„Es genügt nicht zu wollen, man muss es auch tun”, ist laut Stadtwebsite das Lebensmotto von Mario Eustacchio. Eine Affinität zum Geld scheint er schon rein beruflich mitzubringen: Er war Bankangestellter, bis er 2008 in die Grazer Stadtpolitik wechselte. Das Geld, das er als Stadtrat und dann als Vizebürgermeister verdiente, schien ihm nicht zu reichen: Er wollte mehr einnehmen und tat es, indem er sich mutmaßlich Körberlgelder aus der Parteikasse, die bekanntermaßen aus Steuergeld genährt wird, zufließen hatte lassen. Alleine 2019 sollen es satte 50.000 Euro gewesen sein, die Eustacchio zusätzlich zu seinen knapp 12.000 Euro-Vizebürgermeistergehalt (14x) eingestreift hatte.
Die Liste der eigenartigen Zuwendungen aus der Partei- und Klubförderung liest sich wie ein Privatsponsoring: Armin Sippel, ab 2008 Gemeinderat und Klubobmann, fühlte sich offenbar mit einem Gehalt ebenfalls unterdotiert. Er habe sich laut „Kleine Zeitung” zwischen 2012 und 2020 beim parteinahen Steirischen Verlagsverein anstellen lassen: „ein Zubrot von netto 1200 Euro im Monat zur Klubobmannsgage von 4244 Euro brutto. Dafür habe der Historiker am Archiv und der FPÖ-Geschichte und für die Parteizeitung gearbeitet.“ (Kleine Zeitung, 29.10.21 S. 18) Der Verein wurde nun mit 12.10.21 schlagartig aufgelöst.
Das scheint aber nicht alles gewesen zu sein: „Am 10. Februar 2015 ist in der Excel-Datei zu Protokoll gegeben: ‚Uhrturm Beratung Armin Sippel Steir. Verlagsverein – BELEG BEI EDER – 15.500 Euro.’ Am 11. Februar 2016: ‚Förderung Forschungsarbeit, Rechtsstellung des Bürgermeisters (Armin Sippel) 3000 Euro’. (Kleine Zeitung, 29.10.21 S. 18) Demnach hätte sich Sippel seine Abschlussarbeit bei einem Uni-Lehrgang sponsern lassen. Zusätzlich seien zwischen 2016 bis 2018 insgesamt 12.500 Euro an eine nicht existente Aktion „Fit for Life“ geflossen; davon sollte angeblich auch der RFS profitieren, der jedoch weder vom Geld noch von „Fit for Life“ etwas weiß. Es wird nun spekuliert, dass hier Sippels Lehrgangskosten bezahlt worden sein könnten.
Doch es gibt weitere aufklärungswürdige Buchungsvermerke: 2019 seien an Sippel 16.000 Euro „für politische Beratung und Repräsentation“ gegangen. 2017 und 2018 habe sich Sippel jeweils 4.000 Euro für Delegationsreisen nach Chile zuzahlen lassen. Tatsächlich finden sich Spuren von Sippels Missionen in Chile. 2017 begleitete er eine burschenschaftlich zusammengesetzte Runde mit dem Südamerika-Liebhaber Martin Graf, dem steirischen EU-Abgeordneten Georg Mayer und dem Grazer NR-Abg. Axel Kassegger auf einen Tripp. Mit an Bord war auch Eustacchios Bruder Sandro.
2018 zog es Sippel wieder mit Mayer nach Chile, um, wie es in einem Bericht heißt,
der Handelsvertrag von 2012 sei zwar immer noch gültig, aber man wolle mehr erreichen. Zum Beispiel könnte der europäische Markt für Agrar-Lebensmittel-Produkte geöffnet werden. Um diese Frage anzugehen, traf sich die Delegation am 27. März mit dem chilenischen Abgeordneten für den 26. Bezirk, Carlos Ignacio Kuschel. «Ich denke, der Besuch ist positiv, sowohl für den Agrarmarkt in der Region als auch den Export unserer Agrar- und Lebensmittelprodukte in den europäischen Markt», erklärte Kuschel.
Sippel gab sich also mit Grazer Steuergeldern ausgerechnet als Lobbyist für den Import von chilenischen Agrarprodukten in die EU? Aber dabei blieb es nicht, mann traf sich auch einschlägiger: „Die Delegation besuchte zudem die Burschenschaft Vulkania, wo sie von den Mitgliedern und dem Vorsitzenden des Alter-Herren-Verbandes, Herbert Siebert, empfangen wurde.“
Apropos Burschenschaften: An Sippels Verbindung „Marko-Germania” Graz und an Eustacchios „Stiria“ und „Allemannia Marburg“ seien zwischen 2014 und 2019 mehrfach 5.000 Euro geflossen, berichtet die „Kleine Zeitung“ am 31.10.21..
Aus diesen Buchungsvermerken erschließt sich etwa auch, dass der Grazer FPÖ-Chef und Noch-Vizebürgermeister Eustacchio, Klubchef Sippel und der Finanzreferent der Partei, Matthias Eder, in Treue und Verbundenheit ihren Burschenschaften finanziell kräftig unter die Arme gegriffen haben. Mit Steuergeld der Grazer wohlgemerkt. Über deren „Hausvereine“ sind an die Stiria (die Burschenschaft Eustacchios und Eders) und die Marko-Germania (Sippels Verbindung) und Eustacchios Schülerverbindung Allemannia Marburg zu Graz von 2014 bis 2019 mehrfach 5000 Euro geflossen. (Kleine Zeitung)
Um das Haus seiner sich in der Krise befindlichen Bundesbrüder „auf Vordermann zu bringen“, wie Sippel in einer von der „Kleinen Zeitung“ zitierten Chatnachricht (vermutlich von 2020) verlautbarte, wolle er als Klubobmann 3.500 bis 4.000 Euro von der FPÖ aufstellen.
Gelder sollen aber auch an die Identitären gegangen sein, was wenig verwunderlich scheint, da die Grazer FPÖ immer besonders enge Beziehungen zu Sellners rechtsextremer Truppe pflegte.
Aber wie schon in der Vergangenheit, als der Falter publik gemacht hatte, dass Sippel als 25-Jähriger beim neonazistischen Aufruhr-Versand einschlägige Kleidung bestellt haben soll, will der ab 17. November Ex-Klubchef nun auch mit den finanziellen Malversationen nichts zu tun haben und sieht sich ganz in Tradition seiner Partei als Opfer. Auf Facebook klingt das so: „Ich möchte unbedingt Schaden von meiner geliebten FPÖ abwenden, aber auch mich selbst aus dem Schussfeld nehmen. So viel Brutalität hält auch der stärkste Charakter nicht aus. (…) Wer weiß was die Zukunft bringt? Vielleicht gibt es ja auch wieder einmal ein politisches Comeback?“ Bis es eventuell wieder so weit ist, wird sich Sippel wohl eine andere Liebe und andere Sponsoren suchen müssen.
➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sippel und sein seltsamer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbekannten blauen Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?
➡️ zu Sippel und Eustacchio: FPÖ Graz: Bewährungsteam mit identitärem Profil
➡️ Der Standard: Die kurze Filmkarriere des Armin Sippel