Wochenschau KW 43/21

Selb­st für einen einge­fleis­cht­en Neon­azi ist es nicht ganz üblich, wie ein Wiener Angeklagter sein­er Gesin­nung Aus­druck ver­lieh: näm­lich mit ein­schlägi­gen Tat­toos auf seinem Gesicht! Das Bun­desheer hat eine mehr als pein­liche Posse am Nation­alfeiertag geliefert, und die FPÖ lieferte auch gle­ich mehrere Geschicht­en, darunter eine kör­per­liche Auseinan­der­set­zung zwis­chen der niederöster­re­ichis­chen Land­tagsab­ge­ord­neten Schus­ter und einem St. Pöl­tener Funk­tionär. Schus­ters Schul­ter sei nun ver­let­zt. Wie wenig Frauen­leben dem NR-Abg. Ames­berg­er wert sind, hat der ein­drück­lich im Innenauss­chuss bewiesen, weil laut Ames­berg­er in Wirk­lichkeit oft Män­ner die Lei­d­tra­gen­den seien.

Wien: 88 auf der Stirn, dahin­ter braun und rassistisch
Bun­desheer: Raben­ban­ner und Pun­ish­er als Nationalfeiertagsposse
Salzburg: Nazi-Ban­ner zum Nation­alfeier­tag
Blaue G’schichten

Wien: 88 auf der Stirn, dahin­ter braun und rassistisch

Mit ein­er defti­gen Strafe von dreiein­halb Jahren Haft und ein­er Ein­weisung in eine Anstalt für abnorme Rechts­brech­er hat der Angeklagte Chris­t­ian D. (38 Jahre) den Wiener Gerichtssaal ver­lassen. Dort stand er, nach­dem er am Flughafen aus Thai­land nicht frei­willig zurück­kehrend mit nicht überse­hbaren braunen Tat­toos angekom­men war: eine 88 auf der Stirn, eine SS-Rune auf der linken und ein Hak­enkreuz auf der recht­en Wange. Ich Thai­land war er geflüchtet, um dem Ver­fahren nach einem ras­sis­tis­chen Aus­fall am 4. Okto­ber 2019 zu entkommen.

An ein­er Straßen­bahn­hal­testelle soll er einen Schwarzen mit „Da schau, ein N****” angepö­belt haben. „Mir ist egal, wie lang dein Schw*** ist. Geh zurück nach Südafri­ka!”, sagte er laut Anklage. Er machte einen Hit­ler­gruß, dro­hte dem Opfer mit Verge­wal­ti­gung, ver­let­zte es mit einem Kopf­s­toß und Trit­ten.“ (Heute, 29.10.21, S. 13)

D.s Vertei­di­ger ver­suchte das Ver­hal­ten seines Man­dan­ten mit dessen Dro­gen­sucht und einem Herzstill­stand, nach dem er rea­n­imiert wer­den musste, zu erk­lären, denn „seit­dem ticke der Wiener anders“ (Kro­nen Zeitung, 29.10.21, S. 29).

Laut „Kro­nen Zeitung“ ereilte den vor­sitzen­den Richter zwis­chen­durch eine Zor­ne­sat­tacke. da „im Akt ein einziges (eher untauglich­es) Porträt-Foto des Angeklagten [ist], die ermit­tel­nde Polizei hat schriftlich bestätigt, nicht fotografieren zu kön­nen“.

Das Urteil wurde zwar vom Angeklagten und dessen Vertei­di­ger akzep­tiert, ist aber noch nicht recht­skräftig, weil die Staat­san­waltschaft keine Erk­lärung abgegeben hat.

Bun­desheer: Raben­ban­ner und Pun­ish­er als Nationalfeiertagsposse

Eine Bla­m­age bis auf die Knochen hat sich just  am Nation­alfeiertag das Bun­desheer samt Press­esprech­er des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums geliefert. Das dahin­ter­ste­hende Prob­lem: Wenn es um möglichen Recht­sex­trem­is­mus im Heer geht, wird offen­bar gemauert.

