Am 8.10.21 berichtete die „Kleine Zeitung“ erstmals über die Extragage für den FPÖ-Klubchef Armin Sippel, die der von 2012 bis 2020 in der Höhe von 1.200 Euro (netto) erhalten haben soll, damit er nicht mit den 4.244,88 Euro (brutto) Gage als FPÖ-Klubobmann im Grazer Rathaus verhungern muss. Seine Extragage erhielt er laut „Kleine Zeitung“ vom „Steirischen Verlagsverein“.
Ein Klubobmann sucht Einkommen
Der „Steirische Verlagsverein“, berichtete die „Kleine Zeitung“ damals, „war parteiintern nur dem engsten Kreis bekannt“, und der wackere Armin Sippel, nebenbei Burschenschafter der Marko-Germania Graz, deren Sinnspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“ ist, hat diese Anstellung in seinem „Lebenslauf auf der Homepage der Stadt Graz nicht erwähnt“ (Kleine, 8.10.21). Naja, so etwas kann man schon mal vergessen, wenn man acht Jahre lang – das ist die Zeit seiner Anstellung beim „Steirischen Verlagsverein“ – um das nackte Überleben kämpfen muss.

Weil Sippel nach seinem Studium, abgeschlossen 2011 mit dem Magistertitel, „keinen Job hatte und wir ihn als Historiker für die Aufarbeitung der FPÖ-Geschichte brauchen konnten“, so FP-Chef Eustacchio zur „Kleinen Zeitung“, sei er eben vom Verein angestellt worden, um dann mit einem schönen Pleonasmus zu bekräftigen: „Da ist alles einwandfrei in Ordnung.“ Das sehen mittlerweile einige anders. Seit 2008 war Sippel Klubobmann der FPÖ im Grazer Gemeinderat mit einem Salär, von der mehr als zwei Drittel aller ÖsterreicherInnen nur träumen können. Aber für Eustacchio und für Sippel war das eben kein Job, von dem man leben kann und der einen ausfüllt.
Und so kam es zu dem bescheidenen Zubrot von 1.200 Euro netto für 20 Wochenstunden. Weil aber auch diese Arbeit für den Verlagsverein die Energien des blauen Klubobmanns nicht aufzehren konnte, absolvierte er noch nebenbei zwischen 2013 und 2015 einen Universitätslehrgang, um dann 2018 mit einem MPA-Degree (Master of Public Administration) abzuschließen. Seit 2020 verdingt sich Sippel im steirischen Landesarchiv.
Ein Verein verschwindet geschwind
Der „Steirische Verlagsverein“, der Sippel über lange Jahre die barmherzige Zusatzgage gewährt hat, ist eine öffentlich weitgehend unbekannte, aber offensichtlich wohltätige Einrichtung, die blaue Spitzenfunktionäre (da hat das Gendern wirklich keinen Sinn!) vor der Verarmung schützen soll. Obwohl wir ziemlich gut informiert sind über blaue Interna, müssen wir gestehen, dass auch wir diesen caritativen Verein nicht gekannt haben, auch wenn er schon seit 1979 existiert – hat. „Hat“, weil er sich nämlich am 12.10.21, also vier Tage nach dem ersten Bericht der „Kleinen“, freiwillig aufgelöst hat.

