Vorneweg: Es gilt die Unschuldsvermutung! Nachdem der freiheitliche Finanzreferent Matthias Eder mittels einer Selbstanzeige deponiert hat, eine halbe Million Euro unterschlagen zu haben, Mario Eusstacchio und Armin Sippel zwar darauf verzichtet haben, ab Mittwoch ihr neues Mandat anzutreten, aber jegliches schuldhaftes Verhalten von sich gewiesen haben, könnten alle „eigenartigen“ Überweisungen aufs Konto des ehemaligen Finanzreferenten gegangen sein. Theoretisch! Das scheint der Whistleblower jedoch anders zu sehen. In seinem Mail vom 6. November mit den Screenshots der Buchhaltung aus den Jahren 2014 bis Mitte 2019 fragte er:
„Warum deckt die Landes FPÖ Eustacchio und Sippel immer noch?
Warum deckt die Bundes FPÖ Eustacchio und Sippel immer noch?
Warum kassiert Eustacchio immer noch Tag für Tag Steuergelt (11.996,41€ im Monat)
Warum kassiert Sippel immer noch Tag für Tag Steuergeld?
Warum wurde bis heute noch niemand aus der FPÖ ausgeschlossen?“
Es sind berechtigte Fragen, auf die die FPÖ bislang noch keine Antwort gegeben hat. Sie wird wissen, warum.
Spenden an Tote?
Vom FPÖ-Konto gingen jedes Jahr zahlreiche Einzelspenden jeweils über ein paar Hundert Euro ab: etwa für Miet- und Heizkostenzuschüsse oder andere Unterstützungen. Löblich, doch der Whistleblower schreibt: „Recherchen haben ergeben, dass es begünstigte Bürger, welche in der Liste geführt, sind, nie gegeben hat oder diese schon lange verstorben sind.“
Tatsächlich sind bei Überweisungen oft nur Nachnamen angeführt, à la Frau Müller oder Herr Meier: xxx Euro. Als kurios einzustufen ist, dass mehrfach Spenden mit dem Betreff „Handwerksburschen auf Wanderschaft“ gegangen sein sollen. Unter den Einzelbegünstigten scheint in den Jahren 2015 und 2016 ein Familienname besonders häufig auf, immer jedoch mit anderen Vornamen: Es ist der (gar nicht so häufig vorkommende) Nachname eines Grazer Identitären. Ob das Zufall ist?
Auch eine Frau G. soll unter dem Titel „Einmalspende“ regelmäßig Zuwendungen erhalten haben, ebenso wie Herr M., der sogar in einem „Sitz- und Hungerstreik“ pekuniär gefördert worden sein soll. Merkwürdig scheinen auch Überweisungen an Personen zu sein, bei deren Namen „(Weiterleitung Büro Strache)“ vermerkt ist.
Blaue Forschungsförderung
11.400.- sind im Jahr 2015 an den „Verein zur Förderung fortschrittlicher Gemeindepolitik“ gegangen, einmal unter dem Titel „2 Arbeiten“, einmal unter „Arbeit Einkaufszentren und Raumordnung“ und einmal unter „Förderung Forschungsarbeit“. Die blaue Liebe zur Forschung ging jedoch noch viel weiter: Im Jahr 2017 ergingen 4.900.- für zwei „Forschungsarbeiten Mietrecht und Wohnbau“, im Jahr 2018 3.000.- für „zwei wissenschaftliche Studien“. Zusammen mit den Zuwendungen an Armin Sippel für dessen angebliche historische Forschungen, müsste die Grazer FPÖ durch ihre großzügigen Förderungen jede Menge neues Wissen generiert haben.
Suchtberatung und Suchtbericht
Eine ausgeprägte Affinität scheint die Grazer FPÖ auch zur Suchtberatung und ‑prävention entwickelt zu haben – ob aus eigener Not oder aus allgemeiner Fürsorglichkeit geht aus den Überweisungen naturgemäß nicht hervor.
Dabei vertraute sie offenbar nur einer einzigen Person, die aus burschenschaftlichen Kreisen kommen soll. Das hätte bei dem hohen Alkoholkonsum in korporierten Kreisen auch eine gewisse Logik. Dabei muss der Suchtberater auch jede Menge Aufwendungen getätigt haben, denn von 2014 bis 2019 flossen Tausende von Euro unter dem Label „Unkosten“ vom FPÖ-Konto ab. Zweimal ist auch ein „Suchtbericht“ erwähnt, für den 4.200 Euro überwiesen wurden. Der wird vermutlich nur für interne Zwecke erstellt worden sein, denn öffentlich zu finden ist er genauso wenig wie die oben erwähnten Forschungsarbeiten. Insgesamt sollen 30.900 Euro an den „Suchtberaters“ gegangen sein.

Bücher und rechte Hetzer
Neben unzähligen Posten für Bewirtungsspesen und Taxifahrten soll der Rathausklub auch Bücher angekauft haben – die jeweiligen Titel werden jedoch nicht erwähnt. Dafür scheinen die rechten Hetzer Thilo Sarrazin (2014), Akif Pirincci (2015) und der mittlerweile verstorbene Udo Ulfkotte (2015) in Graz persönlich aufgetreten zu sein – jedenfalls wurden mit deren Namen Bewirtungsspesen bzw. ein „Geschenk“ verrechnet.
Mehr als 200.000 Euro sollen im Zusammenhang mit dem Ex-Stadtparteichef und Ex-Vizebürgermeister Eustacchio und dem Ex-Klubchef Armin Sippel das Parteikonto verlassen haben. Entweder direkt nur mit deren Namen „Eustacchio (an Stadtratsbüro)“ oder wie etwa 2019 „16.000.- Sippel Mittel f. polit. Arbeit und Repräsentationszwecke“ und „50.000.- Eustacchio Mittel f. polit. Arbeit und Repräsentationszwecke“. Ob der Geldsegen bei den beiden tatsächlich angekommen ist und wofür er konkret verwendet wurde, darüber schweigen sich sowohl die Ex-Politiker als auch die Partei aus.
➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sippel und sein seltsamer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbekannten blauen Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ Sippel & Eustacchio: So viel Brutalität!