Dabei sollte es so schön wer­den: Das Bun­desheer stellte Imagev­ideos online, in die man(n) inter­ak­tiv eigene Fotos hochladen und sich so in mar­tialisch wirk­enden Ein­sätzen qua­si rein­bea­men kon­nte. Das nah­men auch jede Menge Men­schen, vor­wiegend Män­ner, wahr. Schließlich wink­ten auch Preise wie Panz­er­fahrten oder ein Mit­mach-Tag beim Jagd­kom­man­do. Doch dann grüßte die Bun­destagsab­ge­ord­nete und Recht­sex­trem­is­mu­s­ex­per­tin Mar­ti­na Ren­ner aus Deutschland:

Servus @Bun­desheer­bauer @WKogler mal abge­se­hen von diesem unnötig mar­tialis­chen Video hätte ich Fra­gen: Ist der Odin-Rabe offizielles Sym­bol des Bun­desheer? Darf jede*r Soldat*in sich beliebig Patch­es an Uni­form anbrin­gen? Soll vllt. bewusst ein recht­es Milieu ange­fixt werden?

Michael Bauer, Press­esprech­er des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums, reagierte desin­formiert: Zuerst kan­nte er den Odin-Raben (auch „Raben­ban­ner“) nicht, was vorkom­men kann. Dann, über Twit­ter aufgek­lärt, ver­meldete er, das Video sei wegen des Ver­wen­den „pri­vater Abze­ichen“ vom Netz genom­men wor­den. In die totale Ver­wirrung stürzte Bauer, als er mehrfach inklu­sive Link und Screen­shot aufmerk­sam gemacht wurde, dass das Video über den FB-Kanal des Bun­desheeres noch abruf­bar sei.

Bauers Verzwei­flungss­chlag, den Raben-Patch mit dem Wap­pen des steirischen Ortes Straß zu erk­lären, weil der Raben-Fan in der dor­ti­gen Kaserne seinen Dienst ver­richte, geri­et dann endgültig zur Lach­num­mer auf Twit­ter, was den Press­esprech­er dazu bewog, den Wap­pen-Tweet wieder zu löschen.

Gelöschter Tweet von Pressesprecher Bauer mit dem Wappen von Straß

Gelöschter Tweet von Press­esprech­er Bauer mit dem Wap­pen von Straß

Am Ende ste­ht nun eine heeresin­ternes Verfahren:

Gegen den Sol­dat­en des Jäger­batail­lons 17 in Straß wird nun ein Diszi­pli­narver­fahren ein­geleit­et. Allerd­ings nicht wegen der Bedeu­tung des Sym­bols, son­dern weil es sich um ein ziviles Sym­bol han­dle, das nicht auf der Dien­stk­lei­dung getra­gen wer­den dürfe, teilte der Sprech­er des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums, Michael Bauer, am Mittwoch mit. (derstandard.at, 27.10.21)

Auf unseren Hin­weis, dass auch bei einem Foto auf der BH-Web­site ein Sol­dat mit einem anderen „pri­vat­en“ Abze­ichen, dem Pun­ish­er-Logo, zu sehen ist, reagierte Bauer erst gle­ich gar nicht mehr. Das Foto wurde inzwis­chen kom­men­tar­los von der Web­site entfernt.

Punisher-Patch auf Bundesheer-Foto (Screenshot 27.10.21)

Pun­ish­er-Patch auf Bun­desheer-Foto (Screen­shot 27.10.21)

Es bleibt allerd­ings die Frage, wie es möglich ist, dass ein Sol­dat des Bun­desheeres unge­hin­dert ein recht­sex­tremes Sym­bol spazier­en­tra­gen und sog­ar auf einem Imagev­ideo zur Schau stellen kann, ohne dass es jeman­dem aufge­fall­en wäre.