Zuvor hat der Verein noch schnell 31.000 Euro an den FPÖ-Rathausklub rücküberwiesen. Das nette Sümmchen hätte der Verein nämlich für eine historische Publikation über die FPÖ erhalten. Gegenüber der „Kleinen“ vom 8.10. waren Eustacchio und Finanzreferent Eder noch optimistisch, dass man dafür auch einen Autor finden und auch Sippel einen Beitrag leisten werde. Es wäre ja auch zu dumm, wenn von den acht Jahren historischer Forschungsarbeit zur FPÖ-Geschichte, die Sippel in 20 Wochenstunden für den Verein geleistet hat, rein gar nichts in einer Publikation über die FPÖ-Geschichte Unterschlupf finden würde!
Aber bereits kurz nach dem 8.10. kam dem „Steirischen Verlagsverein“ die Erkenntnis, dass man die Publikation doch nicht herausbringen, damit wohl auch auf die in acht Jahren mühselig gesammelten Erkenntnisse des Armin Sippel zur Geschichte der FPÖ verzichten müsse, weil sich nämlich der Verein stante pede aufzulösen gedenke und deshalb die 31.000 Euro an den FPÖ-Klub rücküberwiesen wurden.
Natürlich fragen auch wir uns: Warum verschwindet der Verein so geschwind? Weil man die von Verarmung bedrohten blauen Funktionäre, denen man kleine Hilfen gewähren durfte, nicht bloßstellen wollte? Weil es was zu verbergen gibt? Weil die historischen Forschungen des Armin Sippel zur FPÖ doch nicht so überragend waren?
Ist der Verein erst einmal aufgelöst und abgewickelt, wird man wohl nichts mehr erfahren, wie sich ein öffentlich völlig unbekannter Verein solch großzügige Unterstützungen überhaupt leisten konnte.
Woher kam das Geld?
Das ist natürlich die spannendste Frage, zu der es von FPÖ-Seite bisher sehr unterschiedliche Versionen gibt. Unter jenen, die bisher der Öffentlichkeit präsentiert wurden, gibt es auch eine, wonach der Verlagsverein in den letzten Jahren neben den (rücküberwiesenen) 31.000 Euro doch noch mehr Geld vom FPÖ-Rathausklub erhalten hat, Die „Kleine Zeitung“ vom 29.10. schreibt:
In diesen Vermerken finden sich gleich mehrere Positionen, die nahelegen, dass der Verlagsverein und der ebenfalls FP-nahe Verein für fortschrittliche Gemeindepolitik in den letzten Jahren eben doch beträchtliche Mittel aus städtischen Partei- und Klubfördergeldern der Freiheitlichen bekommen haben. In Summe laut Unterlagen gut 100.000 Euro.
Der FPÖ-Finanzreferent Eder dementiert das heftig. Das ist zumindest ansatzweise verständlich: Nicht einmal mit 100.000 Euro kann man acht Jahre Sippel-Lohn und Spesen finanzieren. Eder hat eine andere Version parat, die uns zunächst einmal fast zu Tränen gerührt hätte, dann aber doch mehr Fragen bei uns ausgelöst hat:
Den Verein gebe es seit der Ära von Alexander Götz und dann Peter Weinmeister. Damals seien, wie bei SPÖ und ÖVP, Klubförderungen in solche Vereine geflossen, später habe Weinmeister als von der Stadt entsandter Kabel-TV-Geschäftsführer seine Gage dorthin gespendet, „weil er als Politiker keine Doppelbezüge haben durfte“, erklärt Eder das – somit offenbar stets mit städtischem Geld – aufgebaute historische Vereinsvermögen. (Kleine Zeitung, 8.10.21)
Sippel und das identitäre Sommerfest
Im Juni 2014 stellte der FPÖ-Klubobmann Sippel im Grazer Gemeinderat eine mündliche Anfrage an den damaligen Bürgermeister Nagl, in der um die politischen Positionen der rechtsextremen Identitären, ihr Sommerfest im Gasthaus Gehringer und ein diesbezügliches Gespräch des KPÖ-Gemeinderates Krotzer bei der Familie Gehringer ging. Zunächst einmal stellt Sippel im Gemeinderat die Positionen der Identitären so dar:
Für die, die mit dieser Bewegung nichts anfangen können beziehungsweise nicht wissen, um was es sich dabei handelt: Es ist eine europäische Jugendbewegung, die im Wesentlichen für die Wahrung der europäischen Identitäten steht, für Ethnopluralismus eintritt, gegen unkontrollierte Massenzuwanderung und gegen die Islamisierung Europas auftritt, also das sind Punkte, die kann ich auch alle unterschreiben.
Dann folgt die Attacke auf den KPÖ-Gemeinderat Krotzer, der das Gespräch mit der Wirtsfamilie gesucht hatte, um diese über die Identitären aufzuklären: „Irritierend“ ‚„einschüchternd“ und „befremdlich“ habe das auf die Wirtsfamilie gewirkt, vor allem auch, weil er eine Visitenkarte hinterlegt hat, die den Anschein erweckt habe, dass der Gemeinderat Krotzer in offizieller Mission der Gemeinde Graz vorstellig geworden sei, um das identitäre Sommerfest zu verhindern. Die Verwendung einer Visitenkarte mit dem offiziellen Logo der Stadt Graz sei aber Gemeinderäten nicht erlaubt, donnerte der FPÖ-Klubobmann und stellte dem Bürgermeister nach seinem Lamento dann die Frage: „Welches Vorgehen ist deinerseits angedacht, um zu verhindern, dass sich unberechtigte Personen mit den Insignien der Stadt Graz ausweisen?“ (Applaus FPÖ)
Die Antwort des Bürgermeisters fiel überraschend eindeutig aus: Herr Klubobmann, zunächst ist festzuhalten, dass im Gegensatz zu deiner Behauptung, der Präsidialerlass Nummer 4 aus 2011 beziehungsweise das darauf basierende Corporate-Design-Manual der Stadt Graz es Mitgliedern des Gemeinderates nicht verbietet, Visitenkarten mit dem Logo der Stadt Graz zu verwenden.
Dass Sippel mit dieser Antwort, die seine mangelnde Fähigkeit hervorhob, den Präsidialerlass korrekt zu interpretieren bzw. zu lesen, nicht zufrieden war, versteht sich von selbst. Dass er trotz seiner falschen Anschuldigungen kein Wort der Entschuldigung bei Krotzer fand, überrascht auch nicht.

Was aber doch überraschend und neu ist: Sippel hat 2014 nicht nur freundschaftliche Worte und politische Sympathien mit den Identitären gefunden. Aus irgendeinem der anscheinend zahlreichen Töpfe wanderten nicht nur viele Geldgeschenke an Burschenschaften, sondern im Jahr 2014 auch 1.000 Euro für das Sommerfest an die Identitären. Die Landes-FPÖ will nun für eine „lückenlose Aufklärung“ sorgen – vielleicht findet sich da noch einiges mehr?
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbekannten blauen Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?
➡️ Sippel & Eustacchio: So viel Brutalität!