­ten. Ins­ge­samt sol­len 30.900 Euro an den „Sucht­be­ra­ters“ gegan­gen sein.

Google-Suche mit "Suchtbericht" und Name des FPÖ-Suchtberaters ergab null Treffer

Goog­le-Suche mit „Sucht­be­richt” und Name des FPÖ-Sucht­be­ra­ters ergab null Treffer

Bücher und rech­te Hetzer

Neben unzäh­li­gen Pos­ten für Bewir­tungs­spe­sen und Taxi­fahr­ten soll der Rat­haus­klub auch Bücher ange­kauft haben – die jewei­li­gen Titel wer­den jedoch nicht erwähnt. Dafür schei­nen die rech­ten Het­zer Thi­lo Sar­ra­zin (2014), Akif Pirincci (2015) und der mitt­ler­wei­le ver­stor­be­ne Udo Ulfkot­te (2015) in Graz per­sön­lich auf­ge­tre­ten zu sein – jeden­falls wur­den mit deren Namen Bewir­tungs­spe­sen bzw. ein „Geschenk“ verrechnet.

Mehr als 200.000 Euro sol­len im Zusam­men­hang mit dem Ex-Stadt­par­tei­chef und Ex-Vize­bür­ger­meis­ter Eustac­chio und dem Ex-Klub­chef Armin Sip­pel das Par­tei­kon­to ver­las­sen haben. Ent­we­der direkt nur mit deren Namen „Eustac­chio (an Stadt­rats­bü­ro)“ oder wie etwa 2019 „16.000.- Sip­pel Mit­tel f. polit. Arbeit und Reprä­sen­ta­ti­ons­zwe­cke“ und „50.000.- Eustac­chio Mit­tel f. polit. Arbeit und Reprä­sen­ta­ti­ons­zwe­cke“. Ob der Geld­se­gen bei den bei­den tat­säch­lich ange­kom­men ist und wofür er kon­kret ver­wen­det wur­de, dar­über schwei­gen sich sowohl die Ex-Poli­ti­ker als auch die Par­tei aus.

➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sip­pel und sein selt­sa­mer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbe­kann­ten blau­en Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ Sip­pel & Eustac­chio: So viel Brutalität!