Salzburg: Nazi-Ban­ner zum Nationalfeiertag

Gle­ich ein 15-Meter langes Trans­par­ent mit dem Text „Wollt ihr die totale Ver­arᛋᛋche?????“ (also mit den SS-Runen im Text) wurde am Nation­alfeiertag promi­nent am Salzburg­er Mozart­steg platziert.

Das Trans­par­ent wurde allerd­ings verkehrt herum ange­bracht. Die Polizei schließt daraus, dass die Täter gestört wur­den. Die Polizei­in­spek­tion Rathaus bit­tet Zeu­gen um Hin­weise unter der Tele­fon­num­mer 059133 5588 100.
Pas­san­ten haben das Plakat ent­deckt und die Polizei informiert. Der Tatzeitraum wurde auf 6.30 Uhr bis 8.00 Uhr einge­gren­zt. (…) Bis zum frühen Dien­sta­gnach­mit­tag gab es noch keine Spur zu den Tätern und auch noch keine Hin­weise, wie eine Polizeis­precherin auf APA-Anfrage erk­lärte. (kurier.at, 26.10.21)

Blaue G’schichten

Während der FPÖ-Parteiob­mann Her­bert Kickl nun auch in Pan­demiean­gele­gen­heit­en seine Affinität zu Pfer­den ent­deck­te und aus­gerech­net das für Kühe und Pferde emp­foh­lene Entwur­mungsmit­tel Iver­mectin als medika­men­töse Inter­ven­tion gegen Coro­na emp­fahl, knirscht es in sein­er Partei an mehreren Eck­en und Enden. In Graz führte der Spe­sen­skan­dal über­haupt gle­ich zum Rück­tritt der Parteispitze, was Kickl offiziell erst gar nicht kommentierte.

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA warnt vor Ivermectin als COVID-Medikament: "You are not a horse. You are not a cow. Seriously, y'all. Stop it."

Die US-amerikanis­che Gesund­heits­be­hörde FDA warnt vor Iver­mectin als COVID-Medika­ment: „You are not a horse. You are not a cow. Seri­ous­ly, y’all. Stop it.”

Ganz in Tra­di­tion ihres Bun­desparte­ichefs und ent­ge­gen der offiziellen Koali­tion­slin­ie tat sich in Oberöster­re­ich die frischge­back­ene Zweite Land­tagspräsi­dentin Sabine Binder als Coro­na-Maß­nah­menkri­tik­erin hervor.

Wenn man einen Ein­druck von jeman­dem gewin­nen will, zum Beispiel von der neuen Zweit­en Land­tagspräsi­dentin Sabine Binder von der FPÖ, schaut man unter anderem auf der Face­book-Seite nach. Binder teilt dort gerne Coro­na-Maß­nah­menkri­tik der Kickl-FPÖ und plädierte auch öfter mal für „Masken weg für alle“. Zulet­zt teilte Präsi­dentin Binder Kri­tik an der 3‑G-Regel am Arbeit­splatz, auch noch zwei Tage vor ihrer Kür am Sam­stag. Oder auch Kri­tik am „Sys­tem Kurz“. Bei all dem dürfte sie ein großer Fan von Her­bert Kickl sein. Warum all das rel­e­vant ist? Weil sie in der schwarz-blauen Regierungskoali­tion an der Land­tagsspitze eine ver­ant­wor­tungsvolle Schlüs­sel­po­si­tion hat. Die sie eher über­raschend bekom­men hat, nach­dem die „Kro­ne“ den Frauen­man­gel im kün­fti­gen Land­tagsprä­sid­i­um mehrmals the­ma­tisiert hat­te. (krone.at, 26.10.21)

Inzwis­chen ist auf ihrem Face­book-Pro­fil öffentlich ein­se­hbar nur mehr ein Bergfo­to zu bewundern.

In der blauen Bezirkspartei von St. Pöl­ten scheint es ziem­lich zu gären. Nach­dem die an sich wenig zim­per­liche Land­tagsab­ge­ord­nete Ves­na Schus­ter bei ein­er Kamp­fab­stim­mung um den Ses­sel der Bezirksparteiobfrau gegen Mar­tin Antauer den Kürz­eren zog, sei ihr beim Gehen durch den Gang der St. Pöl­ten Stad­trat Klaus Otzel­berg­er auf den Fuß getreten und hätte sie gle­ichzeit­ig an der Schul­ter weggestoßen.

Schus­ter sagt, sie habe Otzel­berg­er dann gefragt: „Bis du noch nor­mal, was machst du da?”, dann habe sie den Saal ver­lassen. Etwas später sei Otzel­berg­er noch ein­mal zu ihr hergekom­men und habe sich entschuldigt, daraufhin habe sie ihn angeschrien.
Otzel­berg­er schildert die Sit­u­a­tion anders und spricht von ein­er „Lügen­pro­pa­gan­da”. Er sei nach der Wahl hek­tisch nach vorne gelaufen, weil er dem Gewin­ner Antauer etwas habe sagen müssen. „Ves­na Schus­ter kam mir im Gang ent­ge­gen, ich pro­bierte noch, auszuwe­ichen, dann kol­li­dierten wir unab­sichtlich.“ (derstandard.at, 25.10.21)

Schus­ter sei sog­ar zum Arzt gegan­gen, der ihr eine Ver­let­zung an der Schul­ter attestiert habe. Von ihren Schar­mützeln ist jeden­falls jet­zt auf Face­book nichts mehr zu lesen. Ihre erbosten Ein­träge hat Schus­ter gelöscht (oder auf „pri­vat“ gestellt). 

Und da wäre noch die bur­gen­ländis­che FPÖ, die sich, wie mehrfach berichtet sukzes­sive selb­st zer­legt. 2020 war Ex-Lan­desrat Man­fred Haidinger, der zuvor im März gegen Hofer als Lan­desparteiob­mann kan­di­dierte, wegen Unbot­mäßigkeit aus­geschlossen wor­den. 

Als eine der let­zten Hand­lun­gen vor seinem Rück­tritt als Lan­desparte­ichef im Okto­ber 2020 hat­te Hofer noch seinen Parteiauss­chluss ver­fügt, weil Haidinger Schrift­stücke aus inter­nen Sitzun­gen an die Öffentlichkeit weit­ergegeben haben soll. Nach­dem das Lan­desparteigericht den Auss­chluss aufge­hoben hat, wandte sich Hofers Nach­fol­ger Petschnig an das Bun­desparteigericht. (APA via diepresse.com, 4.10.21)

Das Bun­desparteigericht bestätigte nun den Auss­chluss. Damit ist Haidinger zumin­d­est for­mal endgültig draußen.

Der „Fal­ter” ver­passte dem steirischen Nation­al­ratsab­ge­ord­neten und Burschen­schafter (aB! Oberöster­re­ich­er Ger­ma­nen in Wien) Hannes Ames­bauer zurecht den „Dolm der Woche”. Der kom­men­tierte im Innenauss­chuss einen Antrag, dass für gewalt­tätige Män­ner, gegen die ein Betre­tungsver­bot beste­ht, ein Waf­fen­ver­bot zu ver­hän­gen sei, mit der angesichts von über 20 Fem­iziden in diesem Jahr zynis­chen Bemerkung: Män­ner seien in solchen Sit­u­a­tio­nen oft die Lei­d­tra­gen­den. Frauen­leben sind der FPÖ offen­bar nur dann etwas wert, wenn die Gewalt­täter mit ein­er aus­ländis­chen Herkun­ft kon­notiert wer­den können.

Falter-Dolm der Woche: Hannes Amesbauer (FPÖ)

Fal­ter-Dolm der Woche: Hannes Ames­bauer (FPÖ)